Protokoll der Sitzung vom 21.11.2019

„Kinderrechte ins Grundgesetz. Schon jetzt stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Auch Kinder brauchen einen besonderen Schutz. Der Schutz der Kinder hat für uns Verfassungsrang. Deshalb werden wir ihre Rechte in das Grundgesetz aufnehmen.“

Auch im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa - Eine neue Dynamik für Deutschland - Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ findet sich eine entsprechende Formulierung. Hierin heiß es:

„Kinder stärken - Kinderrechte ins Grundgesetz. Wir werden Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern. Kinder sind Grundrechtsträger, ihre Rechte haben für uns Verfassungsrang. Wir werden ein Kindergrundrecht schaffen. Über die genaue Ausgestaltung sollen Bund und Länder in einer neuen gemeinsamen Arbeitsgruppe beraten und bis spätestens Ende 2019 einen Vorschlag vorlegen.“

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Da bin ich ja gespannt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2019 ist zwar noch nicht vorbei, aber ich möchte an dieser Stelle die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU- und der SPD-Bundestagsfraktion darauf hinweisen, dass sie auch dieses Vorhaben des Koalitionsvertrages umsetzen, wie es auch schon bei anderen Vorhaben gelungen ist.

Der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE ist also in diesem Sinne nicht unberechtigt, bedarf aber aus der Sicht meiner Fraktion und auch unserer Koalitionspartner noch einmal der Behandlung in den zuständigen Ausschüssen. Daher bitte ich um die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Es gibt eine Frage, und zwar von Frau von Angern. Sie kann diese jetzt stellen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Kurze Eingangssätze. Erst einmal finde ich es gut, dass Sie sich so klar für Kindergrundrechte im Grundgesetz positionieren. Ich erinnere mich daran, dass anlässlich des 65. Geburtstages des Deutschen Kinderschutzbundes zu Beginn dieses Jahres die damalige Justizministerin in Hamburg sagte, dass dieses Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag bis zum Ende des Jahres bereits umgesetzt sein sollte. Das ist nun noch nicht geschehen.

Ich möchte Ihnen eine ähnliche Frage wie der Frau Ministerin stellen. Auch Ihnen ist bekannt, dass darüber diskutiert wird, ob tatsächlich die drei Aspekte, nämlich Schutz, Förderung und Teilhabe von Kindern, im Grundgesetz geregelt sein sollen. Insbesondere über das Thema Teilhabe wird debattiert. Werden Sie sich als CDU-Abgeordneter hier im Land Sachsen-Anhalt dafür einsetzen, dass es ein klares Votum Sachsen-Anhalts für diese drei Punkte gibt? Und wenn nicht, warum nicht?

Werden Sie sich auch dafür einsetzen, dass sich die von Ihnen gerade so gelobte Koalition im Bund bzw. vor allem Ihre Bundestags-CDU/CSUFraktion dem ebenfalls in dieser Art und Weise anschließt?

Sehr geschätzte Kollegin! Wir diskutieren dazu auch noch bei uns in der Fraktion. Sie werden es vielleicht auch kennen: Manchmal gibt es Mei

nungen, die sich zwar nicht entgegenstehen, aber über die man diskutieren muss. Sie kennen sicherlich den Wortbeitrag des Kollegen Weinberg, der in Magdeburg eine Rede zu diesem Thema gehalten hat. Dieser Abstimmungsprozess ist bei uns in der Partei noch nicht abgeschlossen. Daher kann ich meine persönliche Auffassung vortragen. Sie aber wollten eine Meinung der Partei haben. Diese Parteimeinung werden wir Ihnen mitteilen, wenn die Diskussionen abgeschlossen worden sind.

Ich werde die Diskussionsmöglichkeit aber noch einmal nutzen, wenn ich morgen und übermorgen meinen Landesverband auf dem Bundesparteitag vertreten darf, und dort die Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen weiterführen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Krull, in welchen Ausschuss soll der Antrag zur federführenden Beratung überwiesen werden?

Recht, Verfassung und Gleichstellung.

Also Recht, Verfassung und Gleichstellung federführend. In Ordnung. - Dann können wir in der Debatte fortfahren. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Tobias Krull. - Nein, Tobias Rausch. Entschuldigung.

(Zurufe von der LINKEN und von der SPD)

- Das kann man jetzt nehmen, wie man will, Herr Krull. Tut mir leid. - Herr Tobias Rausch.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE und die damit verbundene Antwort der Landesregierung hat jeder erhalten und kann diese nachvollziehen. Herr Krull ist ausgiebig darauf eingegangen. Deswegen würde ich das nicht machen.

Ich widme mich dem Antrag, Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen. Mit diesem Vorstoß stellen Sie die Eltern unter Generalverdacht, meine Damen und Herren.

Im Bundestag wurde bereits in diesem Sommer darüber debattiert, Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen. Was erst einmal nett klingt, hat einen Hintergedanken. Die Linken wollen sich den Zugriff auf künftige Generationen sichern und stellen dabei Eltern und deren Erziehungskompetenzen unter Generalverdacht.

