Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

„Ein grandioser Erfolg! Die betrieblichschulischen Auszubildenden in kommunalen Krankenhäusern und Unikliniken erhalten ab dem 1. Januar 2019 eine Vergütung. Ver.di und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) haben am 30. Oktober 2018 vereinbart, dass Auszubildende zu Medizinisch-technischen Assistentinnen, Physiotherapeutinnen, Diätassistentinnen, Orthoptistinnen, Logopädinnen und Ergotherapeutinnen in den Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) einbezogen werden.“

Im Land Sachsen-Anhalt betrifft dies nicht einen einzigen Azubi, wie Ihre Antwort auf die Kleine Anfrage des Abg. Herrn Swen Knöchel vom 14. November 2018 zeigt. Die Bindung an Tarifvereinbarungen der öffentlichen Hand besteht von den 48 Krankenhäusern nur noch für das Städtische Klinikum Dessau. Alle anderen sind nicht an die Rahmenvereinbarungen gebunden.

Das Klinikum Dessau bildet jedoch derzeit nur Gesundheits- und Krankenpflegerinnen aus. Für diese wird ohnehin schon eine Ausbildungsvergütung gezahlt. Das heißt, der Tarifvertrag bewegt für keinen einzigen Azubi hier im Land etwas.

(Beifall bei der LINKEN)

Die bisher gegangenen Schritte zur Bezahlung der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, der Altenpflegerinnen und der eben Erwähnten, die im öffentlichen Dienst eine Ausbildungsvergütung ab dem 1. Januar 2019 erhalten, reichen bei Weitem nicht aus, um die Ausbildung so attraktiv zu machen, dass sich mehr junge Menschen dafür interessieren.

Nach den Ausführungen meiner Vorrednerinnen in der Fragestunde der letzten Landtagssitzung und in der jetzigen Aktuellen Debatte stellt sich also eigentlich gar nicht mehr die Frage, ob eine Schulgeldfreiheit kommt, sondern nur noch die Frage nach dem Wie.

(Beifall bei der LINKEN - Cornelia Lüdde- mann, GRÜNE: Und wann!)

- Und wann. Danke, Frau Lüddemann. - Ich halte die Alleingänge der einzelnen Bundesländer in dieser Sache für falsch. Es ist nur über Krücken wie die Einrichtung von Fonds aus Landesmitteln machbar. Wir brauchen eigentlich eine bundesweit einheitliche Regelung. Dafür sehe ich zwei Möglichkeiten: zum Ersten die Umlageregelung im KHG des Bundes, durch die auch die Profiteure

der gut ausgebildeten Fachkräfte finanziell beteiligt werden, nämlich die Krankenkassen

(Beifall bei der LINKEN)

und die Arbeitgeber im medizinischen Bereich, die nicht ausbilden und sich darauf verlassen, dass es irgendjemand schon tun wird;

zum Zweiten - das wäre für mich die elegantere Lösung - die bundesweite Übernahme der betreffenden Berufe in das Berufsbildungsgesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich freue mich schon jetzt auf die Debatten dazu im nächsten Jahr, allerspätestens wenn es um den Haushalt für die Jahre 2020 und 2021 geht und dann noch konkreter wird, und wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Hildebrandt. Ich sehe keine Fragen. - Bevor wir in die schöne Weihnachtszeit schlittern, haben wir noch etwas zu tun. Ich denke, wir sollten daran arbeiten, dass es zügig vorangeht. Wir liegen heute auch sehr gut in der Zeit; das muss ich sagen.

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Krull. Sie haben das Wort, bitte.

(Unruhe)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass wir uns heute mit der Steigerung der Attraktivität der Erzieher- und Gesundheitsberufe beschäftigen.

Problematisch ist aus unserer Sicht aber die Verkürzung dieser Debatte auf das Thema Schulgeldfreiheit. Es stellt sich die Frage, warum es gerade dieser eine Punkt ist, der uns hierbei beschäftigen sollte, um die Attraktivität von Sozial- und Gesundheitsberufen zu steigern, auch weil die Auszubildenden, die an staatlichen Berufsschulen ausgebildet werden, zum Beispiel an den Magdeburger Berufsbildenden Schulen „Dr. Otto

Schlein“, überhaupt kein Schulgeld bezahlen müssen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen: Wir schätzen die Rolle der Privatschulen; denn ohne sie könnten wir den Bedarf in unserem Land nicht decken.

Laut Statistischem Jahrbuch des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2018 waren in den Kindertageseinrichtungen zum 1. März 2018 20 741 Personen beschäftigt, davon 18 075 als pädagogisches, Leitungs- und Verwaltungspersonal.

