Da sind wir natürlich jetzt drunter durch. Da sind wir natürlich besser. Aber das ist doch genau das Problem. Jedes Land, das den geringsten Lohnzuwachs hat, jedes Land, das die geringsten Arbeitnehmerrechte hat, jedes Land, das die geringsten ökologischen Standards hat, ist für das fließende Kapital innerhalb der Eurozone am attraktivsten. Das ist das zentrale Strukturproblem der Europäischen Union und da müssen wir ansetzen. - Danke.
Herr Gallert, es gibt noch zwei Nachfragen. Vielleicht versuchen Sie, sich kürzer zu fassen, sonst sind wir noch sehr lange hier.
Es macht immer Freude, wenn Sie zu solchen Ausführungen ausholen, das muss ich sagen. Dann kann man einmal grundsätzlicher diskutieren. Aber dafür ist das Parlament jetzt leider nicht der richtige Ort und es ist nicht die richtige Zeit.
Ich möchte nur sagen: Im Grunde ist in den letzten Jahren feststellbar - das geht schon über einen sehr langen Zeitraum -, dass die EU von innen heraus immer mehr Kritiker bekommt, weil es diese Situation gibt, die Sie beschrieben ha
ben: Einerseits sind die ökonomischen Interessen unserer Großunternehmen unter dem Dach der EU weitgehend durchgesetzt worden, andererseits ist von den riesigen Gewinnen, die unsere Unternehmen gemacht haben, bei den Menschen bei uns im Land wenig angekommen.
- Das sind die Target-Salden. Also sagen Sie nicht „Quatsch“, wenn Sie von Ökonomie überhaupt nichts verstehen. Es ist wirklich traurig, wie wenig Ahnung in diesem Parlament manchmal vorhanden ist.
dafür zu bezahlen, dass höhere Standards in ganz Europa im sozialen Bereich kommen sollen. Das sollen wir Deutschen bezahlen - aber auch bei uns wieder nicht die Konzerne, sondern wieder die einfache Bevölkerung, die nämlich jetzt, wenn der Brexit kommt, mit 8 Milliarden bis 10 Milliarden € mehr jährlich zur Kasse gebeten wird. Dann zahlen wir 40 Milliarden € ein und bekommen nur noch 8 Milliarden bis 10 Milliarden € zurück. Für 4 €, die wir einzahlen, bekommen wir 1 € zurück. Das heißt, es werden nicht nur die Griechen gegen die EU aufgehetzt, nicht nur die Italiener, nicht nur die Franzosen, sondern auch die Geberländer, weil die nämlich immer mehr hineinschießen sollen.
Die einzige Lösung, die ich sehe, ist, dass wir das, was die EU an Umverteilungsmechanismen hat, entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip zurückstutzen. Die Länder müssen sich wieder selbst entwickeln können. Die EU muss zurückgeschnitten werden.
Und den Linken speziell sage ich noch einen Satz ins Stammbuch: Wenn Sie dazu auffordern, unbegrenzt andere Menschen in unser Land hineinzunehmen in die Sozialsysteme,
dann tragen Sie dazu bei, dass Lohndumping und Dumping bei den Mietpreisen usw. auftritt. Und genau das will unsere Bevölkerung auch nicht.
Ich versuche noch einmal, auf eine Kalamität der AfD einzugehen. Ich habe jetzt bei mehreren Rednern der AfD gehört, man wolle die EU ja gar nicht beseitigen. Was ich gehört habe, ist, man will im Grunde genommen die Europäische Union als große Freihandelszone, wo eben nicht nur der Handel frei sein soll, aber bei den Leuten, da soll es schon nicht mehr so sein, also grenzüberschreitend nicht mehr, aber Kapitalfreiheit, Warenfreiheit, Dienstleistungsfreiheit will man haben. Wissen Sie, genau das ist das neoliberale Modell, das die Europäische Union in diese Existenzkrise gebracht hat.
Wenn Sie diesen Markt so homogenisieren - und das ist auch die kritische Debatte um den Euro damals gewesen - und sagen, alle sozialen Fragen müssen aber in jedem einzelnen Land gelöst werden, dann organisieren Sie den Dumpingwettbewerb steuerpolitisch, sozialpolitisch, ökologisch. Genau das ist das Problem, das die Leute erfahren. Sie werden damit erpresst, nach dem Motto: Wenn ihr nicht auf euren Lohn verzichtet, gehen wir eben nach Rumänien; da sind die Leute noch billiger, und da haben wir nicht so viele Rahmenbedingungen, die wir einhalten müssen.
