Protokoll der Sitzung vom 01.03.2019

(Alexander Raue, AfD: Frau Lüddemann - -)

Herr Raue, einen kleinen Moment! Ich sage Ichnen, wann Sie das Wort bekommen.

(Alexander Raue, AfD: Entschuldigung!)

Sie müssen signalisieren, dass Sie eine Nachfrage haben.

(Alexander Raue, AfD: Das signalisiere ich!)

Jetzt dürfen Sie. Bitte.

Frau Lüddemann, in Zukunft wird es so sein, dass durch Automatisierung und Technisierung in zahlreichen Bereichen - das wird auch die Pflege erfassen, die jetzt sehr personalintensiv ist - viele Menschen, gerade Menschen mit wenig Bildungshintergrund, nicht mehr in den Arbeitsmarkt eintreten können. Sie können dann natürlich auch keine Rentenbeiträge mehr zahlen. Angesichts von Automatisierung, Technisierung und künstlicher Intelligenz muss man wirklich ein neues Konzept entwickeln. Ich sehe das auch noch nicht bei der Bundesregierung. Aber was ich jetzt schon sehe, ist - -

Aber bei uns, wenn Sie mir zugehört hätten.

Warten Sie kurz. - Was ich jetzt aber schon sehe, ist dieses: Wenn Sie fordern, wir brauchen immer mehr niedrig qualifizierte Menschen -,

Herr Raue, ich bitte um eine kurze Nachfrage.

- ja - wie sollen sich diese denn jemals in unser Rentensystem einbringen, wenn ihre Arbeitskraft überhaupt nicht mehr nachgefragt ist? Wie soll denn das funktionieren? Ist das dann überhaupt noch gerecht und sozial?

Frau Lüddemann, bitte.

Herr Raue, jetzt könnte ich die Antwort wiederholen, die ich dem Kollegen Steppuhn gegeben habe: Genau dafür ist das Grundeinkommen da. Das ist ein Sockelbetrag, der jedem zusteht, um Teilhabe am Leben zu ermöglichen.

(Alexander Raue, AfD: Aber nicht für ganz Afrika! Das ist doch die falsche Orientie- rung!)

Herr Raue, ich muss hier noch mal eingreifen: Sie stellen mehrere Fragen in sich geschlossen und warten nicht einmal ab, bis die Antwort kommt. Da können Sie natürlich nicht erwarten, dass der Redner, der hier vorne steht, dann auch noch Muße hat, darauf immer wieder zu antworten. Dann konzentrieren Sie sich bitte auch darauf, wenn Sie eine Frage haben, die Antwort abzuwarten.

Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Krull. Sie haben jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male beschäftigen wir uns hier im Hohen Hause mit dem Thema Rente. Diesmal diskutieren wir gleich zwei Anliegen. Aber der Reihe nach.

Die SPD hat das Thema Grundrente aktuell in die bundespolitische Debatte eingebracht und möchte auch hier heute dazu sprechen. Aus der Sicht meiner Fraktion müssen wir aber auch den Kontext beachten, in dem dieser Vorschlag das Licht der Welt erblickte: Es gibt bereits eine ganze Reihe von sozial- und arbeitsmarktpolitischen Vorschlägen der SPD. Dazu gehören die Abschaffung des Arbeitslosengeldes II, besser bekannt als Hartz IV, die Einführung der Kindergrundsicherung, aber auch die Veränderung beim Arbeitslosengeld I.

Alle Maßnahmen sind, für sich allein gesehen, diskussionswürdig. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die einst so stolze SPD auf der Suche nach Profilierungsmöglichkeiten, um aus dem Umfragetief herauszukommen, einen ganz wichtigen Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft vergessen hat: Das Geld, das man verteilen will, muss man vorher erst einmal verdient haben bzw. erwirtschaften.

Ich könnte jetzt versucht sein, die heutige SPDBundesvorsitzende zu imitieren und die Liedzeilen

aus dem Kinderklassiker Pippi Langstrumpf - zwei mal drei macht vier, widdewiddewitt, und drei macht neune! Ich mache mir die Welt, widewidde, wie sie mir gefällt - nachzusingen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde aber darauf verzichten, zum einen, weil ich mein eigenes gesangliches Talent selbstkritisch einzuschätzen weiß, zum anderen - das ist viel wichtiger -, weil das Thema viel zu ernst ist, um es humoristisch zu betrachten.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch für uns als CDU-Landtagsfraktion ist das Thema der steigenden Altersarmut eines, das uns intensiv beschäftigt. Auch wenn der Kreis derjenigen, die Grundsicherung im Alter beziehen, relativ gering ist, wird deren Anzahl wohl steigen, gerade in Anbetracht vieler unterbrochener und unregelmäßiger Erwerbsbiografien nach der friedlichen Revolution, deren 30. Jahrestag wir in diesem Jahr feiern können.

