Einbringer ist der Minister Herr Prof. Dr. Willingmann. Er hat jetzt das Wort, wenn er es ergreifen würde.
Es ist ein Gesetzentwurf der Landesregierung; in solchen Fällen beginnen wir meistens mit der Landesregierung. Wenn Sie wollen, können Sie auch verzichten, Herr Willingmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin untröstlich, dass ich einen Moment lang unaufmerksam war und nicht gemerkt habe, dass der Punkt aufgerufen worden war. Nun stehe ich hier und will mit Ihnen über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften reden.
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich in ihrer Sitzung am 21. März 2019 auf einen neuen zwischen den Ländern zu schließenden Staatsvertrag über die Hochschulzulassung verstän
digt. Notwendig wurde dieser durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 2017, das den bisherigen Staatsvertrag zur Hochschulzulassung in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte.
Damit der Staatsvertrag in Landesrecht umgesetzt werden kann, legt die Landesregierung Ihnen diesen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vor. Das Gesetz sieht in Artikel 1 die Zustimmung zu dem neuen Staatsvertrag über die Hochschulzulassung vor. Artikel 2 enthält die notwendigen Folgeänderungen im Hochschulzulassungsgesetz. Artikel 3 soll dazu dienen, die grundsätzliche Finanzierung der Studentenwerke durch das Land beim Vollzug des BAföG klarzustellen.
Neu im Staatsvertrag und damit im Hochschulzulassungsgesetz ist die Änderung der Hauptquoten bei der Vergabe von Studienplätzen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung im Jahr 2017 maßgeblich darauf abgestellt, dass die Auswahlkriterien bei der Zulassung zum Medizinstudium eine Prognose hinsichtlich der Eignung für den Studiengang sowie der sich typischerweise anschließenden beruflichen Tätigkeit ermöglichen müssen. Den Erwerb von reinen Wartezeiten hat das Bundesverfassungsgericht als nicht eignungsbezogen bewertet. Deshalb wird es künftig im zentralen Vergabeverfahren Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie die Wartezeit als Auswahlkriterium grundsätzlich nicht mehr geben.
Neu ist hingegen, dass 30 % der jährlich zu vergebenden Studienplätze an Spitzenabiturienten vergeben werden sollen; bisher waren es 20 %. 60 % der Studienplätze sollen wie bislang in einem Auswahlverfahren der Hochschulen vergeben werden, 10 % künftig in einer Eignungsquote unabhängig von der Abiturnote. Das ist die vielleicht wichtigste Neuerung; denn in Zukunft soll es möglich sein, einen Studieneignungstest, eine Berufsausbildung und berufliche Vorerfahrungen in wesentlich höherem Maße zu bewerten.
Wir gehen davon aus, dass unabhängig von der Abiturnote solche Vorqualifikationen eine valide Aussage über die Eignung für das Medizinstudium oder ein entsprechendes ähnliches Fach zulassen. Nunmehr erhalten also auch Bewerberinnen und Bewerber eine reelle Chance auf einen Studienplatz, die kein Spitzenabitur abgelegt haben.
Wenn Zulassungszahlen für Studiengänge festgelegt werden, die nicht in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen sind, dann werden die Studienplätze im sogenannten örtlichen Verfahren vergeben. Die Hauptquoten in diesem Verfahren gelten weitestgehend analog zu den dargestellten zentralen Verfahren.
Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil eine Wartezeitquote von maximal 20 % und eine Wartezeit von nicht mehr als sieben Semestern ausdrücklich als verfassungskonform bezeichnet. Darum sollen im örtlichen Vergabeverfahren Wartezeiten von bis zu sieben Semestern weiterhin Berücksichtigung finden, andernorts nicht.
Nach Artikel 3 des vorliegenden Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften wird das Studentenwerksgesetz geändert. Nach § 2 des Gesetzes zur Ausführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes werden grundsätzlich die finanziellen Aufwendungen der Ämter für Ausbildungsförderung an den Studentenwerken durch das Land gedeckt. Damit ist die Regelung zu § 9 Abs. 2 des Studentenwerksgesetzes redundant und damit zu streichen. Allein darum geht es in Artikel 3.
