Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Herr Abg. Siegmund, Ihre Redezeit ist zu Ende. Bitte sagen Sie den letzten Satz.

Ich komme zum Schluss. - Letzter Satz: Wir befinden uns auf einem hervorragenden Weg. Lassen Sie uns diesen bitte weitergehen mit Vertrauen und mit Aufklärung. Mit der Impfpflicht setzen wir nur ein zusätzliches Risiko, das diesen Weg gefährdet. Lassen Sie uns dieses Risiko nicht eingehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. Das waren mehrere Sätze. Sie haben aber die Chance, noch mehr zu sagen; denn Herr Dr. Grube hat sich zu Wort gemeldet.

Sie haben das Wort, Herr Dr. Grube.

Dass Sie gegen die Impfpflicht sind, haben wir jetzt verstanden. Sie haben gesagt: Pharma darf kein Geschäft sein. Möchten Sie dann die Pharmaindustrie in der Bundesrepublik verstaatlichen? Denn ansonsten bekommen wir im Moment keine Impfstoffe.

(Unruhe bei der AfD - Robert Farle, AfD: Mein Gott!)

Herr Siegmund, Sie haben das Wort.

Zweite Frage: Nein.

Erste Frage oder erste Aussage ganz klar: Ich habe nicht gesagt, dass wir gegen eine Impfpflicht sind. Ich habe gesagt, dass wir die Impfpflicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht für notwendig erachten und diese ein zusätzliches Risiko darstellt, den hervorragenden Weg, den wir gerade gehen, zu gefährden. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Er muss sich mal die Füße waschen!)

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Abg. Frau Lüddemann.

(Unruhe)

Sie haben jetzt das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. - So hat es Immanuel Kant formuliert. Auf die Impfpflicht bezogen heißt das: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Gesundheitsgefahr des anderen beginnt.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Das gilt für das Impfen ganz besonders. Neugeborene oder Personen, die aufgrund von Vorerkrankungen nicht geimpft werden können, sind nur dann vor Masernerkrankungen geschützt, wenn der sogenannte Herdenschutz greift. Dieser Schutz greift laut WHO ab einer Impfquote von 95 %. Diesen Wert verfehlen wir bei der zweiten Masernimpfung, und zwar sowohl im Bundesdurchschnitt als auch in Sachsen-Anhalt.

Ja, die Impfquote bei Schulanfängerinnen und Schulanfängern liegt nicht drastisch darunter. Aber der Wert ist nicht erreicht. Hier zählt jedes halbe Prozent.

Im Sinne des Gesundheitsschutzes derer, die sich nicht impfen lassen können, halten meine Fraktion und ich die Impfpflicht bei Masern für dringend geboten. Um das letzte noch fehlende Quäntchen Motivation zu begünstigen, um die hohe Impfquote bei der ersten Impfung auch bei der zweiten Impfung zu erreichen, müssen wir dringend nachlegen, was Öffentlichkeitsarbeit angeht, müssen wir dringend nachlegen, um vielleicht auch die Bequemlichkeit etwas herauszufordern.

Deswegen begrüßen wir alles, was wir erreichen können, um einen elektronischen Impfpass in Deutschland einführen zu können; denn es geht, glaube ich, nicht nur darum, dass jeder weiß, wo der Impfpass ist, sondern es geht auch darum, dass wir hier mit der Zeit gehen. In anderen Ländern in Europa in das schon gang und gäbe.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Maserninfektion kann tödlich sein. Hierbei geht es um jedes einzelne Leben. In der Abwägung überwiegt für mich klar der Gemeinschaftsschutz; denn die individuelle Entscheidungsfreiheit endet bei der Gefährdung Dritter.

Diesbezüglich verhält sich die Impfpflicht nicht anders als Dieselfahrverbote oder Geschwindigkeitsbegrenzungen. Hier wie dort sind Betroffene zu schützen, die durch Masernerreger, Feinstaub oder Unfälle durch überhöhte Geschwindigkeit in ihrer körperlichen Unversehrtheit potenziell gefährdet sind.

Es geht auch darum, als Politik Farbe zu bekennen und klar festzustellen: Impfgegner haben unrecht. Ihre Sorgen können sehr deutlich durch wissenschaftliche Studienreihen und Fakten von Impfreihen belegt werden.

Alternative Auffassungen, verschiedene Deutungen und mögliche Interpretationen helfen hierbei niemandem weiter. Sie dürfen nie zur Entscheidungsgrundlage für politisches Handeln werden und sie retten schon gar kein Leben.

Manchmal sind die Dinge eindeutig: Impfungen sind ein Segen für die Menschheit. Krankheiten auszurotten hat keinen Haken. Daher kann ich ausnahmsweise tatsächlich die von Minister Spahn angekündigte Regelung auf Bundesebene nur begrüßen. Das ist wenigstens eine sinnvolle Sache, die wir seit zweieinhalb Jahren aus dem Bundesgesundheitsministerium vernehmen. Ich hoffe, dass das sehr schnell auf die Reihe kommt.

