Protokoll der Sitzung vom 31.01.2020

Dass wir auf staatliche Lenkung setzen und dass wir das für vernünftig halten, dürfte Ihnen ja nicht entgangen sein. Dass das beim Breitbandausbau nicht funktioniert - das habe ich Ihnen vorhin gesagt; das liegt Ihnen ja am Herzen, aber es funktioniert marktgetrieben überhaupt nicht -, ist auch klar.

Deswegen habe ich vorhin gesagt: Für meine Partei ist ganz klar, dass die Dinge, die zur Daseinsvorsorge zählen, in staatliche Hand gehören. Da stellt sich für mich auch überhaupt nicht die Frage, ob wir Sozialismus oder Marktwirtschaft haben. Das schließt sich auch gar nicht aus. Ich glaube, dass ein Sozialismus auch mit Marktmechanismen funktionieren kann.

(Matthias Büttner, AfD: Ach so!)

Warum soll denn der Sozialismus Privateigentum automatisch negieren? Der Sozialismusversuch, an dem meine Partei beteiligt war, hat irgendwann nicht mehr funktioniert. Von daher halte ich es schon für richtig,

(Zuruf von der AfD: Kuba! - Hagen Kohl, AfD: Nordkorea!)

- Sie quatschen ein Zeug da drüben, das ist unfassbar - dass wir uns darüber unterhalten: Wie bekommen wir es denn hin, ein ressourcenschonenderes und rationelleres Wirtschaftssystem aufzubauen, ohne dass wir automatisch sagen, dass das Planwirtschaft ist? Vielmehr müssen wir einfach einmal gucken: Wo liegen denn eigentlich die Bedürfnisse der Menschheit und wie kriegen wir das gesellschaftspolitisch organisiert und befriedigt? Darüber würde ich mit Ihnen gerne einmal diskutieren.

Ich glaube, dass das, was wir jetzt haben, nämlich dass der Staat immer weiter zurückgedrängt wird, dass der Staat immer weiter seine Regelungsmechanismen aufgeben soll, der falsche Weg ist. Wir brauchen, um tatsächlich zu einem vernünftigen Wirtschaften in der Welt zu kommen, mehr staatliche Steuerung. Aber nicht, indem wir Privateigentum verbieten, sondern indem wir die Anreize richtig setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Thomas, Sie haben noch eine kurze Nachfrage, die sich bestimmt auch kurz beantworten lässt, ja?

Die Länge der Antwort liegt ja nicht in meinem Ermessen. Ich bitte um Verständnis, Herr Präsident. Aber vielen Dank.

Ich verstehe Sie jetzt so in Bezug auf meine Ja- oder Nein-Frage, Kollege Lange: soziale Marktwirtschaft nein, soziale Planwirtschaft eigentlich auch nicht mehr. Das, was Ihnen vorschwebt, gibt es noch gar nicht,

(Heiterkeit bei der AfD)

aber das soll uns Erfolg und Wohlstand bringen. Das war nur eine Verständnisfrage.

(Matthias Büttner, AfD, lacht)

Das nehme ich so zur Kenntnis. Wir können über viele Sachen reden.

Ich habe Sie übrigens nicht nach Ihrer persönlichen Meinung gefragt, sondern nach der Meinung Ihrer Fraktion. Aber ich stelle für mich fest: Ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft habe ich nicht vernommen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich danke Ihnen für diese Klarstellung. - Vielen Dank.

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Herr Thomas, Sie werden von mir niemals ein Bekenntnis zum Kapitalismus bekommen.

(Beifall bei der LINKEN - Dorothea Freder- king, GRÜNE: Oh! - Robert Farle, AfD: Jetzt wird das klar!)

Aber dass wir im Moment mit der sozialen Marktwirtschaft die Folgen des Kapitalismus - wir leben in einem kapitalistischen System - noch einigermaßen abfedern, finde ich erst einmal durchaus gut. Ich möchte, dass wir das zukünftig noch besser machen.

Ich stelle fest, dass es keine weiteren Nachfragen mehr gibt.

Oh, schade.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Damit sind wir am Ende dieses Debattenbeitrags.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir kommen zum nächsten Debattenbeitrag, nämlich zu dem von Herrn Meister, der jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort hat. - Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Debattenbeitrag der AfD hat in der Kategorie „Ideologisches Geschwurbel“ - das muss man anerkennen - neue Maßstäbe gesetzt. Aber gut, stürzen wir uns in die Debatte.

