Protokoll der Sitzung vom 27.02.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschrieben steht: „Am Anfang war das Wort!“ Hier stock ich schon. Wer hilft mir weiter fort? 120 Superhelden müssten reichen, um mir helfen zu begreifen. Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, ich muss es anders übersetzen, wenn ich vom grünen Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: Am Anfang war der Isegrim.

Kommen wir vom adaptierten Faust hin zu dem mehr irdischen Problem der Auslegung und Befolgung der Leitlinie Wolf. Dazu müssen wir uns erst einmal mit dem Istzustand, dem Wolfsmonitoring 2019, beschäftigen. In unserem Bundesland leben 98 Wölfe, davon 49 Welpen und 17 Jährlinge, in 15 Rudeln und zwei Paaren plus vier Rudel aus anderen Bundesländern, die auch bei uns aktiv sind. Damit ist der Wolfsbestand in einem Jahr um 22 Tiere, also knapp 30 %, angewachsen.

Die Übergriffe auf Nutztiere sollen von 62 im Jahr 2018 auf 50 im Jahr 2019 gesunken sein. Diese Zahl ist ein bisschen mit Vorsicht zu genießen; denn mittlerweile melden viele Betroffene Nutztierrisse und Wolfsattacken nicht mehr; einige geben die Nutztierhaltung sogar einfach auf.

Die Zahl der gerissenen Tiere pro Vorfall ist allerdings gestiegen, und zwar von 3,2 Tieren pro Vorfall auf 3,54 Tiere pro Vorfall im Jahr 2019. Es gibt also eine Intensivierung. Dies hat einerseits den Hintergrund, dass die Erstattung der Schäden entgegen den stetigen Meldungen aus dem Ministerium wohl doch nicht so schnell und unkompliziert läuft, wie es die Tierhalter gern hätten. Andererseits: Die ständige Anspannung und der emotionale Stress in Erwartung eines neuen Übergriffs auf die Herde überschreiten irgendwann die Grenzen des Ertragbaren und man gibt auf.

Solange die Gesellschaft aber möchte, dass die Wölfe sich als Bestandteil der heimischen Fauna im Land frei bewegen, so lange muss die Gesellschaft auch bereit sein, dafür zu zahlen. Um das durchzusetzen und um das Konfliktfeld mit dem Wolf darzustellen, hat die Landesregierung die Leitlinie Wolf aufgestellt. Die Maxime dieser Leitlinie ist - das hat das MULE auf seiner Netzseite treffend dargestellt; ich zitiere -:

„Es liegt in unserer Verantwortung, die hier lebenden Wölfe zu schützen und gleichzeitig die Beweidung unserer Kulturlandschaft zu ermöglichen.“

Ein wichtiges Aufgabengebiet des Wolfskompetenzzentrums ist neben dem wissenschaftlichen Monitoring, den Nutztierrissbegutachtungen und dem Herdenschutz eben auch die Öffentlichkeitsarbeit. Denn die Aufgabe des WZI, die natürliche

Wiederansiedlung des Wolfs in Sachsen-Anhalt, kann nur zu einem Erfolg geführt werden, wenn die Gesellschaft die notwendige Wiederansiedlung des Wolfes einsieht - so steht es dort geschrieben. Da kommen die regelmäßigen Attacken einiger bestimmter oder unbestimmter oder aller Wölfe doch ungelegen. Die Euphorie, die die Etablierung des ersten Wolfspaars auslöste, wird so nicht wiederkommen.

Auf eine mündliche Anfrage von mir räumte das MULE am 26. September 2019 ein, den Bedarf an Geldern für den Herdenschutz falsch eingeschätzt zu haben. Ich erinnere an die Zahlen: Es sind 181 Anträge eingegangen; erst knapp die Hälfte davon, 96, war damals bearbeitet, die bewilligten Mittel aber waren schon fast alle; denn von den bereitgestellten 519 300 € waren schon 499 500 € ausgezahlt worden. Frau Ministerin kündigte an, dass aber jedes Schaf erstattet würde und dass sie beim Finanzminister überplanmäßige Haushaltsmittel beantragen würde, sodass alle Anträge nach der Verwaltungskontrolle auch beschieden werden würden.

