Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Meine Damen und Herren! Das ist nicht hinnehmbar. Wir sind nach Artikel 34 der Landesverfassung verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

Deshalb ist es hier angezeigt, zu prüfen, inwieweit es Veränderungen bedarf, um gesetzlich ein modernes Wahlrecht auf den Weg zu bringen, das dann tatsächlich eine paritätische Besetzung gewährleistet, denn - mit Verlaub - uns ist in den letzten Jahren immer wieder gesagt worden: „Macht euch mal keine Gedanken, das wird schon!“

Aber es ist eben kein Automatismus, dass mit einer Entwicklung, bei der sich Frauen in immer mehr Bereichen engagieren, automatisch eben auch eine stärkere Vertretung in den Parlamenten gegeben ist. Sonntagsreden, Selbstverpflichtungen und eine immer noch festzustellende Hinhaltetaktik sind jetzt nicht mehr an der Zeit, sondern Frauen wollen Parität, und zwar jetzt; wir wollen nicht noch einmal 100 Jahre warten, um tatsächlich gleichberechtigt vertreten zu sein. Und: Das Zeitfenster ist günstig.

Wir haben mit Brandenburg das erste Bundesland, das ein Parité-Gesetz beschlossen hat. Entsprechende Entwürfe gibt es auch in anderen Bundesländern: Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen und seit heute auch Sachsen-Anhalt, weil mit dem Gesetzentwurf und seiner Überweisung, für die ich hier plädiere, auch die Diskussion in Sachsen-Anhalt eröffnet worden ist.

Frau Ministerin, Sie sagen, Sie haben eigene Ideen. Sie hatten drei Jahre Zeit, diese Ideen schriftlich darzustellen und uns Ihre Überlegungen für ein paritätisches Wahlrecht darzustellen. Passiert ist nicht viel. Ich kann mich erinnern. Wir haben hier vor über einem Jahr über 100 Jahre Frauenwahlrecht diskutiert. Da haben Sie uns auch schon das Wahlrechtsforum angekündigt, das mittlerweile im Ministerium vorbereitet wird. Das alles dauert uns viel zu lange.

(Beifall bei und Zuruf von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 30 Jahre nach der Durchsetzung des Frauenwahlrechtes 1919 wurde nicht nur die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, sondern auch die Verpflichtung des Staates zur Beseitigung bestehender Nachteile im Grundgesetz festgeschrieben. Hier war - wie bei der Erkämpfung des Wahlrechtes - auch Frau Selbert beteiligt. Es ist jetzt einfach

Zeit, dass diese Verpflichtung auch umgesetzt wird.

Ich möchte der CDU, von der ich weiß, dass bei ihr im Hinblick auf den Paritätsgedanken noch eine gewisse Zurückhaltung besteht, zurufen, doch mehr auf die großen Damen in ihrer eigenen Partei zu hören. So hat die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth in der diesjährigen Feierstunde des Bundestages zum 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechtes in Deutschland klar gesagt: „Wir wollen die Hälfte“, und: „Wir wollen nicht wieder 50 Jahre warten.“

In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratung in den Ausschüssen für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Inneres. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr - -

(Zurufe)

- Ach so, entschuldigen Sie. - Frau Kolb-Janssen, Herr Roi möchte eine Frage stellen. Ich frage Sie, ob Sie die beantworten wollen. - Dann kann der Herr Roi seine Frage jetzt stellen.

Vielen Dank. - Der Schriftführer hatte eigentlich schon genickt; aber egal. - Frau Kolb-Janssen, es ist mir schon bewusst, dass wir heute hier über den Landtag reden, also konkret über den Gesetzentwurf zum Landtag.

Aber Sie haben Ihre Rede mit „Parität in allen Bereichen“ eingeleitet, haben auch vom Paritätsgedanken gesprochen. Es ist ja immer wieder so: Klar, wenn wir uns den Landtag hier anschauen, ist das die Realität, mit der wir konfrontiert sind. Wenn Sie aber jetzt von „Parität in allen Bereichen“ sprechen, möchte ich Sie mal mit der Realität konfrontieren.

Sie betreuen den Wahlkreis Bitterfeld-Wolfen. Der liegt in Anhalt-Bitterfeld. Wie sieht die Realität dort bei der SPD aus, also der Partei, der Sie angehören?