Niemand braucht Kinderrechte in der Verfassung. Umso erschreckender ist es, wenn sich dies bei

manchen gewählten Parlamentariern des linken Blockes immer weiter breitmacht. Niemand

braucht Kinderrechte in der Verfassung, weder die Kinder, um besser geschützt zu werden - vor wem, ist noch die zweite Frage -, noch die Politik, um handlungsfähiger zu werden und um mehr für Kinder tun zu können, meine Damen und Herren.

Kinder sind auch Menschen. Diese verblüffend einfache Erkenntnis sollte normalerweise sogar juristisch völlig unbedarften Menschen ausreichen, um zu erfassen, dass eine Verfassung, die jedem Menschen ganz unabhängig von seinem Alter, seinem Status, seiner Religion oder seinem geistigen oder körperlichen Zustand

(Silke Schindler, SPD: Jeder Mensch!)

den uneingeschränkten Schutz seiner Würde und seiner Rechte aus genau dieser Verfassung zusichert, zusätzlich niemanden namentlich erwähnen muss.

(Silke Schindler, SPD: Aha!)

Wir nehmen ja auch nicht Alte, Behinderte oder Rothaarige als Träger besonderer Rechte in die Verfassung auf,

(Heiterkeit bei der AfD)

meine Damen und Herren.

(Angela Gorr, CDU: Aha!)

Genau genommen schützen wir sogar die Würde übler Verbrecher und auch die der Toten, weil sie alle Menschen sind und unsere Präambel sogar noch zusichert, dass wir dies vor einem Gott bekennen.

Menschenrechte haben kein Verfallsdatum, keine Altersgrenze, keine Hautfarbe - für Sie, Frau Schindler -,

(Silke Schindler, SPD: Keine Herkunft!)

kein Geschlecht und keine Bindung, mit der wir in Vorleistung gehen müssten, um dies zu erhalten.

Nun zur linken Doppelmoral des Unterfangens „Kinderrechte in die Verfassung“. Wir erhalten diese Rechte automatisch noch vor der Geburt. Deswegen gilt die Tötung ungeborener Kinder ja auch immer noch als Straftat nach § 218. Das Kinderrecht auf Leben, also das Recht, auf die Welt kommen zu dürfen, ist wiederum ein Recht, das dieselben, LINKE, GRÜNE und SPD, gerade allen Kindern verfassungswidrig nehmen wollen, indem sie die Legalisierung von Abtreibungen fordern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Das ist nur ein Beispiel für Ihre Doppelmoral des Unterfangens „Kinderrechte in die Verfassung“.

Wer die Muße hat, dem seien die Gutachten der Sachverständigen vor dem Rechtsausschuss des

Bundestages aus dem Jahr 2013 anempfohlen. Dies kann man im Bundestagsarchiv nachlesen. Damals hatten GRÜNE, LINKE und SPD drei Gesetzesinitiativen für Kinderrechte in der Verfassung eingebracht und scheiterten mit dem Vorhaben. Die überwältigende Mehrheit aller Experten sprach sich schon damals gegen die Änderung des Grundgesetzes aus.

Im Gutachten des BACDJ wird Folgendes festgestellt - ich zitiere -:

„Mit der Einführung von Kinderrechten wird ein rechtspolitisches Projekt diskutiert, dessen Langzeitfolgen unabsehbar sind. Ein Bedürfnis für eine Realisierung besteht nicht, weil das Grundgesetz Kindern bereits heute einen umfassenden Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Verfassungsgeber droht ohne Not tradierte verfassungsrechtliche Pfade im Verhältnis von Eltern, Kindern und Staat zu verlassen und das Elternrecht einer schwächenden Neubewertung durch das Bundesverfassungsgericht preiszugeben.“

„Die Grundrechte des Grundgesetzes stehen bereits heute auch Kindern zu.“

Meine Damen und Herren!

„Daher besteht im Bereich der Kinderrechte keine verfassungsrechtliche Schutzlücke. Als Grundrechtsträger partizipieren Kinder selbstverständlich an allen grundrechtlichen Gewährleistungen - vom grundgesetzlichen Würdeschutz über das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bis hin zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Auch das Bundesverfassungsgericht bejaht in seiner Rechtsprechung die Rechtsträgerschaft von Kindern. Bereits vor einem halben Jahrhundert hat es festgestellt, dass ein Kind nach geltendem Verfassungsrecht ‚ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit’ ist. Hieran hat das Gericht bis heute konsequent festgehalten, […]“

Dies unter anderem bis in das Jahr 2008.

Es geht um das Reißen einer Kompetenzgrenze. Wer also Kinderrechte in der Verfassung fordert, der hat anderes im Sinn, als die Rechtslage oder den Schutz von Kindern zu verbessern. Schließlich leben wir nicht in einem Dritte-Welt-Land, meine Damen und Herren. Wenn Sie aber so weitermachen, dann irgendwann schon.