Daraus ziehen wir das Fazit: Die gesellschaftlich gewollte Aufgabe der Kulturlandschaftspflege mit Schafen und Ziegen kostet uns mehr als gedacht, wenn sich die Wölfe weiterhin in diesem Umfang an den Weidetieren bedienen können.

Bereits seit dem Einzug der AfD in den Landtag stellen mein Kollege Roi und ich immer wieder Fragen zum Wolf, zum Wolfskompetenzzentrum und zur Entnahme von Problemwölfen. An dieser Stelle möchte ich ergänzend darauf hinweisen, dass wir bereits zweimal den Antrag gestellt haben, Wölfe, die sich nicht an die Spielregeln halten, im Rahmen des brüsselisch Möglichen zu regulieren. Alles wurde von den Wolfsfreunden, auch von der CDU, abgelehnt.

Mittlerweile hat selbst die Bundesregierung erkannt, dass es mit dem Wolf ohne härtere Gegenmaßnahmen so nicht weitergehen kann. Dazu einige Fakten. Einige in Sachsen-Anhalt wohlbekannte - sprich: genetisch identifizierte - Wölfe lernen, wie man effizient auch geschützte Weidetiere erbeutet. Am 8. Februar 2019 fragte ich erstmals nach einem Angriff eines Wolfes im Jerichower Land, zu dem es auch Filmaufnahmen und Presseberichte gab.

In der Antwort auf die Anfrage erklärte das MULE, dass dem Wolf GW1080, einem Welpen des Rudels Hoher Fläming, mindestens drei Angriffe zugeordnet wurden, bei denen er in nur zwei Wochen nachweislich acht Tiere tötete. Nebenbei bemerkt konnte das MULE damals noch keine Aussage zu der Höhe der Schäden treffen, weil die Anträge auf Schadensregulierung noch nicht eingegangen waren. Wir erinnern uns an die Validität der Aussage zu der Zahl der Wolfsrisse.

Aber das war natürlich die Schuld der Schafhalter; denn diese hatten den Zaun entweder nicht ordnungsgemäß aufgebaut oder konnten nicht plausibel erklären, warum eine Schafherde möglicherweise panisch aus einem umzäunten Gebiet ausbricht, um sich dann fressen zu lassen.

Kommen wir zum 10. Februar 2020, verbleiben aber in der Region. Diesmal berichtete der MDR am 21. November 2019 über insgesamt acht Wolfsrisse auf ein und dieselbe Schafherde in Krüssau. Bei den insgesamt zwölf Vorfällen, die dem MULE bekannt sind, konnte der Wolfsrüde GW688m dreimal sicher als Täter überführt werden. Er schlug nachgewiesenermaßen am 31. August, am 8. September und am 2. Oktober 2019 zu. Sein Sohn scheint sich das Verhalten von seinem Vater abgeschaut zu haben; er konnte bei zwei Übergriffen, und zwar am 23. November und am 25. November 2019, mit Unsicherheiten nachgewiesen werden. Zudem sind weitere nicht individualisierbare Wölfe beteiligt gewesen.

In dem Merkblatt 2019 zum Herdenschutz steht geschrieben, dass Zäune mit einer Höhe von 90 cm gefördert werden. Die Empfehlungen des WZI nennen aber mittlerweile eine Höhe von 120 cm. Hieran erkennt man die Diskrepanz zwischen der Mitteilung in dem Merkblatt aus dem Jahr 2019 und der Mitteilung des WZI, welche Höhe denn nun eigentlich wichtig wäre.

Kommen wir nun wieder zurück zu dem Verständnis und zu der Akzeptanz gegenüber dem Wolf und dem dazu dienenden Grundsatzdokument, mit dem die Wiederansiedlung des Wolfes in Sachsen-Anhalt durch das WZI begleitet wird. Unter Punkt 7 der Leitlinie Wolf - Umgang mit habituierten, verhaltensauffälligen, verletzten oder getöteten Wölfen - wird erstens ausgeführt, dass Habituierung unerwünschtes Erlernen bedeutet.