Ich könnte auch den Stadtrat Magdeburg nehmen. Da sind acht Männer und vier Frauen in der SPD-Fraktion. Das ist eine Zweidrittelmehrheit der Männer. Aber gehen wir einmal in Ihren Wahlbereich.

(Zurufe)

- Ja, deswegen gehen wir einmal in den Wahlbereich von Frau Kolb-Janssen. Vier Stadträte stellt die SPD in Bitterfeld-Wolfen, dem Stadtrat, in dem auch ich bin. Das sind 100 % Männer.

Im Kreistag Anhalt-Bitterfeld - immerhin ein etwas größeres Gremium - stellt die SPD acht Sitze und zwei stellen die GRÜNEN, also zehn Leute in der Fraktion. Der Anteil der Männer liegt bei 100 %. Es gibt keine einzige Frau in diesem Gremium. Das ist eben die Realität. Jetzt frage ich Sie konkret: Wie erklären Sie sich das? - Punkt 1. Punkt 2: Was wollen Sie denn dagegen konkret tun?

(Zustimmung bei der AfD)

Wir haben auf kommunaler Ebene eine andere Ausgangssituation, weil dort das Wahlrecht durch Kumulieren und Panaschieren ein anderes ist. Vonseiten der SPD ist es so, dass alle Listen paritätisch besetzt werden, abwechselnd Frau/ Mann, dass wir aber feststellen, dass offensichtlich eher die Männer als die Frauen gewählt werden. Deshalb sehe ich auf kommunaler Ebene genauso großen Handlungsbedarf wie auf Landesebene.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Danke. - Herr Roi, der Schriftführer hat zu Recht genickt. Ich hatte es vergessen. Das war jetzt das Problem. - Okay.

Ich sehe aber jetzt keine weiteren Fragen mehr. Dann ist Herr Kirchner dran. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Lassen Sie uns über den vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE sprechen. Dass es in Sachsen-Anhalt DIE LINKE ist, die diesen Entwurf eines Parité-Gesetzes einbringt und nicht die SPD oder die GRÜNEN, wird daran liegen, dass sich diese beiden linken Fraktionen im Kenia-Korsett befinden. Die Hoffnung bleibt, dass die CDU hier im Haus einen solchen verfassungswidrigen Umbau unserer Verfassungsidentität nicht mitträgt. Wir als AfD-Fraktion tragen das ganz gewiss nicht mit, werte Kollegen.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Chancen stehen in Sachsen-Anhalt hoffentlich nicht schlecht, dass der vorliegende Gesetzentwurf direkt im Anschluss an diese erste Beratung beerdigt wird, so wie es diesem Gesetzentwurf gebührt.

Warum sperrt sich meine Fraktion gegen diese linksseitig geforderte paritätische Zusammensetzung der Verfassungsorgane des Landes Sachsen-Anhalt mit Männern und Frauen? - Ganz einfach: weil sie verfassungswidrig ist.

Das ist der Grund, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Er ist mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes ganz einfach nicht vereinbar.

Der angestrebte Gesetzentwurf reiht sich allerdings in all Ihre linksideologischen Umbauprojekte ein, seien es beispielsweise die gesamte GenderThematik, die Ehe für alle oder ein Sozialsystem für die ganze Welt.

Nach und nach und deutlich spürbar versuchen Sie, werte LINKE, unser Land von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Genau dagegen stellen wir uns. Dagegen kämpfen wir mit aller Härte an, die uns der demokratische parlamentarische Rahmen erlaubt.

Lassen Sie mich auf die drei wichtigsten Punkte eingehen, die es jedem Demokraten unmöglich machen, diesem Ideologenentwurf zuzustimmen.

Erstens. Der faktisch revolutionäre Charakter des Gesetzentwurfes stellt einen Verstoß gegen die geschützten Grundsätze unserer Demokratie

gemäß Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes dar. Die Idee, dass ein Parlament ein Spiegelbild der Bevölkerungsgruppen darstellt, ist dieser revolutionäre Kern. Denn nimmt man diesen Ansatz ernst, dann könnte man die Bevölkerung sehr schnell in weitere Gruppen aufteilen. Möglich wären beispielsweise eine Aufteilung nach Religionszugehörigkeit, Alter, Rasse, Verdienst oder sexueller Orientierung.

