Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Vorgänge mit unterschiedlichen Aspekten und wegen der über das normale Tagesgeschäft hinausgehenden Diskussionswürdigkeit ist deutlich geworden, dass unser übliches Vorgehen, nämlich die Behandlung im Unterausschuss Rechnungsprüfung, wohl leider nicht genügen wird.

Neben der Komplexität der auftretenden Fragestellungen ist insbesondere das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an der Aufklärung und Darstellung der Vorgänge zu beachten. Das kann der Unterausschuss, der zusammen mit dem Landesrechnungshof als Aufklärungsinstrument wünschenswert gewesen wäre, nicht leisten. Beispielsweise sind ihm öffentliche Zeugenvernehmungen nicht möglich.

Die in der Öffentlichkeit zeitgleich geführte Diskussion über mehrere Vorgänge war darüber hinaus für weite Teile der Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Eine sachliche Behandlung, die für die Aufklärung von Fehlern und das Ziehen von Schlussfolgerungen erforderlich ist, war so nicht möglich.

Die Koalition hat sich daher am vorletzten Dienstag entschlossen, den Weg zur Beantragung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu beschreiten, um die Aufklärung der Vorgänge geordnet, sachlich und transparent zu bewerkstelligen. Nahezu zeitgleich ging ein Antrag der Opposition ein, der dasselbe Thema behandelt.

Der Unterschied zum Anliegen der Koalition besteht darin, dass sich der Antrag der Opposition stark auf das Finanzministerium und den Vorgang um den Geschäftsbesorgungsvertrag fokussiert, während die Koalition das Handeln der gesamten Landesregierung untersuchen will. Für Letzteres spricht, meine ich, die Tastsache, dass die öffentlichen Vorwürfe weit über den zunächst thematisierten Vorgang hinausgehen.

Herr Farle, in Ihrer Einbringungsrede sind Sie in weiten Teilen auf andere Verträge eingegangen, was sich in Ihrem Antrag so jedoch nicht wiederfindet.

Was nicht Gegenstand der Arbeit des Untersuchungsausschusses sein wird, ist beispielsweise eine Bewertung politischer Dinge wie GenderMainstreaming. Sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, inhaltlich gegen das Konzept und gegen die politische Idee, die dahintersteht, vorzugehen. Das ist nicht das Thema.

Wir werden uns den Vertrag im Ausschuss anschauen und werden bewerten, wie dieser zustande gekommen ist und ob das alles ordentlich gelaufen ist. Zu Gender-Mainstreaming steht die Koalition gemäß dem Koalitionsvertrag auch weiterhin.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auch Rücktrittsforderungen wurden heute bereits laut. Traditionell ist es so, dass man erst untersucht und dann den Rücktritt fordert. Diese Reihenfolge sollte man beachten.

Die Doppelung der Anliegen ist insofern schwierig, als wir die Einsetzung von zwei Untersuchungsausschüssen natürlich vermeiden sollten, nicht nur weil sich die Wählerinnen und Wähler sonst an den Kopf schlagen, sondern auch weil ein Untersuchungsausschuss einen sechsstelligen Betrag kostet.

Daher hat die Koalition keinen eigenen Antrag, wie ursprünglich gedacht, sondern einen Änderungsantrag gestellt. Damit soll einerseits die weitere Untersuchung ermöglicht werden. Andererseits sollen die Minderheitenrechte beachtet werden, indem das sich mit dem Wunsch der Koalition deckende Untersuchungsanliegen der Opposition als Erstes untersucht wird, sodass keine Verzögerungen eintreten.

§ 3 Abs. 2 des Untersuchungsausschussgesetzes enthält hierzu klare Vorgaben. Ich meine, wir haben sie eingehalten. Insofern werbe ich um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Zur Abstimmung steht heute auch ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, der als Ursache der Problematik eine unzureichende Personalausstattung benennt. Dies ist tatsächlich in Teilen der Landesverwaltung ein Problem. In den Diskussionen zum Personalentwicklungskonzept habe ich in der letzten Legislaturperiode bereits darauf hingewiesen, dass an diversen Stellen zur Erreichung statistischer Vorgaben zwar Personal abgebaut wurde, sich im Gegenzug aber die Vergabe nach außen erhöht hat. Wenn dies in der Summe zu Mehrkosten führt, wird das Haushaltsziel nicht erreicht.

Die hier in der Diskussion befindlichen Vorgänge haben damit aber wenig zu tun. Der Geschäftsbesorgungsvertrag ging über die IB an das isw nicht aus Personalmangel; das war überhaupt kein Thema. Der wichtige Kritikpunkt der Vergabe am Finanzausschuss vorbei, der uns regelmäßig beschäftigt hat, hat ebenfalls nichts mit Personalmangel zu tun.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Richtig!)

