Sachsens drei größte Städte, Dresden, Leipzig und Chemnitz, haben aufgrund der Verankerung eines kommunalen Petitionsrechtes in der Gemeinde- und Landkreisordnung eigene Petitionsplattformen eingerichtet. Es besteht die Möglichkeit der Einreichung von E-Petitionen. Diese werden online eingestellt, können diskutiert und mitgezeichnet werden. Die Antwortschreiben werden anonymisiert eingestellt. Die Anliegen selbst werden vom Petitionsausschuss bzw. vom Stadtrat bearbeitet. Daneben werden online vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt. Die Verfahren zeugen von hoher Transparenz.
Diese Beispiele zeigen, dass es Verwaltungen gibt, die sich ihrer Verantwortung für ein modernes Beschwerdemanagement stellen, und es gibt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt.
Es ist ja nett, dass die Landesregierung auf diverse andere Beteiligungsmöglichkeiten verweist, zum Beispiel auf ihr Projekt auf der Internetseite www.einmischen.sachsen-anhalt.de sowie den Entwurf des E-Government-Gesetzes, welches in § 13 die Möglichkeit elektronischer Beteiligungsverfahren vorsieht. Aber das geht doch ein wenig am Thema Umgang mit Eingaben und Beschwerden vorbei.
Nach Auffassung meiner Fraktion besteht im Umgang mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nicht nur auf Landesebene ein erheblicher Reformbedarf. Sachsen-Anhalt hat bisher nicht durch eine Regelung in der Kommunalverfassung die Möglichkeit vorgesehen, Petitionen unmittelbar an die Stellen der kommunalen Selbstverwaltung zu richten. In den Kommunen gibt es keine Petitionsausschüsse, obwohl sich gerade Petitionen zumeist mit Kommunalpolitik befassen. Auch auf dieser Ebene muss die Beteiligung wirklich wahrgenommen und das Anliegen bearbeitet werden. Es darf nicht den privaten Petitionsplattformen überlassen werden.
In den Kommunen ist bereits teilweise ein Bestreben vorhanden, über Onlineplattformen ein bürgernahes und transparentes Angebot für die Erfassung und Bearbeitung von Bürgeranliegen zu bieten. Es muss jedoch konsequent ausgebaut und durch eine gesetzliche Regelung manifestiert werden. - Vielen Dank.
Ich sehe zu diesem Beitrag keine Fragen. Deswegen können wir jetzt in die Debatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht der Innenminister Herr Stahlknecht.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Buchheim, Sie haben sich mit unserer Antwort auseinandergesetzt. Das will ich jetzt nicht alles wiederholen. Ich möchte aber ganz gerne, weil Sie uns das vorgehalten haben und ich es nicht so stehen lassen will, auf den § 145 des Kommunalverfassungsgesetzes Bezug nehmen und erläutern, zumal ich heute Morgen eine Debatte darüber gehört habe, was ein Untersuchungsausschuss kann oder darf - das war richtig so -, was wir können und was Sie dürfen
Wir haben ausgeführt, dass in Bezug auf die Fragen, die den kommunalen Bereich betreffen, keine einzelfallbezogenen Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder bereits erfolgte Rechtsverletzung vorliegen, die eine verbindliche Abforderung von Informationen bei den Kommunen im Rahmen der Rechtsaufsicht durch uns auf der Grundlage des Unterrichtungsrechtes nach § 145 des Kommunalverfassungsgesetzes begründen könnten. Das gibt es nicht. Auch unterfallen die Kommunen mit Blick auf die Fragestellung keiner allgemeinen Berichtspflicht.
Auf Bitten der kommunalen Spitzenverbände hat die Landesregierung davon abgesehen, die Kommunen um entsprechende Stellungnahmen zu bitten. So haben die kommunalen Spitzenverbände erklärt, ihnen und damit den Gemeinden und Landkreisen lägen keinerlei Hinweise vor, dass die Städte, Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreise nicht ihrerseits ein ausreichendes Management im Umgang mit Anliegen oder Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger hätten.