Ist nun der Ansatz der SPD der richtige? Es sei mir gestattet, den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zu zitieren. Hierin heißt es:

„Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die

35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung.“

Sicher, Papier ist geduldig. Aber gilt nicht gerade in einer Koalition, deren Zustandekommen sich über längere Zeit hingezogen hat, der Grundsatz „Pacta sunt servanda“ oder zu Deutsch „Verträge sind einzuhalten“? Was bringt einen Bundesminister dazu, wohl mit voller Absicht einen Vorschlag öffentlich vorzustellen, der gegen den Koalitionsvertrag verstößt?

Böse Zungen könnten jetzt behaupten, der Wille zur Profilierung spiele dabei ebenso eine Rolle wie die klare Erkenntnis im Hinterkopf, dass dieser Vorschlag wohl so nie umgesetzt werden wird. Aber allein dieses Verhalten ist aus der Sicht eines großen Teils der Gesellschaft kein ausreichender Grund, gegen das Vorhaben zu sein.

(Zuruf von der AfD)

Deswegen möchte ich weitere Punkte nennen, die uns als CDU-Landtagsfraktion dazu bringen, das Konzept des Bundesministers Hubertus Heil nicht zu befürworten.

Ja, ich muss an dieser Stelle auch wieder das Thema der Finanzierung benennen. Als Kosten wird in einem Interview mit dem Minister ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag genannt. Dieser soll nun aus der Steuer finanziert werden. Wie

passt diese Aussage eigentlich zu der Meldung, dass der Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz, ebenfalls mit SPD-Parteibuch, vor

Steuermindereinnahmen pro Jahr in ähnlicher Höhe warnt, und das fast zeitgleich?

An dieser Stelle bedarf es wohl einer besseren Abstimmung innerhalb der SPD.

Im Übrigen darf daran gezweifelt werden, dass die Kosten tatsächlich nur in der genannten Höhe anfallen. Der Vorschlag des DGB, an dessen Modell sich Bundesminister Heil erkennbar orientiert hat, geht von ca. 10 Milliarden € jährlich aus. Dies wird den Bundeszuschuss an die Rentenkassen zusätzlich weiter steigen lassen, der heute bereits bei ca. 100 Milliarden € liegt. Dies ist eine Zahl mit elf Nullen.

Die bisher bekannten Teile des Vorschlags gehen von einer Höherbewertung der erworbenen Rentenpunkte aus. Zwar ist eine solche Höherbewertung in der Rentenversicherung keine Ausnahme, aber im geplanten Umfang ein klarer Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, also dem Grundsatz, dass die Höhe der Auszahlung aus der Rentenversicherung den vorher gezahlten Einzahlungen entsprechen soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade bei dem so gern herangezogenen Beispiel der Friseurin oder auch der Verkäuferin wird eines deutlich: Sie würde genauso viel aus der Rentenkasse erhalten wie jemand, der fast das Doppelte in die Rentenkasse eingezahlt hat. Das ist in meinen Augen nicht gerecht.

Wenn also jemand in das Rentensystem einzahlt, dann sollte sich dies auch in der Höhe der Rente niederschlagen. Ansonsten werden wir neue Ungerechtigkeiten schaffen, die die Legitimation des Systems infrage stellen und in der Konsequenz die Akzeptanz des Rentensystems untergraben. Das kann nicht der Wille der Sozialdemokratie sein.

Weiterhin geht es um die fehlende Differenzierung zwischen Teil- und Vollzeit, die kritisch zu sehen ist. So ist es möglich, den gleichen Rentenanspruch mit dem Grundrentenmodell des Bundesministers Heil zu erwerben, wenn man nur wenige Stunden Teilzeit, aber bei guter Bezahlung gearbeitet hat, wie jemand, der bei Vollzeit, aber unter schlechteren Bedingungen tätig war.

Mit dem Verweis auf den Respekt gegenüber der Lebensleistung der Beschäftigten wird die Bedürftigkeitsprüfung abgelehnt. Aus der Sicht meiner Fraktion ist eine solche Bedürftigkeitsprüfung legitim. Es geht dabei nicht um diejenigen, die beispielsweise über ihren finanziell und beruflich erfolgreichen Ehepartner anderweitig finanziell abgesichert sind.

