Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

umfänglich über die Aufgaben und die Chancen sowie die Möglichkeiten einer Pflegekammer informiert werden.

Parallel dazu sollen sie aber auch über die Möglichkeit einer freiwilligen Interessenvertretung aufgeklärt werden, wie es zum Beispiel beim Pflegering, der in Bayern etabliert wurde, der Fall ist. Wir wollen den Pflegern insofern nichts überstülpen und nichts über deren Köpfe hinweg entscheiden.

Wir wollen den Pflegekräften im Land aber die Möglichkeit geben, selbst die Entscheidung zu treffen, wie sie ihr Berufsfeld organisieren möchten. Im nächsten Schritt nach der Aufklärung soll dann der Prozess der Befragung erfolgen. Das heißt, in einem demokratischen Prozess sollen alle Pflegekräfte selbst entscheiden, ob sie die Pflegekammer wollen, ob sie die Interessenvertretung wollen oder ob sie keines von beidem wollen.

Wir vertrauen den Krankenschwestern und den Altenpflegern unsere kranken und pflegebedürftigen Angehörigen an. Daher ist es auch das Mindeste, dass wir ihnen die Entscheidung über die Zukunft ihres eigenen Berufes anvertrauen können.

Unser Antrag zeigt, dass wir als AfD eine möglichst starke Stimme aus der Pflege unterstützen. Nach unserer Auffassung kann das nur eine Kammer unter Einbeziehung aller Pflegekräfte leisten. So wird die größtmögliche Wirkung entfaltet, die wir auch brauchen, damit die Interessen der Pflegenden bestmöglich vertreten werden.

Im Falle einer positiven Entscheidung über die Einrichtung einer Pflegekammer soll unser Bundesland die Einrichtung auch mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 300 000 € bis spätestens 2021 unterstützen.

Liebe Kollegen! Unabhängig von der Debatte - ich kann mir schon überlegen, wie sie ausgeht - beantrage ich eine Überweisung des Antrages in den Sozialausschuss. Ich denke, dort lässt sich ganz vortrefflich über die Vorteile dieses Themas reden. Liebe Kollegen! Abschließend: Lassen Sie uns der Pflege eine starke Stimme geben. Lassen Sie uns die Pflegenden selbst entscheiden und mit ihnen gemeinsam einen Weg gehen, der den Standpunkt der Pflege stärkt und sie auf eine gute Zukunft vorbereitet; genau das brauchen wir. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Siegmund. Ich sehe keine Fragen. - Somit hat erst einmal die Ministerin Frau Grimm-Benne für die Landesregierung das Wort.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine Pflegekammer für Sachsen-Anhalt - das ist die Forderung, die der Antrag stellt. Das ist ein Thema, das hier im Hohen Hause nicht zum ersten Male debattiert wird. Ich sage deutlich: Mir liegt das Thema Pflege sehr am Herzen und ich engagiere mich in dem Bereich sehr. Aber einer Kammergründung stehe ich weiterhin skeptisch gegenüber.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch ich beklage, dass die Pflegebeschäftigten wenig Lobby haben, dass sie einen guten, einen harten Beruf haben und oft in der Öffentlichkeit, auch in der Politik, mit ihren Anliegen - ich nenne mal drei: die Forderung nach mehr Pflegequalität, nach guten Arbeitsbedingungen und nach fairer Bezahlung - zu wenig Gehör finden. Aber das löst eine Kammer nicht allein dadurch auf, dass sie existiert.

Im Jahr 2015 hat die damalige Landesregierung einen Bericht über das Für und Wider einer Pflegekammer vorgelegt. Der Bericht zeichnet ein disparates Bild. Homogener ist seitdem nichts geworden, auch weil in der Zwischenzeit bundesweit viel passiert ist. Sie haben es schon gesagt: In Rheinland-Pfalz, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wurden Kammern gegründet. In mehreren Bundesländern gab es Befragungen der Pflegefachkräfte, ob sie einen solchen Weg wollen. Auch der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, der aus dem Saarland kommt, Andreas Westerfellhaus, hat die Einrichtung einer Bundespflegekammer gefordert.

Es ist aber keinesfalls so, dass hierbei ein Land das andere nachzieht, weil die Erfahrungen rundum positiv sind. Aus Rheinland-Pfalz gibt zum einen gute Signale, weil dort eine, wie ich finde, Bündelungsfunktion von Informationen stattfindet. Ich bekomme die Zeitschrift der Pflegekammer immer geschickt. Anderswo, beispielsweise in Niedersachsen, gibt es erhebliche Gegenwehr gegen die Pflichtmitgliedschaft. Das ist ein ganz wichtiges Thema.

