Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

Wir kommen nunmehr zu dem Abstimmungsverfahren zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/4533. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion der AfD. Damit ist diese Vorlage so beschlossen worden und wir können den Tagesordnungspunkt 31 schließen.

Wir kommen nunmehr zu dem

Tagesordnungspunkt 12

Beratung

Umgang mit Anliegen der Bürgerinnen und Bürger

Große Anfrage Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/3572

Antwort Landesregierung - Drs. 7/3796

Unterrichtungen Landtagspräsidentin - Drs. 7/3857, Drs. 7/3996, Drs. 7/4129, Drs. 7/4180 und Drs. 7/4399

Für die Aussprache zu der Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur D, also eine Debatte mit einer Gesamtdauer von 45 Minuten, vereinbart. Die Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten: SPD fünf Minuten, AfD acht Minuten, GRÜNE zwei Minuten, CDU zwölf Minuten und die DIE LINKE sechs Minuten.

Gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich zuerst der Fragestellerin das Wort. Deswegen hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau Buchheim das Wort. Frau Buchheim, bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Petitionen sind ein wichtiges Werkzeug der Demokratie. Sie bieten die Möglichkeit, sich zu informieren, auf Missstände aufmerksam zu machen und Anregungen zu liefern, etwas zu verändern und zu bewirken.

Allerdings steckt die parlamentarische Demokratie in einer Vertrauenskrise. Das Internet ist zu einem politischen Raum geworden. In Foren und sozialen Netzwerken können sich Menschen schnell austauschen und mobilisieren. Damit einhergehend ist der Ton rauer geworden. Ansprüche und Kritik werden härter formuliert. Das Verständnis für Zusammenhänge und Regeln, für Verfahren und Entscheidungen ist gesunken.

Meine Damen und Herren! Gerade deshalb ist der Weg des Dialogs auf Augenhöhe umso wichtiger.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der Digitalisierung sind auch neue Möglichkeiten entstanden, um Petitionen in die Öffentlichkeit zu bringen. Seit 2010 entstehen zunehmend Onlinepetitionsplattformen, die einen Dialog und einen öffentlichen Diskurs ermöglichen. Dieser Entwicklung müssen wir als Parlamentarier Rechnung tragen. Der Bekanntheitsgrad des parlamentarischen Petitionsrechts muss erhöht werden. Dazu gehört vor allem, sehr geehrte Damen und Herren, dass unser Petitionsrecht in der anstehenden Parlamentsreform einen hohen Stellenwert erhalten muss.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Wenn der weiteren Entfremdung zwischen Bürgern und Politik entgegengewirkt werden soll, dann gehört die Reform des Petitionswesens

ganz nach vorn. Das heißt aus der Sicht meiner Fraktion: mehr Bürgernähe und Transparenz durch öffentliche Sitzungen, nachvollziehbare Begründung und Dokumentation der Entscheidungen sowie Offenlegung der Verfahren und regelmäßige Bürgersprechstunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mehr Mitgestaltung: Das Land Sachsen-Anhalt sollte eine eigene, staatliche Petitionsplattform errichten. Auf dieser könnten die Bürgerinnen und Bürger Petitionen einreichen, veröffentlichen, mitzeichnen und diskutieren, und die Verfahrensstände von Petitionen könnten eingesehen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegenden Ergebnisse der Großen Anfrage zeigen, dass die Landesregierung offensichtlich nicht die Absicht hat, Eingaben der Bürger nach Gegenstand, Form, Bearbeitungsdauer und Ergebnis der Erledigung systematisch zu erfassen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass dieser Aufwand in keinem Verhältnis zu einem etwaigen Nutzen stehen würde. Das ist eher eine Ausrede, aber keine Begründung. Die Landesregierung stellt sich ihrer politischen Verantwortung für ein modernes Beschwerdemanagement einfach nicht.

Dass ein solches Beschwerdemanagement die Verwaltung besser macht, zeigen Ihnen folgende Beispiele: Die Heimaufsicht des Landesverwaltungsamtes ist im Fall einer Beschwerde verpflichtet, Prüfungen in den entsprechenden Wohnformen vorzunehmen. Die Beschwerden werden systematisch erfasst und nach Angabe der Landesregierung in einem jährlichen Bericht veröffentlich, zuletzt im Jahr 2017. Die Heimaufsicht hat insgesamt 137 Beschwerden erfasst. Allerdings ist dem Tätigkeitsbericht nicht zu entnehmen, wie man inhaltlich mit den Beschwerden umgegangen ist und in welchem Ergebnis diese mündeten.

