Protokoll der Sitzung vom 30.08.2019

Dies war Anlass und Motivation für die Regierungskoalition, in § 6 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes die bisherige Beitragserhebungspflicht für leitungsgebundene Einrichtungen in eine Kannregelung umzuwandeln, um somit neben dem allgemeinen Ermessen bei der Erhebung dieser Beiträge auch ein Ermessen bei der Festsetzung von Beitragssätzen sowie eine teilweise Finanzierung über Gebühren zu ermöglichen.

Doch leider wird sich diese Kannregelung in der Praxis vermutlich schwerlich umsetzen lassen; denn für die Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung gelten die Grundsätze der Finanzmittelbeschaffung im Kommunalrecht, die in Sachsen-Anhalt in § 99 des Kommunalverfassungsgesetzes und in § 16 des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit geregelt sind. Aus diesen Regelungen, so die Auffassung auch in Teilen der Rechtsprechung, folgt eine Beitragserhebungspflicht, selbst wenn das Kommunalverfassungsgesetz eine Kannregelung enthält.

Darauf - das möchte ich hier hervorheben - hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in seiner Synopse hingewiesen.

Außerdem wirkt hierbei auch § 5 des Kommunalabgabengesetzes, nach dem kreditfinanzierte Investitionen bei leitungsgebundenen Einrichtungen

eben nicht gebührenfähig sind. Da jedoch ein großer Teil von Investitionen kreditfinanziert sein dürfte, können diese Kosten wiederum nur über Beiträge refinanziert werden. Mithin entsteht dann auch hierbei wiederum eine Beitragserhebungspflicht. Damit ist das Wahlrecht der Aufgabenträger faktisch eigentlich keines.

Zudem können mit der Umstellung auf eine Gebührenfinanzierung durch die Kannregelung im vorliegenden Gesetzentwurf neue Ungerechtigkeiten wie Doppelbelastungen für Eigentümer entstehen.

Die praktische Frage, die sich den Aufgabenträgern stellt, ist doch, ob sie unterschiedliche Gebührensätze festsetzen oder gar gezahlte Beiträge zurückerstatten. Dabei stellt sich die Frage, welcher Verwaltungsaufwand dafür anzusetzen ist. Ist dieser überhaupt zu bewältigen? Und ist eine Rückzahlung praktisch überhaupt umsetzbar? - Es entsteht also mehr Rechtsunsicherheit, die letztlich die beabsichtigte Rechtssicherheit überwiegt.

Nun zu dem Gästebeitrag. Mit der Einführung eines Gästebeitrages nicht nur in staatlich anerkannten Kur- und Erholungsorten wird dem Umstand Rechnung getragen, dass zahlreiche Städte und Gemeinden heute touristische Angebote entwickeln und vorhalten. Den damit verbundenen Aufwand sollen sie nun in Form von Beiträgen natürlich auch auf jene umlegen können, die diese Leistungen in Anspruch nehmen.

Positiv sieht es die Fraktion DIE LINKE, dass von der ursprünglich vorgesehenen Abschaffung der Bezeichnung Kurtaxe letztlich abgesehen wurde. Die Anhörung hat offenbart, dass diese Bezeichnung etabliert und akzeptiert ist. Man kennt es; man weiß, wovon man redet und was dahinter steht. Mit dieser Bezeichnung sind auch besondere Leistungen zur Anerkennung eines Kurortes verbunden, die Städte und Gemeinden mit diesem Prädikat von anderen abheben.

Auch diese Beitragserhebung soll laut der Begründung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf in das Ermessen der Städte und Gemeinden fallen. Ob dies allerdings von den Kommunalaufsichtsbehörden bei den Kommunen im Fall der Konsolidierung dann tatsächlich auch so gehandhabt wird, bleibt unseres Erachtens erst einmal abzuwarten.

Des Weiteren ist da noch die ehemalige betriebliche Tourismusabgabe. Diese sollte nach dem Willen der Koalition gemäß § 9a des ursprünglichen Gesetzentwurfes zu einem Tourismusbeitrag für staatlich anerkannte Kur- und Erholungsorte werden.

