Protokoll der Sitzung vom 22.11.2019

die Verantwortung weg, wie für den Niedergang der Windkraft. Sie schieben alle Verantwortung von sich weg. Und dann brüllen Sie hier bei jeder Gelegenheit aus Leibeskräften: AfD wirkt. - Ja, AfD wirkt. Arbeitslosigkeit für Deutschland, das wirkt. Das kann keiner wollen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)

Wissen Sie, Herr Siegmund, ich beantworte hier jede Frage. Dass Ihnen die Antwort gefällt, das kann ich Ihnen nicht garantieren.

(Heiterkeit - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Zurufe von der AfD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion, es ist nun einmal so, das machen Sie selber auch: Wenn ein Redner hier vorn steht und Sie eine Antwort erhalten, dann müssen Sie damit zufrieden sein oder Sie müssen irgendwann nachhaken. Das ist einfach so. Jetzt kommen wir zur nächsten Wortmeldung. - Herr Harms, bitte.

Herr Dr. Grube, vielen Dank für die umfassende Analyse der Problemlage. Eine aus meiner Sicht nicht unwesentliche Ursache haben Sie aber nicht beleuchtet. Deshalb möchte ich danach fragen.

Sie haben von einer Zukunftstechnologie gesprochen. Nun mag es daran liegen, dass ich ein paar wenige Jahre älter bin als Sie und die Entwicklung der Windkraft auch mit anderen Zukunftstechnologien ein wenig vergleiche. Ich möchte zum Beispiel die Atomkraftwerke erwähnen,

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

die ja auch einmal als ganz wichtiges Zukunftsprojekt gesehen und mit Parteitagsbeschlüssen untersetzt wurde, wie die Windkraft auch. Sie wurde auch hoch subventioniert, wie die Windkraft auch.

Wie sehen Sie denn diese Ursachen? Sollten wir nicht gemeinsam daraus lernen, dass wir mit Subventionen etwas vorsichtiger umgehen sollten, damit sie etwas nachhaltiger wirken? - Sie haben ja konkret gesagt, Sie schicken unseren gemeinsamen Ministerpräsidenten nach Berlin, der eine konkrete Summe holen soll, die Sie in Euro genannt haben.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Herr Dr. Grube.

Das sind zwei verschiedene Fragen. - Ja, die Atomkraft ist hoch subventioniert worden. Das wird sie im Übrigen auch weiter werden, noch ein paar Tausend Jahre lang, weil die Frage der Endlagerung gesellschaftliche Kosten nach sich zieht, die wir alle bzw. alle, die Atomstrom verbrauchen, nicht zahlen, weil sie auf den Strompreis nicht umgelegt werden. Es werden also gesellschaftliche Kosten sein.

Bei der Kohle, gerade in den alten Bundesländern, ist es auch so gewesen. Die Kohle wurde durch den Kohlepfennig hoch subventioniert.

Wenn wir alle diese Subventionen in die Windkraft, also in die erneuerbaren Energien stecken würden, wäre Enercon wahrscheinlich heute nicht in der Lage, in der es jetzt ist.

Die zweite Frage, die Forderung an den Ministerpräsidenten, ist eine andere. Wir haben ja die Diskussion - berechtigterweise - um die Frage: Wie fangen wir in den Regionen, also in den Braunkohlerevieren - bei uns ist es das Mitteldeutsche Revier, aber auch das in der Lausitz -, diesen Strukturwandel für die Menschen ab, die dort lange vom Bergbau gelebt haben? - Dazu muss ich persönlich sagen, dass mir ein Arbeitsplatz, der strukturell bedingt wegfällt, genauso wichtig ist wie ein anderer.

Ich habe es ja gesagt: Für uns als Magdeburger ist der Maschinenbau genauso strukturprägend wie die Braunkohle in den Regionen, die es betrifft. Die sollen das alles behalten; das ist alles kein Thema. Aber ich finde, wenn man den einen hilft, dann darf man die anderen nicht im Regen stehen lassen. Das hat mit Subventionen nichts zu tun; für mich sind es eher Strukturhilfen. Aber das ist wahrscheinlich eine semantische Diskussion.

Herr Harms, Sie haben eine kurze Nachfrage signalisiert. Bitte.

Ja, Frau Präsidentin, eine ganz kurze. - Ich bitte auch um Entschuldigung dafür, dass ich meine Frage wohl so verquer gestellt habe, dass Herr Dr. Grube sie anscheinend nicht verstanden hat. Ich habe danach gefragt, ob Sie auch Verantwortung bei uns Politikern sehen, die mit Parteitagsbeschlüssen vermeintliche Zukunftsfelder mit Subventionen hochpeitschen, wie zum Beispiel die SPD seinerzeit die Atomkraft, wie heute die GRÜNEN die Windenergie, und dass wir gemeinsam ein Stück weit daraus lernen sollten.

Herr Dr. Grube.

Ich sehe jetzt nicht, dass die CDU an den Subventionen für die Atomkraft - die hätten Sie wenigstens mit aufzählen müssen - gänzlich unschuldig ist. Ich glaube, das ist eine Gesamtverantwortung aller Landesregierungen und der Bundesregierung in den alten Bundesländern über die Jahre hinweg. Das ist schlicht und ergreifend so.

(Hannes Loth, AfD, lacht - Zurufe von der AfD)

Natürlich kann man immer nur die Technologien - - Ja, die AfD gibt es, Gott sei Dank, noch nicht so lange.

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Aber natürlich kann man sich nur zu den Technologien verhalten, die es gibt, und man kann nur mit den gesellschaftlichen Erkenntnissen arbeiten, die es gibt.