Es geht darum, dass denjenigen geholfen wird, die eine solche Hilfe tatsächlich brauchen, und nicht darum, Sozialleistungen nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen. Schließlich sind mit der Gießkannenmethode mitunter auch Kosten verbunden, die durch den Steuerzahler zu finanzieren sind und denen dann zum Teil auch nicht die erwünschten sozialpolitischen Wirkungen, gerade die Bekämpfung der Altersarmut, gegenüberstehen.

Bei einer solchen Prüfung muss selbst genutztes Wohneigentum selbstverständlich geschützt bleiben und angespartes Vermögen in entsprechenden Freigrenzen, über deren Höhe man durchaus diskutieren darf und muss, ebenfalls erhalten bleiben.

Wenn man etwas ablehnt, dann sollte man möglichst auch einen alternativen Vorschlag unterbreiten. Das möchte ich hiermit tun und kurz das Modell der Plusrente für die Grundsicherungsempfänger der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft vorstellen. Dabei wird der Grundsatz erfüllt, dass diejenigen, die in die Rentenkasse eingezahlt haben, besser gestellt werden als jene, die es nicht getan haben.

Deswegen sollen die Empfänger der Grundsicherung zusätzlich einen Zuschlag in Höhe von 25 % auf ihre erworbenen gesetzlichen Rentenansprüche erhalten. Je höher die Rentenansprüche der Bezieherinnen und Bezieher der Grundsicherung sind, umso höher ist dann auch die Plusrente. Dabei soll die Plusrente bei der Bedarfsberechnung für die Grundsicherung im Alter unberücksichtigt bleiben. Damit wird das Äquivalenzprinzip gewahrt, welches ich vorhin erläutert habe.

Wichtig zu erwähnen wäre zudem, dass es zu einer Gleichbehandlung der unterschiedlichen Versorgungssysteme kommen müsste. Nach aktuellem Rechtsstand sind die Ansprüche aus betrieblicher und privater Altersvorsorge durch Freibeträge teilweise geschützt, während die Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu 100 % bei der Berechnung der Grundsicherung im Alter herangezogen werden. Deshalb sind die Freibeträge anzupassen und, wie bereits geschildert, der Anteil der Plusrente bei der Berechnung der Ansprüche unberücksichtigt zu lassen.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die CDUFraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt steht für die Anerkennung der Arbeits- und Lebensleistung der Menschen in unserem Land. Gleichzeitig müssen Entscheidungen zur Gewährung von Sozialleistungen gerecht und dauerhaft tragfähig sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun will ich selbstverständlich nicht versäumen, auch den Antrag der Fraktion DIE LINKE zu benennen und

mich damit zu beschäftigen. Erneut wird hierin der Vorschlag unterbreitet, eine Mindestrente von 1 050 € einzuführen. Unabhängig davon, dass uns die Antragsteller wenig, ja gar nichts Erhellendes zur Finanzierung des Vorschlags mitteilen, ist der Zeitplan mehr als unrealistisch. Ich denke, das wissen die Antragsteller selbst.

Bezüglich der Mütterrente möchte ich noch auf eines hinweisen: In der Antragsbegründung wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass im Koalitionsvertrag des Bundes vereinbart worden ist, einen vollen zusätzlichen Entgeltpunkt für Mütter für die vor dem Jahr 1992 geborenen Kinder anzurechnen. Dort ist aber auch vereinbart worden, dass dies nur für diejenigen gelten soll, die drei oder mehr Kinder haben. Im Rahmen des großen Rentenpaketes wurde jedoch beschlossen, jeder Mutter einen halben Rentenpunkt zuzugestehen; damit wurde der Kreis derjenigen Personen, die von der Neuregelung profitieren, erheblich vergrößert. Um die Finanzierung sicherzustellen, wurde dann die getroffene Regelung vereinbart. Meine sehr geehrten Damen und Herren der LINKEN, dass Sie dies in Ihrem Antrag vergessen haben, ist sicherlich reiner Zufall.

Bezüglich der doppelten Krankenkassenbeiträge für Betriebsrenten und Direktversicherungen

möchte ich auf den Beschluss des Bundesparteitags der CDU Deutschlands im vergangenen Dezember in Hamburg hinweisen. Er wurde hier bereits benannt. Dort wurde mit großer Mehrheit beschlossen, die sogenannte Doppelverbeitragung abzuschaffen. Dazu laufen derzeit auf Bundesebene entsprechende Diskussionen; denn was auf der einen Seite Entlastung bringt, führt auf der anderen Seite bei den Krankenkassen zu erheblichen Einnahmeausfällen. Auch das muss beachtet werden.