Alle Hochschulen des Landes und die beiden Studentenwerke wurden angehört. Ihre Anregungen sind, soweit vertretbar, eingearbeitet worden. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen an den Einbringer. Herzlichen Dank, Herr Minister. - Damit ist die Einbringung beendet und wir kommen nunmehr zu der vereinbarten Dreiminutendebatte. Für die AfDFraktion spricht der Abg. Herr Dr. Tillschneider. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil aus dem Jahr 2017 das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin für teilweise unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Das klingt zunächst einmal vielversprechend. Der bundesweite Numerus clausus ist in der Tat kein geeignetes Instrument zur Vergabe von Studienplätzen. Leider aber trägt das Karlsruher Urteil auch nichts zur Verbesserung der Situation bei.
Richtig ist, dass die bloße Abiturnote nicht viel darüber sagt, ob sich ein Kandidat für das Medizinstudium eignet. Richtig ist ebenso, dass sich die Eignung eines Kandidaten nicht dadurch verbessert, dass er unzählige Wartesemester absitzt. - So weit hat Karlsruhe zweifelsohne recht.
Völlig zu Unrecht aber werden die Möglichkeiten der Hochschule, sich Studenten selbst auszusuchen, kritisiert. Vollends in die falsche Richtung geht die Forderung nach mehr bundesweiter Vereinheitlichung und Standardisierung. Wir wollen doch, dass die Hochschulen konkurrieren. Wir wollen, dass sie autonom agieren und ihre Stärken ausspielen. Dazu brauchen sie keine Beleh
rung aus Karlsruhe. Die juristische Kompetenz der Verfassungsrichter in Ehren, aber darüber, wer sich zum Medizinstudium eignet, weiß im Zweifel der Chirurgieprofessor vor Ort immer noch besser Bescheid.
Grundsätzlich müssen wir uns fragen: Wollen wir Zentralismus oder Föderalismus bei der Studienplatzvergabe? - Das ganze ZVS-System krankt schon seit jeher daran, dass es einem föderal angelegten und in hohem Maß von Autonomie geprägten Hochschulwesen eine bundeseinheitliche Struktur überstülpt. An dieser Stelle plädieren wir für eine Radikalkur: Weg mit der gesamten überflüssigen Bundesbürokratie.
Die Hochschulen sollten ihre Studenten zu 100 % selbst auswählen können. Jede Hochschule hätte die Möglichkeit, durch Aufnahmeprüfungen oder spezifische Tests die Bewerber auszuwählen, die zum Fach und zur Hochschule passen. Jeder Bewerber könnte sich individuell an unbegrenzt vielen Hochschulen bewerben. Bessere Hochschulen könnten unter einer Vielzahl von Bewerbern auswählen und so ihren Ruf als Eliteuniversität festigen.
Anders als bei den sogenannten Exzellenzinitiativen würde dies nicht durch politischen Beschluss, sondern durch Bewährung am Bildungsmarkt geschehen, wäre also eine echte Exzellenz und nicht nur eine Exzellenz auf dem Papier.
Der vorliegende Gesetzentwurf strebt nichts davon an und hat auch keine andere große Reformidee zu bieten. Er enthält nichts als technokratisches Flickwerk und Stückwerk, das nur dazu dient, ein schlechtes Urteil aus Karlsruhe umzusetzen. Solche Verschlimmbesserungen brauchen wir nicht. Die AfD-Fraktion versagt dem Gesetzentwurf deshalb die Zustimmung. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen an den Redner. - Deswegen spricht jetzt für die Fraktion der CDU der Abg. Herr Philipp. Herr Philipp, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tillschneider, das Bundesverfassungsgericht hat aber nicht das System in Gänze infrage gestellt - ein sehr bewährtes System, das uns zu Spitzenkräften in ganz Deutschland bringt -, weswegen wir auch nur die vom Bundesgesetzgeber bzw. vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Dinge anpassen.
