Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das sollte ein kleiner Scherz sein.

(Unruhe)

Wir sind kein Wettbüro.

(Oh! bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe)

Daher werde ich dies auch nicht dulden.

(Andreas Steppuhn, SPD: Wir wollen aber eine Antwort hören! - Matthias Büttner, AfD: Ja! - Zurufe von Olaf Meister, GRÜNE, und von Hardy Peter Güssau, CDU - Unruhe)

- Haben Sie sich jetzt alle wieder beruhigt? - Noch einmal: Wir sind kein Wettbüro. Sicherlich kann der Abg. Herr Rausch darauf reagieren. Aber ich werde es nicht dulden, dass wir das als Wette laufen lassen. Wir sind hier im Plenarsaal des Hohen Hauses. Daher sollte die Debatte auch ernsthaft betrieben werden. - Herr Rausch, Sie können aber trotzdem darauf reagieren.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Mormann, das scheint ganz lustig zu sein. Aber ich würde nie im Leben an Miteinander spenden.

(Zustimmung bei der AfD - Ulrich Sieg- mund, AfD: Jawohl! - Oh! bei der SPD - Sebastian Striegel, GRÜNE: Kein Ehren- mann! - Unruhe)

Herr Rausch, es gibt noch eine weitere Wortmeldung. - Bitte, Herr Hövelmann.

(Tobias Rausch, AfD, begibt sich zu seinem Sitzplatz)

- Sie signalisieren, dass Sie keine Fragen mehr beantworten. - Herr Hövelmann hat die Möglichkeit zu intervenieren.

(Tobias Rausch, AfD: Nein, ich will nicht, dass er interveniert! Ich möchte keine Inter- vention! Es geht nur, wenn es der Redner erlaubt!)

- Nein, das können Sie nicht. Das müssen Sie schon mir überlassen. Wenn ein Abgeordneter nicht bereit ist, eine Frage zu beantworten oder darauf zu reagieren, dann hat der Abgeordnete,

der sich zu Wort gemeldet hat, trotzdem die Möglichkeit, eine Kurzintervention zu machen. Sie brauchen darauf nicht zu reagieren. Das ist Ihr Recht.

(Tobias Rausch, AfD: Ich warte die Frage erst einmal ab!)

Herr Hövelmann, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich hätte den Kollegen Abg. Rausch gern gefragt, nachdem er hier auf doch imposante Weise dargestellt hat, wie die Steuern für die breite Masse der Bevölkerung gesenkt werden sollen, wie das in Einklang zu bringen ist mit der Aussage im Grundsatzprogramm der AfD unter dem Punkt Finanzen und Steuern auf der Seite 148. Ich darf zitieren:

„Die AfD will die derzeit zur Erhebung ausgesetzte Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer abschaffen.“

Das bedeutet für mich die Entlastung der Vermögenden in diesem Lande. Wenn wir weiterhin die gleiche staatliche Aufgabe erfüllen wollen, bedeutet das gleichzeitig eine stärkere Belastung der breiten Masse der Bevölkerung.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Hövelmann. Ich habe kein Signal gesehen, dass eine Erwiderung erfolgen soll. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Frau Fraktionsvorsitzende, Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Unsere Welt ist ungerecht und das müssen wir ändern. Als GRÜNE bin ich Anhängerin einer ökologischsozialen Marktwirtschaft und davon überzeugt, dass wir Änderungen schaffen können und schaffen müssen.

Die Schätze der Erde und die Leistungen der früheren Generationen gehören zum Erbe der Menschheit und müssen als solche besser verteilt werden. Die oft zitierte Schere zwischen Arm und Reich - ja, sie gibt es, und ja, sie geht weiter auseinander. Wir müssen dagegensteuern.

Regelmäßige Berichte zum Beispiel von Oxfam zeigen in sehr nachdrücklicher Weise, welch absurde Verwerfungen es inzwischen bei der globa

len Reichtumsverteilung gibt. Einige wenige Menschen, 26 Milliardäre, besitzen so viel wie die Hälfte der Menschheit. Das ist schlicht und ergreifend ein Skandal und obszön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Deutschland steht dabei noch vergleichsweise gut da. Aber auch hier sind die öffentlichen Kassen notorisch klamm. Viele Kommunen, gerade auch bei uns in Sachsen-Anhalt, kämpfen immer wieder mit Haushaltskonsolidierung. Es gibt viele arme Kinder. Es gibt Altersarmut. Ich bin daher trotz aller positiven Umverteilungseffekte, die das deutsche Steuersystem bietet, absolut und klar für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, der Erbschaftsteuer und für die Erhebung der Vermögensteuer.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Dank des Kollegen Hövelmann haben Sie jetzt genau das Gegenbeispiel gehört zu dem, was wir eben von der AfD gehört haben. Ich, meine Partei und meine Fraktion, wir sind sehr wohl dafür, in diesem reichen Land umzuverteilen,

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und von Thomas Lippmann, DIE LIN- KE)

damit mehr Finanzströme in die öffentlichen Kassen kommen, damit sinnvolle, die Gesamtgesellschaft voranbringende Vorhaben besser finanziert werden können. Das ist das Programm der GRÜNEN. Das Motto „Starke Schultern tragen mehr“ ist in diesem, unserem Land längst noch nicht ausgereizt.

