Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff. - Wir steigen nunmehr in die Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion ein. Beginnen wird die SPD-Fraktion mit der Abg. Frau Dr. Pähle. Sie haben das Wort, Frau Dr. Pähle.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, ich gebe es zu: Es wäre ein bequemerer Beginn für diese Landtagssitzung gewesen, wenn wir heute Morgen nicht über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beraten müssten. Wenn wir jetzt als ersten Tagesordnungspunkt Kinderarmut hätten und darüber diskutieren würden oder die Weiterbeschäftigung der Sprachlehrer - alles wäre schwierig genug.

Aber es ist auch richtig, dass wir bei einer Angelegenheit, die ein so großes öffentliches Aufsehen verursacht, die eines oder möglicherweise mehrere Mitglieder der Landesregierung und vor allem ganz grundsätzlich das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive betrifft, zu dem Mittel greifen, von dem wir die bestmögliche Aufklärung des Sachverhalts erwarten können.

Deshalb haben sich die Koalitionsfraktionen CDU, SPD und GRÜNE am Dienstag der vergangenen Woche darauf verständigt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Dieser Untersuchungsausschuss gibt dem Parlament die Möglichkeit, sich wirklich grundlegend mit den Fragen auseinanderzusetzen, die durch den Prüfbericht des Landesrechnungshofs und durch die öffentlichen Berichterstattungen aufgeworfen worden sind.

Herr Knöchel, nicht immer ist das, was obenauf liegt, auch wirklich maßgebend für alles, was darunter ist, sodass man von dem einen Fall nicht immer auf die Grundsätzlichkeit schließen kann. Deshalb ist es notwendig, alles in den Blick zu nehmen.

(Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD)

Wie ernst nimmt es die Landesregierung beispielweise mit der Berichtspflicht, die durch den Landtag 2004 und 2011 beschlossen wurde? Wie sorgfältig werden die entsprechenden Verträge von der Landesregierung erfasst und dem Finanzausschuss zugeleitet? In welchen Fällen wurde der Landtag trotz bestehender Berichtspflicht nicht unterrichtet und warum ist das nicht geschehen? Hat die Landesregierung Verträge pauschal von der Berichterstattung ausgenommen und, wenn ja, hat sie sich darüber mit dem Finanzausschuss ins Benehmen gesetzt?

Das sind die übergreifenden Fragen, die das Verhältnis zwischen Landtag und Landesregierung berühren und die wir an alle Ressorts richten müssen.

Diese inhaltliche Zielstellung, dieses alles zu betrachten, verfehlt der Antrag der AfD. Er benennt völlig richtig die Fragen, die das Finanzministerium betreffen, und hört dann auf. Keine Frage zu dem öffentlich kritisierten Vertrag aus dem Ge

schäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung, keine Frage zu anderen Ressorts, keine Frage zu ominösen Ausnahmen - nichts.

(Eva Feußner, CDU: Wir spekulieren aber jetzt nicht herum!)

- Dazu gibt es in diesem Antrag keine Fragen. - Deshalb ist Freitag letzter Woche den Geschäftsführern der Oppositionsfraktionen der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zugegangen. Insofern finde ich es schade, dass sich nach dem Zugang dieses Änderungsantrags gerade der Vorsitzende der AfD-Fraktion öffentlich darüber geäußert hat, dass wir hier nichts als heiße Luft hätten und unsere Ankündigungen nicht umsetzen wollten.

Daher ging es den Koalitionsfraktionen darum, einerseits die Rechte der parlamentarischen Minderheit bei der Einsetzung in vollem Umfang zu wahren und andererseits durch eine Erweiterung im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit die notwendige inhaltliche Breite zu erreichen. Beides erreichen wir mit unserem Änderungsantrag, der ein gestuftes Verfahren vorsieht.

Der Teil B, der die Aufweitung auf alle Ressorts vorsieht, entspricht auch dem Antrag der SPDFraktion auf Selbstbefassung im Finanzausschuss.

