Protokoll der Sitzung vom 30.03.2020

(Zustimmung)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. - Herr Kirchner, ich habe einen Hinweis an Sie. Die Redezeit wird nicht angehalten, aber auch zwischen den Redebeiträgen von Ihnen und von Herrn Farle muss das Rednerpult desinfiziert werden. Herr Abg. Kirchner, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Hohes Haus! Werte Abgeordnete! Beginnen wir zuerst mit der Chronologie des Versagens und der Verantwortungslosigkeit bei der Bewältigung der Coronakrise.

Am 23. Januar sprach der Bundesgesundheitsminister Spahn, CDU, davon, dass der Verlauf des Infektionsgeschehens deutlich milder als bei einer Grippe zu sehen sei. Am 28. Januar, bei

bereits vier Infizierten, sprach derselbe Gesundheitsminister davon, dass wir gut vorbereitet seien und die Gefahr für die Menschen in Deutschland, was die Gesundheit betrifft, als gering zu bezeichnen sei. Weiterhin rief er zu Gelassenheit auf. Bei bereits fünf Infizierten am 30. Januar 2020 verstand eben jener Gesundheitsminister die ganze Aufregung und Hektik nicht, die gemacht wurde.

Am 12. Februar, bei bereits 14 Infizierten, sprach just derselbe Herr Spahn davon, dass er die Dinge bestmöglich angehe und sie unter Kontrolle habe. Das Schließen der Grenze schloss er am 2. März bei bereits 150 Infizierten aus und die Beschränkung der Reisefreiheit hielt er für keine verhältnismäßige oder angemessene Entscheidung. Seine Aussage bei bereits 795 Infizierten am 7. März lautete: Das Virus ist bereits in Deutschland; ein Grenzenschließen hält es nun auch nicht mehr auf.

Mich persönlich erinnern diese Worte an die unsägliche Aussage der Kanzlerin in der Zeit der illegalen Masseneinwanderung, die da sagte: Ist mir egal, ob ich Schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da.

Dieselbe Kanzlerin bestätigte am 11. März bei nunmehr 1 966 Infizierten, dass Grenzschließungen keine adäquate Antwort auf die Herausforderungen seien. Am 16. März, bei bereits 5 813 Infizierten, fing man dann langsam damit an, einige Grenzen zu schließen. Meiner Meinung nach war das viel zu spät, zumal der Flugverkehr zu diesem Zeitpunkt noch ungemindert weiterging.

Werte Kollegen! So sieht in meinen Augen kein verlässliches Krisenmanagement aus. Für mich ist das Versagen auf allerhöchster Ebene.

(Zustimmung)

Man hätte die Grenzen viel eher systematisch schließen müssen. Auch hätte man die Behandlungskapazitäten besser erfassen und erweitern müssen. Man hätte flächendeckende Tests gerade bei Risikogruppen gebraucht. Es hätten Temperaturkontrollen an Flughäfen durchgeführt werden müssen. Für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, gerade ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Personen mit Mehrfacherkrankungen, habe ich anfangs keine konkreten Schutzmaßnahmen wahrgenommen. Bis jetzt fehlt es Ärzten, Schwestern, Pflegern und Sanitätern an elementarem Material für ihre Arbeit, so der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung.

Kurzum, werte Kollegen der CDU, ich rate Ihnen: Trennen Sie sich zum Wohle der Bevölkerung von diesem Gesundheitsminister!

(Zustimmung)

Denn aus dem laxen Umgang mit der Covid-19Situation resultieren letztendlich 62 435 Infizierte und 541 Todesfälle.

Zu der Aussage Ihres Wirtschaftsministers Altmaier, kein einziger Arbeitsplatz gehe wegen Corona verloren, und zu dem Fakt, dass es bereits nach weniger als zwei Wochen mehr als 170 000 neue Arbeitslose gab, bleibt festzustellen: Diese Regierung ist weder krisensicher noch verlässlich.

(Zustimmung)

Kommen wir zu den Gesetzentwürfen. Die beiden Gesetzentwürfe der LINKEN zur Änderung des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt sowie zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid überweisen wir sehr gern in die entsprechenden Ausschüsse, also in den Sozial- sowie den Rechtsausschuss, um diese Gesetzentwürfe entsprechend zu behandeln und zu würdigen.

