Protokoll der Sitzung vom 29.08.2019

Anhalt, die Möglichkeit eröffnet, in bestimmten Bereichen eigene Regelungen zu treffen. Durch die Ministerin wurden hierzu schon umfängliche Ausführungen gemacht. Deswegen nenne ich nur ganz kurz folgende Punkte: die Zulassung zusätzlicher Einrichtungen der Frühförderung, die Regelung zum Budget der Arbeit und damit die Verbesserung der Möglichkeiten für behinderte Menschen, einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, die Schaffung von Möglichkeiten der anlasslosen Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit bei den Leistungserbringern und schlussendlich die Benennung einer maßgeblichen Interessenvertretung, in unserem Fall des Landesbehindertenbeirates.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Mitgliedern des Landesbehindertenbeirates für ihr Wirken in diesem Gremium äußerst herzlich zu danken.

Mit dem Gesetz wird unser Land - genauer gesagt: die Sozialagentur - der Träger der Eingliederungshilfe in Sachsen-Anhalt. Dies ist nur konsequent in der Fortführung der bisherigen Zuständigkeiten. Gleichzeitig werden die Landkreise und kreisfreien Städte herangezogen.

Im Rahmen der Beratungen über den Gesetzentwurf wird zu erläutern sein, ob die aufgeführten zeitlichen Ansätze und die finanziellen Auswirkungen tatsächlich zutreffen. Hierbei stehen die Kommunen vor inhaltlichen und organisatorischen Herausforderungen, da die Verfahren einen neuen Qualitätsanspruch haben und auch neue Anforderungen bedeuten.

Voraussichtlich wird nicht alles auf Anhieb wie gewünscht funktionieren. Ich denke aber, dass es der gemeinsame Wille aller Beteiligten ist, die Chancen aus der Umsetzung des BTHG für die Steigerung der Lebensqualität der Menschen mit Behinderungen zu nutzen.

In diesem Sinne wird meine Fraktion den weiteren Prozess intensiv begleiten und dabei die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung einbinden - getreu deren Motto: Nichts über uns ohne uns!

In diesem Sinne bitte ich um Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Krull. Auch hierzu gibt es keine Fragesteller. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Zoschke. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz werden mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf weitere landesrechtliche Vorschriften zwingend angepasst. Durch das, was darin in einer nicht gerade einfachen Sprache zu Papier gebracht wurde, sollen sowohl die Teilhabemöglichkeiten als auch die Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigungen verbessert und gestärkt werden.

Selbstverständlich betrifft die Mehrzahl der Regelungen das Verwaltungshandeln sowohl des überörtlichen als auch des örtlichen Trägers der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation. Dennoch ist der Gesamtprozess für alle Beteiligten schwierig und nicht ganz reibungslos. Das geht bis hin zur Umsetzung des Rechtsanspruches jedes Einzelnen.

Die betroffenen Menschen und ihre Familien leben in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Die Sozialämter kennen in der Regel die Angebotspalette, die Träger der Angebote und die Menschen mit Beeinträchtigungen im jeweiligen Landkreis.

Aus diesem Grunde ist es sehr wohltuend, von der Einschätzung der Landesregierung zu lesen, dass die ganzheitliche Einzelfallbearbeitung in der Eingliederungshilfe durch die Sozialämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten über Heranziehung eine gute Verfahrensweise ist und ihre Fortsetzung finden soll.

Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher darin, ob die Fragen der Haftung, wie im Gesetz beschrieben, die Entscheidungsfreudigkeit und die Ausübung des Ermessensspielraums durch die bearbeitenden Fachkräfte fördern.

In diesem Zusammenhang wurde gemeinsam mit den Landkreisen und kreisfreien Städten auch der Mehraufwand ermittelt, den die Landkreise nunmehr haben werden. Akribisch ist dieser Mehraufwand pro Fall in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf nachgewiesen.

Dies mutet sehr kompliziert und bürokratisch an, wenn man sich mit der minutengenauen Nachweisführung pro Fall einmal auseinandersetzt. Meine große Hoffnung ist es, dass im tatsächlichen Erlebnisfall auch der betroffene Mensch im Fokus der Betrachtung steht und nicht nur die Aktenlage und die Zeitvorgabe pro Fall.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auf alle Fälle wird der so festgestellte Mehraufwand nach Fallzahlen an die Landkreise und kreisfreien Städte ausgezahlt und in zwei Jahren evaluiert.

Der Beirat für Menschen mit Behinderungen wird in dem Gesetz ausdrücklich als die maßgebliche Interessenvertretung der Menschen mit Beeinträchtigung benannt. Dies findet unsere ausdrückliche Zustimmung. Wahrgenommen wird diese Interessenvertretung durch den Landesbehindertenbeauftragten bzw. die Landesbeauftragte.

Beide, Beirat und Beauftragte, erfüllen die notwendigen Kriterien.

Es wird für einen großen Teil der Menschen mit Beeinträchtigungen Veränderungen geben. Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte wird es sein, im Interesse der Menschen mit Beeinträchtigungen mit viel Empathie lenkend die Antragsverfahren zu begleiten.

Sehr gespannt verfolgen wir die entbrannte Diskussion zur anlasslosen Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität. Die Umsetzung von mehr Teilhabegerechtigkeit ist nicht nur Sache der unmittelbaren Akteure im Sozialbereich. Dringend ist insbesondere auch im Bereich Budget für Arbeit ein breites gesellschaftliches Agieren notwendig.