Für die Streichung dieser Regelung in der nunmehr vorliegenden Beschlussempfehlung findet

sich allerdings kein erkennbarer sachlicher Grund. Im Gegenteil: Den betroffenen Gemeinden wird eine Einnahmemöglichkeit zur Deckung ihres Aufwandes entzogen, und Unternehmen, die von den touristischen Angeboten profitieren, werden zum Nutznießer ohne Gegenleistung. Offenbar sollen nach dem Willen der CDU - denn ich glaube, Sie waren es, die diese Änderung durchgesetzt haben - Unternehmen verschont werden. Meine Fraktion wird sich daher bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

Zu dem Änderungsantrag der AfD-Fraktion. Es liegt ein fundierter Gesetzentwurf meiner Fraktion vor; über diesen muss endlich beraten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was Sie uns mit der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung bieten, enthält keinerlei Verfahrensregelungen dazu, wie diese Kannregelung umzusetzen ist. Im Gegenteil: Sie wollen das uns als Gesetzgeber zustehende Recht der Gesetzgebung sogar abgeben, indem Sie sagen, die Landesregierung solle eine Verordnung erarbeiten, sie werde das schon irgendwie hinbekommen.

Frau Eisenreich, kommen Sie zum Ende.

Das, was Sie uns anbieten, ist also nicht nur nicht gut gemacht, sondern noch nicht einmal nicht gut gemeint. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Hövelmann. - Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Eisenreich, Sie haben ausgeführt, dass der Wegfall des § 9a unbegründet sei. Nun gab es auch bereits mit der geltenden Rechtslage die Möglichkeit für die Kommunen in Sachsen-Anhalt, eine entsprechende Abgabe zu erheben. Sind Ihnen Kommunen in Sachsen-Anhalt bekannt, die das in den letzten 20 Jahren getan haben?

Das kann ich so konkret nicht nachvollziehen. Aber ich sage noch einmal: Es gab eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe Tourismus der IHK, in der die Regelung des § 9a nicht abgelehnt wurde. Es ist lediglich darauf hingewiesen worden, dass die Regelung genauer definiert werden sollte, da

mit es nicht zu einer Doppelbelastung von Unternehmen in den Kommunen kommt. Sie haben die Regelung jetzt einfach abgeschafft; das kann ich nicht so richtig nachvollziehen.

(Lars-Jörn Zimmer, CDU: Weil wir keine Doppelbelastung wollen! - Ulrich Thomas, CDU: Das unterscheidet uns von Ihnen!)

- Dann hätte man es regeln können.

(Lars-Jörn Zimmer, CDU: Warum sollen wir etwas regeln, das nicht genutzt wird?)

Herr Hövelmann hat eine Nachfrage.

Ich möchte gern zur Aufklärung beitragen, wenn ich darf. Es gibt bisher keine Kommune in Sachsen-Anhalt, die von der gesetzlichen Regelung Gebrauch gemacht hat. Das war einer der Gründe - weil Sie nach Gründen gefragt haben -, die uns bewogen haben, diese Regelung zu streichen. Das Argument der Doppelabgaben war ein zweiter Beweggrund. - Vielen Dank.

Frau Eisenreich, Sie dürfen.

Ich sage es nochmal: Das mit der Doppelbelastung wäre regelbar gewesen. Ich denke schon, dass hiermit Unternehmen bei der Finanzierung des Aufwandes der Kommunen außen vor gelassen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Meister.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Über den vorliegenden Gesetzentwurf wurde in den Ausschüssen und in den Arbeitsgruppen durchaus lebhaft diskutiert. Wir haben leider auch deutlich länger gebraucht als ursprünglich gedacht.

(Ulrich Thomas, CDU: Leider, ja!)

- Ja, das ist so. - In Umsetzung des Koalitionsvertrages stellen wir mit dem Gesetzentwurf die Beitragserhebung der Kommunen für leitungsgebundene Anlagen von „muss“ auf „kann“ um. Die Idee dahinter ist, dass wir den Kommunen eine bürgerfreundliche Kostenerhebung ermöglichen wollen. Statt der Erhebung einzelner, dann häufig größe

rer Beiträge können die Kosten über die laufenden Benutzungsgebühren erhoben werden. Das war ursprünglich eine grüne Forderung in den Koalitionsverhandlungen, die durch die aktuelle OVG-Entscheidung vom 21. August 2018 allerdings eine erhebliche Dringlichkeit gewann, da es damit möglich ist, das Problem für die Zukunft zu lösen.

