Protokoll der Sitzung vom 29.08.2019

Sollte es zu einem Belegungsnotstand in den Gefängnissen des Landes kommen - davon ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszugehen -, wird die AfD Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, und Sie, sehr geehrte Frau Justizministerin, an unseren Antrag und Ihr heutiges Abstimmungsverhalten erinnern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Wir steigen nunmehr in das Abstimmungsverfahren ein. Wir müssen jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung in der Drs. 7/4770 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die AfD-Fraktion und ein fraktionsloses Mitglied. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist auch der Tagesordnungspunkt 22 erledigt.

Sehr verehrter Kollege, ich habe eine halbe Stunde wieder hereingeholt. Ich denke, wir werden heute Abend pünktlich Feierabend machen. Wir wechseln aber noch einmal kurz.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Weiter so!)

Die Präsidentin hat bereits darauf hingewiesen, dass schon eine halbe Stunde herausgeholt worden ist. Aber ich habe aus dem Plenum ermutigende Worte gehört, dass wir nicht nachlassen sollen. Da wir den Rest des heutigen Tages gemeinsam gestalten, werden wir versuchen, das ordentlich anzugehen.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 25

Beratung

Erstanmeldergrundsatz und Abstandsgebot ins Versammlungsrecht

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/4745

Einbringer ist der Abg. Herr Höse. Herr Höse, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat, wobei in letzter Zeit eher der Eindruck eines „Linksstaates“ entsteht. Einer der wichtigsten Werte dieses Systems ist oder war - ich weiß es nicht - das Recht auf freie Meinungsäußerung, das in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Seinen Ausdruck findet dieses Deutschenrecht unter anderem in der in Artikel 8 GG verbürgten Versammlungsfreiheit. Darin heißt es in Absatz. 1:

„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“

Ihre Grenzen findet die Versammlungsfreiheit in Absatz 2. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Das Recht, sich frei und friedlich öffentlich zu versammeln, wird also durch staatliches Handeln eingeschränkt. In Sachsen-Anhalt bildet dafür das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge die rechtliche Grundlage.

Nun kann man sich staatlicherseits auf den Standpunkt stellen und behaupten, die bestehenden gesetzlichen Regelungen genügten den praktischen Ansprüchen und es bedürfe keiner Änderung. Diese Ansicht kann man wirklich nur gelten lassen, wenn man verkennt, dass den Grundrechten auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungsfreiheit und der Freiheit der Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren eine wachsende Bedeutung zugefallen ist.

Eine zunehmende Anzahl von Deutschen ist nicht mehr bereit, kritiklos jedes politische Handeln hinzunehmen und sich den dahergeredeten Phrasen wie einem „Wir schaffen das“ unterzuordnen.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Wie viele denn?)

- Eine Menge! - Eurokrise, Bankenrettung, EU-Regelungswahn, Gender-Gaga, illegale Grenzöffnung, staatlich befeuerte illegale Masseneinwanderung, überstürzte Energiewende, aber auch Klimadiktatur - das sind alles politische Entscheidungen bzw. Fehlentscheidungen der letzten Jahre, die dazu führten, dass sich immer mehr mündige Bürger dagegen positionieren.

Sie verleihen ihrer Meinung durch den Beitritt zu Parteien und Bürgerinitiativen Ausdruck. Sie machen ihre Kreuze bei Wahlen nicht mehr ausschließlich und automatisch bei den Altparteien, die für das politische Desaster verantwortlich sind.

Und sie gehen auf die Straße und bekunden ihren Unmut über die wachsenden politischen Missstände in unserem Land bei Kundgebungen und Aufzügen.

Dies ist eine überaus begrüßenswerte Entwicklung. Jedem echten Demokraten in diesem Saal müsste bei dem Gedanken daran eigentlich das Herz aufgehen, ist es doch quasi das Königsrecht des Bürgers und Kernstück der Demokratie, die Regierenden für ihr Handeln zu kritisieren. Diese Kritik des Volkes müssen sich die Regierenden nun einmal gefallen lassen. Erst damit wird ein wirklicher Meinungspluralismus möglich und die vielbeschworene gelebte Demokratie Realität.