Wir stimmen der Überweisung zu. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Zoschke. Auch hierzu sehe ich keine Fragesteller. - Jetzt kommen wir zu Frau Lüddemann. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Mit dem Bundesteilhabegesetz ist ein grundsätzlicher Reformprozess in der Eingliederungshilfe initiiert worden. Die Ministerin und meine Vorredner haben dazu schon teilweise ausführlich im Detail ausgeführt.

Den Umbau der Eingliederungshilfe hin zu einem personenzentrierten Ansatz begrüße ich sehr. Natürlich verursacht eine solche grundsätzliche Neuausrichtung hohen Arbeitsaufwand auf allen administrativen Ebenen, so auch auf Landesebene in Form von Ausführungsgesetzen.

Das vorgelegte Teilhabestärkungsgesetz ist daher eine politische Pflichtaufgabe, die es gilt, möglichst zügig abzuschließen. Viele inhaltliche Punkte sind zu begrüßen. Etwa die Beibehaltung der unangekündigten Kontrollen von Einrichtungen, auch wenn es dazu in der Anhörung seitens des Hauses Gegenstimmen gab.

Aber in einem Bereich mit derartigen Machtasymmetrien wie im stationären Bereich der Eingliederungshilfe sind externe Kontrollen schlicht

und ergreifend geboten. Wir alle wissen, nur unangekündigte Prüfungen sind wirkliche Prüfungen. Ansonsten sollte man eher von Besuchen sprechen.

Ein weiterer Punkt ist mir im vorliegenden Gesetzentwurf allerdings deutlich zu schwach ausgeprägt, und zwar die Beteiligung der Betroffenen selbst. Im bisherigen Gesetzgebungsverfahren scheinen die Interessenverbände der Betroffenen nicht angehört worden zu sein. Das bedauere ich. Das war anders versprochen und das müssen wir im Ausschuss nachholen.

Verehrten Herr Kollege Krull, mein Anliegen geht deutlich darüber hinaus, den Behindertenbeirat einzubeziehen. Es gibt durchaus auch noch Eigenvertretungen, die - so sehe ich auch die Intention des Gesetzes - gehört werden müssen.

Die Mitgliedschaft und die Beteiligung der Betroffenen in den im Gesetzentwurf normierten Gremien sind ausbaufähig. Andere Länder gehen dabei durchaus ambitionierter ans Werk.

Bereits durch unseren Landtagsbeschluss „Bundesteilhabegesetz im Sinne der Menschen mit Behinderung umsetzen. Mitbestimmung garantieren. Selbstbestimmung fördern“ haben wir als Hohes Haus im September 2017 die Bedeutung einer umfassenden Beteiligung der Betroffenen im Rahmen der Reform der Eingliederungshilfe klar zum Ausdruck gebracht. Dieses Anliegen verknüpfe ich auch mit diesem Gesetzentwurf. An dieser Stelle muss nachgebessert werden. Nur dann nimmt man das Prinzip „Nicht über uns ohne uns“ ernst. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Auch hierzu gibt es keine Fragen. - Die nächste und letzte Debattenrednerin ist Frau Dr. Späthe für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es wurde schon gesagt: Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine notwendige Folge der Gesetzgebung des Bundes im Behindertenrecht.

Das Bundesteilhabegesetz aus dem Jahr 2016 entwickelt die Eingliederungshilfe fort. Ziel ist die Versorgung der Menschen mit Behinderung mit personenzentrierten Leistungen. Das heißt, die Leistungen werden aus dem SGB XII, welches die Sozialhilfe regelt, in das SGB IX überführt, das Rehabilitation und Teilhabe zum Gegenstand hat, und das ist gut so.

Darüber hinaus sind die Länder ermächtigt, eigene Regelungen zu treffen. Sie sind von den Vorrednern schon mehrfach erwähnt worden. Es geht um die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die Stärkung der Rolle des Landesbehindertenbeirates. Für mich persönlich, aus eigenem Erleben, sehr wichtig sind die Regelungen zu anlasslosen Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen von Leistungserbringern in der Eingliederungshilfe.

Darüber hinaus ist auch die Zulassung von Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinären Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum analog den Frühförderzentren ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung. Die Abweichung im Budget für Arbeit nach oben, die zugelassen werden soll, ist sicherlich auch begrüßenswert.

Wir werden im Ausschuss dazu eine umfangreiche Diskussion führen. Ich möchte gern die Umsetzung dieser Gesetze auf den Ebenen der Kreise mit ins Spiel führen. Denn wie geht man mit Betroffenen in der unmittelbaren Praxis um? Das ist letztlich das Entscheidende. Wir können die Gesetze machen, aber die Praxis dürfen wir nicht außer Acht lassen. Deshalb sollten sie eingeladen werden. Sicherlich sind auch Betroffenenverbände über den Landesbehindertenbeirat hinaus anzuhören.

Insofern sollten wir uns zügig an die Bearbeitung und Beratung dieses Gesetzentwurfs machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Späthe. Auch hierzu gibt es keine Fragen.

Wir steigen sofort in das Abstimmungsverfahren ein. Für mich noch einmal zur Information: Ich habe von Herrn Krull den Wunsch vernommen, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zu überwiesen. Ist das zutreffend? - Wer diesem so zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die AfD-Fraktion und ein fraktionsloses Mitglied, die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenenthaltungen? - Das ist auch nicht der Fall. Somit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 20 ist erledigt.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 21

Zweite Beratung

Unterbringung von Abschiebehäftlingen auch in JVA ermöglichen

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/4473

Beschlussempfehlung Ausschuss für Inneres und Sport - Drs. 7/4759