Die Schulgeldfreiheit ist hierbei wichtig, aber genauso auch die Zahlung von Ausbildungsvergütungen. Denn warum sollte ein junger Mensch eine mehrjährige Ausbildung absolvieren, wenn er keine Vergütung erhält oder vielleicht sogar Schulgeld zahlen muss, und das mit der Perspektive, auch nach einem erfolgreichen Berufsabschluss nicht zu der Gruppe der Personen mit einem deutlich überdurchschnittlichen Einkommen zu gehören?
Daneben sind wir alle hier gefordert, deutlich zu machen, welchen großen Wert die sozialen und die Gesundheitsberufe für unsere Gesellschaft haben, und damit unseren Beitrag für ein positives Image dieser Berufe zu leisten. Darüber hinaus müssen wir uns nicht nur darüber Gedanken machen, wie wir neue Fachkräfte gewinnen können; es muss uns auch darum gehen, wie es uns gelingen kann, dass diejenigen Menschen, die sich einmal für ein solches Berufsbild entschieden haben, diesen Beruf auch möglichst lange ausüben können. Hierbei gibt es noch erhebliche Potenziale. Dies wird deutlich, wenn wir uns anschauen, dass zum Beispiel Rettungsassistenten meistens nur 16 Jahre lang in diesem Beruf verbleiben.
Ich bin mir 100-prozentig sicher, dass dies nicht die letzte Debatte zu diesem Themenkomplex hier im Hohen Hause war.
Noch ein kleiner technischer Hinweis: Bei dem Obleutetreffen der Innenpolitiker ändert sich der Raum; vielleicht hat es der eine oder andere schon bemerkt: Zum Beginn der Mittagspause treffen sich die Obleute im Raum B1 09. Es gab eine Raumänderung. Nur, damit Sie nachher wissen, wohin Sie gehen müssen.
Vielen Dank, Frau Präsident. - Anna, zehn Jahre alt, geht in die 4. Klasse. In der Vorweihnachtszeit gibt es in ihrer Schule eine Projektwoche. Es geht darin um die Bedeutung von Familie und Freundschaft, um Begriffe wie Sicherheit, Geborgenheit und Liebe. Anna haben die Erzählungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler aufgewühlt und verunsichert; denn Anna empfindet große Unterschiede zwischen den Erzählungen aus ihren Familien und ihrem eigenen Erleben von Familie und Freundschaft.
Anna lebt in einer komplizierten Familiensituation. Ihre Eltern haben sich getrennt und Anna fühlt sich oft als Verursacherin der Probleme ihrer Eltern. Ihre Mutter hat ihr verboten, ihren Vater zu sehen. In der Schule ist Anna viel schlechter geworden und bringt fast nur noch schlechte Noten nach Hause. Weil Anna unter ADHS leidet, nimmt sie sich oft als Störenfried wahr. Unter ihren Mitschülern hat sie keine Freunde, obwohl sie sich genau das so sehr wünscht.
Eigentlich hat Anna gar keine Lust mehr, zur Schule zu gehen; denn für sie hat alles keinen Sinn mehr. Sie geht täglich an einen Ort, an dem sie keiner mag und an dem sie nur negative Rückmeldungen bekommt. Auch ihre Mutter macht sie mit ihren schlechten Noten unglücklich. Welchen Sinn sollte Anna also darin sehen, zur Schule zu gehen? Für Anna ist die Schule eine Last, die immer schwerer wiegt, eine Last, die die Zehnjährige kaum allein tragen kann.
Meine Damen und Herren! Anna gibt es wirklich und ihre Geschichte ist kein Einzelfall. 25 % der Kinder in Ostdeutschland wachsen bei nur einem Elternteil auf, die Tendenz ist steigend. Jedes fünfte Kind in Sachsen-Anhalt lebt von Hartz IV - ein Indikator, der auf schwierige Bedingungen beim Großwerden hindeutet. An ADHS leidet bundesweit fast jedes 20. Kind.
Doch wie geht es mit Anna weiter? - Weil es an Annas Grundschule eine Schulsozialarbeiterin gibt, der sich Anna anvertrauen kann, ist Folgendes passiert: In vorsichtigen gemeinsamen Gesprächen wurde klar, dass Annas ADHS falsch medikamentiert wurde. Folglich litt Anna unter ihrem geringen Konzentrationsvermögen und konnte dem Unterricht schlecht folgen. Dank gemeinsamer Gespräche mit der Mutter konnte das geändert werden.
Die Schulsozialarbeiterin organisierte zudem in Rücksprache mit Anna eine Hausaufgabenhilfe. So konnte Anna den Schulstoff aufholen und endlich wieder anknüpfen. Das spiegelte sich auch bald in Annas Noten wider.