Insofern, meine ich, greift Ihr Antrag deutlich zu kurz. Wir brauchen klare und eindeutige Regelungen, die über den heutigen Beschlussstand weit hinausgehen müssen. Die jetzige Beschlusslage lässt zu viele Punkte offen. Was ist mit gemischten Verträgen, die sowohl Dienstleistungen als auch Beratung enthalten? Was ist mit Inhouse-Geschäften und der Vergabe von Beratungsleistungen unter Einschaltung von Gesellschaften des Landes? Was ist mit späteren Nachträgen?

Zum Teil gab es schon Präzisierungen, nachzulesen aber nur in einem der Öffentlichkeit gar nicht zugänglichen Protokoll einer Sitzung des Finanzausschusses im Februar 2005.

Herr Meister, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ich komme zum Schluss. - Wenn die Transparenzregeln an sich schon nicht transparent sind und scheinbar nicht einmal in allen Teilen der Landesverwaltung bekannt sind, sieht man, dass wir da noch einiges zu tun haben.

Wir werden als Koalition das Transparenzgesetz auf den Weg bringen. Wir haben beschlossen, dass wir in der nächsten erreichbaren Landtagssitzung einen Antrag vorlegen werden, der den Auftrag an die Regierung auslösen soll. Das, meine ich, gehört dazu. Zudem erarbeiten wir im Ausschuss aktuelle Regelungen für das jetzige Verfahren, damit wir die Lücken schließen können, und zwar nicht erst in zwei Jahren. Daran, dass das schnell geschieht, wird gearbeitet; das legen wir Ihnen vor. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen, Dank, Herr Meister. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abg. Frau Feußner. Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nahezu am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ist es wohl nicht notwendig, bereits Gesagtes noch einmal zu wiederholen. Allerdings erscheinen mir noch einige Klarstellungen angebracht.

Nun sind grundsätzlich zwei Tatbestände zu unterscheiden. Erstens ist der genannte Geschäftsbesorgungsvertrag entgegen einem Landtagsbeschluss dem Parlament als Haushaltsgesetzgeber nicht vorgelegt bzw. im Haushalt nicht erläutert worden.

Zweitens hat es ein intransparentes Vergabeverfahren gegeben.

(Beifall bei der AfD)

Ersteres ist einer Düpierung des Parlaments gleichzusetzen und muss von daher einer kritischen Auseinandersetzung unterzogen werden. Im zweiten Fall, also bei den Unregelmäßigkeiten im Vergabeverfahren, wird es dann problematisch, weil hier der Eindruck entstehen kann, es sei eine politische Einflussnahme erfolgt. Genau das ist der entscheidende Kritikpunkt.

Nun ist es unsere Aufgabe herauszufinden, ob es tatsächlich eine solche Art der Einflussnahme gab. Die Thematik der Beraterverträge ist nicht

nur im parlamentarischen Raum, sondern auch in einer sensibilisierten Öffentlichkeit im Fokus der kritischen Wahrnehmung.

Bei dem zu dem gleichen Themenkomplex durchgeführten Neunten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ging es damals um drei wesentliche Punkte, erstens um die Begriffsdefinition der Beraterverträge, zweitens darum, dass Beraterverträge dem Finanzausschuss vorzulegen sind, sofern sie nicht einzeln mit Erläuterungen im Haushaltsplan ausgewiesen sind. Drittens ging es darum, dass Beraterverträge über einer Wertgrenze von 20 000 € dem Finanzausschuss vorzulegen sind.

Der Ausschuss für Finanzen hat mit seiner Definition von Beraterverträgen - da bin ich anderer Meinung als meine Koalitionspartner - eindeutig klargestellt, was dem Ausschuss vorzulegen sei. Diese Definition stellt klar, dass beispielsweise der Vertrag zur Erstellung der Nasa-Studie - um diese ging es auch in den Medien - nicht vorzulegen war.

Trotzdem wird es weiterhin immer Verträge geben, auch wenn wir noch so viele Regelungen finden, die aus der einen oder anderen Sicht nicht eindeutig zuzuordnen sind. Das werden wir zukünftig auch trotz weiterer klarstellender Regelungen, wie sie im Antrag der Fraktion DIE LINKE gefordert werden, nicht ausschließen können. Grauzonen wird es immer geben. Ich glaube, das hat auch der Ministerpräsident hier vorgetragen.