Ein weiteres Beispiel: Die bei der Zentralen Beschwerdestelle der Polizei eingehenden Hinweise, Beschwerden und Informationen werden systematisch erfasst und bearbeitet. Der Zuständigkeitsbereich der Zentralen Beschwerdestelle wurde in einem Pilotprojekt bis zum Jahr 2019 auf den gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres und Sport erweitert. Der jährliche Bericht wird im Innenausschuss vorgestellt. Er ist online einsehbar und wird zudem als Broschüre veröffentlicht und verteilt. Die Beschwerdemöglichkeit wird zwischenzeitlich auch in Leichter Sprache in Form von Flyern publik gemacht.

Meine Damen und Herren! Ein Zitat:

„Beschwerden regen dazu an, das eigene Handeln aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Durch den Perspektivwech

sel können die Augen für Verbesserungs- und/oder Weiterentwicklungsbedarf geöffnet werden.“

So weit Herr Minister Stahlknecht in seinem Jahresbericht der Zentralen Beschwerdestelle.

Warum ist dies nicht für alle Geschäftsbereiche der Landesregierung und eben auch für den kommunalen Bereich möglich?

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Wir entnehmen der Antwort der Landesregierung, dass sie einfach kein Interesse daran hat. Diese Antwort ist ein Dokument des Desinteresses und der Unlust. Das finden wir sehr bedauerlich.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Diese Schmalspurpolitik haben die Bürgerinnen und Bürger nicht verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Das betrifft auch die Verweigerungshaltung des Innenministeriums, verbindliche Informationen von den Kommunen abzufordern. Der Verweis auf § 145 des Kommunalverfassungsgesetzes ist aus unserer Sicht nicht überzeugend. Diese Aussage widerspricht nämlich der bisher geübten Praxis bei der Beantwortung der Großen und Kleinen Anfragen. Die Nichtbeantwortung dieser Fragen wird daher von uns als reine Willkür empfunden.

Hinsichtlich unserer Anfrage zum Umgang mit Bitten und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger im kommunalen Bereich haben die kommunalen Spitzenverbände auf die Organisationshoheit der kommunalen Gebietskörperschaften verwiesen und darum gebeten, auf Abfragen in den Kommunen zu verzichten. Die Landesregierung hat sich dieser Argumentation angeschlossen. Da der Landesregierung auch keine statistischen Daten vorliegen, erfolgte keine Beantwortung der Anfrage.

Die Spitzenverbände führen zur Begründung aus, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass die Kommunen ihrerseits kein ausreichendes Management im Umgang mit Anliegen oder Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger hätten. Die enge Verbindung der Hauptverwaltungsbeamten und der Ratsmitglieder zu den Bürgerinnen und Bürgern würde sicherstellen, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hinreichend platziert und bearbeitet werden können. Einen weiteren Bedarf zu Erforschung der Aufgabenerledigung sehen die Spitzenverbände nicht. Dieser Argumentation kann meine Fraktion nicht folgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Glauben Sie wirklich, dass die Kommunalwahlen ein Beleg dafür sind, dass die Anliegen der Bürger durch die Verwaltung ausreichend bearbeitet werden? - Die Position der Spitzenverbände ist jene Form von Selbstzufriedenheit und Ignoranz, die die Bürger abstößt.

Auch wenn uns die Landesregierung nichts zur kommunalen Eingabenpraxis sagen will, haben wir in Zusammenarbeit mit unseren Ratsmitgliedern eigene Recherchen angestellt. Einige Beispiele: Positiv hervorzuheben ist die Landeshauptstadt Magdeburg, die einen Ausschuss für kommunale Rechts- und Bürgerangelegenheiten eingerichtet hat, welcher unter anderem die Petitionen erfasst und bearbeitet. Dieser ist auch für die Beratung der Anliegen von Bürgerinitiativen und Einwohnerangelegenheiten zuständig. Neben der Möglichkeit, eine Petition einzulegen, kann sich der Bürger auch direkt an den Oberbürgermeister wenden.

