Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Herr Lehmann, Sie haben das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Lieber Herr Striegel, Sie sehen, ich habe jetzt keinen Laptop dabei. Also googeln Sie es bitte selber.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ich kann Ihnen die Antwort geben! - Zurufe von der AfD)

Vielen Dank, Herr Lehmann. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Bevor wir in die Fünfminutendebatte durch die Fraktionen einsteigen, hat Herr Minister Stahlknecht das Wort. Sie haben das Wort, Herr Minister.

Die AfD vermittelt den Eindruck, dass eine Unterbringung von Abschiebegefangenen in einer Justizvollzugsanstalt nicht ausgeschlossen sei, wenn eine räumliche Trennung von den Strafgefangenen innerhalb der Justizvollzugsanstalt gewährleistet sei. Dies werde durch das GeordneteRückkehr-Gesetz - so sagen Sie, Herr Lehmann - klargestellt. Die Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, vermitteln ein völlig falsches Bild,

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

weil Abschiebungsgefangene keine Strafgefangenen sind. In Bezug auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht sind sie auch nicht Adressat eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Freiheitsentziehende Maßnahmen stellen immer die Ultima Ratio staatlichen Handelns dar.

Die Abschiebungshaft wird daher grundsätzlich in speziellen Haftanstalten vollzogen. So ist es europarechtlich in Artikel 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie und bundesrechtlich in § 62a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist lediglich für Ausländer vorgesehen, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Das müssen Sie aber, Herr Roi, im Einzelfall feststellen. Sie können nicht nach der Methodik der AfD sagen, jeder Ausländer stellt für sich selber eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer dar, ohne es zu prüfen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Das ist zumindest Ihr Denkmodell.

(Volker Olenicak, AfD: Das ist nicht so!)

Entsprechend entschied der Europäische Gerichtshof am 17. Juli des Jahres 2014, dass ein föderal strukturierter Mitgliedstaat gesamtstaatlich auch dann verpflichtet ist, ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen in Abschiebungshaft zu nehmen,

wenn in einzelnen Bundesländern solche Einrichtungen nicht vorhanden sind. Das Urteil bezog sich allerdings auf die seinerzeit normale Zugangs- und Rückführungssituation.

Gerichtlich geklärt wurde damit, dass eine Unterbringung von Abschiebungsgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt im Normalfall nicht erfolgen darf, selbst wenn innerhalb der Justizvollzugsanstalt eine getrennte Unterbringung erfolgen könnte. Das ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2014.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die sollte man abschaffen!)

Und jeder, der Verantwortung hat, sollte sich diese bei seinem Handeln vergegenwärtigen und im Übrigen auch ernst nehmen.

(Volker Olenicak, AfD: Wie ist es mit der Verantwortung den Bürgern gegenüber?)

Nun ist es so, dass der Entwurf des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, welches auch als Geordnete-RückkehrGesetz bezeichnet wird, diesen Grundsatz nicht infrage stellt. Es lässt aber Öffnungen zu. Der Gesetzentwurf macht von der in Artikel 18 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie vorhandenen Abwei

chungsmöglichkeit Gebrauch.

Nach Artikel 18 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie kann zeitlich beschränkt von den vorgenannten Grundsätzen, die ich gerade vorgetragen habe, abgewichen werden, wenn eine außergewöhnlich hohe Zahl von Ausreisepflichtigen Drittstaatsangehörigen zu einer unvorhersehbaren Überlastung der Kapazitäten der speziellen Hafteinrichtungen führt.

Nun ist es so, dass wir im Land Sachsen-Anhalt selber keine Abschiebehafteinrichtung haben - aus Gründen, die das BLSA zu verantworten hat; das sage ich auch ganz deutlich - und deshalb in Dessau nicht weiterkommen, sodass wir im Augenblick einige Haftplätze für die Abschiebungshaft in Niedersachsen haben, aber in der jetzigen Situation durchaus auch von dieser Möglichkeit des Artikels 18 des neuen Gesetzes werden Gebrauch machen können.

Das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ist allerding noch nicht in Kraft getreten. Es befindet sich im Gesetzgebungsverfahren. Damit gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage für Ihre Forderung, weil ich, solange das Bundesgesetz nicht in Kraft getreten ist, von der Ausnahmemöglichkeit gar nicht Gebrauch machen kann.