Ja, meine Damen und Herren, die Pflege braucht eine Stimme. Das gilt ganz besonders für die Altenpflege. Ich glaube aber nicht, dass die Gründung einer Kammer dazu der Königsweg ist. Worunter die Altenpflege leidet, ist der niedrige Organisationsgrad der Beschäftigten. Im Bereich der gewerkschaftlichen Vertretungen würde ich mir deutlich mehr wünschen.

Eine Pflegekammer würde den Sachverstand und die Interessen aller Berufsangehörigen bündeln, wird argumentiert. Dadurch können sie sich struk

turiert in den politischen Willensbildungsprozess einbringen und gleichzeitig den Staat von Aufgaben, unter anderem im Bereich der Weiterbildung, entlasten. Es sei eine Vertretung des Gesamtinteresses in der Pflege, anders als bei Verbänden, die nur für eine Teilgruppe sprechen.

Ja, wir kennen Kammern, vor allem aus dem Bereich der akademischen Heilberufe und aus dem Handwerk. Aber eines haben diese Berufsgruppen gemeinsam: Es sind nicht Beschäftigte oder Angestellte, sondern freiberuflich Tätige. Deswegen passt die Pflegekammer für die Pflegekräfte eben nicht, weil es dann die Pflichtmitgliedschaft gibt. Deswegen, so denke ich, sollten wir an dieser Stelle keinen Schnellschuss machen.

Übrigens sind die Kammern auch in keiner Form Tarifpartei.

(Dagmar Zoschke, DIE LINKE: Genau!)

Sie können gar keine Gehälter verhandeln und bei der Qualitätssicherung in der Pflege haben sie auch keine Aufgabe. Deswegen sage ich, wir müssen andere Veränderungen anstoßen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Drei Stichworte. Die Umsetzung des neuen Pflegeberufegesetzes wird zu großen Veränderungen führen. Hierzu sind wir im Prozess. Wir haben zudem die konzertierte Aktion Pflege auf der Bundesebene. Auf der Landesebene arbeitet der Runde Tisch „Pflege“. Es tut sich viel. Das alles trägt, so hoffe ich, dazu bei, dass es der Pflege in Zukunft besser geht und dass die Attraktivität des Berufsbildes Pflege wächst. Denn das muss uns gelingen. Dass eine Kammer ein dazu unbedingt notwendiger Baustein ist, sehe ich nicht.

Dennoch werden wir in den Ausschüssen entsprechend dazu beraten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Somit können wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen. Die Debatte beginnt mit dem Abg. Herrn Krull für die CDUFraktion. Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Antrag zu der Einrichtung einer Pflegekammer in Sachsen-Anhalt. Aus der Sicht unserer Fraktion gibt es viele Argumente für eine Kammer, aber mindestens ebenso viele gegen eine Kammer. Es gibt Befürworter derselben,

wie der Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe, aber auch deutlichen Widerspruch, zum Beispiel von den Gewerkschaften.

Daher ist der Ansatz grundsätzlich richtig, dass man, bevor man eine solche Kammer in SachsenAnhalt einrichtet, eine Befragung unter denjenigen durchführt, die darin Zwangsmitglieder werden sollen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das wäre die Folge, wenn eine solche Kammer etabliert werden würde.

Eine solche Zwangsmitgliedschaft würde auch entsprechende Zwangsbeiträge für die Mitglieder bedeuten. Wir brauchen nur in unser Nachbarland Niedersachsen zu schauen, wo die dortige Pflegekammer derzeit heftig in der Kritik steht, vor allem in der Frage der Höhe der Beiträge. So geht man dort von einem durchschnittlichen Gehalt von 70 000 € pro Jahr für Pflegepersonal aus, was die Zwangsbeiträge angeht. Das macht wohl deutlich, dass die dortigen Kammervertreter wenig mit der Lebenswirklichkeit ihrer Mitglieder zu tun haben.

Die Befürworter der Kammer versprechen sich eine bessere politische Vertretung der Interessen von professionell Pflegenden. Neben der allgemeinen Förderung des Ansehens der Berufe sollen auch Vorschläge für die Fort- und Weiterbildung der Pflegenden unterbreitet werden. Aufgaben, wie sie andere Kammern wahrnehmen, wie den Aufbau bzw. die Betreuung von Versorgungswerken, soll eine Pflegekammer ausdrücklich nicht übernehmen. Auch die Verhandlung von Tarifverträgen bleibt natürlich Aufgabe der Tarifpartner bzw. ist im Mindestlohnbereich gesetzlich geregelt.