Den Gesetzentwurf der Kenia-Koalition zur Verschiebung der Personalratswahlen 2020, zur Änderung des Gesetzes über die Verkündung von Verordnungen und Veränderungen und zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt tragen wir sehr gern mit.

Zu den Anträgen der LINKEN. Diese würden wir auch überweisen. Wir halten sie teilweise für schwer umsetzbar, die Finanzierungsquellen fehlen und sie sind unserer Meinung nach nicht ausgegoren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schließen möchte ich im Namen meiner Fraktion mit einem Dank an alle Ehrenamtlichen, die in dieser Krise aufopferungsvoll ihren Dienst an der Gesellschaft leisten. Ich danke allen Lkw-Fahrern, Verkäufern, Krankenschwestern, Landwirten, Kindergärtnern, Post- und Paketboten, Soldaten, Ärzten, Rettungs-, Pflege- und Sicherheitskräften, Bus- und Straßenbahnfahrern, Polizisten, Feuerwehrleuten und allen anderen, die mit ihrer Hilfe versuchen, diese Krise für uns zu meistern. - Ich bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Kirchner. - Herr Farle, Sie können sich schon auf den Weg machen, damit der Ausfall Ihrer wertvollen Redezeit minimiert wird. Sie haben jetzt das Wort, Herr Farle.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich beziehe mich zunächst auf

die Rede des Herrn Ministerpräsidenten. Denn es geht heute um den Nachtragshaushalt. In diesem Nachtragshaushalt finden wir auf der Einnahmenseite, also dazu, was uns Geld verschafft, dass die Steuerschwankungsreserve komplett aufgelöst wird, dass Altschulden nicht getilgt werden und eine Aufnahme von neuen Krediten über 258,8 Millionen € geplant ist. Das ist eine klare haushaltspolitische, mit Titeln unterlegte Angelegenheit.

Der Herr Ministerpräsident nimmt leider an der Debatte nicht teil. Das empfinde ich in so einer Situation als eine Art Missachtung dieses Parlaments. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Er hat ein Programm vorgestellt, zu dem ich sagen kann, dass darin sehr viele gute Ansätze zu finden sind. Es steht vieles darin, was auch wir als AfD-Fraktion in unserem alternativen Haushalt gefordert haben. Darüber hinaus werden einige Maßnahmen angekündigt, die wir gut finden.

Ich muss Ihnen aber ganz klar sagen: Zu alledem, was der Herr Ministerpräsident hier gesagt hat, gibt es im Gesetzentwurf nicht einen einzigen Haushaltstitel und noch nicht einmal eine Absichtserklärung dafür. Er hat deutlich gemacht, dass Sie sich Gedanken gemacht haben und es Überlegungen gibt, dass die 500 Millionen € vielleicht ausreichen könnten. Aber wir können doch als Opposition keinen Blankoscheck ausstellen, wenn nicht mehr gegeben ist als eine Absichtserklärung, die der Ministerpräsident hier vorträgt und bei der überhaupt nicht klar ist, dass das Positionen sind, die hinterher in dem Haushaltsplan auftauchen. Das verletzt alle Grundregeln des Haushaltsrechts hinsichtlich der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit.

Wir haben heute noch eine Sitzung des Finanzausschusses. Ich rege dringend an, dass wir in der Beratung, die jetzt zu folgen hat, wenigstens in groben Zügen darüber diskutieren, was mit diesem Haushalt beabsichtigt wird und wofür das Geld ausgegeben wird. Dann werden wir diesen Nachtragshaushalt nicht ablehnen. Wenn er präzise genug und vernünftig ausgestaltet ist, dann könnte ich mir eine Zustimmung oder aber mindestens eine Enthaltung unter der Bedingung vorstellen, dass wirklich eine unbürokratische Hilfe gewährleistet wird.

