Protokoll der Sitzung vom 02.09.2016

Tut mir leid, liebe Landesregierung und liebe Koalitionäre, wenn wir diesbezüglich einem Irrtum aufgesessen sind. Wir dachten natürlich, der Vertrag wäre ernst zu nehmen. Deshalb haben wir detailliert und umfänglich die Aufgaben und die nächsten Schritte beschrieben, die notwendig sind, um das Berufsfeld der pädagogischen Mitarbeiterinnen und ihren Einsatz in unseren Schulen inhaltlich und fachlich auf eine solide Grundlage zu stellen. Entscheidend ist dabei die Ausrichtung auf einen Stellenbestand von 1 800 Vollzeitäquivalenten und die Verständigung auf ein künftiges Einsatz- und Ausbildungsprofil.

Das alles ist überfällig; denn die Probleme in den Schulen lassen sich nicht mehr ignorieren, die Missstände schreien zum Himmel. Es handelt sich hierbei eben nicht um Aktenberge, die liegen bleiben, oder um Zahlen, die man beliebig hin und her schieben kann. Es handelt sich um Menschen. Die müssen jeden Tag in den Schulen mit den Herausforderungen klarkommen und diese sind in den letzten Jahren nicht geringer, sondern immer größer und anspruchsvoller geworden.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD)

Ich will abschließend eine weitere Konsequenz aufzeigen, die sich aus der Mangelverwaltung im Bereich der pädagogischen Mitarbeiterinnen ergibt; denn neben den Förderschulen sind auch die

Grundschulen im ganzen Land extrem betroffen. Dort fehlt inzwischen mindestens ein Drittel des benötigten Personals. Das bedeutet, dass auch die Anzahl der Grundschulen immer weiter wächst, die inzwischen gar keine pädagogische Mitarbeiterin mehr haben.

Als vor etwa 15 Jahren die Grundschule mit festen Öffnungszeiten eingeführt wurde, stand durchschnittlich noch für etwa 60 Grundschüler eine pädagogische Mitarbeiterin zur Verfügung. Diese Relation wird sich nach den Bedarfsplanungen des Bildungsministeriums für das aktuelle Schuljahr nunmehr auf etwa 1 : 130 erhöhen. Damit kann in den meisten Schulen die schulgesetzlich geforderte verlässliche Öffnungszeit von täglich fünfeinhalb Stunden nicht mehr abgesichert werden. Die Kinder können dann in den Zeiten zwischen dem Ende des Unterrichts und dem Ende des Schultages nur noch beaufsichtigt werden - bis zu 60 Minuten und darüber hinaus. Das kann weder den Kindern noch den Lehrkräften auf Dauer zugemutet werden.

Das im Koalitionsvertrag versprochene Arbeitsvolumen von 1 800 Vollzeitäquivalenten für pädagogische Mitarbeiterinnen muss den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten nimmt die Landesregierung sehenden Auges in Kauf, dass Inklusion scheitert, dass die verlässliche Öffnungszeit nicht mehr zu halten ist und der Bildungserfolg vieler Schülerinnen beeinträchtigt oder sogar infrage gestellt wird. Damit werden Erfolge unseres Schulsystems grundlegend gefährdet.

Herr Haseloff, Herr Schröder, vollziehen Sie die versprochene Kehrtwende in der Personalpolitik jetzt und nicht erst später, wenn es zu spät ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Lippmann. Möchten Sie eine Frage von Herrn Schmidt beantworten?

Ich versuche es.

Bitte, Herr Schmidt.

Danke schön. - Wie erklären Sie sich, dass bei einem so wichtigen Thema, nämlich dem Thema Bildung, die Reihen der CDU sehr leer sind und auch Herr Striegel schon wieder auf der Flucht ist?

Diese Frage beantworte ich nicht. Ich bin nicht die CDU und ich bin auch nicht Herr Striegel.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Bevor wir Minister Tullner von der Landesregierung das Wort geben, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums aus Osterwieck begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister Tullner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, da es meine erste Rede unter Ihrer geneigten Präsidentschaft ist, wollte ich den Anlass nutzen, Ihnen herzlich alles Gute zu wünschen. Ich war beeindruckt von der Amtsführung, die Sie heute schon an den Tag gelegt haben. - Aber ich wollte nicht die Präsidentin loben, sondern etwas zum Thema sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als ich heute Morgen den Landtag betrat, fand vor dem Hohen Haus eine Demonstration besorgter Eltern und Kindern statt. Ich habe zudem offene Briefe aus der Förderschule für Körperbehinderte in Dessau-Roßlau von Frau Meier und Herrn Biedermann und einen ebensolchen von dem Landeszentrum in Halle an der Saale.

Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Debatte, die wir hier führen, die Öffentlichkeit erreicht hat. Das ist ein Thema, dem man sich in zweierlei Hinsicht zuwenden kann. Man könnte sich den Ursachen zuwenden; das hat Kollege Lippmann zum Teil gemacht. Ich denke, wir sollten uns bemühen, nicht nur bei der Problembeschreibung zu bleiben, sondern auch Lösungen aufzuzeigen.

(Matthias Höhn, DIE LINKE: Das stimmt! - Birke Bull, DIE LINKE: Das haben wir mehr als genug gemacht!)

Kollege Lippmann, das Lied, das Sie zitiert haben, war eines, was ich als Junge mit positiven Gefühlen verbunden habe, weil am Ende genau die Frage steht, was machen wir eigentlich und was erreichen wir in dieser Wahlperiode.

(Zuruf von Birke Bull, DIE LINKE)

Ich will darauf zurückgekommen, was wir vorfinden. Wir finden vor - das möchte ich nicht als Kritik an vorangegangenen Regierungen verstanden wissen, sondern eigentlich nur als Befund - ein Personalentwicklungskonzept, in dem es eine Kategorie pädagogische Mitarbeiter gibt - das wis

sen wir alle -, die faktisch auf Null gefahren worden war, weil man an dieser Stelle nichts unternommen hat.

Die Landesregierung der letzten Wahlperiode hatte dem Landtag im Juli 2014 ein Konzept für den künftigen Einsatz vorlegt, das dann irgendwie liegen geblieben ist, so will ich es einmal formulieren.

(Zuruf von Matthias Höhn, DIE LINKE)

Das sind Befunde, die wir jetzt haben. Nun komme ich in das Amt hinein und finde eine Situation vor, mit der ich umgehen muss. Deswegen haben wir jetzt zwei Aufgaben vor uns. Wir müssen die akute Situation, wie sie jetzt ist, irgendwie in den Griff bekommen. Die Eltern haben zu Recht die Erwartungshaltung formuliert, dass wir das lösen.

Wenn am Montag in bestimmten Schulen Notsituationen eintreten, liegt es schlichtweg daran, dass wir nicht genug Personal haben. Herr Lippmann hat ein Stück weit beschrieben, woran das liegt. Wir haben Altersabgänge, Einstellungen in den Lehrerdienst und die anderen Dinge, die schon benannt worden sind, auf die ich nicht eingehe.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das sind alles keine Überraschungen!)

Jetzt kommt es darauf an, dass wir zunächst einmal mit dem neuen Haushalt - wir werden im Herbst genügend Gelegenheit haben, das hier im Hohen Hause zu debattieren - innerhalb der Landesregierung und dann mit den Koalitionsfraktionen eine Lösung finden, wie wir das akute Problem für die nächsten ein, zwei Jahre hinbekommen. Das ist die eine Seite der Medaille.

Es kommt darauf an - und in dieser Aufgabe sehe ich mich -, dass wir ein Konzept miteinander diskutieren, wo wir zukünftig pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig haben wollen, wo wir sie für dringend notwendig und wo wir sie für notwendig halten. Denn am Ende reden wir auch über Ressourcen - das wird der Finanzminister sicher aufmerksam verfolgen - und über die Frage: Schulden machen und die ganzen anderen Dinge sollen nicht mehr sein.

Deswegen müssen wir an bestimmten Stellen schon überlegen, auch mit Blick auf andere Länder - - Ich habe mir sagen lassen, dass wir in der Vergangenheit eine Situation haben, die durchaus vorzeigbar ist, weil sie ein Maß an pädagogischer Unterstützung vorhält, das in anderen Ländern so nicht der Fall ist. Diesen Fragen müssen wir uns stellen. Dem will ich mich auch stellen. Deswegen kündige ich hier schon an, dass wir dieses Konzept dann vorlegen wollen.

Aber zunächst einmal kommt es jetzt darauf an, im Haushalt die Möglichkeiten zu schaffen, um die auch von Ihnen beschriebenen Probleme anzu

gehen. Wir haben für ein halbes Jahr diese Abordnung machen müssen; denn wenn ich an der einen Stelle Löcher stopfe und an der anderen Löcher reiße, dann muss ich in den sauren Apfel beißen und schauen, dass ich dieses halbe Jahr überstehen kann. Am Ende, wie gesagt, müssen wir diese Fragen mit dem Haushalt beantworten.