Deshalb können wir beim Thema Pflegekammer von einem Flickenteppich in Deutschland reden. Auf die aktuelle Situation in Niedersachsen bin ich schon eingegangen. In Rheinland-Pfalz gibt es eine Pflegekammer seit März 2016. Auch in Schleswig-Holstein existiert seit April 2018 eine solche Kammer. Im Freistaat Bayern wurde wieder einmal ein Sonderweg beschritten und die „Vereinigung der Pflegenden in Bayern“ im Oktober 2017 gegründet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch innerhalb der Union, der einzig verbliebenen Volkspartei, gibt es bezüglich der Notwendigkeit der Einrichtung von Pflegekammern durchaus unterschiedliche Positionen. Die ganze Debatte hat jetzt, im Jahr 2019, noch einmal an Fahrt aufgenommen, nachdem im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW, wo übrigens auch die Eigenanteile in den stationären Pflegeeinrichtungen die höchsten im bundesdeutschen Vergleich sind, die Etablierung einer solchen Kammer geplant ist.

In diesem Zusammenhang hat der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Andreas Westerfell

haus auch erklärt, dass er die Notwendigkeit einer Bundespflegekammer sieht. Ähnliche Aussagen gibt es auch vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Aus der Sicht meiner Fraktion ist das Thema zu facettenreich, um über einen solchen Antrag, gerade auch in Anbetracht der im Text genannten Summen, ohne vorherige umfängliche Diskussion in den zuständigen Ausschüssen zu entscheiden. Deshalb bitte ich im Namen meiner Fraktion und der Koalitionspartner SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. Da auch von 300 000 € die Rede ist, sollte auch der Finanzausschuss mitberatend beteiligt werden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Krull. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Die nächste Debattenrednerin ist für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau Zoschke. Sie haben das Wort, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Pflegekammer bedeutet Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeitrag. Wollen wir dies den Pflegekräften in unserem Land wirklich zumuten?

(Beifall bei der LINKEN)

Wer die Interessen von Pflegekräften wirklich ernsthaft vertreten will, der sollte sich zuallererst mit den Arbeitsbedingungen, mit der Tarifentlohnung, mit der Ausbildung und mit den Karrieremöglichkeiten innerhalb der Pflege auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bereits jetzt haben Pflegekräfte die Möglichkeit, sich in Berufsverbänden zu organisieren. Dies ist ihre freie Entscheidung und ihr demokratisches Grundrecht. Der Anspruch von Politik sollte es immer sein, den Selbstorganisationsformen Raum und Beachtung einzuräumen und nicht zu entscheiden, was Berufsgruppen besser zu Gesicht stünde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In unserem Nachbarland Niedersachsen ist per Gesetz eine Pflegekammer eingerichtet worden. Das Ergebnis: Es gibt einen großen Sturm der Entrüstung und des Protestes zur entmündigenden Zwangsmitgliedschaft und deren Finanzierung durch die Zwangsbeiträge.

Ja, der Organisationsgrad würde sich mit der Pflegekammer erhöhen, aber eben nicht freiwillig und als Recht, sondern in Form der bereits erwähnten Zwangsmitgliedschaft und des Zwangsbeitrages. Will Politik dies wirklich?

Nach meinen Erkenntnissen machen von der Organisation in Berufsverbänden wohl gerade einmal 10 % Gebrauch. Das ist nicht von fehlender Einsicht in die Notwendigkeit der Interessenvertretung bestimmt, sondern den meisten Pflegerinnen und Pflegern fehlt schlichtweg die Zeit, von diesem Grundrecht Gebrauch zu machen. Sie sehen ihre Aufgabe in erster Linie in der Pflege selbst.

Unser Maßstab muss die Verbesserung der Ausbildung und der Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Pfleger sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir diskutieren über dieses Thema nicht zum ersten Mal. Meine bzw. unsere Ansicht dazu hat sich nicht verändert. Wir bleiben bei unserem Nein zur Pflegekammer.

Dabei gibt es in unserem Land konkrete Aufgaben, die politisches Handeln notwendig machen. Ich nenne nur das Stichwort Pflegeberufereformgesetz. An dieser Stelle gibt es genügend politischen Handlungsspielraum, der der zukünftigen Generation von Pflegerinnen und Pflegern neue Möglichkeiten schaffen kann.