Der Stadtrat hat außerdem im Jahr 2014 die Einführung der Onlinepetition beschlossen. Daher können Petitionen sowohl schriftlich als auch online über die städtische Internetseite eingereicht werden. Der Einreicher erhält innerhalb von zwei Wochen eine Eingangsbestätigung mit einem Aktenzeichen. Ist die von dem Petenten eingereichte Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung für die Stadt, wird die Zuständigkeit des Stadtrates begründet und die Petition mit einer Verwaltungsvorlage dem Ausschuss für kommunale Rechts- und Bürgerangelegenheiten zur Entscheidung vorgelegt. Dieser entscheidet über die Petition in nichtöffentlicher Sitzung. Die Petition wird abschließend beschieden.

Darüber hinaus hat Magdeburg einen Onlinebürgerbriefkasten eingerichtet, mit dem allgemeine Anliegen, Fragen und Anregungen an die Stadtverwaltung gerichtet werden können.

Die Praxis in Dessau-Roßlau zeigt, dass die Bearbeitung von Bitten und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger in der Arbeit der Fachämter bzw. der Dezernate der Kommune erfolgt. So hat der Oberbürgermeister darauf verwiesen, dass Bitten und Beschwerden von nicht unwesentlicher Bedeutung regelmäßig in den Dienstberatungen der jeweiligen Fachämter und Dezernate ausgewertet werden.

Eine Auswertung von Bitten und Beschwerden mit großem öffentlichen Interesse erfolge in den Dienstberatungen des Oberbürgermeisters mit den Dezernenten. Der Oberbürgermeister teilte bei der Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage mit, dass geprüft werde, ob ein einheitliches Beschwerdemanagement, wie es dort zum Beispiel bereits im Eigenbetrieb Dekita existiert, auf die Kernverwaltung übertragbar ist.

Unsere Anfrage hat an dieser Stelle also dazu geführt, dass dem Hauptverwaltungsbeamten die Augen für einen Verbesserungsbedarf geöffnet wurden.

Der Oberbürgermeister der Stadt Köthen hat geantwortet, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Anliegen im Rahmen der Einwohnerfragestunde an die Vertretung richten können; an die zuständigen Stellen schriftlich, elektronisch und mündlich sowie seit April 2018 über den Bürgermelder auf der Webseite der Stadt Köthen, wo die Anliegen der Bürger und die Antworten für die Öffentlichkeit einsehbar sind.

Über eingehende Dienstaufsichtsbeschwerden

wird in unregelmäßigen Zeitabständen im Hauptausschuss informiert. Die Beantwortung von Bürgeranfragen im Rahmen von Einwohnerfragestunden erfolgt eigenständig durch den Hauptverwaltungsbeamten und wird der Niederschrift über die jeweilige Sitzung beigefügt.

Meine Damen und Herren! Außerhalb von Sachsen-Anhalt gibt es viele nachahmenswerte Beispiele. Im Juni 2017 hat die Stadt Braunschweig ein neues Bürgerbeteiligungsportal „Mitreden“ eingeführt. Nunmehr sind eine Ideenbörse und ein Mängelmelder hinzugekommen. Darüber können Ideen, Vorschläge und Beschwerden an die Stadtverwaltung herangetragen werden. Die Beteiligungsquote ist damit deutlich gestiegen.

Die Ideenbörse bietet den Bürgern die Möglichkeit, ihre Ideen unkompliziert bei der Verwaltung einzureichen. Haushaltsneutrale Vorschläge werden direkt an die fachlich zuständigen Stellen weitergeleitet und auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft. Ist mit der Umsetzung eines Vorschlags ein finanzieller Aufwand verbunden, muss die Idee mindestens 140 Unterstützer auf dem Portal finden. Erst danach wird der Vorschlag durch das zuständige Fachamt inhaltlich geprüft und, soweit erforderlich, den politischen Gremien zur Entscheidung zugeleitet. Der Bearbeitungsstand

sowie die Entscheidung sind über das Onlineportal einsehbar. Sie können daher jederzeit von den politischen Gremien aufgegriffen werden.