Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich in seinem Beschluss vom 6 Mai 2005, den ich Ihnen empfehle zu lesen, ausgeführt, dass wichtige Gründe, etwa die besondere Bedeutung des Ortes und des Zeitpunktes für die Verfolgung des jeweiligen Versammlungszwecks für eine andere Vorgehensweise sprechen.
Die Ausrichtung allein am Prioritätsgrundsatz könnte im Übrigen dazu verleiten, Versammlungen an bestimmten Tagen und Orten frühzeitig, gegebenenfalls auf Jahre hinaus auf Vorrat anzumelden und damit anderen potenziellen Veranstaltern die Durchführung von Versammlungen am gleichen Tag und Ort unmöglich zu machen. Dies widerspräche dem Anliegen, die Ausübung der Versammlungsfreiheit grundsätzlich allen Grundrechtsträgern zu ermöglichen.
In derartigen Fällen muss der Grundsatz der praktischen Konkordanz zur Anwendung kommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der obigen Entscheidung hierzu ausgeführt:
„Kommt es zu konkurrierenden Nutzungswünschen, ist eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger herzustellen. Dabei kann die Behörde aus hinreichend gewichtigen Gründen unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes inhaltlicher Neutralität von der zeitlichen Reihenfolge der Anmeldung einer Versammlung abweichen.“
Es bedarf also im Kollisionsfall einer Abwägung durch die Versammlungsbehörde, die den gegenläufigen Interessen der betroffenen Grundrechtsträger in größtmöglichem Umfang Rechnung trägt. Im Ergebnis ist eine möglichst breite Entfaltung bei der Versammlung zu gewährleisten, da sich die Teilnehmer beider Seiten jeweils auf den Schutz des Artikels 8 Grundgesetz berufen können.
Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Schon aus diesem Grunde ist eine pauschale Festlegung dahin gehend, ob das Prioritäts- oder Konkordanzprinzip zur Anwendung kommt, verfassungsrechtlich nicht möglich.
Eine Änderung des Landesversammlungsrechtes mit dem Ziel, die Anwendung des Prioritätsprinzips und ein damit einhergehendes Abstandsgebot gesetzlich vorzuschreiben, ist am Maßstab des Artikels 8 des Grundgesetzes zu messen und darf diesem nicht widersprechen. Da sich jedermann auf den Schutz des Artikels 8 und des Artikels 12 unserer Verfassung berufen kann, sollte sich eine solche Regelung schon aus diesem Grund als verfassungswidrig erweisen.
Meine Damen und Herren! Diese vom Gesetzgeber gewollte und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigte Abwägung der Interessen aller Grundrechtsträger nehmen die Versammlungsbehörden in Sachsen-Anhalt regelmäßig vor. Es ist ihr tägliches Geschäft. Dies erledigen sie neutral, ohne politischen Einfluss und professionell. Wir werden keinen verfassungswidrigen Gesetzentwurf vorlegen.
Herr Höse, während ich hier vorgetragen habe, habe ich Sie aus dem Augenwinkel beobachtet. Wenn ich Sie fragen würde, was ich vorgetragen habe, müssten Sie das mit Nichtwissen beantworten, weil Sie mir gar nicht zugehört haben.
Da das, was ich soeben vorgetragen habe, völlig unpolitisch war und auf der Verfassung beruht, wäre es gut gewesen, wenn Sie zugehört hätten.
Dann wüssten Sie nämlich, dass Sie etwas vorschlagen, das am Ende verfassungswidrig ist. Da Sie das aber überhaupt nicht interessiert, hätte ich eigentlich auch in den Sack reden können.
(Heiterkeit bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Se- bastian Striegel, GRÜNE: Aber wir haben das genossen!)
mand anderes, werden Sie sich außerhalb der Verfassung bewegen, weil Sie mir nicht zugehört haben. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen an den Innenminister. Deshalb können wir jetzt in die Debatte eintreten. Wie gesagt, ich erinnere an die drei Minuten Redezeit. - Für die SPD-Fraktion habe ich hier keine Angabe. Wenn das jetzt der Herr Hövelmann ist - nein, auch nicht -, dann wäre ich enttäuscht gewesen.
Dann spricht offensichtlich für die SPD-Fraktion niemand. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Quade.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! In der Tat, mit Gegendemos kenne ich mich aus, in jedem Fall besser als Sie. Herr Innenminister hat völlig recht, was Sie hier vorschlagen, ist schlichtweg verfassungswidrig.