Der Wolf, möglicherweise GW688m, will weiterhin seine Beute, die Schafe, jagen, weiß aber, dass Zäune ihre Tücken haben, sprich: Stromstöße verabreichen. Er läuft um die Umzäunung herum und versetzt die Herde in Aufregung, bis diese panisch ausbricht. Somit hat der Wolf freie Bahn. Einzelne Wölfe springen mittlerweile auch über den Zaun und gelangen hinein. Ein einzelner Wolf reicht dann aus, um in der Schafherde so viel Unruhe zu stiften, dass diese ausbricht. Dann hat nachgewiesenermaßen nicht der Wolf den Zaun überwunden, sondern die Schafe haben den Zaun aufgebrochen.

Aufgrund der Antworten und der Analyse der Kleinen Anfrage von dem Kollegen Roi und mir kann also davon ausgegangen werden, dass der Wolf GW688m und das Rudel, das er führt, sich mit derartigem unerwünschten Verhalten bestens adaptiert haben.

Auffälliges Verhalten zeigen Wölfe dann, wenn sie notorisch unerwünschtes Verhalten zeigen und trotz Schutzmaßnahmen weitere Tiere reißen, wenn sie dreistes Verhalten zeigen, das letztlich auch Menschen bedrohen könnte, und wenn sich dieses Verhalten wiederholt oder gar steigert.

Indem das MULE aber bei der Beantwortung meiner Anfrage, inwieweit die Angriffe nach den oben genannten Kriterien zu bewerten seien, eher relativiert als klar zu antworten, führt es die Leitlinie und die Grundsätze ad absurdum. Denn ganz klar müsste das Ministerium schon längst Maßnahmen zur Vergrämung oder Tötung mit dem Landesverwaltungsamt und dem Wolfskompetenzzentrum besprochen haben. Dieses wurde bisher unserer Kenntnis nach nicht gemacht.

Es wurde also, obwohl der Bedarf eindeutig bei mindestens zwei Wölfen besteht - wir erinnern uns an unseren Antrag -, nicht gehandelt. Inwieweit dieses Nichthandeln dem Leitgedanken des WZI entspricht, den Artenschutz zu leben, indem das Kamel durch das Nadelöhr passt bzw. der Wolf eben nicht über den Zaun springt, bleibt offen.

Es wird sich noch weiter hinziehen, wenn man hofft, dass der GW688m erst einmal besendert wird, um dann live zu verfolgen, wie er weitere Schafe reißt.

Um die neuen Möglichkeiten auszuschöpfen, die seitens der Bundesregierung legitimiert werden, und damit weiteren ernsten Schaden - den haben einige Schäfer hier im Land unbestritten - abzuwenden und Wölfe mit erlerntem Verhalten bzw. Fehlverhalten aus der Population zu löschen, stellen wir heute den bekannten Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Loth. Hierzu gibt es keine Wortmeldungen. - Wir kommen jetzt zur Landesregierung. Frau Ministerin Prof. Dalbert wird vor der Debatte drei Minuten lang Gelegenheit haben, Ihren Standpunkt darzulegen. Sie haben das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erlaube mir, zum vorliegenden Antrag zu sprechen und nicht zur Einbringungsrede.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Rechtssicherheit ist bei einer nach Prüfung der Alternativen erteilten Ausnahmegenehmigung für die in Art und Weise sowie Ort und Zeit festgelegte und unter Kontrolle durchgeführte Entnah

me eines definierten Problemwolfes vollständig gegeben. Das ist seit dem 5. Juni 1992 geltendes EU-Recht und auch seit einem Jahrzehnt im Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt. Wiederholt und ausführlich betont wird der Auslegungsrahmen unter anderem im diesbezüglichen Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-674/17 vom 10. Oktober 2019; darin ist es noch einmal nachzulesen.