Die vordringliche Aufgabe des Staates besteht darin, jedem Bürger diese demokratische Demonstrationskultur zu ermöglichen, und ich betone: wirklich jedem. Allerdings müssen wir zum Beispiel immer wieder feststellen, dass ihm das zunehmend nicht mehr in ausreichendem Maße gelingt oder vielleicht gelingen möchte.

Immer wieder werden von uns angemeldete Kundgebungen gestört, Aufzüge behindert oder gänzlich blockiert, obwohl dies laut § 2 Satz 2 des Versammlungsgesetzes ausdrücklich untersagt ist. Demonstrationsteilnehmern ist es oft nicht einmal möglich, zum eigentlichen Ort der Versammlung zu gelangen oder ihn danach wieder unbehelligt zu verlassen. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Teilnehmer oder Redner.

Einer der Gründe dafür ist die Tatsache, dass zusätzlich zu den angemeldeten Kundgebungen regelmäßig linke Gegenveranstaltungen in unmittelbarer Nähe des Erstanmelders behördlich genehmigt werden. Diese zielen jedoch nicht auf die Förderung der öffentlichen Meinungs- oder politischen Willensbildung ab, nein, sie bezwecken einzig und allein nur die Störung und Behinderung der Versammlung des Erstanmelders.

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Derartige Störveranstaltungen werden meistens von Gewerkschaften, linken Vereinen, Sozialverbänden, selbsternannten breiten Bündnissen oder gleich von der Antifa oder anderen asozialen Chaoten besorgt. Diese Klientel bezeichnet sich dann als Zivilgesellschaft, die vorgibt, sich für die Demokratie einzusetzen. In Wahrheit sind die Teilnehmer solcher Veranstaltungen, die ohne jegliches Unrechtsbewusstsein das Demonstrationsrecht missbrauchen, Gegner einer demokratischen Kundgebung.

Nicht selten geht von ihnen Gewalt aus. Besucher der Kundgebung des Erstanmelders werden durch aggressives Verhalten von Gegendemonstranten eingeschüchtert und dadurch vom Versammlungsort ferngehalten.

Vermeintliche Pressefotografen und Privatpersonen machen Bilder von wirklich jedem einzelnen Versammlungsteilnehmer, um sie im Nachhinein auf einschlägigen Netzwerken zur Verbreitung von Hetze und Verunglimpfung zu speichern oder zu veröffentlichen. Der Lärmpegel - einmal ganz nebenbei - der bunten Protestaktion übertönt dabei fast regelmäßig die Beschallungstechnik des Erstanmelders.

Meine Damen und Herren! Wer so handelt, dem geht es gar nicht um die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Dem geht es einzig und allein um die Behinderung oder Blockierung einer Veranstaltung des politischen Gegners. Er missbraucht damit das demokratische Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, um andere an der Wahrnehmung genau desselben zu behindern. Das ist alles andere als demokratisch.

Als politischer Gegner, der auf diese Weise bekämpft werden muss, zählt heute schon, wer sich kritisch über das Handeln der Altparteien äußert. Derjenige hat dadurch den Korridor der Konsensdemokratie verlassen und wird bei der Ausübung seiner Grundrechte nicht mehr als gleichberechtigt angesehen. Anders ist es nicht zu erklären, dass zu beschriebenen Gegendemonstrationen teilweise auch staatliche Strukturen aufrufen oder zumindest Aufrufe mit unterzeichnen.

Selbst der Ministerpräsident unseres mitteldeutschen Landes - er ist jetzt leider nicht da - ist der Meinung, die AfD sei politisch zu attackieren und zu bekämpfen. Er warnt davor, unsere Etablierung hinzunehmen. In einer recht hochherrschaftlichen Weise und über jede Zweifel erhaben missachtet er den Willen des Volkes, indem er keiner demokratischen Alternative zugesteht, rechts von seiner mittlerweile linken CDU zu stehen, was nun aber wirklich keine Herausforderung mehr darstellt.

(Beifall bei der AfD)

Herr Haseloff fordert zur Attacke und zum Kampf auf und ist damit zugleich einer der sogenannten - wie die LINKEN gerne sagen - geistigen Brandstifter der Störungen, Bedrohungen, Beleidigungen, Nötigungen, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen selbsternannter zivilgesellschaftlicher oder sozialer Demokraten gegen AfD-Mitglieder und Sympathisanten oder patriotische Bürger - bei behördlich genehmigten Veranstaltungen, wohlgemerkt.