Stehen wir wirklich, wie von der AfD verkündet, vor einer epochalen Auseinandersetzung zwischen Marktwirtschaft und ökosozialistischer

Planwirtschaft? Baut sich ein planwirtschaftliches Monster auf, das dazu ansetzt, die Marktwirtschaft vom Antlitz der Erde zu tilgen? Wird es nur Herrn Farle zu verdanken sein, wenn diesem Monster das Handwerk gelegt werden würde? - Ich meine, nein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In dem Punkt ist schon ein bisschen Realsatire enthalten. - Herr Farle, ich habe mich schon für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und auch für marktwirtschaftliche Konzepte eingesetzt, als Sie mit der DKP im Westen noch die Planwirtschaft aufbauen wollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde, das gehört dann vielleicht auch ein bisschen zur Geschichte dazu. Das regt ein bisschen meinen Realsatire-Detektor an.

Die Planwirtschaft hat in der Geschichte unseres Landes eindrucksvoll bewiesen, dass sie als Organisationsform der Wirtschaft eines Landes völlig ungeeignet ist. Die Idee, man könnte durch Vermeidung von privaten Gewinnen, Konkurrenzen und den ganzen Begleiterscheinungen marktwirtschaftlicher Betätigungen, wie zum Beispiel auch Insolvenzen, zu einer besseren Wirtschaft, zu mehr Wohlstand kommen - das war die ursprüngliche Idee Ende der 40er-Jahre -, ist krachend gescheitert. Die Effizienzverluste gegenüber dem marktwirtschaftlichen System waren so dramatisch, dass ich mir eine Wiederholung des Experiments nur schwer vorstellen kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Bevor wir nun aber Hosianna singend die Marktwirtschaft umjubeln, müssen wir auch ihre Grenzen verstehen. Marktwirtschaft ist letztlich ein sehr effizienter Wirkmechanismus in der Gesellschaft.

Sie hat aber für sich allein zunächst noch keine moralischen Werte, noch keine Ethik, die dahintersteht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Wenn Sie die reine unregulierte Marktwirtschaft einfach mal so, zum Beispiel im Gesundheitssystem, rauschen ließen, bekäme am Ende der das Organ, der dafür am meisten zahlen kann, und nicht etwa derjenige, der es am dringendsten braucht. Das mag finanziell effizient sein, ethisch ist es nicht.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Man kann solche Beispiele in den verschiedensten Bereichen in der Daseinsvorsorge tatsächlich sehen.

Um Ethik und Werte zur Geltung zu bringen, braucht es eine Rahmensetzung durch die Politik. Soziale Marktwirtschaft ist eine solche Rahmensetzung. Über Art und Umfang des Rahmens kann man natürlich heftig streiten, ohne Rahmen kommt man aber nicht aus. Es ist genau diese notwendige Rahmensetzung, die Sie von der AfD nun unsinnigerweise als die böse Planwirtschaft ausgemacht haben.

Es kommt noch ein Aspekt hinzu: Marktwirtschaft ist effizient, aber nur bezüglich der Elemente, die sich monetär in der Kalkulation abbilden. Ich mache das an einem Beispiel deutlich. Wenn zwei Unternehmen das gleiche Produkt herstellen und dabei - das kommt ja vor - giftiger Abfall entsteht, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, damit umzugehen.

Man könnte sich aufwendig um Deponierung und Wiederverwertung kümmern oder im Vorfeld um die Abfallvermeidung. Oder - das macht dann vielleicht ein anderer - man kippt den Giftmüll auf die Wiese hinter das Werk. Wer würde sich in einem unregulierten Markt durchsetzen? - Natürlich derjenige, der das einfach hinter das Werk kippt, weil er billiger produziert und damit vermeintlich effizienter.

Nun ist Giftmüll auf Wiesen aber unerfreulich und irgendwie kein akzeptables Ergebnis. Wie kommt es trotzdem dazu, dass die Marktwirtschaft, wenn man nicht eingreifen würde, zu solchen Ergebnissen kommt?

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Weil der Wert „saubere Wiese“ bzw. der Schaden einer verseuchten Umwelt in der Kalkulation keine Rolle spielt. Wenn Sie das ändern wollen, müssen Sie den Rahmen ändern. In Bezug auf mein Giftmüllbeispiel müssten Sie das verbieten. Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, die wir in

den vergangenen 100 Jahren entwickelt haben. Man kann Grenzwerte einrichten, es gibt Subventionierungen oder auch Besteuerungen. Man greift so regelnd ein.

Innerhalb des gesetzten, für alle Marktteilnehmer gleichermaßen geltenden Rahmens kommt die Marktwirtschaft weiter zu effizienten Ergebnissen, aber jetzt unter Einbeziehung des bisher fälschlicherweise unberücksichtigten Aspekts. Die Rahmensetzung ist nicht ökosozialistische Planwirtschaft, sie ist erst Voraussetzung für das ordentliche Funktionieren des Marktes.