Mit der Klasse machte die Schulsozialarbeiterin ein gezieltes Training für ein besseres Klassenklima. Sie sensibilisierte die Kinder für die Folgen des eigenen Handelns, und sie half ihnen dabei, wertschätzend miteinander umgehen zu können. Dabei war Anna als Person kein Thema, aber Annas Mitschülerinnen und Mitschüler gingen plötzlich sorgsamer miteinander um und nahmen es wahr, wenn jemand ausgegrenzt wurde.
Zunehmend wurde Anna in die Klassengemeinschaft integriert. Sie sprach plötzlich von Freunden und wurde zum ersten Mal seit langer Zeit zu einem Geburtstag eingeladen. Das tat sichtlich gut. Der Gedanke, nicht mehr zur Schule gehen zu wollen und nichts auf die Reihe zu kriegen, schwand als Thema aus Annas Gedanken. Regelmäßig besuchte Anna nach wie vor die Schulsozialarbeiterin an ihrer Schule. Diese half ihr, Mut und Zuversicht zu fassen, als der Wechsel von der Grundschule an die weiterführende Schule anstand. Durch ein Projekt, das den Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule begleitet und von einer Netzwerkstelle regelmäßig organisiert wird, gelang Anna ein guter Übergang.
Das ist gelungen, weil sich jemand dafür verantwortlich fühlte, Anna zu helfen und dies auch konnte - eine Schulsozialarbeiterin, die genau dafür das pädagogische Wissen und Rüstzeug hat, und ein starkes Netzwerk, bestehend aus Partnerinnen und Partnern in der Kinder- und Jugendhilfe. Das war Annas Glück und es ist auch das Glück vieler anderer Kinder und Jugendlicher in unserem Land.
Schulsozialarbeit täglich leistet. Die Menschen, die sich täglich unermüdlich und oft über die normalen, regulären Arbeitszeiten hinaus dafür einsetzen, dass der Schul- und Bildungserfolg für möglichst alle Kinder in dieser Gesellschaft gelingt, verdienen unser aller Anerkennung. Sie alle machen eine tolle Arbeit; ihnen gebührt unser aller Dank dafür.
Ich persönlich und wir als Bündnisgrüne-Fraktion waren insbesondere seit dem Sommer extrem aktiv, um die Schulsozialarbeit für unsere Kinder und Jugendlichen in einem Landesprogramm dauerhaft zu sichern. Die Schulsozialarbeit war ein großes Thema in der Fraktionsklausur im Sommer. Wir haben ein Fachgespräch mit allen Netzwerkstellen und der Landeskoordinierungsstelle durchgeführt. Unsere Fraktion hat die Programmklausur für das Projekt „Schulerfolg sichern“ besucht und wurde zum Treffen des Aktionsbündnisses „Schulsozialarbeit dauerhaft verankern!“ eingeladen. Auch mit der Elterninitiative „Pro Schulsozialarbeit“ stehen wir in Kontakt.
Extrem aktiv waren wir deswegen, weil die Finanzierung der Schulsozialarbeit durch den Europäischen Strukturfonds mit dem Ende des nächsten Schuljahres im Sommer 2020 ausläuft. Wir stehen also in der Pflicht, uns frühzeitig darum zu kümmern, wie es mit der Schulsozialarbeit weitergeht. Wir stehen in der Pflicht, ein Signal vor allem an all diejenigen zu senden, die an unseren Schulen im Bereich der Schulsozialarbeit aktiv sind. Genau deshalb liegt Ihnen heute dieser Antrag vor, der aus grüner Initiative entstanden ist und gemeinsam von uns als Koalition heute hier eingebracht wird.
Ich möchte an dieser Stelle kurz etwas einschieben: Ich möchte ein Dankeschön an die Fraktion DIE LINKE senden. Sie haben seit dem Beginn der Legislaturperiode mit vielen Anträgen dazu beigetragen, dass wir in den Ausschüssen intensiv über dieses Thema diskutiert haben. Wir haben in Fachgesprächen viele Meinungen gehört. Das hat durchaus dazu geführt, dass wir koalitionsintern eine gemeinsame Meinungsbildung und eine gemeinsame Verfahrensweise innerhalb der Koalition gefunden haben. - Vielleicht führt dieser wertschätzende Einschub dazu, dass Sie heute Ihren Alternativantrag zurückziehen und unserem Antrag zustimmen können.
Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt arbeiten 380 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in 350 Projekten des Programms „Schulerfolg sichern“. In einem bundesweit einzigartigen Netzwerk sind diese in starke regionale und landesweite Strukturen eingebettet. Diese
Strukturen gilt es zu erhalten. Das hat auch das Fachgespräch im Bildungsausschuss deutlich zum Ausdruck gebracht.
