Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

durch das Urteil des Landgerichtes Halle (Saale) am 19. Oktober dieses Jahres stattgegeben. Anfang November 2018 ersuchte dann die zuständige Gerichtsvollzieherin die Polizeidirektion um Vollstreckungshilfe.

(Zuruf von der AfD: Also durchziehen!)

Am 21. November 2018 gegen 11:30 Uhr erfolgte seitens der Stadt Halle (Saale) die Information über ein Schreiben des „Capuze e. V.“ an die Gerichtsvollzieherin vom 19. November dieses Jahres, in dem der Verein „Capuze e. V.“ unter anderem erklärte, dass er freiwillig das Grundstück räumen wird. Die weiteren auf dem Gelände aufhältigen Personen seien keine Mitglieder des Vereins, aber mit Einverständnis des Vereins auf das Gelände gelangt.

Am Tag des Räumungstermins teilte der Rechtsanwalt des „Capuze e. V.“ mit, dass drei Personen, die nicht Mitglieder des Vereins sind, das Objekt zu Wohnzwecken nutzen. Der kurz darauf ebenfalls vor Ort eingetroffenen Gerichtsvollzieherin wurde diese Information übermittelt. Gegen 16 Uhr betrat die Gerichtsvollzieherin in Begleitung von Vertretern der Polizeidirektion SachsenAnhalt Süd sowie der Anwälte das Grundstück.

Auf dem Grundstück erfolgte die freiwillige Besitzaufgabe durch die Mitglieder des „Capuze e. V.“. Danach gaben drei vor Ort rechtsanwaltlich vertretene Personen gegenüber der Gerichtsvollzieherin an, das Objekt zu Wohnzwecken zu nutzen. Alle drei Personen machten freiwillige Angaben zu ihren Personalien.

Die nunmehr von der Gerichtsvollzieherin geforderte Beräumung des Geländes durch die Polizeidirektion lehnte diese unter Hinweis auf die evidente Rechtwidrigkeit ab. Die Anwendung von Zwangsmitteln gegen die noch im Objekt befindlichen Personen wurde abgelehnt, da der Räumungstitel bereits vollstreckt war und sich eben nicht gegen diese drei Personen richtete. Der Titel richtete sich gegen „Capuze e. V.“, der eine juristische Person ist. Durch die freiwillige Besitzaufgabe hatte sich der Vollstreckungstitel erledigt, aber gegen die drei weiteren Personen, die eben nicht Mitglieder dieses Vereins waren, lag kein Vollstreckungstitel des Gerichtes vor.

Außerhalb des Strafverfahrens obliegt - -

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

- Zuhören, Herr Poggenburg! Wir reden über Recht und nicht über Politik.

Außerhalb des Strafverfahrens obliegt den Vollstreckungsbeamten der Justizverwaltung die

Durchführung der Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung. Sie können die Polizei um Unterstützung ersuchen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles Widerstand gegen die Vollstreckungshandlung erwarten lassen. Alle zum persönlichen Schutz der Gerichtsvollzieherin erforderlichen Maßnahmen hat die Polizei insofern gewährt.

Die Ablehnung betrifft ausschließlich die Mitwirkung bei Vollstreckungshandlungen zur Verbringung dritter Personen vom Grundstück. Mit der Aufgabe des Besitzes - ich wiederhole das - durch die Mitglieder des „Capuze e. V.“ und der Übergabe der Schlüssel an die Gerichtsvollzieherin ist die durch den Räumungstitel legitimierte Vollstreckung erfolgt.

Jetzt wird es wichtig: Der Vollstreckungstitel muss nach der ständigen Rechtsprechung den Schuldner eindeutig bezeichnen. In dem Titel muss der Schuldner eindeutig stehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Räumungsvollstreckung ein rechtswidrig besetztes Grundstück betrifft. Für oder gegen andere als im Titel bezeichnete Personen darf die Zwangsvollstreckung nicht erfolgen.

In dem vorliegenden Fall richtet sich der Titel nur gegen den Verein und seine Mitglieder. Daher kann aus diesem Titel gegen dritte Personen nicht vollstreckt werden. Ansonsten hätten wir auf der Grundlage des Titels auch bei Herrn Lehmann zu Hause eine Vollstreckung durchführen können. Dann hätten Sie mich aber gefragt, ob wir noch ganz klar sind.

(André Poggenburg, AfD: Das ist ein ganz anderes Objekt!)