Ein Untersuchungsausschuss, meine Damen und Herren, bedeutet insbesondere, dass unter Beteiligung aller Fraktionen und in öffentlicher Verhandlung Tatsachen ermittelt und gewürdigt werden. Ein Untersuchungsausschuss ist damit auch ein Schutz vor individueller Vorverurteilung und politischen Kurzschlüssen; denn eines ist der Beschluss auf Einsetzung eines PUA nicht: Es ist keine Vorverurteilung und kein Schuldeingeständnis.

Die Einschätzung, die mein Fraktionskollege Dr. Andreas Schmidt nach Sichtung der dem Finanzausschuss vorliegenden Akten an dieser Stelle in der letzten Sitzung getroffen hat, hat für uns als SPD-Fraktion unverändert Bestand, solange die Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss kein anderes Ergebnis erbringt. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Was wir nicht wollen - auch dafür soll der Untersuchungsausschuss dienen -, ist eine Kultur des Verdachts - das suggeriert der Antrag der LINKEN -, in der jeder Vertrag sofort zu einer öffentlichen Diskussion und einem öffentlichen Aufschrei führt. Wir müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise die wissenschaftliche Begleitung der EU-Förderperiode durch die EUKommission selbst verlangt wurde.

Frau Dr. Pähle, kommen Sie bitte zum Schluss.

Das mache ich sofort. - Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es Unterschiede zwischen Dienstleistungsverträgen, Gutachten und Beraterverträgen gibt. Alle diese Unterscheidungen, all das muss im Untersuchungsausschuss gewürdigt und beachtet werden.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Änderungsantrag von CDU, SPD und GRÜNEN und im Nachgang zu dem geänderten Antrag, der Ihnen vorliegt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Knöchel. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Dann muss ich das nutzen, weil es wenig Widerworte zu meiner Rede gab, um noch einmal für unseren Antrag zu werben.

Die Beraterverträge der Vorgängerregierung zu benutzen, um die eigene Unlust am Ressort zu demonstrieren, ist eine Facette dieses unwürdigen Spiels, wie ich es Ihnen dargelegt habe. Herr Staatsminister Robra war der Erste, der erkannte, dass dies ein Spiel mit dem Feuer ist. Dem Vernehmen nach wollte er unter der Androhung von Entlassungen die allenthalben entsandten Schnüffelbrigaden zur Ordnung rufen und beenden.

Einen Fehler hat das Ganze, Herr Staatsminister: Wenn eine Schublade vor Unordnung überquillt, dann räumt man sie auf und versucht nicht, sie zwangsweise zu schließen. Ihre Erkenntnis war richtig, aber die Schlussfolgerung war falsch.

Bereits in der letzten Finanzausschusssitzung hat der Präsident des Landesrechnungshofs zugesagt, auch für die aktuellen Zeiträume eine Prüfung der Beraterverträge vorzunehmen. Wenn ich jemandem zutraue, mit dem gebotenen Maß an Kompetenz diese Sachverhalte zu prüfen und darzustellen, dann ist das der Landesrechnungshof.

An uns wäre es, die Konsequenzen zu ziehen. Dazu braucht es keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Er ist, wie ich dargelegt habe, Zeitschinderei oder, anders formuliert, eine Beerdigung des Themas erster Klasse.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb bitte ich Sie: Lassen Sie es und folgen Sie unserem Antrag!

Die Landesregierung soll vorstellen, welche Konsequenzen sie aus den ihr bekannten Vorgängen und aus dem Bericht des Landesrechnungshofs zu ziehen gedenkt. Dabei, liebe Frau Kollegin Pähle, geht es nicht um Schuld oder Unschuld, sondern mitunter muss man auch schauen: Welche Mechanismen in einem Ministerium führen dazu, dass zum Beispiel der Finanzausschuss vergessen wird? Gibt es ein hinreichendes Regelwerk, nach dem an einer Stelle Stopp ist und jemand sagt: Wir müssen vorlegen?

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das kann doch der Untersuchungsausschuss auch feststel- len!)

- Sie wollen es gerne in fünf Jahren feststellen. Wir hingegen wollen, dass die Regierung sofort ordentlich arbeitet, lieber Herr Borgwardt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ja auch unsere Aufgabe als Opposition, eine Regierung zu kontrollieren. Sie scheinen sich für Ihre Regierung eher im Jubilieren zu üben. Gut, das sei Ihnen gegönnt.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

- War das jetzt despektierlich, Frau Präsidentin? Ich muss jetzt aufpassen.