Wir haben nicht nur Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, die jeder für sich mit ihren individuellen Stärken und Schwächen als Einzelkämpfer ihrer Arbeit nachgehen, sondern wir haben ein Netzwerk, das die individuellen Stärken und das lokale Wissen für alle bündelt und zugänglich macht, ein Netzwerk, das die Schulsozialarbeiter und die Schulsozialarbeiterinnen bei der Arbeit unterstützt, ihnen hilft und ihnen eine Stimme gibt.
In jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt haben wir sogenannte regionale Netzwerkstellen für Schulerfolg, insgesamt sind es 14. Dort werden die sozialpädagogischen Fachkräfte beraten und begleitet. Dort werden gezielte Fortbildungen angeboten, dort findet ein Austausch statt. Es wird gemeinsam nach Lösungen gesucht und es werden Erfahrungen ausgetauscht.
Durch die unmittelbare Nähe zu den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern schaffen es die Netzwerkstellen, den Stallgeruch, also die Bedürfnislagen und Herausforderungen der Kinder und Jugendlichen in den Schulen, mit in die Ämter, Gremien und Institutionen zu tragen, damit dort über Inhalte diskutiert wird und Beschlüsse gefasst werden, die auf die tatsächlichen Bedarfe reagieren, und damit darüber hinaus Bildungsprojekte in den Regionen entworfen und gemeinsam mit den Partnern in den Regionen durchgeführt werden können.
Die Netzwerkstellen sind damit Motor und Gestalter der regionalen Bildungslandschaften. Auf der Landesebene werden sie durch die landesweite Koordinierungsstelle für Schulerfolg vertreten.
Meine Fraktion und ich sind überzeugt davon, dass die Schulsozialarbeit Wertvolles leistet. Es ist großartig, was gemeinsam von vielen Akteurinnen und Akteuren in den letzten zehn Jahren für unsere Kinder und Jugendlichen geschaffen wurde. Hierbei sind wir im bundesweiten Vergleich Spitze und wir werden beneidet.
Meine Damen und Herren! Es wird Zeit, dass wir endlich eine Klärung herbeiführen. Dieser Antrag ist ein wichtiger erster Schritt dazu, ein Schritt, auf den viele Menschen in unserem Land gewartet haben und über den ich mich gemeinsam mit Ihnen sehr freue. Diese Wahrnehmung habe ich in den letzten Monaten in zahlreichen Gesprächen gewonnen.
Der Antrag ist ein erster wichtiger Schritt, um die Schulsozialarbeit in freier Trägerschaft in ein Landesprogramm zu überführen und damit langfristig zu sichern. Er ist ein wichtiges Zeichen für alle befristet beschäftigten Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter. Er zeigt: Es geht weiter, wir kümmern uns und wir brauchen euch; wir wertschätzen das, was ihr für unsere Kinder und für unsere Gesellschaft tut. Er ist auch ein wichtiges Zeichen für unsere Netzwerkstellen und die Landeskoordinierungsstelle. Er zeigt: Eure Arbeit wird gebraucht; denn sie bestimmt die Qualität unserer Schulsozialarbeit und gibt ihr und damit den Bedürfnissen unserer Kinder und Jugendlichen eine Stimme.
Wie ersehnt und wie wichtig dieser Antrag zur Verstetigung der Schulsozialarbeit ist, sehen wir auch an den Initiativen, die sich in den letzten Monaten zu diesem Thema gegründet haben. Die Elterninitiative „Pro Schulsozialarbeit“ und das Aktionsbündnis „Schulsozialarbeit dauerhaft verankern“, Petitionen und Unterschriftensammlungen zeigen dies eindrucksvoll.
Meine Damen und Herren! Der Antrag ist das eine. Einen weiteren wichtigen Schritt sind wir gestern mit der Verabschiedung des Haushaltes für das Jahr 2019 gegangen. Damit haben wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 33 Millionen € zur Sicherung von Schulsozialarbeit ausgebracht. Für die Jahre 2020 und 2021 haben wir uns damit das Versprechen gegeben, diese Mittel in den Bildungs- und Lebenserfolg unserer Kinder und Jugendlichen zu investieren.
Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sehen diese Mittel damit bestens angelegt; denn für uns ist gute Schule mehr als guter Unterricht. Schulsozialarbeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil für eine moderne, demokratische und humane Schule. Sie hilft, Ungerechtigkeiten abzubauen und Bildungsarmut zu verhindern; sie schafft damit mehr Chancen im Leben für alle Kinder.
Wenn wir den Antrag heute gemeinsam beschließen, dann können wir den Zeitplan zur Weiterführung von Schulsozialarbeit, der von der Landesregierung erbeten wird, noch vor der Sommerpause erwarten. Die Einbeziehung der Kommunen und kreisfreien Städte bei der Frage der zukünftigen Finanzierungsstruktur von Schulsozialarbeit halte ich dabei für immens wichtig und drängend. Schon lange wird hier darauf gewartet, dass das Land einen Schritt auf sie zugeht und das Gespräch sucht.