Der Bundesgerichtshof - das ist eine BGH-Rechtsprechung - hat deutlich gemacht, dass ein Räumungstitel, der lediglich auf die Räumlichkeit bezogen ist, mit den Grundsätzen des deutschen Vollstreckungsrechtes nicht vereinbar ist. Ein Titel richtet sich also gegen bestimmte Personenschuldner und nicht auf ein Leerräumen eines Objektes gegen jedermann. Ein Vollstreckungstitel in Deutschland gilt nur gegen natürliche oder juristische Personen und nicht für Gebäude. Das muss die AfD akzeptieren.

(André Poggenburg, AfD: Immer neue Hür- den!)

Die drei Personen haben Besitz zu Wohnzwecken vorgetragen und der Räumungstitel richtet sich nicht gegen diese Personen. Eine weitergehende Vollstreckung aus dem Urteil wäre rechtswidrig gewesen, schlicht und ergreifend rechtswidrig. Eine Anwendung von Zwang durch die Polizei bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit ist nicht vertretbar.

(Beifall bei der CDU)

Die Polizei hat trotz der grundsätzlichen Verantwortung der Justizvollzugsbeamten in eine Prüfung darüber einzutreten, ob die Maßnahme, die vollzogen werden soll, offensichtlich unzulässig bzw. rechtswidrig ist. Es darf nicht vergessen werden, dass es sich bei den von der Gerichtsvollzieherin geforderten Maßnahmen um Maßnahmen handelt, die sich bei Rechtswidrigkeit als strafbare Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung manifestieren.

Das hätte bedeutet, dass die Polizei eine Straftat begangen und sich damit strafbar gemacht hätte, und dass der Widerstand der drei, die dort gewohnt haben, gegenüber der Polizei unter Notwehr zu subsumieren gewesen wäre. Das hätte sich also völlig umgekehrt.

Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass bei rechtswidrigen Vollstreckungshandlungen der Widerstand der Betroffenen rechtmäßig gewesen wäre. In eine solche Lage wollte und konnte die Führung der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd in ihrer Verantwortung für den Rechtsstaat nicht geraten und in diese Lage konnte sie ihre Beamten auch nicht sehenden Auges hineinlaufen lassen. Ob der Besitz der dritten Personen tatsächlich rechtmäßig ist, ist grundsätzlich nicht im Vollstreckungsverfahren vorzuentscheiden, sondern durch die Zivilgerichte in ordentlichen Verfahren zu klären, an denen diese Dritten auch beteiligt sind.

Nochmals: Die Räumungsvollstreckung darf nicht betrieben werden, wenn ein Dritter, der weder im Vollstreckungstitel noch in der Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist, im Besitz der Mietsache ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz nur deshalb eingeräumt worden, um die Vollstreckung zu vereiteln.

Nicht zuletzt im Urteil des Landgerichtes Halle vom 19. Oktober 2018 - dies ist der der Räumung zugrunde liegende Titel - wird deutlich, dass bereits im Laufe der mündlichen Verhandlung Besitz Dritter im Raume stand und dass gegen diese der Räumungstitel keine Wirkung zeigen wird. Die drei Personen sind also nicht vom Himmel gefallen, wie Sie offensichtlich meinen. Die Abfolge der Ereignisse und das Handeln der Polizeidirektion waren nicht überraschend.

Die Polizeidirektion ordnete auch auf der Grundlage des Gefahrenabwehrrechtes eine Räumung nicht an, da sie - wenig überraschend - den hierfür notwendigen Verdacht eines Hausfriedensbruchs gemäß § 163 des Strafgesetzbuches nicht in hinreichendem Maße gegeben sah. Dies erfolgte übrigens in Übereinstimmung mit der kontaktierten Staatsanwaltschaft in Halle.

Auch hierzu gibt es Rechtsprechung, nach der ein wegen Hausfriedensbruchs gestellter Strafantrag eines Vermieters gegen Untermieter und deren Sympathisanten, die sich gegen eine Zwangsräumung zur Wehr setzen, unwirksam ist, wenn der Vermieter keine gerichtliche Klärung dahin gehend herbeigeführt hat.

Das Ergebnis mag nicht jeden befriedigen, aber die Grenzen des polizeilichen Handelns werden

durch das Recht gesetzt. Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd hat hier dem Recht Vorrang vor privaten oder politischen Interessen gegeben. Kann oder darf ich als Innenminister etwas anderes von ihr verlangen? - Ich denke, nein.