Des Weiteren wiesen sie darauf hin, dass gerade die enge Verbindung, die die Landräte, Bürgermeister und Verbandsgemeindebürgermeister und ihre Räte zu den Bürgerinnen und Bürgern pflegen, sicherstellt, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hinreichend platziert und bearbeitet werden können.
Über die Landtagspräsidentin haben Sie dann mit Schreiben vom 23. Januar dieses Jahres die Antwort von uns - damit stellvertretend für die Landesregierung - als unzureichend beanstandet. Sie sahen das parlamentarische Frage- und Informationsrecht Ihrer Fraktion gemäß Artikel 53 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt verletzt.
Wir haben Ihnen dann über die Landtagspräsidentin geantwortet und mitgeteilt, dass die unbeantwortet gebliebenen Fragen der Großen Anfrage ausschließlich kommunale Selbstverwaltungsangelegenheiten betreffen, bei denen die Kommunen nur der Rechtsaufsicht durch das Land unterliegen.
Im Zuständigkeitsbereich der Rechtsaufsicht kann die Landesregierung bzw. die hierfür zuständige Kommunalaufsichtsbehörde vom Informations
recht nach § 145 des Kommunalverfassungsgesetzes nur Gebrauch machen, soweit ein konkreter rechtsaufsichtlicher Anlass vorliegt, der es erfordert, ein bestimmtes kommunales Verhalten einer Prüfung auf Rechtmäßigkeit zu unterziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Informationsanspruch des Abgeordneten oder der Abgeordneten und die mit ihm korrespondierenden
Auskunfts- und Informationspflichten der Landesregierung beziehen sich nicht auf alle Themenbereiche und Gegenstände, sondern sind auf den Bereich des Regierungshandelns begrenzt, da nur insoweit ein informatorisches Ungleichgewicht besteht. Das ist die Rechtslage.
Wir können die Kommunen nur bitten, uns zu liefern, und können es nicht anordnen. Wenn sie unserer Bitte nicht nachkommen, dann können wir Ihnen nicht liefern. Sie haben keinen Anspruch darauf, das einzufordern. Im Gegenzug können Sie uns dafür nicht kritisieren. Das ist geltende Rechtslage, Frau Kollegin. - Vielen Dank.
Ich sehe auch zum Debattenbeitrag der Landesregierung keine Wortmeldung. Deswegen können wir in die Debatte der Fraktionen eintreten. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Schindler.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung hat in der Antwort auf die Frage 49 geschrieben - ich zitiere -:
„Die Landesverwaltung ist zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf das Vertrauen und die Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen. In diesen Zusammenhang bieten Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, die Qualität von Dienstleistungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern oder Missstände zu beseitigen. Darüber hinaus geben sie Gelegenheit, Bürgerinnen und Bürgern Sachzusammenhänge zu erläutern, um so ein höheres Verständnis für Verwaltungshandeln zu erreichen.“
„Die Landesregierung und die sie tragenden Parteien wollen durch ihr Handeln dazu beitragen, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Verlässlichkeit staatlichen Handelns und in die Motive der politisch Verantwortlichen zu stärken und neu zu gewinnen.“
Politik und Verwaltung werden immer als eine Einheit gesehen. Deshalb ist es vor allen Dingen wichtig, diesen Weg der immer weiteren Stärkung von Beteiligung und Mitbestimmung zu gehen. In den vergangenen Jahren sind die Regelungen für Beteiligung und Mitbestimmung immer weiter verbessert worden, allerdings nicht so weit, dass sie nicht noch weiter verbessert werden könnten. Auch wenn es keine Statistik über die Gesamtheit der in mündlicher und fernmündlicher Form,
schriftlicher Form bzw. per E-Mail eingehenden Bitten, Beschwerden und einzelne Eingaben an die Landesbehörden gibt, so sollte es ein entsprechendes Beschwerdemanagement in allen Landesverwaltungen geben.
