Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Wir müssen also heute und auch in der zweiten Lesung, sofern es dazu kommt, nicht mehr über die Zulässigkeit, sondern nur noch über das politische Wollen reden und abstimmen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frauen sind nicht die besseren Männer und auch nicht die besseren Menschen. Das soll auch dieses Gesetzesvorhaben nicht suggerieren. Doch nicht nur die Wirtschaft hat erkannt, was durch Studien inzwischen mehrfach nachgewiesen worden ist, dass divers zusammengesetzte Gruppen zu besseren Problemlösungen kommen.

Natürlich verbessern sich die Chancen von Frauen auf gleichberechtigte Teilhabe und gleichberechtigten Aufstieg signifikant, wenn Frauen paritätisch an der Erledigung von Führungsaufgaben beteiligt sind.

Fragen Sie sich doch einmal selbst innerhalb der Koalition, wer sich in der letzten und auch in der aktuellen Wahlperiode dafür starkgemacht hat, dass die Quote - -

(Andreas Steppuhn, SPD, unterhält sich auf der Regierungsbank mit Ministerin Petra Grimm-Benne)

Frau von Angern, warten Sie bitte ganz kurz.

Ich habe es gehört, konnte es aber nicht zuordnen.

Herr Steppuhn, das geht nicht. Es ist von hinten noch einmal deutlich störender als von vorn, und von vorne ist es auch schon Mist. Also bitte jetzt einmal Ruhe! - So, jetzt weiter.

Vielen Dank. - Fragen Sie sich doch einmal selbst, wer sich in der letzten und in der aktuellen Wahlperiode innerhalb der Koalition ganz konkret dafür starkgemacht hat, dass die Quote für Führungspositionen in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen wurde oder wer sich für Verbesserungen für Alleinerziehende oder für Frauenhäuser starkgemacht hat.

Ganz aktuell eine Antwort der Bundesregierung: Erfahrungen aus Skandinavien zeigen, dass ein höherer Anteil von Frauen in Parlamenten dazu führt, dass Gender-Aspekte im Gesetzgebungsverfahren tatsächlich angemessener berücksichtigt werden. Das ist schlussendlich ein wesentlicher Grund.

Nun möchte ich aber noch etwas zu den einzelnen Normen unseres Gesetzentwurfes sagen.

Wir steigen ein mit der Änderung der Landesverfassung und schlagen zu Artikel 34 folgende Formulierung vor:

„Das Land sorgt für die Möglichkeit einer gleichen Repräsentation von Frauen und Männern in gewählten Vertretungen, in der Landesregierung und im Landesverfassungsgericht.“

Ganz bewusst reden wir nicht nur über den Landtag, sondern auch über die Landesregierung und über das Landesverfassungsgericht. Insbesondere bei den beiden Letztgenannten wären diese Änderungen auch schon in dieser Wahlperiode möglich, sprich: Steigt ein Mann aus, könnte die Stelle sofort mit einer Frau nachbesetzt werden. Das heißt, wir müssten nicht einmal bis zur nächsten Wahlperiode warten.

Beim Landesverfassungsgericht könnten wir dieses Moment sogar nutzen, um darüber zu diskutieren, ob wir die Anzahl der Mitglieder nicht auf acht erhöhen und entsprechend dem Wunsch der Anwaltschaft auch für sie einen Platz in den Reihen des Landesverfassungsgerichts schaffen.

Lassen Sie uns darüber bitte gemeinsam ergebnisoffen diskutieren.

Dann zu den entscheidenden Punkten im Wahlgesetz. Wir wollen zunächst die Anzahl der Wahlkreise verringern. Ich weiß, das ist ein heikles Thema. Wir schlagen 22 Wahlkreise vor und werden auch in den Ausschussberatungen ganz konkret vorschlagen, wie diese 22 Wahlkreise sehr klug, sehr vernünftig für Sachsen-Anhalt und für die Wählerinnen und Wähler verständlich zusammengesetzt sein könnten. Diesen Vorschlag werden wir im Ausschuss vortragen können ihn dann en détail besprechen.

Wir schlagen darüber hinaus ähnlich dem Brandenburger Modell alternierende Wahllisten vor. Wir haben uns außerdem dafür entschieden, einen weiteren Schritt zu gehen - deswegen auch die Verkleinerung der Zahl der Wahlkreise -: Wir wollen, dass künftig in jedem Wahlkreis ein Mann und eine Frau nicht nur kandidieren, sondern auch tatsächlich gewählt werden können.

Meine Damen und Herren! Das bedeutet nicht, dass jede Partei gezwungen sein wird, einen Mann und eine Frau aufzustellen, doch klar ist, jeder Wahlkreis soll im Landtag von SachsenAnhalt durch einen Mann und eine Frau vertreten sein. Wählerinnen können Mann und Frau derselben Partei wählen, müssen es aber nicht. Sie können also künftig drei Stimmen abgeben: für eine Kandidatin, für einen Kandidaten und für eine Partei. Gewählt sind der Mann mit den meisten Stimmen auf der sogenannten Männerliste und die Frau mit den meisten Stimmen auf der Frauenliste.

Das Recht der Einzelbewerber wollen wir ausdrücklich nicht angreifen, haben wir hierbei doch verfassungsrechtliche Bedenken.

Natürlich äußern wir uns in unserem Gesetzentwurf auch zur sogenannten dritten Option. Auch hierfür schlagen wir den Brandenburger Weg vor.

Lassen Sie mich noch ganz kurz auf das Stichwort „freikaufen“ eingehen. Gemeint sind nach dem französischen Vorbild finanzielle Sanktionen für Parteien, die die Frauenquote nicht erfüllen. Hiergegen stehen zum einen verfassungsrechtliche Bedenken im Raum, zum anderen sage ich aber auch ganz ausdrücklich: Ich will nicht, dass sich Parteien freikaufen können. Unser Ziel ist die paritätische Besetzung des Landtages. Dieses Ziel kann mit unserem Gesetzentwurf erreicht werden.