(Widerspruch bei der CDU -Tobias Krull, CDU: Da kommt sehr viel aus dem Ministe- rium! - Unruhe)

- Ja, aber nicht so viel Gutes. Aber das will ich in dieser Debatte nicht aufgreifen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit bis zum letzten Wort, wie ich Ihrem Beitrag entnehme. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Die nächste Debattenrednerin ist für die SPD-Fraktion Frau Dr. Pähle. Doch bevor ich Frau Dr. Pähle das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Förderstedt recht herzlich bei uns im Hohen Hause zu begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

- Frau Dr. Pähle, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Siegmund, das Lippenbekenntnis „Wir sind für Impfschutz, aber nicht so“ glaube ich Ihnen nicht,

(Oliver Kirchner, AfD: Müssen Sie auch nicht!)

weil Sie genau die Argumente aufgegriffen haben, die Impfgegner immer wieder gern anführen.

Ich habe vorhin auf eine Webseite des RobertKoch-Instituts hingewiesen: Auflistung der 20 häufigsten Argumenten von Impfgegnern. Eines davon heißt: Mit Impfungen will die Pharmaindustrie nur Geschäfte machen. Frau Präsidentin, wenn ich darf, würde ich an dieser Stelle gern die Antwort des Robert-Koch-Instituts vorlesen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Das habe ich nicht gesagt! Das war kein Argument! Ich habe auf Vertrauen angespielt! - Weitere Zurufe von der AfD - Unruhe)

- Sie haben gesagt, die Pharmaindustrie verdient daran nur und Herr Spahn als Bundesgesundheitsminister ist sowieso ein Pharmalobbyist und deswegen will er das durchsetzen.

(Ulrich Siegmund, AfD: Das war nicht das Argument! Das stimmt überhaupt nicht! - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Ja, natürlich! - Zuruf von Lydia Funke, AfD - Weitere Zu- rufe von der AfD - Unruhe)

- Das war das, was Sie gesagt haben.

(Ulrich Siegmund, AfD: Gucken Sie sich die Rede noch mal an! Das stimmt nicht! - Zu- ruf von Robert Farle, AfD - Weitere Zurufe von der AfD - Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einen kleinen Moment! Lassen Sie bitte erst einmal Frau Dr. Pähle ausreden. Sie können sich dann gern zu Wort melden. - Bitte, Frau Dr. Pähle.

Ich zitiere aus der Antwort des Robert-KochInsitutes:

„Privatwirtschaftliche Unternehmen in allen Branchen haben ein legitimes Interesse, mit ihren Produkten Geld zu verdienen. Die Pharmaindustrie macht hier keine Ausnahmen. Allerdings sollte man sich klarmachen, dass es einen großen finanziellen Unterschied zwischen dem Geschäft mit Arzneimitteln und dem mit Impfstoffen gibt. Von den knapp 194 Milliarden €, die die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2014 ausgegeben hat, entfielen

33 Milliarden € (17 %) auf Arzneimittel und lediglich etwas mehr als 1 Milliarde €

(0,65 %) auf Impfstoffe. Ein Grund dafür ist, dass Medikamente etwa von chronisch Kranken ein Leben lang eingenommen werden müssen, während Impfstoffe in der Regel nur wenige Male verabreicht werden. Aus Sicht der Pharmaindustrie ist das Geschäft mit Impfstoffen auch deswegen weniger attraktiv, weil die Herstellung von Impfstoffen weitaus komplexer und teurer ist als die von Arzneimitteln. So gibt es weltweit immer weniger Impfstoffhersteller, wozu auch wirtschaftliche Erwägungen beigetragen haben dürften. Andererseits sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass durch Impfungen kostenintensive Behandlungen sowie auch Leid von Patienten vermieden werden. Dies wurde in vielen gesundheitsökonomischen Evaluationen errechnet.“ Mit anderen Worten ist das der Verweis darauf: Wir brauchen keine Impfpflicht, weil das nur der Pharmaindustrie dient. Sie haben genau diese Argumente wieder vorgebracht. (Ulrich Siegmund, AfD: Schwachsinn! Das habe ich nie gesagt! Blödsinn!)

Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Wir brauchen auch an dieser Stelle eine Impfpflicht, um genau zu signalisieren: Es gibt ein hohes allgemeines gesellschaftliches Interesse an der Impfung von Kindern und von Erwachsenen gegen höchst ansteckende, lebensbedrohliche oder zumindest gegen Krankheiten mit hohem gesundheitlichem Risiko.

(Robert Farle, AfD: Nur Hysterie! Etwas an- deres können Sie nicht! - Zuruf von Lydia Funke, AfD - Unruhe)

Wer das verneint und immer noch darauf setzt, dass man an verschiedenen Stellen mit Aufklärung allein weiterkommt - wir brauchen sie begleitend -, der hat tatsächlich bei bestimmten Krankheiten den Schuss nicht gehört. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)