Protokoll der Sitzung vom 25.10.2019

Sie haben das Wort und dürfen jetzt reden.

Frau Präsidentin, es spricht zu Ihnen, wie gesagt, die nächste Rednerin. Im Internet war schon zu lesen, dass ich selbige sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Ihnen spricht jetzt kein Gesundheitsfachpolitiker, sondern zu Ihnen spricht aus der besonderen kommunalen Betroffenheit heraus ein - so, glaube ich, mich

bezeichnen zu dürfen - erfahrener Kommunalpolitiker.

Zunächst möchte ich darlegen - Guido, jetzt bitte zuhören -,

(Guido Heuer, CDU: Ja!)

worauf sich unser Landrat Götz Ulrich und die Vorsitzenden der Fraktionen der CDU, der SPD und der LINKEN am Montag verständigt haben. Denn uns sind die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung sehr wohl bekannt.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wir haben uns erstens darauf verständigt, dass am Ende des Insolvenzverfahrens eine kommunale Trägerschaft für das Klinikum Burgenlandkreis stehen soll. Das ist das Ziel.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir haben uns zweitens darauf verständigt, dass es natürlich - nur dann kann das überhaupt erzielt werden - ein Konzept für einen wirtschaftlich tragfähigen Krankenhausbetrieb geben muss.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Drittens haben wir uns darauf verständigt, dass der Ausgleich eines Defizits, das sich daraus ergibt, dass Geburtshilfe, Frauenheilkunde und Kinderheilkunde sowohl an dem Standort Naumburg als auch an dem Standort Zeitz aufrechterhalten werden, dauerhaft aus dem Kreishaushalt erfolgen wird, wenn das Klinikum in kommunaler Trägerschaft bleibt.

Das heißt, wir haben damit die Situation, dass der Burgenlandkreis sagt: Das ist eine besondere Aufgabe der Daseinsvorsorge und deswegen wollen wir das. Deshalb haben wir vier Fraktionsvorsitzenden - ich sage das einmal so drastisch - den Rücken gerade gemacht und haben gesagt: Das beantragen wir jetzt. Das ist das Ergebnis der Verständigung in dieser Woche. Kommunale Trägerschaft heißt am Ende auch: Alle drei Fachrichtungen bleiben an beiden Standorten erhalten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist das Versprechen, das die Kommunalpolitik den Bürgerinnen und Bürgern im Burgenlandkreis gegeben hat.

Ich gebe zu, dass der Burgenlandkreis in der verhältnismäßig komfortablen Situation ist, das umsetzen zu können. Man muss aber ganz klar sagen, dass das für viele andere Landkreise in Sachsen-Anhalt kein Erfolgsmodell wäre. Eine solche Geschichte - da treffen sich mal die Fraktionsvorsitzenden von der CDU bis zur LINKEN und sagen: Okay, dann packen wir das Geld jetzt auf diese Weise rüber - wird kein tragfähiges Modell für andere Landkreise in Sachsen-Anhalt bei der Sanierung von kommunalen Kliniken sein.

Umso größer ist mein Dank an die Kollegen von der CDU und von der LINKEN dafür, dass wir das gemeinsam so vereinbaren konnten. Ich bin mir sicher, dass das Ganze am 4. November 2019 im Kreistag des Burgenlandkreises eine sehr breite Mehrheit finden wird.

Letztlich ist zu konstatieren, dass das Klinikum Burgenlandkreis symptomatisch für viele Häuser in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt steht. Welche Gründe gibt es dafür, dass das Klinikum den Weg in die Insolvenz in Eigenverwaltung gehen musste? - Es ist grundsätzlich richtig, dass der Bund sagt: Wir brauchen mehr Qualität, wir brauchen deshalb sogenannte Mindestmengen und wir brauchen eine bessere Pflege in den stationären Einrichtungen. Das hat aber auch Folgen für die Krankenhäuser vor Ort. Das schränkt - das haben wir heute schon mehrfach gehört - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser ein.

Letztlich führt das im Zusammenhang mit der mangelnden DRG-Vergütung durch die Krankenkassen auch dazu, dass insbesondere kleinere Einrichtungen keinerlei Rücklagen mehr aufbauen können, um eigene Investitionsmaßnahmen abzudecken. Wenn sie doch investieren, gefährden sie gegebenenfalls die allgemeine Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Klinikums.