Gemäß dem Gutachten des Zentrums für Sozialforschung zur Situation der Kinderbetreuung in unserem Bundesland sind mehr als 50 % des pädagogischen Personals in Sachsen-Anhalt älter als 50 Jahre. Ich denke, dies macht die Notwendigkeit deutlich, dass wir uns rechtzeitig um die Frage der Gewinnung neuer Fachkräfte kümmern müssen. Damit haben sich verschiedene Gremien bei örtlichen Terminen in Sachsen-Anhalt bereits auseinandergesetzt. Darüber hinaus war dieses Thema auch immer wieder Inhalt von Gesprächen und Besuchen in Kindertageseinrichtungen durch meine Person in diesem Bundesland.

Als CDU-Landtagsfraktion haben wir uns gemeinsam mit unseren sächsischen Kollegen im August dieses Jahres auf einige Punkte verständigt, die aus unserer Sicht zur Attraktivitätssteigerung des Erzieher- bzw. des Erzieherinnenberufes in Sachsen-Anhalt und bundesweit notwendig sind. Folgende Punkte wurden dabei beschlossen:

Erstens. Die Dauer der Ausbildung von Fachkräften für den Erzieherberuf in Kindertageseinrichtungen ist zu verkürzen, um so Engpässe bei der Nachwuchsgewinnung zu vermeiden. Dabei legen wir jedoch auch weiterhin großen Wert auf die Qualität der Ausbildung.

Zweitens. Die Ausbildungsgänge der Erstausbildung sind für die Qualifizierung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern mit einer bereits erlangten oder anderweitigen Berufsausbildung zu öffnen.

Drittens. Die Anerkennung von fachnahen Studienabschlüssen in diesem Bereich ist zu erleichtern.

Viertens. Im Rahmen eines Modellprojektes soll auch in Sachsen die Einführung eines stärker dual orientierten Ausbildungsganges zur Fachkraft für Kindertageseinrichtungen initiiert werden. Dadurch soll eine kürzere Ausbildungsdauer, insbesondere auch für Bewerberinnen und Bewerber mit einem Realschulabschluss, in einer Erstausbildung erprobt werden. In diesem Zusammenhang soll auch überlegt werden, wie die Einführung einer Ausbildungsvergütung umgesetzt werden kann.

Fünftens. Die Ausbildung der Absolventinnen und Absolventen des Modellprojektes ist mit dem Ziel zu gewährleisten, einen Abschluss als staatlich anerkannte Erzieherin bzw. staatlich anerkannter Erzieher zu erlangen. Dafür sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.

Sechstens. Im Rahmen des Modellprojektes ist zu untersuchen und zu erproben, inwieweit eine stärkere Bindung der Auszubildenden an den Praxispartner - in Klammern: den Träger der Kindertageseinrichtung - erreicht werden kann.

(Unruhe)

Unser Ziel ist es, die Träger der Kindertageseinrichtungen künftig besser in die Lage zu versetzen, sich ihren Personalnachwuchs selbst zu akquirieren,

(Unruhe)

Herr Krull, darf ich Sie ganz kurz unterbrechen? - Es ist sehr anstrengend, wenn das Grummeln immer lauter wird. Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Thema. Deshalb bitte ich, etwas mehr Ruhe zu bewahren und zuzuhören. - Bitte, Herr Krull.

ihn bereits während der Ausbildungszeit stärker zu fördern und ihn damit an sich zu binden.

Siebentens - das ist der letzte Punkt. Die beiden Länder setzen sich im Rahmen der Kultusministerkonferenz dafür ein, die regelhafte bundesweite Anerkennung einer kürzeren dual orientierten Erstausbildung zu erreichen. - Zu dem letztgenannten Punkt haben wir bereits eine entsprechende Beschlusslage im Hohen Hause.

Gerade die Erfahrungen mit dem Modellprogramm Fachkraft in Kindertageseinrichtungen - kurz: „Kitaler“ - machen deutlich, dass viele unterschiedliche Faktoren zu beachten sind, um nachhaltige Erfolge zu erzielen. Zwischenzeitlich hat sich übrigens auch die CDU-Landtagsfraktion des Freistaates Thüringen zu diesem Thesenpapier bekannt und wird es unterstützen.

Wir freuen uns natürlich grundsätzlich über die Ankündigung der zuständigen Bundesministerin, den Ländern zusätzliche Mittel in Höhe von 300 Millionen € für eine Fachkräfteoffensive zur Verfügung zu stellen. Die genaue Ausgestaltung bleibt jedoch abzuwarten. Ebenso wie beim GuteKita-Gesetz, das in der letzten Woche durch Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde, wird gegebenenfalls Änderungsbedarf bestehen. Auch brauchen wir verstetigte Programme und nicht nur Finanzierungszusagen über drei oder vier Jahre.

Nun möchte ich mich den Gesundheitsberufen zuwenden. Die Antragstellerin zählt in ihrem Antrag eine ganze Anzahl von Berufsbildern auf, bei denen die Auszubildenden möglicherweise, teilweise sogar überwiegend, Schulgeld bezahlen müssen.