Ich sage eines ganz deutlich, weil ich jemand bin, der zur Verantwortung steht: Ich stehe voll zu der Entscheidung der Polizeidirektion Süd und ich trage die Verantwortung dafür mit. Ich tue das nach bestem Wissen und Gewissen, weil wir uns an Recht und Ordnung halten und nicht an politische Vorgaben. Dass ich mir persönlich etwas anderes gewünscht hätte, dass ich die Besetzung nie gut gefunden habe, das habe ich hier deutlich gemacht. Aber ich trage die Entscheidung meiner Polizei mit und stehe da zu meiner Polizei, weil sie sich rechtmäßig verhalten hat.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie mich dafür rügen und missbilligen wollen, dass wir Recht einhalten, dann würde ich das in dem Fall eher als Auszeichnung denn als Tadel empfinden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich glaube, mehr muss ich jetzt hier wirklich nicht ausführen. Ich habe mich, anders als in anderen Fällen, auch ganz bewusst dafür entscheiden, selbst dazu zu reden, weil das, was wir getan haben, richtig war. Ich denke, wir sollten es dabei jetzt bewenden lassen und lieber gucken, dass es in Zukunft vernünftige Räumungstitel gibt. Wir sollten solche Streitereien nicht auf dem Rücken der Polizei austragen, wenn eine HWG nicht in der Lage ist, mit ihren Anwälten einen vernünftigen Räumungstitel herbeizuführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, ich habe Ihre Bitte sehr wohl verstanden. Allerdings lautet die Regel: bei einer Dreiminutendebatte eine Nachfrage pro Fraktion. - Dann fangen wir einmal an. Zuerst Herr Hövelmann. Herr Hövelmann, Sie haben das Wort.

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Stahlknecht, ich habe zwei Fragen. Erstens: Erfolgt im Ministerium für Inneres und Sport oder in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd eine Prüfung dahin gehend, ob die Kosten für den Polizeieinsatz dem Verursacher in Rechnung gestellt werden können?

Zweitens: Wer trägt die Abschleppkosten für die in der Hafenstraße geparkten und vor dem Polizeieinsatz entfernten Fahrzeuge?

Bevor ich jetzt zu dem zweiten Teil etwas sage, was ich hier aus dem Stand nicht kann - - Zu der Frage: War da ein Parkverbot; durften die dort stehen oder durften die dort nicht stehen? - Wenn einer im Parkverbot stand, trägt er die Kosten für das Entfernen des Fahrzeugs. So einfach ist das Leben.

(Zustimmung bei der CDU)

Da ich davon ausgehe, dass die Polizei nicht anfängt abzuschleppen, ohne dass dort ein Parkverbot war - -

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Es gab ei- nes!)

- Herr Striegel sagt, es gab eines. Dann bitte ich darum, den Autofahrern auszurichten, zukünftig woanders zu parken.

Zu der Frage, ob wir prüfen, die Kosten in Rechnung zu stellen. Darüber haben wir nicht gesprochen. Ich glaube auch nicht, dass wir das ernsthaft überlegen. Am Ende haben wir Vollstreckungshilfe geleistet in der Weise, dass wir die Gerichtsvollzieherin beim Betreten des Hauses geschützt haben. Dass sich am Ende eine Vollstreckung nicht realisiert, das ist ein Risiko, das nun einmal vorhanden ist.

Dann fahren wir fort. Der Abg. Herr Rausch hat sich gemeldet; er hat eine Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Stahlknecht, Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, dass der Verein „Capuze“ an die drei Personen untervermietet hätte. Da ist die eine Frage: Haben Sie denn nach § 535 ff. BGB, also nach dem Mietrecht, auch geklärt, ob der Vermieter überhaupt zugestimmt hat? Denn ansonsten wäre diese Vereinbarung zwischen „Capuze“ und den anderen drei Beteiligten nichtig und unwirksam gewesen.

Die zweite Frage: Hat die Polizeidirektion geklärt, ob von dem Verein „Capuze“, wie gesetzlich vorgeschrieben, überhaupt eine sogenannte Wohnungsgeberbescheinigung ausgefüllt wurde?

Denn jedermann, der diese Räume zu Wohnzwecken nutzt, muss bei der Kommune gemeldet werden. Das erfolgt durch eine Wohnungsgeberbescheinigung; dazu ist man gesetzlich verpflichtet. Macht man das nicht, muss man hohe Straßen bezahlen, bis zu 50 000 €. Wurde das überhaupt geprüft?

Zu der ersten Frage, ob sie ein abgeleitetes Besitzrecht haben oder ein von sich selbst ausgesprochenes, das kann dahingestellt bleiben, weil am Ende entscheidend ist, dass in dem Vollstreckungstitel die betroffenen Personen stehen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE - Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

- Wir haben nicht zivilrechtliche Mietverhältnisse zu beurteilen. Ich habe mit Ihnen jetzt nicht über abgeleitetes - - Ich will jetzt wirklich keine Rechtsvorlesung machen. Das machte mir sogar Freude,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Machen Sie das, das würde vielleicht etwas bringen!)