Ich fordere Sie dringend auf, im Finanzausschuss eine ordentliche und vernünftige Debatte zu führen. Denn man kann das als Ausgangspunkt nehmen und kann sich überlegen, wie man das inhaltlich ordentlich ausfüllt. Aber ein Gesetz zu verabschieden, in dem nichts dazu steht, wofür das Geld verwendet wird - das muss ich Ihnen ehrlich sagen -, werde ich in meinem ganzen Leben nicht unterstützen.

Zum nächsten Punkt. In unserem Alternativhaushalt wurde aufgezeigt, dass genügend Einsparpotenzial vorhanden ist, um die Krankenhäuser auszufinanzieren. Unsere Änderungsanträge sahen eine Aufstockung der Mittel für das Gesundheitssystem allein im Jahr 2020 um 45 Millionen € vor. Bei den Unikliniken beträgt der Investitionsstau derzeit 1,5 Milliarden € bis zum Jahr 2030. Seriöse Finanzpolitik wäre es, Geld in den Haushaltsplan einzustellen und für den Baubeginn anzusparen. Stattdessen werden nur Planungsleistungen in den Haushaltsplan eingestellt und der Baubeginn wird von Legislaturperiode zu Legislaturperiode verschleppt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch vor wenigen Wochen warnte der Landesrechnungshof mit unmissverständlichen und drastischen Worten davor, dass Sachsen-Anhalt mit Ablauf der Legislaturperiode auf eine gewaltige Krise zusteuert. Aus der mittelfristigen Finanzplanung ergibt sich allein für das Jahr 2022 ein Haushaltsloch von mehr als 1 Milliarde €. Des Weiteren führte der Landesrechnungshof aus, dass selbst unter den günstigsten Bedingungen, also bei guter Konjunkturlage und weiterhin sprudelnden Steuereinnahmen, ab 2022 kein ausgeglichener Haushalt mehr erreicht werden kann.

Das war die Situation vor der Coronakrise. Es war klar, dass die Schuldenbremse unter dem erstbesten Vorwand wieder über Bord geworfen wird. Genau das passiert jetzt. Der Haushalt soll um 500 Millionen € aufgestockt werden. Das ist auch notwendig. Vielleicht reicht es noch nicht einmal aus, um zum Beispiel der mittelständischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen.

Auch wenn der Ministerpräsident ankündigt, es soll bald ausgezahlt werden, so kenne ich doch die Verhaltensweise unserer Behörden. Da kann man den Antrag stellen und muss dann möglicherweise Monate oder Jahr und Tag warten, ehe irgendwelches Geld fließt. Das wissen die Leute. Deswegen vertrauen sie Ihnen bei diesen Dingen auch nicht. Dazu müsste man jetzt wirklich einmal sicherstellen, dass das bei uns in angemessener Zeit klappt. Ich erinnere an die Hochwasserhilfen, die noch Jahre später nicht abgeschlossen sind, weil es nämlich die nichttarifären Handelshemmnisse gibt, wie man es nennt, also bürokratische Monsteranträge, die man dann im Einzelnen belegen muss. Das stirbt alles in den Behörden. Ich kann sie nur auffordern.

Es gibt Existenzängste in der Bevölkerung, von denen sich viele hier gar keinen klaren Eindruck machen. Bei uns in den Steuerkanzleien zum Beispiel gehen den ganzen Tag die Telefone. Die Leute wissen nicht, an wen sie sich wenden können und welche Anträge sie stellen können. Wir geben ständig Auskünfte, die eigentlich über

den Staat organisiert werden müssten, damit die Leute wissen, wie sie ihre Mieten bezahlen können und alle anderen Dinge machen können. Darum muss man sich für die kleinen Leute wirklich kümmern.

(Zustimmung)

Die AfD wurde in der Vergangenheit nicht müde, immer wieder vor den Folgen der verfehlten Europolitik und der Niedrigzinsphase zu warnen. Jetzt drohen sich gewaltige Ungleichgewichte auf einmal zu entladen. Zur Coronakrise kommt nämlich die Insolvenzverschleppung zahlreicher Unternehmen aus der letzten Finanzkrise von 2008 hinzu. Sie müssen davon ausgehen, dass uns eine gewaltige Wirtschaftskrise mit Inflation und Arbeitslosigkeit droht, die Enteignung der Sparer weitergeht und unser gesamter Wohlstand in den kommenden Monaten bedroht ist.