Ich behaupte, hätte es Tschernobyl und Fukushima schon vor 60 Jahren gegeben, wäre auch in der Bundesrepublik die Diskussion um die Errichtung von Kernkraftwerken, gerade im Ruhrgebiet, in den dicht besiedelten Gebieten, wahrscheinlich ziemlich anders verlaufen. Aber das ist jetzt eine sehr spekulative Frage.

Ansonsten muss man mit Subventionen immer verantwortlich umgehen; das ist überhaupt keine Frage. Aber sicherlich wird niemand, wenn er sagt, ich nehme die Subventionen zur Steuerung irgendeines Vorgangs - es ist egal, ob dies den Energiesektor oder irgendetwas anderes betrifft -, davon ausgehen, dass es eine unverantwortliche Frage ist. Man verfolgt vielmehr immer ein Ziel, das man mit der Subvention erreichen will. Das gilt selbstverständlich auch für den Umgang mit Steuermitteln. Damit muss man sorgsam umgehen. Das ist überhaupt keine Frage.

Vielen Dank. - Frau von Angern, jetzt haben Sie das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Grube, wir sind ja beide Magdeburger Kinder. Ich habe Ihre sehr engagierte Rede heute hier sehr freudig zur Kenntnis genommen, auch den Einstieg in Ihre Rede und noch einmal den Hinweis darauf, wie verletzt die Magdeburger Seele aufgrund der Vorkommnisse ist, die hier Anfang der

90er-Jahre passiert sind: Zusammenbruch der Industrie und Verlust von vielen, vielen Tausend Arbeitsplätzen.

Vor diesem historischen Hintergrund frage ich Sie: Sind Sie auch der Auffassung, dass das, was hier gerade passiert, ein erheblicher Schlag in die Seele der Menschen in Magdeburg und Umgebung ist?

Kann ich davon ausgehen, dass Sie Ihr Engagement, das Sie heute an den Tag gelegt haben, auch und gerade oder obwohl Sie hier Mitglied einer regierungstragenden Fraktion sowie auch Mitglied der Partei sind, die im Bund mitregiert, fortsetzen und sich dafür engagieren, dass die Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt ihren Arbeitsplatz verlieren werden, in Zukunft wieder eine Arbeit finden, und dies möglichst wohnortnah?

Dr. Grube.

Selbstverständlich. Ich würde die Grundlage Ihrer Frage ein bisschen umkehren: nicht „obwohl“, sondern „weil“. Es ist eine Verantwortung dieser Landesregierung, übrigens auch der Bundesregierung, für die Sachen geradezustehen, die man mit der Gesetzgebung angerichtet hat.

Ich glaube, dass die Magdeburger Seele eher davon verletzt worden ist, dass hier eine Branche, die sich mühsam hochgerappelt hat, offensichtlich ein Stück weit wegfällt, und dass eben doppelt darauf kommt, dass das bei vielen Menschen tatsächlich Assoziationen an damals weckt. Das werden Sie aus Ihrer Familie wahrscheinlich ähnlich kennen wie ich aus meiner. Deswegen ist es tatsächlich ein Schlag in die Magengrube, der doppelt wehtut.

Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Fragen. - Somit kommen wir zur Landesregierung. Da Prof. Dr. Willingmann heute nicht anwesend ist, wird Frau Ministerin Grimm-Benne stellvertretend für den Minister Rede und Antwort stehen. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Ankündigung von Enercon, allein in Magdeburg fast 1 500 Arbeitsplätze in der Windkraftbranche abzubauen - der MDR meldete heute Morgen sogar 1 600 Arbeits

plätze -, ist ein schwerer und herber Schlag, und zwar nicht nur für Magdeburg, sondern für unser ganzes Land,

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

für die betroffenen Beschäftigten, für die Stadt Magdeburg, aber auch für die notwendige Klimawende und für Sachsen-Anhalt als Land der erneuerbaren Energien.

Es ist zugleich ein Alarmsignal für alle, die sich um die Neuausrichtung der Energiepolitik bemühen. Denn es geht um die Sicherheit der Energieversorgung, um die Wirtschaftlichkeit der Energieerzeugung und um Arbeitsplätze. Es geht aber auch um Artenschutz, und es geht nicht zuletzt um die Akzeptanz von Windrädern in der Bevölkerung.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! In Sachsen-Anhalt liegt der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien bei mehr als 60 %. Damit sind wir Vorreiter. Wir wollen diese Position halten, gleichzeitig muss aber der Ausbau erneuerbarer Energien auch in anderen Bundesländern vorangetrieben werden.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist es! - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Dem stehen Berliner Weichenstellungen wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz entgegen. Wirt

schaftsminister Willingmann hat das in dieser Woche mehrfach betont.

Es ist doch eine Krux, dass nach fast allen Umfragen Klimaschutz für die Bürgerinnen und Bürger das Thema im Land ist, dass es aber vor Ort oft sehr große Akzeptanzprobleme gibt, wenn Windkraftanlagen gebaut oder erneuert werden sollen.

Vor diesem Hintergrund zu sagen, der Ausbau der Windenergie sei in Deutschland ins Stocken geraten, ist mehr als beschönigend.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In Sachsen-Anhalt wurden 2019 Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Leistung von 32 MW erteilt. Von 2014 bis 2016 waren es durchschnittlich 145 MW. Das ist ein Rückgang um fast 80 %. Deshalb kollabiert der Markt für Windräder.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was folgt daraus für die Energiepolitik? Was kann zur Unterstützung der Windenergiebranche auf Bundes- und Landesebene getan werden?