(Zuruf von der AfD)

Wenn doch, dann würde ich mich rechtsmissbräuchlich gegen eine Richtlinie der EU und

gegen eine höchstrichterliche europäische Rechtsprechung stellen.

Somit kommen Sie mit dem, was Sie vortragen, zu früh. Sie tragen - ähnlich wie bei Fragen zum Waffenrecht - jedes Mal das Gleiche vor. Wir werden jetzt in aller Ruhe und Gelassenheit das Bundesgesetzgebungsverfahren abwarten

(Zuruf von der AfD: Genau!)

und dann die erforderlichen Maßnahmen veranlassen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der AfD)

Vielen Dank, Herr Minister. Mir liegen zwei Wortmeldungen vor. Als Erster spricht Herr Abg. Farle und danach Herr Abg. Roi. - Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Stahlknecht, das ist eine Kurzintervention. Bei allem Respekt: Aus Sicht der AfD-Fraktion ist das, was Sie hier vorlegen, einfach nur viel zu wenig. Sie erklären uns immer, warum es nicht geht, mit den Problemen fertig zu werden. Sie lassen aber keine Initiativen erkennen, wie man mit dem Problem der illegal Zugewanderten, der längst Abgelehnten und der damit Ausreisepflichtigen vernünftig umgeht, sodass sie endlich wieder in ihre Heimat zurückgehen und keine Straftaten mehr in unserem Land begehen können.

Es ist ein ganz schlechtes Bild, das hierzu abgegeben wird, weil es deutlich macht, dass Sie gar nicht auf der Seite derer stehen, die verhindern wollen, dass diese Leute hier bleiben und ihr Unwesen treiben.

(Zuruf von der AfD)

Wir wollen, dass dieses Unwesen aufhört. Wenn es jetzt viele Tausend Menschen gibt, die nach Hause, in ihre Heimat gehen müssen, weil dort kein Krieg herrscht und sie keine Genehmigung haben, hier zu bleiben, dann muss man eben die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften schaffen und sich dafür einsetzen, dass dieses Problem endlich gelöst wird. Wie viele Leute sollen wir hier als Vergewaltiger in diesem Land noch dulden?

(Beifall bei der AfD)

Herr Minister Stahlknecht, Sie haben jetzt die Möglichkeit, darauf zu erwidern.

Jetzt fangen wir wieder von vorn an.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Die völlig klare Position dieses Innenministeriums und auch die von mir als MdL meiner Fraktion ist es - ich kann an der Stelle in beiden Funktionen sprechen -, dass derjenige, der hier keine Bleibeperspektive hat, weil nach der Genfer Flüchtlingskonvention kein Asylgrund vorliegt, dieses Land wieder zu verlassen hat. Das ist die völlig klare Position von mir und, wie ich denke, auch der CDU-Fraktion.

(Zuruf von der AfD)

- Jetzt lassen Sie mich bitte einmal ausreden! - Dazu gibt es eine klare Kante.

(Lachen bei der AfD)

- Da können Sie lachen. Das Prinzip, das Sie hier vortragen, ist, dass Sie die Gesetze überhaupt nicht interessieren. Für Sie gilt der Grundsatz - dafür nehme ich jetzt gern einen Ordnungsruf in Kauf -: legal, illegal, scheißegal.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Se- bastian Striegel, GRÜNE)

Sie handeln nach diesem Grundsatz nur deshalb, damit Sie Populismus machen können. Das ist genau der Punkt, der hier abläuft. Sie würden diese Leute nach Ihrem Rechtsempfinden, nur weil jemand eine dunkle Hautfarbe hat und sein jeweiliger Herkunftsstaat nicht feststellbar ist, wahrscheinlich in irgendein Flugzeug setzen und irgendwo absetzen, egal wo.

(Robert Farle: Das ist eine unzulässige Ein- lassung eines Ministers! - Zuruf von der AfD: Es wäre schön, wenn Sie mal auf die Frage antworten würden!)

Aus den Erfahrungen von zwölf Jahren NS-Diktatur haben wir uns eine Verfassung gegeben, die uns auf den Boden eines Grundgesetzes stellt und den Rechtsvorbehalt hat. Ich möchte nicht in einem Land Minister sein, in dem dieser Rechtsvorbehalt nicht mehr gilt.

Meine Damen und Herren! Demokratie ist manchmal schwierig auszuhalten.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)