Um es ganz klar zu sagen, meine Damen und Herren: Die Coronakrise darf nicht missbraucht für die ganzen aufgelaufenen Probleme werden, die niemand geklärt hat; bis dahin, dass die EU sich schon vor der Coronakrise nicht mehr darüber einig werden konnte, wer künftig welchen Beitrag zum Haushalt dieser gewaltigen Mammutbehörde EU leistet. Diese Probleme kommen alle. Wenn Sie jetzt Billionenbeträge in den Wirtschaftskreislauf pumpen, dann wird es am Ende wieder eine Inflation geben. Diese Inflation bedeutet am Ende wieder eine massenhafte Vernichtung von Wohlstand, eine massenhafte Vernichtung von Produktivkapital in unserer Gesellschaft. Das bedeutet am Ende eine Absenkung unseres Lebensstandards. Das wollen wir nicht. Deswegen brauchen wir in absehbarer Zeit eine Strategie, wie wir unsere Wirtschaft langsam aber sicher wieder nach vorn bringen.

Um es klar zu sagen: Wir als AfD-Fraktion tragen alle Maßnahmen mit, die tatsächlich Schaden von der Gesundheit unserer Menschen abwenden. Das hat für uns oberste Priorität. Darum haben wir auch alle bisherigen Maßnahmen zur Verzögerung der Coronakrise unterstützt, um Zeit für die Vorbereitung unseres Gesundheitswesens zu gewinnen.

Mein Kollege Oli Kirchner hat es hier ganz klar gesagt: Was ist das für eine Bundesregierung, die es seit 2013 aufgrund einer Gefährdungseinschätzung genau gewusst hat? - Darin ist von einem solchen Fall, dass wie in Wuhan ein Virus auftritt, ausgegangen worden. Sie hat nichts unternommen, um uns auf diese Geschichte vorzubereiten. Die Masken waren nicht da, die Beatmungsgeräte fehlten und die Sicherheitsausrüstungen waren nicht da. Das wird alles jetzt beschafft - Gott sei Dank, kann ich nur sagen. Ich bin Atheist, aber das ist ein Sprichwort.

Ich freue mich sehr darüber, dass jetzt wenigstens aus China wieder Lieferungen einsetzen, damit wir eben nicht so dastehen, wie das in vielen anderen Ländern dieser Erde der Fall ist, die die notwendigen medizinischen Hilfsmittel gar nicht haben, um gegen diese Pandemie vorzugehen.

Natürlich zeigt sich auch, wie fatal die Fehlhaltung der Bundesregierung war, die die Medikamentenproduktion in wichtigen Teilbereichen, die hier im Inland stattfinden muss, damit wir darauf Zugriff haben, ins Ausland verlegt hat.

Herr Abg. Farle, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich sage als Schlusssatz nur noch eines: Es ist unverzichtbar, dass die bürgerlichen Freiheiten in diesem Land so schnell wie möglich wieder gewährt werden, wenn die gesundheitlichen Erfordernisse es zulassen. Wir können nicht in einen Staat abgleiten, in dem Handyüberwachung für jeden an jedem Tag stattfindet

Herr Farle, das war schon mehr als ein Satz.

und in dem die Freiheiten, die Grundrechte stärker eingeschränkt werden, als dies notwendig ist. Das hat der Bundestag letzte Woche leider genau so getan.

(Zurufe: Oh!)

Das lehnen wir ab.

(Zustimmung)

Herr Farle, jetzt ist aber Schluss. - Die nächste Debattenrednerin ist Frau Lüddemann. Sie können sich schon langsam vorbereiten. Wir warten nur auf unseren Service. Frau Lüddemann, Sie können jetzt nach vorn kommen. Sie haben jetzt das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Noch nie hat dieses Hohe Haus so schnell auf eine Anforderung reagiert wie in der gegenwärtigen Krise. Ich muss sagen, das macht mich durchaus stolz auf die Leistungsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie und auch stolz auf das gute Zusam

menspiel zwischen Exekutive und Legislative in dieser schwarz-rot-grünen Koalition.