Die AfD erlebt dies spätestens seit dem Jahr 2015 mit zunehmender Regelmäßigkeit und auch Härte. Als Stimme der Bürger waren und sind wir Anmelder und Veranstalter politischer Kundgebungen. Immer wieder wird gestört und behindert. Genauso ergeht es vielen Bürgerbewegungen, die sich beispielsweise gegen die seit 2015 staatlich

verordnete illegale Masseneinwanderung oder deren abartige Auswüchse stellen.

An dieser Stelle hatte ich eigentlich angefangen, einige Beispiele aufzuschreiben oder leider viele. Ich habe das dann aber abgebrochen, weil ich mit der Nennung heute den Redezeitrahmen doch wieder gesprengt hätte. Es gibt leider viel zu viele Fälle, bundesweit wie auch in Sachsen-Anhalt.

Ein Rechtsstaat aber dürfte einen solchen Missbrauch der grundgesetzlich verbrieften Versammlungsfreiheit nicht dulden. Erst recht darf er ihn nicht durch die Genehmigung von Gegendemonstrationen in unmittelbarer Nähe der zuerst angemeldeten Veranstaltung auch noch fördern getreu dem Motto „Es ist alles gut, wenn es dem politischen Gegner schadet“. Im Fahrwasser der vermeintlichen Buntheit solcher Veranstaltungen bewegen sich oft genug auch die linken Schwarzen, die aggressiv auf Konfrontation aus sind.

Die gängige Genehmigungspraxis solcher Veranstaltungen provoziert damit ein erhebliches Gewaltpotenzial gegen zutiefst friedliche und friedliebende Demonstranten. Das Landesversammlungsgesetz ist daher entsprechend unserem Antrag zum Schutz der Bürger und des Veranstalters zu ändern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. - Kurz noch, bevor der Innenminister spricht: Herr Höse, ich würde doch noch einmal den Versuch unternehmen. Wir haben uns in diesem Haus des Öfteren über die Wirkung von Sprache unterhalten.

Sie haben jetzt von Gegendemonstranten geredet, von Gewerkschaften, Bündnissen und linken Parteien oder anderen asozialen Chaoten. Das ist eine Formulierung, deren Semantik nahelegt, dass damit die vorher Genannten alle auch asoziale Chaoten sind. Ich würde anregen, noch einmal darüber nachzudenken, ob das die Art und Weise ist, wie wir miteinander umgehen und ob das der Ton ist, an den wir uns in der Perspektive gewöhnen wollen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Herr Innenminister, Sie haben das Wort. - Herr Kirchner, wollen Sie als Fraktionsvorsitzender noch etwas sagen?

(Oliver Kirchner, AfD: Ich würde das mal richtigstellen, weil es nicht stimmt!)

- Sie können hier nichts richtigstellen. Ich habe etwas zu Herrn Höse gesagt. Sie können gern als Fraktionsvorsitzender reden, dann müsste sich Herr Stahlknecht noch einmal hinsetzen. Ansonsten geht das nicht. - Punkt.

(Oliver Kirchner, AfD: Das lassen wir so stehen. Das wird ja sowieso nichts!)

- Dann Herr Stahlknecht, bitte. Sie haben das Wort. - Es ist übrigens eine Dreiminutendebatte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei mehreren gleichzeitig und in unmittelbarer Nähe stattfindenden Versammlungen sind Versammlungsbehörden und Polizei in besonderem Maße gehalten, Störungen der öffentlichen Sicherheit zu verhindern und dabei die gegenläufigen Interessen der betroffenen Grundrechtsträger im Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes sowie des Artikels 12 unserer Verfassung zu berücksichtigen und abzuwägen.

Dabei können einerseits das Prioritätsprinzip, das Erstanmelderprinzip oder Erstanmelderprivileg zur Anwendung kommen. Dabei wird der ursprünglichen, also der zuerst angemeldeten Versammlung der Vorrang eingeräumt. Die Ausrichtung allein am Prioritätsprinzip würde es allerdings ausschließen, gegenläufige Versammlungen, Bewegungen und Erwägungen zu berücksichtigen.