Wir beraten heute über das Zweite Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften in erster Lesung. Der Hintergrund sind die Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes vom Dezember 2017. Die bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften über das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen an staatlichen Hochschulen waren mit dem Grundgesetz teilweise unvereinbar. Die beanstandeten bundesrechtlichen Rahmenvorschriften und gesetzlichen Regelungen der Länder über die Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin verletzten demnach den grundrechtlichen Anspruch der Studienplatzbewerberinnen und -bewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot. Eine Neuregelung ist bis zum 31. Dezember 2019 zu treffen.
Dem Parlament liegt nun der Gesetzentwurf mit den entsprechenden Änderungen und Anpassungen vor. Der Minister hat in seiner Einbringungsrede die Details zu dem Gesetzestext bereits benannt.
Wir werden den gesetzlichen Anpassungsprozess zu dem Staatsvertrag über die Hochschulzulassung jetzt auf den parlamentarischen Weg bringen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu einer Überweisung an den zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung. - Vielen Dank
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir das Hochschulzulassungsgesetz ändern müssen, ist eine Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Es hat die bisherige Vergabepraxis für verfassungswidrig erklärt. DIE LINKE bleibt bei ihrem Urteil, dass die Praxis der Zugangsbeschränkung zum Studium ein Ausdruck des Mangels ist.
Für uns stehen jedoch die freie Berufswahl und die Chancengleichheit beim Hochschulzugang im Mittelpunkt. Diesbezüglich wird auch das neue Gesetz keine Abhilfe schaffen. Nach unserer Lesart verstärkt es sogar die Bedeutung der Abiturnote. In der Gesetzesbegründung steht, dass eine Modernisierung stattfinden solle. Diese finden wir in diesem Entwurf leider nicht.
Fakt ist, dass wir mehr Studienplätze brauchen, damit mehr Menschen in Deutschland die Möglichkeit haben, ihren Berufswunsch zu realisieren.
Eine Sache möchte ich an dieser Stelle aber noch loswerden. Zum Glück haben wir den Gesetzentwurf rechtzeitig bekommen. Wer sich diesen Gesetzentwurf angesehen hat, der merkt, dass es ein erheblicher Aufwand ist, sich durch die Änderungen zu kämpfen und diese nachzuvollziehen. Ich würde mir wünschen, dass die gut bezahlten Juristen im Ministerium schon einmal eine Synopse anfertigen und uns diese zukommen lassen. Aber wie immer verlässt sich ein Ministerium hierbei auf unseren Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Aber vielleicht kann das der Jurist Willingmann zukünftig ändern. - Danke.
Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Deswegen spricht jetzt Herr Meister für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Meister, bitte.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2017 entschieden - meine Vorredner haben es erwähnt -, dass die Vergabe von Medizinstudienplätzen vorrangig eignungsorientiert zu erfolgen hat. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Zulassung zum Medizinstudium letztlich an diese Rechtsprechung angepasst. Der bereits geschlossene Staatsvertrag wird mit den Änderungen der hochschulrechtlichen Vorschriften in das Landesrecht übersetzt. Was heute vorliegt, ist noch nicht das Hochschulgesetz. Ich wurde bereits von Leuten angesprochen, die darauf warten. Das wäre ganz anders. Das ist es also noch nicht; das kommt noch.
Die Auswahl unserer zukünftigen Medizinerinnen und Mediziner wird sich damit deutlich verändern. Es wird zukünftig nicht mehr um Geduld beim Warten, sondern um Talent gehen. Das ist gut so.
Einerseits wird die Abiturbestenquote erhöht und erlaubt mehr jungen Menschen durch herausragende Leistungen im Bereich Medizin eine Studienstandortauswahl. Andererseits werden auch schulnotenunabhängige Kriterien gestärkt und zukünftig stärker berücksichtigt. Das ist auch gut; denn Vorerfahrungen im Pflegebereich, Sozialkompetenz und Empathie sind in meinen Augen wichtige Kriterien, wenn es darum geht, ein guter Arzt oder eine gute Ärztin zu sein. Diese können nun stärker ins Gewicht fallen und hängen nicht unmittelbar mit den Schulnoten zusammen.