Zwischenzeitlich liegen uns auch erste rechtsformale Einschätzungen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vor. Diesen werden wir dann in die entsprechenden Ausschüsse mit einführen, sodass Sie alle sie zur Kenntnis bekommen.

Ich hoffe, dass wir uns heute gemeinsam auf einen nächsten Schritt, auf einen wesentlichen Schritt für Sachsen-Anhalt begeben werden.

Ich denke, der Landtag von Brandenburg hat Ende Januar einen sehr wesentlichen Schritt für unsere Demokratie getan. Lassen Sie uns diesen Schritt nun noch weitreichender in Sachsen-Anhalt gehen, einen Schritt zur tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen eben auch in der parlamentarischen Repräsentanz. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Roi hat eine Frage, die er jetzt stellen kann.

Ich wollte nur wissen, ob die LINKE einen solchen Gesetzentwurf auch noch für die kommunale Ebene plant, beispielsweise für kreisfreie Städte oder für Kreistage. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Das kann ich mir gut vorstellen, ja.

In Magdeburg sehe ich in Ihrer Fraktion mehrheitlich Männer. Vielleicht sollten Sie erst einmal damit anfangen, es praktisch zu leben, bevor Sie hier solche Gesetzentwürfe einbringen.

(Zustimmung bei der AfD - Widerspruch bei der LINKEN)

Herr Präsident, ich darf jetzt Wahlwerbung machen, weil es de facto eine Frage zur Listenaufstellung ist. Wir haben es tatsächlich geschafft, in zehn Wahlbereichen an den Spitzen fünf Frauen und fünf Männer aufzustellen. Darauf bin ich übrigens sehr stolz auf meine Partei.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Farle hat noch eine Frage. Bitte sehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe nur eine kleine Frage. Ich habe mittlerweile gelernt, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern dass es auch Diverse gibt, also das diverse Geschlecht. Unsere Pässe und solche Dinge werden ja jetzt alle überarbeitet. Meine Frage an Sie ist, wird in Ihrem Parité-Gesetz auch sichergestellt, dass das Geschlecht „divers“ paritätisch behandelt wird?

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das hat sie doch gerade gesagt! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Zuhören! - Zuruf von Ronald Mor- mann, SPD)

Schade, dass Sie mir nicht zugehört haben, Herr Farle.

(Zustimmung von Stefan Gebhardt, DIE LINKE - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ge- rade gesagt!)

Gut. - Damit haben sich die Fragen offensichtlich erschöpft. Jetzt können wir in die Fünfminutendebatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht zuerst die Ministerin für Justiz Frau Keding. Frau Keding, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE liegt offensichtlich das Brandenburger Beispiel zugrunde. Das Brandenburger Beispiel stützt sich wesentlich auf ein verfassungsrechtliches Gutachten, das von zwei Studentinnen gefertigt worden ist. Darin ist gesagt worden, das Gleichstellungsgebot rechtfertigt jedes Parité-Gesetz. Ich glaube, dass das zu kurz gesprungen ist. Wir müssen ernsthaft darüber reden, was eigentlich repräsentative Demokratie heißt und was wir damit meinen.

In der Mitte des Verfassungsgefüges steht das Parlament, das als gewählte Vertretung das gesamte Staatsvolk repräsentieren soll. Jeder und jede gewählte Abgeordnete repräsentieren das gesamte Volk und sollen nicht nur ihre Klientel in den Blick nehmen. Er bzw. sie soll die Interessen vertreten und im Namen des gesamten Volkes zu guten Entscheidungen kommen.

Es ist schon richtig, danach zu fragen - auch ich stelle mir diese Frage -, warum Frauen, die etwa die Hälfte der Bevölkerung von Sachsen-Anhalt ausmachen, im Landtag in allen bisherigen Wahlperioden und in allen bisherigen politischen Konstellationen so stark unterrepräsentiert sind.

Das aktive und passive Wahlrecht für Frauen, dessen 100-jähriges Bestehen wir im Freistaat Anhalt als einer Quelle unseres Landes SachsenAnhalt sogar schon einen Monat vor der Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung in Weimar praktiziert haben,

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

hat eben allein nicht dazu geführt, dass in den deutschen Parlamenten ein auch nur annähernd

ausgeglichenes Verhältnis von männlichen und weiblichen Abgeordneten besteht.

Dabei enthalten sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassung den Auftrag, auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann und auf eine Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Auch deshalb ist es berechtigt, die Frage zu stellen, ob und gegebenenfalls wie über das Wahlrecht eine tatsächliche Durchsetzung der Parité im Landtag von Sachsen-Anhalt erreicht werden kann.

Meine Damen und Herren! Die Koalition hat sich dieser Frage angenommen und gemeinsam die Prüfung vereinbart, ob ein verfassungskonformes Parité-Gesetz auf dem Weg gebracht werden kann, das Regelungen sowohl für die Landesebene als auch für die kommunale Ebene enthält.

Wie umstritten jedoch der verfassungsrechtliche Rahmen ist, lässt sich schon daran ersehen, dass vor der viel beachteten Verabschiedung des Parité-Gesetzes durch den Landtag von Brandenburg am 31. Januar dieses Jahres zwei umfangreiche Gutachten vorlagen, in denen man zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangt ist. Die ersten Klagen vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg sind bereits angekündigt worden.

Hält man sich diese Widersprüche vor Augen, stellt es sich nicht ganz so einfach dar, wie es uns der Gesetzentwurf, aber auch die Einbringungsrede von Frau von Angern haben glauben machen wollen.