Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

(Dorothea Frederking, GRÜNE, lacht)

Für die differenzierte Debatte ist mir persönlich allerdings wichtig, noch einmal festzuhalten: Ungleichheit ist nicht gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit. Die Frage ist vielmehr: Ist das niedrigste sozioökonomische Level, das einer Person zufällt, teilhabesichernd?

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Das sollte immer mit Blick auf die Tatsache diskutiert werden, dass wir im viertreichsten Industrieland der Welt leben, das sich einem humanistischen Menschenbild verpflichtet fühlt.

Aus meiner Sicht ist die Frage ganz klar mit Nein zu beantworten; denn das unterste Level in Deutschland ist mit dem Hartz-IV-Regelsatz, einem weit von Existenzsicherung ab seienden Kindergeld und einer Grundsicherung im Alter, die nicht alle Bedarfe abdeckt, nicht teilhabesichernd.

Diese mangelnde Teilhabe derer, die sozioökonomisch am unteren Ende stehen, ist das Problem, nicht unbedingt individueller Reichtum. In Anlehnung an Gregor Gysi könnte man sagen:

Als guter Mensch muss man nicht gegen Reichtum sein, aber zwingend gegen Armut.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Eva von Angern, DIE LINKE: So weit ist es schon!)

Nicht nur ein Problem, sondern eine Schande ist es, wenn Kinder unter widrigen und entbehrungsreichen Bedingungen aufwachsen müssen, wenn diejenigen, die gern als unsere Zukunft bezeichnet werden, ihr Potenzial nicht entfalten können. Hochproblematisch ist es, wenn die Rente nicht mehr reicht. Skandalös finde ich es, wenn es Sozialgesetze gibt, die Sanktionen von 100 % auf die Existenzsicherung erlauben, und wenn Strom- und Gassperren verhängt werden. Das sind echte Probleme.

Aber die gute Nachricht - deswegen mache ich Politik - ist: Man kann diese Probleme lösen, mit anderen politischen Mehrheiten in diesem Land. Dann muss man auch nicht über Familie Bahlsen diskutieren. Ich gönne der Frau ihre Jacht, soll sie fahren, wohin sie will. Wir müssen uns um diejenigen kümmern, die noch keine Teilhabe haben in dem Sinne, wie sie das Grundgesetz unter Artikel 1 - die Würde des Menschen ist unantastbar - fordert.

Das politische Instrument dafür ist schon bekannt, das ist nämlich das Grundeinkommen. Der gesellschaftliche Reichtum kommt dann bei allen an, wenn wir eine wirklich teilhabesichernde, allgemeine Grundsicherung haben. Die Schätze der Erde und die Leistungen der früheren Generationen gehören zum Erbe der Menschheit. Darauf fußt unser heutiger gesellschaftlicher Reichtum. Daher gebührt auch allen die Teilhabe am Reichtum der heutigen Welt. Dies lässt sich realisieren über ein Grundeinkommen.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert zum Beispiel der Alaska Permanent Fund. Dort erhält jede Bürgerin und jeder Bürger eine jährliche Dividende, die sich aus den Einkünften des Ölverkaufs speist. Das ist eine Kollektivierung, die ich sehr begrüße. Und ein US-Bundesstaat dürfte unverdächtig sein, den direkten Weg in den Sozialismus zu beschreiten.

Also ja, Reichtum ist zu vergesellschaften über öffentliche Güter, eine öffentliche Daseinsvorsorge, eine unverbrüchliche Existenzsicherung und damit Teilhabesicherung für alle. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD, und von Ronald Mormann, SPD)

Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Es gibt zwei Wortmeldungen, von Herrn Farle und von

Herrn Büttner. - Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Lüddemann, die Sache hört sich wunderbar an, aber Sie wollen ja in Wirklichkeit das genaue Gegenteil von dem, was Sie angesprochen haben. Sie wollen mit der CO2-Steuer, die jetzt kommen soll, die Strompreise verdoppeln, verdreifachen und noch höher schrauben. Wir haben schon jetzt die weltweit höchsten Strompreise. Mit jährlich 25 Milliarden € subventionieren wir gegenwärtig schon die erneuerbaren Energien. Anhand des Gutachtens, das ich morgen zitieren werde, kann ich nachweisen, dass die vollständige Umstellung auf Windräder 4,5 Billionen € kosten wird.

Das heißt, Sie verfolgen eine Wirtschaftsstrategie, die am Ende zur Abschaffung der Autos für die kleinen Leute führt, eine Strategie, die dazu führt, dass die Mietnebenkosten niemand in diesem Land mehr bezahlen kann.

Dann reden Sie von Umverteilung von oben nach unten. In Wahrheit verfolgen Sie die Strategie: Armut für alle, Dekarbonisierung, Deindustrialisierung.

Zu Ihrem Spruch am Ende, Reichtum ist zu vergesellschaften durch den Hebel über die öffentlichen Güter. Der Hebel ist die CO2-Steuer. Dieser Spruch bedeutet: Wenn Sie alle Reichen aus diesem Land vertrieben haben, die Konzerne ihre Produktion hier in diesem Land eingestellt haben, weil die Strompreise nicht mehr zu bezahlen sind, dann haben Sie Ihr Ziel erreicht: Armut für alle, Arbeitslosigkeit für viele und die Zerstörung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Das ist die grüne Politik in Wirklichkeit, schön verborgen in wunderschönen Phrasen, die Sie hier im Landtag immer so schön dreschen können, weil die Presse über diese Dinge nie berichtet. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Swen Knö- chel, DIE LINKE)

Frau Abg. Lüddemann, Sie können selbstverständlich darauf erwidern. Es war allerdings keine Frage, sondern eine Kurzintervention. Bitte.