Das, was wir brauchen, sind soziale Standards auch in der Arbeitnehmerwelt in Rumänien. Und das sind soziale Standards für Menschen, die zum Beispiel mit Lkw aus Osteuropa durch Deutschland hindurchfahren. Dahin müssen wir kommen; die sozialen Standards müssen wir erhöhen. Dann erleben die Menschen die Europäische Union auch als individuellen Mehrgewinn. - Danke.
Herr Gallert, Herr Poggenburg hat sich noch gemeldet, als zweiter Fragesteller von der AfD-Fraktion.
Gut. - Herr Poggenburg, dann haben Sie die Möglichkeit, eine Intervention zu machen. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Gallert, dann machen wir eine Kurzintervention daraus. Ich habe Ihrem Vortrag vorhin sehr gern zugehört, er war sehr engagiert. Ich kann dem sogar eine ganze Menge Sympathie entgegenbringen.
- Tatsächlich. - Ich habe insbesondere die Stelle als sehr positiv empfunden, an der Sie, Herr Gallert, in Ihrem Vortrag sehr differenziert haben - die Stelle fand ich sehr gut -, als es darum ging, dass Sie die Demonstranten, die Bürger, die ein bestimmtes Anliegen haben, getrennt haben von den gewaltbereiten Chaoten. Das fand ich sehr gut.
Ich fordere Sie und Ihre Gesinnungsgenossen gern dazu auf, das auch bei Demonstrationen in unserem Land so zu sehen, wenn beispielsweise auf deutschen Straßen gegen Mord und Totschlag durch Multikulti demonstriert wird. Dann möchten wir auch, dass differenziert wird: der Bürger, der hier demonstriert, und der Chaot, der eventuell dabei ist und Randale anrichtet. Wenn Sie diese Differenzierung hier für uns nicht vornehmen, dann war Ihr Vorgetragenes eben unehrlich. Also entscheiden Sie sich bitte. - Danke.
Ich danke Herrn Poggenburg für die Ausführungen. - Bevor wir in die Debatte einsteigen, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Studentinnen und Studenten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in unserem Hohen Hause zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
In der Debatte sind fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als am Dienstag im Kabinett darüber gesprochen wurde, wer zu dieser Debatte über soziale und solidarische Neuausrichtung der EU redet, kamen nur zwei Personen in Betracht: der Europaminister und die Sozialministerin.
Als Begründung dafür, dass ich hier vorn stehe, möchte ich daher deutlich sagen: weil es mir ganz wichtig ist, hier als Sozialministerin nicht nur über weiche Standards zu reden, sondern auch darüber, wie wichtig es ebenfalls ist, neben aller wirt
schaftlichen Freiheit, neben allem, was man wirtschaftlich in Freihandelszonen aufbaut, auch das soziale Miteinander und die sozialen Standards hier zu besprechen. Denn ich glaube, in der Analyse sind Herr Gallert und ich im Augenblick nicht so weit voneinander entfernt, wie man meinen könnte - auch im Bundesrat nicht, auch im Bundestag nicht und auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europaparlament nicht.
Die Erwartungshaltung, die die EU im Augenblick an die einzelnen nationalen Staaten hat, ist meines Erachtens falsch.
Sie haben Portugal angesprochen. Ja, der Sozial- und Arbeitsausschuss wird im nächsten Jahr genau aus diesen Gründen dorthin fahren, um sich anzugucken, wie man es schaffen kann, auch über soziale Komponenten wieder zu einer Art Vollbeschäftigung zu guten, fairen Arbeitsbedingungen etc. zu kommen.
Ich habe vorhin die Brexit-Debatte verfolgt. Warum haben sich denn so viele für den Brexit entschieden? Ein Aspekt der Debatte ist die ganze Zeit ausgeklammert worden. Man hat den Menschen etwas versprochen, man hat nämlich gesagt: Wenn ihr dem Brexit zustimmt, dann bekommt ihr eine soziale Komponente hinzu, nämlich eine Gesundheitsreform, also eine bessere Versorgung.
All diejenigen, die den Menschen in populistischer Manier am allermeisten versprochen haben, sind nicht mehr dabei, die sind danach alle zurückgetreten.
Jetzt scheut man sich, noch einmal über den Brexit abzustimmen; denn man hat jetzt zwei Befunde. Man hat die Enttäuschten, die sagen: „Wir glauben euch nichts mehr“, und man hat diejenigen, die sagen - diejenigen sehen vielleicht den größeren Kontext -, dass man den Brexit vielleicht doch abwenden sollte.