Protokoll der Sitzung vom 22.11.2019

Sehr geehrte Frau von Angern, ich finde es schon beschämend und auch unredlich, dass Sie sich hier vorn hinstellen und uns etwas vorwerfen, was Ihre NRW-Landessprecherin der LINKEN, Inge Höger, täglich durchführt. Sie ist offen antisemitisch eingestellt, sie trägt einen Schal mit einer Weltkarte, auf der Israel fehlt, sie fährt zusammen mit der Hamas in Richtung Gaza auf einem Schiff, sie meldet antisemitische Demonstrationen an, auf denen offen gegen Juden gehetzt wird, auf denen der Holocaust infrage gestellt und auf denen der Hitlergruß gezeigt wird.

Bei uns treten die beiden Leute, die hier in der Debatte genannt wurden, die sich auch noch dem Vorwurf und dem Verdacht aussetzen, antisemitisch zu sprechen, von allein zurück. Bei Ihnen sitzt jemand als Landessprecherin in einem Landesvorstand. Das ist beschämend. Und das ist das Allerletzte.

(Beifall bei der AfD)

Ich schaue noch einmal zu den LINKEN, aber Frau von Angern hatte abgewunken. Auch das bleibt jetzt so im Raum stehen. - Wir haben den nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abg. Herr Striegel. Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Vorrednerinnen und Vorrednern ausdrücklich dankbar für das, was sie hier gesagt haben, und zwar sowohl der Abg. Eva von Angern als auch Holger Hövelmann als auch dem Herrn Staatsminister, weil sie in wohltuender Weise auf das große Maß an Meinungsfreiheit, das in diesem Land und in ganz Europa an vielen Stellen herrscht, verwiesen haben, weil sie die Gefahren für Meinungsfreiheit sehr zutreffend beschrieben haben und weil sie auch der Versuchung widerstanden haben, sich in Populismus zu ergehen, wie wir das hier von der AfD gehört haben, in Populismus und in Opferdiskurs.

Vielleicht muss ich am Anfang meiner Rede ein paar Dinge auseinander nehmen. Hier wird vorgeblich über Meinungsfreiheit geredet. Die Beispiele, die vom Redner der AfD vorgetragen worden sind, beschäftigen sich aber nicht wirklich damit. Da geht es munter durcheinander. Da geht es um Wissenschaftsfreiheit im eigentlichen Sinne, da geht es um Freiheit der Lehre, da geht es auch um Vertragsfreiheit.

Niemand muss mit einem AfD-Bauern Verträge abschließen. Dazu ist im Privatrecht niemand gezwungen. Und das ist auch gut so. Das ist Ausdruck von Freiheit. Ich lebe gern in einem Staat, in dem ich nicht gezwungen bin, mit Rassisten Geschäfte zu machen. Das ist in Ordnung. Es ist meine Freiheit, das nicht zu tun.

Sie verwechseln immer und immer wieder - ich glaube, Herr Robra war es, der hier Artikel 5 des Grundgesetzes zitiert hat - den Gehalt des Artikels 5 des Grundgesetzes mit einer Wirkung auf private Dritte. Die hat er nicht. Dieser Artikel 5 bindet den Staat. Er bindet den Rechtsstaat und nicht diejenigen, die als Private unterwegs sind. Ich muss Ihre Meinung nicht teilen. Ich muss Ihre Meinung auch nicht schützen. Ich muss ihr keine Bühne bieten. Und das ist auch gut so. Ich kann und darf Ihnen widersprechen und das werde ich tun, solange ich es tun kann.