Der Koalitionsvertrag hat da sehr hilfreiche Lösungsperspektiven benannt. Ich denke auch mit Blick auf Frau Lüddemann, die dabei war, dass wir das hinbekommen wollen, und freue mich auf weitere Diskussionen, die wir zu dem Thema dringend führen müssen, um dieses Problems Herr zu werden. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Lange. Möchten Sie die beantworten?

Ja, sehr gern.

Herr Lange, Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Tullner, Sie haben gerade ein hohes Problembewusstsein gezeigt und gesagt, Sie möchten Gespräche führen, wie diese Probleme gelöst werden können. Ich frage Sie jetzt, mit welchen Vorstellungen und Forderungen an Ihre Kollegen Sie in diese Gespräche hineingehen. Denn von diesen Vorstellungen habe ich bis jetzt sehr wenig gehört. Also sagen Sie etwas Konkretes, wie Sie die Probleme, wenn es nur nach Ihnen ginge, denn gelöst haben möchten.

Herr Lange, Sie haben eine charmante Art, einen über Brücken zu locken, über die man tunlichst nicht geht. Denn ich bin ja noch nicht so lange in der Regierung. Wenn ich die Regierungsarbeit richtig verstanden habe, führen wir die Gespräche erst einmal intern, um uns selbst abzustimmen. Deswegen gestatten Sie mir, dass ich jetzt keine konkreten Zahlen nennen werde, weil die Verhandlungen dazu laufen. Ich denke, wenn der Haushalt vorliegt, werden wir diese öffentlich und transparent machen. Aber die Regierung braucht auch ein bisschen Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Der andere Punkt ist aber, wir müssen versuchen, den Status quo, wie wir ihn jetzt haben - schulgesetzlich ist er normiert und andere Dinge liegen

auch vor, die wir als Rechtsnorm erfüllen müssen -, hinzubekommen. Deswegen ist mein Ziel, den Status quo für die nächsten zwei Jahre im Doppelhaushalt abzubilden. Ob mir das gelingt, werden Sie beim Haushalt dann erleben. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister Tullner. - Wir steigen somit in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein, beginnend mit der SPD-Fraktion. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Danke, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal merkt man erst, was man an etwas hat, wenn es nicht mehr da ist. Es ist immer schade für Politik, wenn man sich erst angesichts einer Notsituation mit konkreten Lösungen beschäftigt. Deshalb bin ich der LINKEN fast dankbar, dass dieses Thema hier heute im Rahmen einer Debatte zur Sprache kommt und wir uns angesichts der Tatsache, dass auch in den letzten beiden Jahren das Thema pädagogische Mitarbeiter in diesem Hause, um es einmal vorsichtig zu formulieren, nicht die allergrößte Rolle gespielt hat, etwas intensiver damit beschäftigen.

(Unruhe bei der LINKEN)

Aus meiner Sicht geht es jetzt nicht nur um die 60 pädagogischen Mitarbeiter, sondern - das hat der Minister auch angedeutet - wir müssen in die Zukunft schauen. Das heißt, wir brauchen darüber hinaus auch ein klares Konzept.

Deshalb sei mir gestattet, an dieser Stelle zunächst darauf hinzuweisen: Pädagogische Mitarbeiterinnen machen einen ganz wichtigen Teil der Arbeit. Sie setzen den Bildungs- und Erziehungsauftrag genauso um, wie das die Lehrkräfte tagtäglich an den Schulen tun. Ihre Aufgaben reichen von der Unterstützung individueller Lernförderung im Rahmen der Schuleingangsphase, der Sicherung der individuellen Zuwendung für Kinder mit ungünstigen Lernausgangslagen bis zu therapeutischen Angeboten für Kinder, die sonderpädagogische Förderbedarfe haben.

Pädagogische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen motivieren, sie nehmen Ängste, sie gewährleisten Rückzugsmöglichkeiten, kurz: Sie sind an vielen Schulen unverzichtbar. Sie unterstützen auch die Inklusion. Insoweit haben wir hier eine Situation, die man im Hinblick auf die perspektivische Entwicklung weiter mit im Auge behalten muss.

Dass ich hier so ausführlich zitiere, was die Aufgaben der pädagogischen Mitarbeiter sind, liegt