Verlangen Sie also, dass Verfassungsorgane zukünftig spiegelbildlich zur Bevölkerung besetzt sein sollen, dann stellt sich die Frage, wo Sie die Grenzen ziehen. Und wenn Sie Grenzen ziehen, wäre das wiederum eine Diskriminierung. Worauf soll es am Ende hinauslaufen? Auf eine Ständeversammlung wie im 19. Jahrhundert? - Dann aber wäre das deutsche Volk nicht mehr eine Einheit von Freien und Gleichen, sondern es wäre abgegrenzt und in verschiedenste Bevölkerungsgruppen unterteilt. Dass das mit unserem Grundgesetz unvereinbar ist, sollte in diesem Haus jedem klar sein.

Zweitens. Ein weiteres Problem ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Angehörigen des dritten Geschlechts gleichzeitig bevorzugt und benachteiligt. Die angestrebte Novellierung scheint mit den Bestimmungen des Artikels 3 des Grundgesetzes nicht unbedingt vereinbar zu sein. Einerseits können sich die Angehörigen des dritten Geschlechts aussuchen, für welche Seite einer Reißverschlussliste sie antreten - die anderen Geschlechter haben diese Wahlmöglichkeit nicht. Andererseits können Kandidaten mit einem dritten Geschlecht nicht als drittes Geschlecht selbst kandidieren, was diese Personen wiederum als Gruppe benachteiligt. Sie sehen, Sie drehen sich

hierbei in einem Teufelskreis, ganz abgesehen von der bereits aufgezeigten Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz.

(Zustimmung von Jan Wenzel Schmidt, AfD, und von Ulrich Siegmund, AfD)

Die wichtigste Frage, die Sie, werte LINKE, sich stellen sollten - es ist schlimm, dass ich Ihnen das sagen muss -, lautet: Was ist mit Ihrer Wählerschicht und was ist mit Ihrer Mitgliederschaft? Diese bremsen Sie hiermit völlig aus. Was ist in Ihrem Gesetzentwurf mit Androgynen, mit Nichtbinären, mit Pangendern, mit Transgendern, mit Hermaphroditen,

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Es fällt Ihnen schwer, das auszusprechen! - Zuruf von Ul- rich Siegmund, AfD)

- Ja! - und vor allem mit Two-Spirit, dritten Geschlechtern? - All die grenzen Sie aus. Das müsste für Sie eigentlich eine linksideologische Katastrophe sein. Deswegen sollten Sie überlegen, diesen Gesetzentwurf vielleicht doch zurückzuziehen und diesbezüglich zu überarbeiten.

(Zustimmung bei der AfD)

Drittens. Dieser Gesetzentwurf verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Status der politischen Parteien. Das Wahlvorschlagsrecht steht den politischen Parteien zu, in welches Sie ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung durch das ParitéGesetz eingreifen wollen, werte LINKE. Dabei machen wir nicht mit.

Sollte Ihr Gesetzentwurf - entgegen unserer berechtigten Hoffnung, dass zumindest die CDUFraktion ihn nicht mitträgt - die heutige erste Beratung überleben, werden wir eine detaillierte Prüfung Ihres Vorhabens in Auftrag geben. Seien Sie sich gewiss: Spätestens dann wird sich Ihr vorliegender Plan für einen Umbau - man könnte auch sagen: Abschaffung - der uns bekannten demokratischen Prozesse der Zusammensetzung unserer Verfassungsorgane erledigt haben. - Ich danke Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe, es gibt keine Fragen. Wir können in der Debatte der Fraktionen fortfahren. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn junge Frauen von der Besuchertribüne aus in den Saal schauen, dann könnte sich ihnen die Frage auf

drängen: Werden wir hier tatsächlich repräsentiert? - Denn das, was sie sehen, sind überwiegend reife Herren in mal mehr, mal weniger gut sitzenden Anzügen. Das ist mehr als nur ein ästhetisches Problem; das ist vor allem ein politisches und ein gesellschaftliches Problem.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Eva von Angern, DIE LINKE)