Auch eine Finanztransaktionssteuer und die Anrechnung aller Einkommensarten in der Krankenversicherung sind weitere konkrete Maßnahmen, die in diesem Land dringend umgesetzt werden müssen.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Natürlich - deswegen habe ich vorhin auf die ökologisch-soziale Marktwirtschaft abgestellt - gehört auch die Besteuerung der Nutzung von natürlichen Ressourcen dazu; denn auch das gehört zum Reichtum unseres Landes, unserer Gesellschaft: eine intakte Umwelt, Artenvielfalt, saubere Luft. In diesem Bereich durch Steuern ordnungspolitisch einzugreifen, wie bei der diskutierten CO2-Steuer, halten wir für geboten. Auch ein realistischer Flugpreis ist überfällig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zurufe von Volker Olenicak, AfD, und von Hannes Loth, AfD)

In diesem Zusammenhang noch einmal ganz ruhig: Steuern heißen Steuern, weil sie steuern sollen. Aus unserer Sicht geht es ganz klar um die Verteilung von Ressourcen und das Geldausgeben für gesamtgesellschaftlich gewünschte Bereiche. Damit das gerecht ist, treten wir GRÜNEN sehr klar dafür ein, durch Steuern eine gerechte Verteilung in der Gesellschaft zu erreichen. Vom Mehr zum Weniger: Wer mehr natürliche Ressourcen verbraucht, der muss dafür auch mehr bezahlen. Vom Viel zum Weniger: Wer mehr erbt, wer mehr verdient, der muss auch mehr zur Gemeinschaft beitragen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Bernhard Daldrup, CDU)

Unter Rot-Grün haben wir einen ersten Schritt in Richtung Ökosteuer unternommen. Das ist inzwischen ziemlich aufgeweicht. Insofern brauchen wir hier dringend wieder andere Mehrheiten; denn wenn natürliche Ressourcen, wie zum Beispiel saubere Luft, im Interesse privaten Wirtschaftens verbraucht oder verschmutzt werden, dann ist dafür mindestens ein monetärer Ausgleich an die Allgemeinheit sicherzustellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Hannes Loth, AfD: Meine Güte!)

Wenn Sie, verehrte LINKE, fordern, über die Vergesellschaftung des Reichtums zu reden, dann stelle ich mir hier ganz konkret die Frage: Wie kommt der gesellschaftliche Reichtum bei jeder und jedem Einzelnen tatsächlich an? Wie kann der gesellschaftliche Reichtum dafür sorgen, dass allen ein Mindestmaß an Teilhabe zukommt?

Unsere grüne Antwort: Es sind insbesondere auch die öffentlichen Güter unserer Gesellschaft, die den Reichtum vergesellschaften. Dazu gehört ein Bildungssystem ohne finanzielle Hürden, von der beitragsfreien Kita über eine Schule, für die natürlich kein Schulgeld zu entrichten ist, in der aber auch die Arbeits- und Lehrmaterialien kostenfrei sind, bis hin zur Uni ohne Studiengebühren. Dazu gehört ein kostenfreier Nahverkehr als gemeinschaftliche Infrastruktur. Dazu gehören ein allgemeines solidarisches Gesundheitssystem, schnelles Internet für alle, verfügbar und bezahlbar. Dazu gehören ein Wohnungsmarkt mit einem starken sozialen Wohnungsbau und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, aber auch ein öffentliches Bibliothekswesen, Spielplätze, öffentliche Parks, geförderte Schwimmbäder, Theater und Orchester, also nichtkommerzielle Räume, deren Nutzung sich nicht am Geldbeutel der Menschen entscheidet.

Wir haben davon einiges in Deutschland, manches mehr, manches weniger gut. Aber hier müssen wir deutlich konsequenter werden. Wir brauchen eine Neudefinition dessen, was Daseinsvor

sorge in diesem Land im 21. Jahrhundert heißt, und das, um auch die vorherige Debatte aufzugreifen, kann sehr gern auch in Gesetzen festgeschrieben werden.

Elementare, existenzielle Dienstleistungen und Güter müssen Gemeinschaftseigentum sein. Die Daseinsvorsorge gehört in öffentliche Hand. Beispiele sind Wasserversorgung, Bildung und Verkehrsinfrastruktur.

In den letzten Tagen wurde viel unter dem Reizwort „Enteignung“ gestritten, angestoßen durch das Volksbegehren in Berlin zur Enteignung der Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen. Vielleicht haben sich jetzt schon alle daran gewöhnt. Ich sehe ruhige Gesichter. Aber Enteignungen - das will ich an dieser Stelle noch einmal sehr klar sagen - sind nichts Ungewöhnliches in diesem Land. Enteignungen finden tagtäglich statt. Sie sind gang und gäbe. Allein 200 Enteignungsverfahren laufen aktuell in Deutschland im Bereich des Straßenbaus.

(Matthias Lieschke, AfD: Da gibt es einen Ausgleich!)

Das hat mein Kollege Sven-Christian Kindler über eine Kleine Anfrage im Bundestag sehr genau recherchieren lassen. Hierzu kann ich nur sagen: Da ist überhaupt kein Aufschrei zu verzeichnen.

(Zuruf von Matthias Lieschke, AfD)

Was Kevin Kühnert fordert, setzt Andreas Scheuer tagtäglich um.

(Dorothea Frederking, GRÜNE, lacht)