Lassen Sie mich anhand des Klinikums Burgenlandkreis eines verdeutlichen: Das Klinikum hat nicht grundsätzlich wirtschaftlich schlecht gearbeitet, insbesondere nicht die Geburtshilfe, die Frauenheilkunde und die Kinderheilkunde in Zeitz. Aber die neue Rechtslage des Bundes hat im Ergebnis dazu geführt, dass eine wichtige finanzierende Bank, nämlich die Bank für Sozialwirtschaft, keine neuen Kredite mehr zur Verfügung stellt und bestehende Kredite fällig gestellt hat. Das ist Gegenstand der Investitionsfinanzierung in Naumburg gewesen. Das ist die eigentliche Ursache für die krisenhafte Situation. Die Sanierer hatten sodann vorgeschlagen, einzelne Stationen zu konzentrieren - die Folgen kennen Sie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Burgenlandkreis wird in der Gläubigerversammlung darstellen müssen - ich habe es bereits betont -, dass er genauso gut wie private Träger, wenn nicht sogar besser die Forderungen bedienen kann. Wir stellen uns dieser Aufgabe, weil wir wollen, dass das Klinikum in kommunaler Hand bleibt. Wir werden das nur schaffen, wenn wir aufzeigen können, dass wir nach dem Insolvenzverfahren auch öffentliche Mittel für den künftigen Betrieb erhalten können.

Insofern danke ich der Frau Ministerin dafür, dass sie in Aussicht gestellt hat, den Prozess nach dem Insolvenzverfahren zu begleiten, und dass sich das Land über einen Strukturfonds engagiert.

Ich sage es noch einmal: Wir wollen, dass das Klinikum in kommunaler Hand bleibt, und das hat gute Gründe. Ich stehe selbstverständlich zur Trägervielfalt. Private, freigemeinnützige und

kommunale Häuser - alle haben ihre Daseinsberechtigung

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

und sind beispielsweise im Burgenlandkreis auch vorhanden. Trägervielfalt bedeutet aber auch, dass es auch künftig noch kommunale Kliniken in Sachsen-Anhalt geben muss.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Guido Heuer, CDU)

Die Gesundheitsversorgung ist nun einmal ein zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge. Private Träger können sicherlich vieles gut. Aber gerade am Beispiel des Burgenlandkreises sehen Sie eines deutlich: Würde der Kreistag, also die Kommune, nicht, wie nunmehr durch einen gemeinsamen Antrag des Landrates und der genannten Fraktionen der CDU, der SPD und der LINKEN angekündigt, einspringen, würden wir schon nicht mehr über einzelne Stationen sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in den letzten Wochen und Monaten von Praktikern viel Neues über das Thema Krankenhausfinanzierung gelernt. Verena Späthe gehört dazu. Ganz konkret berichten mir diese verstärkt von nunmehr umfangreicher werdenden Prüfverfahren, wie etwa des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Damit verbunden sind massive Rechnungskürzungen und daraus folgende Rechtsstreite. Auch sagen mir diese, dass das Thema Fachkräfte künftig stärker als wirtschaftliche Gesichtspunkte über das Wohl und Wehe einzelner Klinikstationen entscheiden wird.

Sie sehen, das Thema hat deutlich mehr Facetten als nur die Investitionsförderung des Landes.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Ich gebe aber auch zu, dass diese deutlich umfangreicher ausfallen muss. Dennoch: Das heute vorgeschlagene Investitionsprogramm wäre ein wichtiger Baustein für künftige Investitionen in die Krankenhäuser unseres Landes.

Ich habe eingangs darauf verwiesen, dass der Bund eine besondere Verantwortung hat. Das bedeutet nicht, dass sich das Land und die Kommunen wegducken würden. Der Bund und kein anderer legt gesetzlich fest, wie die Krankenhausfinanzierung in Deutschland zu erfolgen hat. Er gibt vor, wie die Mittelverteilung, zum Beispiel zur Förderung der Aufrechterhaltung einer breiten stationären Grundversorgung, erfolgen soll. So mag es zwar in Stadtstaaten oder in Ländern mit

einer hohen Bevölkerungsdichte, wie in Nordrhein-Westfalen, leicht sein, eine rentable Grundversorgung aufrechtzuerhalten; in Flächenländern wie Sachsen-Anhalt ist das aber nicht der Fall.