Ich will auch auf die Allensbach-Studie verweisen, die Sie hier angeführt haben, wonach zunehmend Menschen Vorsicht zeigen würden, wenn sie ihre Meinung äußerten. Ich habe an dieser Studie eine Menge methodische Kritik. Ich will nur einen Punkt herausnehmen: Die Frage, was Vorsicht beinhaltet, ist überhaupt nicht geklärt, auch nicht, was die Gefragten darunter verstehen. Ich finde es grundsätzlich auch gar nicht schlimm, wenn Menschen, bevor sie sprechen, überlegen und damit Vorsicht walten lassen, weil nicht alles, was in einem Kopf entsteht, zwingend sofort und in Gänze nach draußen muss. Man darf manchmal auch nachdenken; das ist nicht verkehrt.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Das Recht auf Meinungsfreiheit konstituiert sich im Übrigen nicht in einem Recht auf Lüge, nicht in einem Recht auf ehrverletzendes Verhalten und auch nicht in einem Recht auf Affirmation. Widerspruch zu Ihren Positionen müssen Sie aushalten. Eine Partei, die deutschlandweit round about auf 15 % der Wählerstimmen kommt, wenn man sich das in den Meinungsumfragen anschaut, muss halt damit leben, dass 85 % der Menschen in diesem Land ihre Position ablehnen. Darin kann ich überhaupt kein Problem finden.

Mein Eindruck ist, die gesellschaftlichen Grenzen des Sagbaren haben sich in den letzten Jahren

nicht zusammengezogen; sie sind eher breiter geworden.

(Zurufe von der AfD)

Was es vielleicht gibt, ist der Widerspruch für Positionen, die noch vor 50 Jahren en vogue waren, beispielsweise dass man es irgendwie für angemessen halten könnte, Frauen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Ich finde es nicht schlimm, dass diese Position heute gesellschaftlich viel stärker auch mit Widerspruch konfrontiert ist. Sie ist ganz offensichtlich aus der Zeit gefallen. Und es ist ganz gut, dass ihr widersprochen wird.

Herr Hövelmann hat auch schon darauf verwiesen, dass es gut ist, wenn es auch Widerspruch gegen faschistische Meinungen gibt. Denn Faschismus ist keine Meinung. Er ist ein Verbrechen.

(Zurufe von der AfD und von André Pog- genburg, fraktionslos)

Die Abg. Eva von Angern hat hier sehr deutlich auf die Folgen von Faschismus verwiesen. Ich bin froh, dass wir dabei auch im Rahmen unserer Gesetze eine deutliche Grenze aufgerichtet haben.

Wenn Sie - und die Zitate von Herrn Höcke waren ja auch breit - einen Faschisten in Ihrer Mitte nicht nur dulden, sondern ihn zur Mitte der Partei erklären, dann müssen Sie sich fragen lassen, was das an Anstrahlungswirkung auf Ihre Partei als Ganzes hat.

Herr Kretschmer, CDU-Ministerpräsident aus

Sachsen, zukünftiger Koalitionspartner von GRÜNEN und SPD in Sachsen - hoffe ich -, hat heute auf dem CDU-Bundesparteitag sehr deutlich gemacht, dass er in der AfD breite Rechtsextremisten am Werk sieht. Der Mann hat recht. Er kann diesen Vorwurf auch belegen. Ich finde, es ist an der Zeit, das deutlich zu sagen und daraus auch die notwendigen Schlüsse zu ziehen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Wenn ein Chef des Bundesfeuerwehrverbandes seine Meinungsfreiheit nutzt und deutlich macht, dass Rassismus, dass Antisemitismus, dass verfassungsfeindliches Gedankengut in Feuerwehren keinen Platz haben

(Zurufe von der AfD)

und er dafür dann von der AfD kritisiert wird, dann ist es erst einmal das gute Recht und die Meinungsfreiheit von AfD-Mandats- und -Funktionsträgern, ihn zu kritisieren. Wenn der Mann aber daraufhin aus Ihrem Spektrum widerlichste Hassmails bekommt, dann frage ich mich, was das noch mit Meinungsfreiheit zu tun hat, wenn darin

gefordert wird, dass er ausgepeitscht werden solle oder dass er vaterlandsverräterisches Gewürm sei.