Oft müssen wir erkennen, dass der Verweis auf ein förmliches Verfahren der Bevölkerung nicht ausreicht. Informieren ist nicht immer gleich beteiligen. Allein der Hinweis auf eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, der auch in der Großen Anfrage gegeben wird, reicht nicht aus. Vielmehr ist es wünschenswert, dass bei vielen Vorhaben und nicht nur bei denen, bei denen es gesetzlich vorgeschrieben ist, frühzeitig die Öffentlichkeit und somit die Bevölkerung bei Entscheidungen der Behörden mitgenommen werden. Das erleben wir vor Ort bei vielen Vorhaben. Nur so ist es möglich, das notwendige Vertrauen zu staatlichen Entscheidungen aufzubauen und weiter zu vertiefen.
Sie verwiesen auf die vorliegenden Petitionen, vor allem im Petitionsausschuss des Landtages. Dort können wir sehen, inwieweit das Verständnis von Bürgerinnen und Bürgern für Entscheidungen der Verwaltung besteht. Dort liegen auch viele Anliegen aus der kommunalen Ebene vor, wobei ich nicht nur auf die Verbesserung des Petitionsrechtes, so wie Sie es vorgetragen haben, hinwirken möchte. Denn übersetzt aus dem Lateinischen bedeutet das Wort „Petition“ eine Bittschrift. Es sollte aber nicht nur eine Bittschrift sein. Es sollte nicht nur eine Eingabe oder ein Gesuch sein. Vielmehr soll Bürgerinnen und Bürger das Recht der frühzeitigen Beteiligung ermöglicht werden.
Bereits bei der Änderung des KVG habe ich darauf hingewiesen, dass die Möglichkeiten für Bürgerbeteiligungen verbessert werden sollen, und zwar auch auf der kommunalen Ebene.
Zu der Frage des Auskunftsrechts gerade auf der kommunalen Ebene möchte ich auf die Ausführungen des Ministers verweisen. Ich kann aber nur dazu ermuntern, vor Ort in den Vertretungen nachzufragen und nachzuhaken, weil ich dort auch eine Notwendigkeit der Verbesserung sehe.
Wir können in den Bürgersprechstunden, auch in unseren Bürgersprechstunden vor Ort, immer wieder erleben, wie sich Bürgerinnen und Bürger an uns wenden. Diese Möglichkeit sollten wir ihnen einräumen und wir sollten die Möglichkeiten für die Zukunft verbessern. - Vielen Dank.
Danke. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Deswegen könnten wir weiter vorangehen. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Olenicak. Zu
mindest ist das bei mir so angemeldet worden. Es scheint Überraschung ausgelöst zu haben, aber es läuft. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antworten auf die Große Anfrage der LINKEN in der Drs. 7/3275 sind nicht sehr aufschlussreich, unter anderem, weil im Landtag keine Statistiken zu den Anliegen der Bürger geführt werden.
Dennoch konnte die Arbeit des Petitionsausschusses im letzten Jahr als insgesamt positiv beurteilt werden. Aber es gibt Möglichkeiten der Verbesserung. Einen Anspruch auf Anhörung des Bürgers gibt es nicht. Der Petitionsausschuss kann gemäß Artikel 61 Abs. 3 der Landesverfassung den Petenten anhören. Wie wäre es, wenn ein solcher Anspruch grundsätzlich bestehen würde und aus der Kannvorschrift eine Sollvorschrift gemacht werden würde? - Hierfür tritt die AfD-Fraktion ein. Nur in begründeten Einzelfällen sollte von einer Anhörung abgesehen werden, bei offensichtlich unbegründeten Petitionen oder Missbrauchsfällen.
Bei Strafgefangenen oder bei Untergebrachten ist auch der Petitionsausschuss nicht geeignet. Für sie sollte eine andere Schiedsstelle gegeben sein.