Insofern ist es mit Blick auf den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen wichtig, dass künftig die sogenannten Sicherstellungszuschläge, die zur Absicherung einer stationären Grundversorgung in der Fläche beitragen, erhöht werden. Auch der Krankenhausstrukturfonds des Bundes, der bislang Strukturmaßnahmen zur Erhöhung der Qualität fördert, muss künftig dafür eingesetzt werden können, die stationäre Grundversorgung im ländlichen Raum und damit auch die Bildung von lokalen Gesundheitszentren zu fördern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Alternativantrag der Koalitionsfraktionen wollen wir ganz klar signalisieren: Das Land kümmert sich um die Situation der Krankenhäuser. Es ist uns wichtig, dass es nicht zu Schließungen kommt. Wir drängen darauf, dass der Bund auch für die Folgen seines Handelns einsteht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Erben. Ich habe eine Wortmeldung. - Bitte, Herr Siegmund, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. Sie haben viele richtige Punkte genannt, die wir voll und ganz unterstützen können. Nichtsdestotrotz hätte es mich gefreut, wenn Sie als Redner von der SPD-Fraktion auf die Argumentation in meiner Rede eingegangen wären. Deswegen frage ich Sie jetzt: Wie erklären Sie es sich, dass die SPD die Investitionsmittel für die Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt in den Jahren von 2005 bis 2015 von 180 Millionen € auf 39 Millionen € abgesenkt hat?

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Das waren Bundesmittel!)

Herr Erben, Sie haben das Wort.

Ich habe eingangs darauf hingewiesen, dass ich kein Gesundheitsexperte bin. Ich könnte Ihnen andere Dinge herunterbeten, wie die Entwicklung in den Jahren von 2005 bis heute war. Soweit ich weiß, ist das ein kompliziertes Geflecht aus Bundesmitteln, Pauschalförderung etc., was Ihre

Rechnung, wie Sie sie dargestellt haben, zumindest entkräften könnte.

Zweitens haben Sie in Ihrer Argumentationskette vorhin einen ganz wesentlichen Punkt weggelassen, nämlich die Abschaffung der Krankenhausumlage. Die Krankenhausumlage wurde in Sachsen-Anhalt mit dem Finanzausgleichsgesetz - ich glaube, es war im Jahr 2012 - auf Wunsch der Kommunen abgeschafft; denn ein Teil der Krankenhausförderung des Landes Sachsen-Anhalt seit 1991 - ich sehe Ihnen das nach, für Sie gilt die Gnade der späten Geburt - war Fleisch vom eigenen Fleisch. Denn die Landkreise und die kreisfreien Städte mussten eine sogenannte Krankenhausumlage zahlen, die das Land vereinnahmt hat und die dann Bestandteil der Investitionsförderung des Landes an die kommunalen Krankenhausträger war.

Dann kamen nach meiner Erinnerung im Jahr 2011 - andere Finanzpolitiker werden sich vielleicht auch daran erinnern - die kommunalen Spitzenverbände und sagten: Das wollen wir nicht mehr; denn wir haben jetzt so viele private und freigemeinnützige Träger; die Masse der Krankenhäuser ist nicht mehr bei uns, das Geld kommt gar nicht mehr zurück. Dann wurde unter dem Gesichtspunkt der kommunalen Entlastung - viele werden sich daran erinnern können - die Krankenhausumlage in diesem Land aus dem FAG gestrichen. Das müssen Sie bei Ihren Überlegungen berücksichtigen.

Ich habe den damaligen Betrag nicht mehr im Kopf, aber ein durchschnittlich großer Landkreis hat in der alten Struktur rund 1 Million € an Krankenhausumlage gezahlt. Es sind erhebliche Beträge gewesen, die allein dadurch umgeschlagen worden sind. Mein Landkreis, der Landkreis Weißenfels, hatte 75 000 Einwohner und hat rund 1 Million € gezahlt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

Wenn Sie das bei der damaligen Struktur von 21 Landkreisen hochrechnen, sind das erhebliche Beträge gewesen, bei denen Landkreise, wenn sie kommunaler Träger waren, anschließend vom eigenen Fleisch Geld zurückbekommen haben. Das war in einem Jahr mal mehr, weil es eine größere Investition gab, und in einem anderen Jahr natürlich weniger bzw. nichts. Das müssen Sie bei Ihrer Berechnung berücksichtigen.

Die anderen Zahlen kann ich weder bestätigen noch dementieren. Ich habe sie einfach nicht im Kopf.

Vielen Dank, Herr Erben. Es gibt noch eine Wortmeldung, und zwar von dem Abg. Herrn Gallert. - Sie haben jetzt das Wort, bitte.

Herr Erben, Sie können entscheiden, ob es eine Intervention ist oder eine Frage. - Ich reflektiere einmal auf eine andere politische Funktion, die Sie in diesem Land hatten. Damals waren Sie Staatssekretär im Innenministerium und in diesem Kontext auch für Kommunalfinanzen verantwortlich. Ich kann mich noch gut daran erinnern, welcher erhebliche Druck - auch von Ihnen persönlich - gegenüber den Landkreisen dahin gehend ausgelöst worden ist, zur Haushaltssanierung Krankenhäuser zu verkaufen.