Selbst bei einer besseren Personalausstattung - damit komme ich wieder auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE zu sprechen - wird auf die Inanspruchnahme von Beraterverträgen wohl kaum vollständig zu verzichten sein. Wir haben in Sachsen-Anhalt im Vergleich mit anderen Bundesländern immer noch die höchste Personalausstattung. Das muss man wissen. Deshalb drängt sich die Frage auf, ob die Vielzahl und die Sinnhaftigkeit solcher Verträge - da gebe ich Ihnen an einer kleinen Stelle recht - nicht nur genauer hinterfragt werden muss. Es muss auch gefragt werden, ob die Ministerien solche Leistungen nicht sogar aus eigener Kraft erbringen könnten.

Auch im Bereich der Personalentwicklung gibt es sicherlich das eine oder andere Defizit. Das will ich hier auch festhalten. Aber dass Ihr Antrag sofortige Konsequenzen aufzeigt, erschließt sich mir nicht. Ich glaube, Sie haben nur ein Problem: Sie haben nicht mehr die entsprechenden Stimmenanteile, selbst einen Untersuchungsausschuss im Parlament zu beantragen. Das ist Ihr Problem.

(Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU - Beifall bei der AfD)

Deshalb kritisieren Sie diesen Untersuchungsausschuss. In der Vergangenheit haben Sie von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch gemacht, als Sie noch die erforderlichen Stimmenanteile für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses hatten.

(Daniel Roi, AfD: Das trifft den Punkt! - Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist es!)

Unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Personals in den Behörden erachte ich es für dringend erforderlich, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor jeglicher Einflussnahme zu schützen. Das ist aus meiner Sicht das eigentlich Wichtige. Deshalb sind wir als Parlamentarier, aber auch die Landesregierung gefordert, diesbezüglich präventive Maßnahmen zu finden und diese eventuell auch auf einem gesetzlichen Weg zu verankern. Das ist doch das eigentliche Ansinnen.

Wenn wir Einsicht in die Akten nehmen, dann stellen wir fest, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor solchen Prozessen eindringlich gewarnt haben. Trotzdem hat das Ministerium, in diesem Fall die Ministeriumsspitze anders entschieden.

(Zustimmung bei der AfD und von Minister André Schröder)

Wie schützen wir also die Mitarbeiter, die rechtlich richtige Konsequenzen ziehen und sagen, so geht das nicht, während trotzdem anders gehandelt wird? Wir müssen doch die Mitarbeiter schützen. Wir brauchen eine Art Clearingstelle, an die sich Mitarbeiter wenden können und sagen können, dass sie mit solchen Entscheidungen nicht einverstanden sind. Das ist das eigentliche Problem. An dieser Stelle ist insbesondere die Landesregierung gefragt und auch wir als Parlament. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Feußner. - Bevor ich dem letzten Debattenredner das Wort erteile, habe ich noch eine Wortmeldung. Sind Sie bereit - -

Natürlich, gern.

Herr Knöchel, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Bevor ich eine Frage an Frau Abg. Feußner stelle, wollte ich Fol

gendes klarstellen: Ja, wir haben in der vergangenen Legislaturperiode zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse beantragt. Der erste beschäftigte sich mit der Fördermittelvergabe an Dritte und einem Betrugsvorfall, in den die IHK verwickelt war, die wir nicht in einen Ausschuss vorladen konnten. Der zweite parlamentarische Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode beschäftigte sich ebenfalls mit Dritten, die ebenfalls viel Geld vom Land bekommen haben. Es war also immer erforderlich, Dritte unter Eid zu vernehmen. Minister müssen wir nicht unter Eid vernehmen; sie sind ohnehin zur Wahrheit verpflichtet. Wir haben also sehr wohl abgewogen, wann ein Untersuchungsausschuss erforderlich ist.

Nun meine Frage. Ich habe hier die Studie zur Untersuchung der Einführung elektrisch betriebener Linienbusse in Sachsen-Anhalt, die tatsächlich in Auftrag gegeben wurde, weil der Ausschuss für Landeentwicklung und Verkehr sowie der Finanzausschuss der Landesregierung aufgegeben haben, zur Freigabe von EU-Mitteln ein Konzept vorzulegen, und zwar ein politisches Konzept, damit diese Mittel freigegeben werden. Es handelt sich also nicht um eine technische Begutachtung in diesem Sinne. Erste Frage: Wie kommen Sie darauf?

Zweite Frage: Halten Sie es nicht gerade vor diesem Hintergrund für richtig, wie es in unserem Antrag formuliert ist, dass sich jetzt der Landtag, nämlich der Finanzausschuss, explizit mit der Frage beschäftigt, wie solche Grenzfälle zu bewerten sind, um gemeinsam mit der Landesregierung hierfür ein Regelwerk zu erarbeiten? Das ist Teil unseres Antrags, den Sie so verrissen haben.

Den habe ich nicht verrissen.