Bereits in der Fragestunde der letzten Landtagssitzung fragte meine geschätzte Kollegin Conny Lüddemann die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration Petra Grimm-Benne, wann die Schulgeldfreiheit für die Heilmittelberufe, also für die physiologische Therapie - sprich: Physiotherapie und Krankengymnastik -, für die podologische Therapie, die Stimm-, Sprech- und Sprachthera

pie - Logopädie - und die Ergotherapie in Sachsen-Anhalt realisiert wird. Die Ministerin führte dazu aus, dass dies für das Jahr 2020 geplant sei.

Auch aus der Sicht meiner Fraktion ist dies grundsätzlich zu begrüßen. Es muss aber vorher geklärt werden, wie eine dauerhafte Finanzierung dieser Aufgabe erfolgen kann - also nicht nur die Organisation, sondern auch der Umfang der finanziellen Belastungen, die auf das Land Sachsen-Anhalt zukommen würden.

Erst gestern haben wir im Hohen Haus die Einrichtung eines Sondervermögens zur Finanzierung der Ausbildung im Pflegebereich beschlossen. Dem ging leider der erfolglose Versuch voraus, eine mitteldeutsche Lösung gemeinsam mit anderen Bundesländern zu finden. Aber vielleicht gelingt das im Nachgang ja noch. Nach groben Schätzungen wird allein die Finanzierung der Physiotherapeutenausbildung zusätzliche Mittel im einstelligen Millionenbereich pro Jahr kosten.

Auch den Beschäftigten in Heilmittelberufen geht es nicht nur um die Frage der Schulgeldfreiheit, auch wenn dieses Thema sicherlich ganz weit oben auf der Agenda steht. Das haben mir zahlreiche Gespräche mit entsprechenden Interessens- und Verbandsvertretern deutlich gemacht, unter anderem auch ein Gespräch mit Physiotherapeuten in Bitterfeld, das erst vor wenigen Tagen auf Anregung meines Fraktionskollegen Lars-Jörn Zimmer zustande kam. Dort wurde beispielsweise auch die Überarbeitung der Ausbildungsrichtlinien gefordert.

Die Bundesregierung, in diesem Fall das Bundesgesundheitsministerium mit Jens Spahn an der Spitze, hat diese Debatten aufgegriffen und konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Dazu zählt unter anderem das Ziel, die Entwicklung der Vergütungssätze zukünftig dauerhaft von der Entwicklung der Grundlohnsummensteigerung abzukoppeln. Zukünftig soll es auch keine unterschiedlichen Vergütungssätze in den Ländern mehr geben, sondern es gilt automatisch der höchste vereinbarte Satz in allen Bundesländern. Gerade in den neuen Bundesländern wird dies für die Heilmittelerbringer zu einer deutlichen Verbesserung der Einkommenssituation führen.

Auch die Chancen der Digitalisierung sollen stärker vor allem zur Entlastung von Bürokratie für die Heilmittelerbringer genutzt werden. Darüber hinaus soll ihnen auch mehr Verantwortung durch das Ausstellen von Blankoverordnungen durch die Ärzteschaft übertragen werden.

Das waren jetzt nur einige Punkte. Diese machen aber deutlich, vor welchen Herausforderungen wir stehen, damit eine Versorgung mit den entsprechenden Leistungen im Sinne der Patienten auch zukünftig sichergestellt werden kann, wobei ich

manchmal schon den Eindruck habe, dass es nicht fünf vor zwölf ist, sondern schon fünf nach zwölf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt möchte ich noch einige grundsätzliche Ausführungen machen. Wir alle möchten mehr Lehrerinnen und Lehrer, mehr Polizistinnen und Polizisten, mehr Auszubildende in Handwerksberufen, in der Gastronomie und in der Industrie - ich könnte diese Liste wohl unendlich fortführen. In diesem begrenzten Markt möchte ich aber auch, dass sich junge Menschen für die Ausbildung in einem sozialen oder in einem Gesundheitsberuf entscheiden. Dass die Akademisierung dafür das Allheilmittel ist, stelle ich hier in Zweifel; denn dadurch würden diverse Schülerinnen und Schüler davon ausgeschlossen.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Die Schulgeldfreiheit ist hierbei wichtig, aber genauso auch die Zahlung von Ausbildungsvergütungen. Denn warum sollte ein junger Mensch eine mehrjährige Ausbildung absolvieren, wenn er keine Vergütung erhält oder vielleicht sogar Schulgeld zahlen muss, und das mit der Perspektive, auch nach einem erfolgreichen Berufsabschluss nicht zu der Gruppe der Personen mit einem deutlich überdurchschnittlichen Einkommen zu gehören?