Wir haben in der Koalition lange darüber diskutiert, ob wir darüber hinaus mit dem Gesetzentwurf auf diese Entscheidung reagieren müssen. Im Jahr 2018 hat das Gericht die Abwassergebühren in Weißenfels als zu niedrig eingestuft. Dies ging mit erheblichen Konsequenzen einher, da Nacherhebungen im größeren Umfang auch außerhalb von Weißenfels denkbar sind.

Nach intensiver juristischer Prüfung haben wir keinen rechtlich gangbaren Weg gefunden, um die nach Auffassung des Gerichts fehlerhaften Kostenberechnungen nachträglich rückwirkend zu heilen. Also, für die Zukunft konnten wir etwas machen, rückwirkend nicht. Die Sorge, die uns das noch nicht rechtskräftige Urteil macht, bleibt also zunächst bestehen.

Der andere große Regelungsbereich des Gesetzentwurfs betrifft die Frage der Abgaben im touristischen Bereich. Der Gästebeitrag, der in den Kurorten weiterhin Kurtaxe heißen darf, kann nun von allen Kommunen auch zweckgebunden für touristische Aufgaben erhoben werden, soweit sie es denn wollen. Die enge Begrenzung auf die Kurorte - das wollten wir auflösen und das ist uns gelungen - entfällt damit. Das Finanzierungsinstrument des Gästebeitrages steht somit auch touristisch engagierten Gemeinden zur Verfügung, die kein Kurortprädikat tragen. Das sorgt für mehr Flexibilität.

Die Lutherstadt Wittenberg hat auf diese Öffnung gehofft, hat die alternativ geplante Bettensteuer zurückgestellt und die wiederholte Verschiebung der Einführung einer solchen Regelung verständlicherweise kritisiert. Jetzt liefern wir, wenn auch verspätet.

Schwierig war die Diskussion zur sogenannten betrieblichen Tourismusabgabe; die Vorrednerin hat das schon angesprochen. Diese in § 9a geregelte Abgabe konnte bisher direkt von Unternehmen erhoben werden, die besondere wirtschaftliche Vorteile aus dem Tourismus ziehen. In der Praxis hat allerdings keine Kommune von diesem Verfahren tatsächlich Gebrauch gemacht; Herr Hövelmann hat es angesprochen. Das war so.

Es ergab sich daher eine Debatte darüber, ob man diesen Passus überhaupt weiterhin braucht. Da sie zum kommunaltouristischen Werkzeugkas

ten gehört, hätte ich es im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung und der konkreten Regelung des Steuerfindungsrechts als Option gern im Gesetz belassen. Es erfolgt dadurch eine gesetzliche Regulierung. Schaden hat die ungenutzte Regelung nicht angerichtet. In anderen Bundesländern wird sie durchaus auch genutzt. Das Fehlen dieser Option kann auch einen Wettbewerbsnachteil für die Kommunen darstellen.

Aber letztlich hat sich die Koalition nach intensiver Diskussion und Abwägung für die Streichung der ungenutzten betrieblichen Tourismusabgabe in § 9a entschieden. Okay, das machen wir so. Lasst es uns versuchen.

Insgesamt schaffen wir mit den Änderungen im KAG Möglichkeiten zur Entlastung der Bürger. Wir stärken die kommunale Selbstverwaltung und verbessern die Finanzierung des Tourismus. Ich bitte um die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Meister, Frau Buchheim hat eine Frage oder eine Intervention. Diese kann sie jetzt vorbringen. Sie können sich überlegen, ob Sie darauf reagieren. - Bitte.

Herr Meister, Sie haben ausgeführt, dass die Kommunen keine betriebliche Tourismusabgabe gezogen haben. Auf welchen Zeitraum beziehen Sie diese Aussage? Für welchen Zeitraum haben Sie das geprüft?

Wir hatten dazu eine Zuarbeit vom Ministerium. Es gab zunächst die Meldung, es gebe drei Kommunen in Sachsen-Anhalt, die das machen. Daraufhin wurde nachgefragt, dann hieß es: Nein, das war eine Fehlmeldung; die Kommunen machen das nicht. Seit Anbeginn der Zeit, seit es diese Regelung gibt, habe keine Kommune diese Möglichkeit genutzt. - Das ist die Information, die es gab.

Es gab zwischendurch eine andere Information. Deswegen hatten wir das im Gesetzentwurf anders formuliert. Das war eine recht schwierige Diskussion. Aber letztlich kam die Information, dass das nicht genutzt wird.

Darauf möchte ich kurz erwidern. - Ich verweise auf die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage in der Drs. 7/2641. Darin wurde