Ob der Petent zur Erörterung seiner Angelegenheit geladen werden möchte, könnte mit einem Anschreiben in Formularform zusammen mit der Eingangsbestätigung im Vorfeld einer jeden Erörterung abgeklärt werden. Kosten, die mit seiner Anwesenheit in Verbindung stehen, werden dabei nicht erstattet.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zur Herstellung der Öffentlichkeit im Petitionsausschuss. Auf dem vorgenannten gleichen Formular könnte abgefragt werden, ob der Petent die Erörterung seiner Petition auch in öffentlicher Sitzung beantragt bzw. ob der Petent etwas dagegen hat. Im Vorfeld der Erörterung, in nichtöffentlicher Sitzung, befindet der Petitionsausschuss dann über diesen Antrag.
Die Herstellung der Öffentlichkeit kann dann in der Geschäftsordnung des Landtags an Bedingungen geknüpft werden. Wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls, Vorschriften über die Geheimhaltung oder schutzwürdige Interessen Dritter einer öffentlichen Erörterung entgegenstehen, dann wird die Öffentlichkeit nicht hergestellt. Der Petitionsausschuss behält das letzte Wort in Sachen öffentlicher und nichtöffentlicher Sitzung, wie es auch in anderen Ausschüssen üblich ist.
Die AfD-Fraktion möchte die Arbeit des Petitionsausschusses bekannter und transparenter machen, um somit dem Bürger das Gefühl zu geben,
Wenn der Datenschutz, Persönlichkeitsrechte Dritter, der Jugendschutz oder die öffentliche Sicherheit nicht beeinträchtigt werden, dann gibt es keinen Grund dafür, die Sitzungen des Petitionsausschusses nicht öffentlich zu machen.
Die Öffentlichkeit einer Sitzung wäre dann hergestellt, wenn Vertretern der Medien und sonstigen Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse und der Kapazitäten des Landtagsgebäudes der Zutritt ermöglicht würde.
Im Zuge der Digitalisierung werden neue Formen politischer Teilhabe immer wichtiger. In Betracht kommt eine öffentliche Einreichung der Petition auf einer landeseigenen Onlineplattform in vereinfachter, wenig verklausulierter Form.
Alle digitalen Unterzeichner sollten durch das Portal vom Ergebnis der Petition informiert und dadurch indirekt ein Werbeeffekt für das Petitionsverfahren erzielt werden. Das sollte sich der Landtag zunutze machen. Privat geführte Petitionsportale unterstützt die AfD-Fraktion nicht.
Als weitere Verbesserung möchte die AfD-Fraktion die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Petitionsausschuss in bestimmten Fällen die Bearbeitung einem Fachausschuss übertragen kann. Dieser würde dann gegebenenfalls die Anhörung des Petenten durchführen, die Letztentscheidung über die Herstellung der Öffentlichkeit fällen und eventuell Ortstermine durchführen.
In Bayern führt die Landtagsverwaltung bestimmte Petitionen nach sachlichen Zuständigkeiten bereits den Fachausschüssen des Landtags zu. So erreicht nur ein Teil der Petitionen den eigentlichen Petitionsausschuss.
Das bayerische Modell ist jedoch nicht eins zu eins übertragbar, weil bestimmte Modalitäten und die politische Kultur in Bayern anders sind als in Sachsen-Anhalt. So ist der geschichtliche Werdegang ein anderer als der von Sachsen-Anhalt. Der Landtag ist zudem mehr als doppelt so groß. Das gilt auch für die Ausschüsse.
Wir können uns für Sachsen-Anhalt vorstellen, dass der Petitionsausschuss bei komplexen Einzelfällen, die in der Sache ohnehin vom Fachausschuss bearbeitet werden, zum Beispiel Deponie Brüchau, dem Fachausschuss zugleich die dazugehörigen Petitionen zuleitet. Alternativ können Mitglieder des Fachausschusses als Berichterstatter zu Petitionen ihres Fachgebiets im Petitionsausschuss sachkundig vortragen. Hierzu sollten die Geschäftsordnung des Landtags bzw. die Grundsätze des Petitionsausschusses angepasst werden.