Wir haben es mit einem typischen AfD-Antrag zu tun: politisch falsch, verfassungswidrig und handwerklich auch noch schlecht gemacht. Es geht munter durcheinander.
Sie schreiben von Anmeldefähigkeit, meinen aber die Frage der Durchführung von Aufzügen und Kundgebungen. Sie schreiben von Erstanmelderprinzip und Prioritätsprinzip, erkennen aber nicht, dass das dasselbe ist. Sie wollen bei Spontanversammlungen Maßnahmen nach dem SOG trotz der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts. Kurz: Das ist rechtlich einfach nicht tragfähig.
Genau dieser Gegenprotest ist unstreitig durch Artikel 12 der Landesverfassung und Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt. Schon deshalb lässt sich dieses Grundrecht eben nicht einfachgesetzlich dermaßen einschränken, wie Sie es wollen.
Es gibt auch keinen Grund, das zu tun.Das Versammlungsrecht stellt alle notwendigen Regelungen bereit, die es braucht, um bei der Kollision von Grundrechten, von Protest und Gegenprotest für Ausgleich - der rechtliche Begriff ist praktische Konkordanz; der Minister sagte es - zu sorgen.
che Versammlung an welchem Ort stattfinden kann, aber eben nur einer. Genau das hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005 klargestellt.
Dabei ging es im Übrigen um eine Partei, die mit der Antragstellerin, nämlich der AfD, durchaus vergleichbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass vom Erstanmelderprinzip auch im Fall von Versammlungen abgewichen werden kann, die sich explizit gegen die zuerst angemeldete Versammlung richten, also Protestveranstaltungen.
Zudem - auch das will ich ergänzen - fallen natürlich auch friedliche Sitzblockaden in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Anders als es die AfD es behauptet, ist von der Versammlungsfreiheit natürlich auch umfasst, kommunikativ in den öffentlichen Raum zu wirken und einen Dialog zu eröffnen. Mit Blick auf andere Versammlungen liegt die Grenze hier bei der gröblichen Störung, nicht etwa beim Bedarf der AfD, ungestört zu sein; darauf gibt es kein Grundrecht.
Meine Damen und Herren! Dass die AfD-Fraktion den Gegenprotest faktisch verbieten lassen will und Aufmärsche bevorzugen würde, bei denen sie einfach ihre Parolen rausschreien kann, das verwundert wenig. Wer mit Nazis auf die Straße geht wie Herr Roi oder mit Identitären wie Herr Schmidt oder mit ehemaligen Blood-and-Honour-Kadern wie Herr Mittelstädt, der will Widerspruch natürlich nicht hören.
Das lässt zum Glück die Verfassung des Landes nicht zu, das Grundgesetz ebenso wenig. Die LINKE-Fraktion steht für den Schutz und für die Verteidigung der Versammlungsfreiheit ein. Daher werden wir Ihren Antrag heute ablehnen.
Seien Sie sicher: Wir werden auch in Zukunft gemeinsam mit vielen anderen gegen die AfD und andere Nazis auf die Straße gehen, und zwar in Hör- und Sichtweite. - Danke.
rechtswidrig und geht juristisch an der Realität vorbei. Sie schreiben in der Begründung, dass Sie bei Spontan- und Eilversammlungen mit Mitteln des SOG LSA eine örtliche Trennung der Kontrahenten herbeiführen wollen. Vielleicht haben Sie schon mal von der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts gehört.
Das Versammlungsgesetz stellt für unmittelbar versammlungsbezogene Eingriffe eine abschließende Regelung dar, die als speziellere Regelung einen Rückgriff auf das Polizeirecht, also das SOG LSA, und die darin enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen ausschließt. Denn gemäß dem Grundsatz „Lex specialis derogat legi generali“ können sie nicht in die Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes mit dem SOG LSA eingreifen.
Die Versammlungsbehörden haben jetzt schon die Interessen und die Rechte des Versammlungsanmelders im Rahmen der praktischen Konkordanz zu wahren. Der Erstanmelder wird auch regelmäßig seine Versammlung an dem angemeldeten Ort durchführen können, wenn keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entsteht.
Weitere Versammlungen müssen in andere Bereiche ausweichen. Das erfolgt immer in dem Kooperationsgespräch mit den Versammlungsbehörden. Auf der anderen Seite haben Versammlungsteilnehmer auch andere Meinungen von Gegendemonstranten in Sicht- und Hörweite zu ertragen, solange die Ursprungsversammlung weiterhin störungsfrei abgehalten werden kann.