Eine Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit ist wenig sinnhaft, weil der Schutzstatus des Wolfes weiter bestehen bleibt. Aber es könnte hierdurch der falsche Eindruck erweckt werden, eine Bejagung des Wolfes löse die Probleme des Herdenschutzes. Aber das Gegenteil ist der Fall, wie auch die neuesten Forschungsergebnisse in zunehmender Zahl bestätigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit derartigen Vorstößen wird lediglich bewirkt, dass Weidetierhaltern glauben gemacht wird, Herdenschutz könne man jetzt vernachlässigen, da man ja nur die Wölfe beseitigen müsse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor genau diesem Problem stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wolfskompetenzzentrums bei ihrer ohnehin schon nicht leichten Aufgabe. Ob mit oder ohne Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes - die vorrangige Aufgabe beim Schutz vor Übergriffen durch den Wolf besteht im wirkungsvollen Herdenschutz. Daran dürfen wir auch keinen Zweifel aufkommen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anfang 2019 hat sich zudem der Bundestag mit einer deutlichen Mehrheit von 490 zu 149 Stimmen gegen den Antrag der FDP-Fraktion zur Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht und dessen Herabstufung im europäischen Artenschutzrecht ausgesprochen.

Naturschutz mit der Waffe ersetzt keine Herdenschutzmaßnahmen und unterstützt auch nicht die Weidetierhalter und Weidetierhalterinnen.

Seit dem letzten Übergriff bei der Schäferei Wilberg am 18. Dezember 2019 haben bei dieser Herde keine weiteren Vorfälle stattgefunden. Insbesondere waren in der Region auch keine weiteren Nutztierrisse zu verzeichnen, obwohl mehrere Schafhalter mit Herden vorhanden sind. Die Herde der Schäferei Wilberg in Krüssau wird gegenwärtig intensiv bei Herdenschutzmaßnahmen unterstützt.

Aus diesen Gründen besteht derzeit auch keine Notwendigkeit zur Entnahme eines Wolfes. Der Schäferei Wilberg konnte in dieser Zeit der Unterstützung gezeigt werden, welche praktischen

Möglichkeiten es gibt, um die eigene Herde zu schützen. Natürlich werden wir das weiter beobachten.

Dann sprechen Sie die Einrichtung einer interaktiven Karte an. Ich kann Ihnen sagen, dass dies aus Gründen des finanziellen Aufwands und auch der Praktikabilität bei mehr als zwei Wölfen im Land nicht machbar ist.

Die durchschnittliche Analyse nach Rissvorfällen dauert etwa vier Wochen. Bei der Einreichung eines vollständigen Antrages ist von einer Bearbeitungszeit von drei bis sechs Wochen im ALFF Anhalt auszugehen.

Entspricht die Höhe des beantragten Schadensausgleichs der vom ALFF Anhalt ermittelten Entschädigung, kann kurzfristig eine Bescheidung und Auszahlung erfolgen. Entspricht sie dem nicht, kann es durch Rechtsmittel und weitere Abstimmungen zu Verzögerungen kommen. Aber das entspricht dem rechtskonformen Umgang mit Steuermitteln.

Und richtig ist, das Wolfsmonitoringjahr ist kein Kalenderjahr. Das Wolfsmonitoringjahr geht vom 1. Mai bis zum 30. April. Das liegt an der Biologie der Wölfe. Das Abrechnungsjahr für Hilfen, für Auszahlungen, ist natürlich das Kalenderjahr. Sie werden aber sicher bemerkt haben, dass wir beim Vorstellen des Wolfsmonitoringberichts die Rissstatistiken auch bezogen auf das Wolfsjahr darstellen, sodass man vergleichbare Zahlen hat.

Abschließend: In der Risstabelle des LAU sind alle gemeldeten Rissvorfälle enthalten, aber aus Datenschutzgründen findet keine gesonderte

Ausweisung dazu statt, in welcher Weise ein Herdenschutz vorhanden und, wenn ja, ob dieser Herdenschutz korrekt installiert war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt keine Wortmeldungen. - Wir steigen nunmehr in die Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner ist für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Gürth. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion sieht sich in ihrer von Anfang an auf Sachlichkeit basierenden Art, mit diesem Thema umzugehen, bestätigt. Die Wiederkehr des Wolfes wird eine konfliktbeladene Herausforderung sein. Nur durch Transparenz und fachlich begründetes Handeln wird die Wiederkehr großer Beutegreifer Akzeptanz finden.

Wir müssen feststellen, dass die von Wildbiologen prognostizierten Anstiege der Population in der Realität eingetroffen sind.