Hier müssen wir deutlich eine Grenze ziehen. Und wir tun es auch in unseren Gesetzen. Mir kommt es darauf an, dass wir diese Gesetze zum Schutz unserer aller Freiheit dann auch konsequent anwenden und tatsächlich Grenzen für Meinungsfreiheit aufzeigen.

Vorhin ist hier noch die Leugnung der Erderhitzung aufgekommen. Ja, Wissenschaft ist keine Frage von Meinung, sondern zunächst eine von Erkenntnis. Ja, Sie können die Erderhitzung leugnen. Auch das ist im Rahmen der Meinungsfreiheit möglich. Sie können genauso die Erdanziehungskraft leugnen. Das steht Ihnen auch frei. Aber dann sind Sie halt ein Idiot. So einfach ist es.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜ- NE, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Das hat etwas mit wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun und nicht mit Meinungsfreiheit.

Der Meinungstotalitarismus, wie ihn die AfD-Fraktion gern hätte, ist ein Faschismusmerkmal. Ich glaube, wir tun alle gut daran, jeglichem Schritt in Richtung Faschismus von vornherein den Weg abzuschneiden. Deswegen tun wir gut daran, die AfD zu stoppen, ihr Widerstand entgegenzubringen

(Zurufe von der AfD)

und sehr deutlich zu machen: Sie mögen Ihre Meinung haben, aber in unserer demokratischen, in unserer weltoffenen Gesellschaft ist dafür kein Platz. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Es gibt zwei Wortmeldungen, von Herrn Dr. Tillschneider und Herrn Siegmund. - Bitte, Herr Dr. Tillschneider.

Herr Striegel, Sie haben am Beginn Ihrer Rede erklärt, Sie wollen mit Rassisten aus Ihrer Sicht, also auch AfD-Mitgliedern, überhaupt keine Verträge schließen. Jetzt würde ich Sie gerne fragen - wobei es eine rhetorische Frage ist -, ob die Gleichbehandlungsgrundsätze und das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch für AfD-Mitglieder gelten oder nicht.

Ich entnehme Ihrer drastischen Äußerung am Anfang Ihrer Rede, dass es für AfD-Mitglieder nicht gilt, und damit offenbaren Sie Ihre geistige Grund

lage. Das ist nämlich Ihre geistige Grundlage. Die Quintessenz Ihrer Rede ist die Maxime aus George Orwells Roman „Animal Farm“ - alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere.

(Beifall bei der AfD)

Herr Striegel, Sie können, müssen aber nicht darauf erwidern.

Ich will ganz kurz darauf antworten, Frau Präsidentin.

Ja, bitte.

Ihre Prämisse ist falsch. Die Gesetze gelten für alle in diesem Land. Und sie schützen natürlich auch AfD-Mitglieder. Aber ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem mich der Staat nicht zwingt, Verträge mit Rassisten abzuschließen.

(Zuruf von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung vom Herrn Abg. Siegmund. - Sie haben jetzt das Wort. Bitte.

Vielen Dank. - Herr Striegel, Sie haben gerade auf die Umfrageergebnisse angespielt. Da stelle ich mir die Frage: 2016 haben Sie ein Wahlergebnis von ungefähr 5 % bekommen. Was sagen Sie denn dazu, dass 95 % der Menschen hier bei uns Ihren Schwachsinn ablehnen?

(Beifall bei der AfD)

Herr Striegel, auch darauf können Sie, müssen aber nicht darauf antworten.

Das ist tatsächlich einfach nur eine dumme Aussage von Ihnen, Herr Siegmund,

(Lachen bei der AfD - Zurufe von der AfD: Das ist die Wahrheit!)

weil Sie damit fälschlicherweise darauf verweisen, dass damit eine Ablehnung der gesamten Position der GRÜNEN verbunden wäre. Die Menschen haben sich einfach für andere Parteien im Landtag entschieden.