Die Regierung soll vortragen, welche personellen Ressourcen sie benötigt, um in den Kernbereichen ihrer Aufgaben ihre Aufgaben ohne Fremdvergaben zu erfüllen. Das war nämlich der Kern dessen, was ich vorgetragen habe: fehlende personelle Ressourcen. Sehr oft stand als Begründung im Finanzausschuss unter den Beraterverträgen: „Wir haben keine eigenen personellen Ressourcen“, bis dahin, dass eine ganze Menge Beraterverträge personelle Ressourcen untersuchen sollten.

Wir als Parlament müssen auch prüfen, in welchem Umfang die Landeshaushaltsordnung und der Beschluss zur Transparenz der Beraterverträge angepasst werden müssen. Ich glaube, das müssen wir nicht erst in fünf Jahren tun.

Wenn ich Ihren Änderungsantrag lese, dann muss ich fast sagen: Links wirkt. Sie wollen genau das untersuchen, was Gegenstand unseres Änderungsantrags zur Transparenz der Beraterverträge war. Darin finde ich wortwörtlich die Formulierung, die wir gewählt und die Sie zum Teil abgelehnt haben. Das ist wortwörtlich unsere Beschreibung.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Denken Sie einmal an den letzten Untersuchungsaus- schuss! Damals haben Sie uns genau das- selbe vorgeworfen!)

- Was denn, Herr Borgwardt?

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

- In diesem Fall lag auch viel im Dunkeln. Damals gab es Steuererlässe, die bis heute nicht aufgeklärt sind, damals gab es Kameradenwirtschaft, und es war extern. Wir können aber im Finanzausschuss keinen Externen vernehmen. Dazu braucht es einen Untersuchungsausschuss. Das ist der feine Unterschied. Hier wurde sehr viel Geld an Externe gegeben. Im Fall des Regierungshandelns haben wir es sehr viel mit Internen zu tun, lieber Herr Borgwardt. Hier liegt die Handlungsgewalt bei der Landesregierung.

Ich glaube, deshalb macht dieser Untersuchungsausschuss keinen Sinn. Es macht aber Sinn, darüber zu reden, welche Konsequenzen wir ziehen wollen. Wie gesagt: Ihr Ziel ist, das Ganze auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Das ist ein legitimes Ziel für eine Regierung. Dass eine andere Oppositionsfraktion Ihnen dabei assistiert, das ist, finde ich, Ironie der Geschichte. Aber sei es drum: Auch in diesem Parlament gibt es manchen lustigen Vorgang.

Lassen Sie es und gehen Sie zu rechtmäßigem Handeln über! Wir, die Fraktion DIE LINKE, stehen Ihnen dabei als Ratgeber zur Seite. Wir sind wesentlich preiswerter als jeder Beratervertrag der Welt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Knöchel. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Meister. Sie haben das Wort, Herr Meister.

Danke schön. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten bereits in der letzten Landtagssitzung Gelegenheit, über die Frage der Vergabe von Beratungsverträgen zu debattieren. Seitdem sind noch einige weitere Vorgänge bekannt geworden, die zum Teil sehr aufgeregt diskutiert wurden, auch heute wieder.

Als Zwischenfazit der bisherigen Diskussion lässt sich sagen: Ja, es gab Vergaben von Verträgen, die sich nicht an die Regelungen hielten, die der Haushaltsgesetzgeber, also der Landtag, aufgestellt hat. Es ist unsere Aufgabe als Parlament, dafür Sorge zu tragen, dass die Haushaltshoheit des Landtages gewahrt wird. Wir haben dafür verschiedene Instrumentarien.

Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Vorgänge mit unterschiedlichen Aspekten und wegen der über das normale Tagesgeschäft hinausgehenden Diskussionswürdigkeit ist deutlich geworden, dass unser übliches Vorgehen, nämlich die Behandlung im Unterausschuss Rechnungsprüfung, wohl leider nicht genügen wird.