Ja, ich würde gern, ohne die Debatte zur CO2-Steuer an der Stelle vorwegzunehmen, kurz reagieren. - Herr Kollege Farle, Ihre Partei hat, wie man so hört, gute Beziehungen in die Schweiz. Dann kennen Sie sicherlich auch das CO2-Steuer-Modell aus der Schweiz. Das ist

nämlich - deswegen bin ich dankbar, dass Sie das ansprechen - ein gutes Beispiel dafür, wie man über Steuern steuern kann. Dort wird derjenige, der viel verbraucht, hoch besteuert, und derjenige, der wenig verbraucht, bekommt sogar noch einen Teil drauf. Denn die Kosten der Energiewende sollen nicht zulasten derjenigen gehen, die wenig haben. Das ist mit dem CO2-SteuerModell aus der Schweiz gesichert.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Sie sprachen die Unternehmen an. Ein Beispiel: Bosch. Bosch ist eine alteingesessene deutsche Firma; den Namen kennt jeder. Bosch hat sich verpflichtet - selbst verpflichtet, ohne dass die Politik da irgendetwas tun musste -, ab 2020 klimaneutral zu produzieren. Die Unternehmen haben nämlich viel eher und viel schneller und auch in der Tragweite viel deutlicher verstanden, was angesagt ist: dass man nämlich demnächst überhaupt keine Güter mehr verkaufen, dass man überhaupt nichts mehr produzieren kann, wenn man nicht klimaneutral ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Matthias Büttner, AfD: Ja, weil Sie das unmöglich machen mit Ihrer Politik! Deshalb!)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Es gibt eine weitere Wortmeldung, von dem Abg. Herr Büttner. - Sie können Ihre Frage stellen, Herr Büttner, bitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich möchte zunächst sagen, wenn Sie die Schweiz als Beispiel nehmen, ist das völlig unpassend. In der Schweiz zahlt man in einigen Kantonen nur 4,5 % Einkommensteuer. Das wollte ich nur einmal erwähnen. In Deutschland zahlt man 43 %.

Es geht um die CO2-Steuer.

Ein solches Beispiel wie die Schweiz würde ich gar nicht nehmen. Aber ich habe eine andere Frage. Sie haben sich hier - Gott sei Dank, muss ich sagen - klarer positioniert als der Debatteneinbringer, der zwar viel gesprochen hat, aber keine Lösung präsentiert hat.

So sind wir.

Sie haben sogar gesagt, was Sie wollen. Das heißt, Sie wollen alle Steuern erhöhen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das können Sie ja demnächst in die Briefkästen vertei- len!)

- Das machen wir, keine Sorge, Herr Striegel. - Das Gute ist, dass die Leute jetzt wissen, woran sie bei den GRÜNEN sind.

Aber ich habe eine andere Frage. Die Einkommensteuer in Deutschland soll auch erhöht werden. Sie sind ein glühender Verfechter der Europäischen Union. Wie passt es denn zusammen oder finden Sie es ungerecht, dass in fast allen Ländern der Europäischen Union weniger Einkommensteuer gezahlt wird als in Deutschland, obwohl Deutschland der größte Nettozahler in der Europäischen Union ist? - Wenn Sie zum Beispiel die Ausschussreise nach Estland mitgemacht hätten, dann wüssten Sie, dass in Estland der Einkommensteuersatz bei 25 % liegt, und zwar für jeden.

(Zuruf von Rüdiger Erben, SPD)

Wie passt das zusammen?

Wir sind doch - -

Frau Abg. Lüddemann, bitte.

Oder die Frage anders: Wollen Sie in allen europäischen Ländern oder nur in Deutschland die Einkommensteuer erhöhen?

Frau Lüddemann, jetzt haben Sie das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es ist richtig - ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie das hier noch einmal ins Feld führen -, dass wir eine glühende Europapartei sind; denn wir sind der Meinung, dass wir die wirklich drängenden Probleme der Menschen nur auf europäischer, auf gesamteuropäischer Ebene lösen können.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Insofern gilt auch in der Europäischen Union das Solidarprinzip, dass diejenigen, die viel haben, viel abgeben müssen, dass die diejenigen, die viel verbrauchen, auch höher besteuert werden müs

sen. Das muss dann wieder umverteilt werden. Wir brauchen also auch ein europäisches Steuersystem.

Sie haben eine Nachfrage, Herr Büttner? - Bitte.

Ich habe dem jetzt entnommen, dass Sie für Steuererhöhungen in Deutschland sind. Die Deutschen sollen also mehr Steuern zahlen als die Bürger in anderen Ländern. Die, die viel haben, sollen - das haben Sie gesagt - mehr Steuern zahlen, und die, die weniger haben, sollen weniger zahlen. Ich frage Sie jetzt: Wie kommt es denn, dass der durchschnittliche Deutsche mit 51 000 € das geringste Pro-Kopf-Vermögen in Europa hat und dass in Zypern das Pro-KopfVermögen über 200 000 € liegt? - Erklären Sie mir das bitte einmal.

(Zuruf von der AfD)

- In Italien auch.

Frau Lüddemann, bitte.