Protokoll der Sitzung vom 06.07.2000

antwortung aus dem Abfallverbringungsgesetz. Insofern ist die Koordinierungsstelle als ergänzendes Instrument zur Umsetzung des Abfallverbringungsgesetzes anzusehen. Die Bedenken der PDS bezüglich der Abfallexporte insgesamt und der Abgrenzungsprobleme zwischen den Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung bleiben bestehen. Da sie aber nicht Regelungsgegentand dieses Gesetzes sind, ersparen wir uns heute Abend angesichts des Tagungsmarathons eine Diskussion dazu.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich beende die Aussprache. Ausschussüberweisung ist auch nicht beantragt worden, so dass wir die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt für heute beenden. Herr Abgeordneter Stauch?

Frau Präsidentin, wie bereits angekündigt zur Tagesordnung bitten wir darum, in die zweite Beratung einzutreten.

Gut, wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich natürlich diese Beratung nicht geschlossen. Das tut mir jetzt Leid. Das heißt, es macht ja auch nichts aus, ich eröffne damit dann die zweite Beratung und frage: Gibt es Wortmeldungen? Einen Moment bitte. Meine Damen und Herren, ich höre gerade, wenn wir die Beratung am heutigen Tage fortsetzen wollen, die zweite Beratung machen wollen, dann müssen wir eine Zweidrittelmehrheit feststellen. Also dann frage ich Sie zuerst, wer dafür ist, die zweite Beratung am heutigen Plenarsitzungstag durchzuführen, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei 1 Stimmenthaltung ist die übergroße Mehrheit des Plenums dafür, die Beratung heute fortzusetzen. Dann werden wir das auch tun. Wortmeldungen zur zweiten Beratung liegen mir nicht vor. Wir können damit zur Abstimmung kommen und so frage ich, wer für den Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/781 stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei 2 Stimmenthaltungen ist dem Gesetzentwurf so zugestimmt. Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in Drucksache 3/781 zustimmen will, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei 2 Stimmenthaltungen ist diesem Gesetzentwurf zugestimmt worden mit großer Mehrheit. Vielen Dank. Wir beenden jetzt den Tagesordnungspunkt endgültig und ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Zucht, Vermehrung und Haltung von Hunden Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/786 - Neufassung

Gibt es den Wunsch der Antragsteller, diesen Antrag zu begründen? Herr Dittes, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, die Nachrichten der letzten Tage und Wochen sind uns allen noch vor Augen und in den Ohren. Man kann sie sich hier sparen, denn sie waren und sind keine Sternstunden der freien Betätigung von Medien. Sie sorgen lediglich für eine schon fast beängstigende Hysterie, der die herrschende Politik scheinbar nichts entgegenzusetzen in der Lage ist. Und so endeten dann die Meinungsmache auch naturgemäß in solch flotten Politikersprüchen wie dem des Bundeskanzlers Schröder, der fern jeder Sachkunde und jeder Verantwortung für das Wohl von Menschen und Tieren seinen populistischen Spruch "die Kampfmaschinen müssen von der Straße" in die Welt setzte. Der tödliche Angriff auf den sechsjährigen Volkan in Hamburg war aber nur ein weiterer Höhepunkt in der Reihe der nicht abreißenden Hundeattacken auf Menschen. Kaum etwas geschah. Das Problem wurde nicht ausreichend ernst genommen und die Angriffe gegen Gesundheit und Leben von Menschen wurden, wenn überhaupt, als ein Problem dargestellt, dessen Ursache die jeweiligen Hunde waren oder sind. Aber genau mit der Vielfalt der Ursachen hatte sich die Politik in den letzten Jahren gerade nicht befasst und so war es dann auch nicht verwunderlich, dass das allenthalben "hilf- und ahnungslose Politikergestottere" zunächst in einem Kompetenzstreit gipfelte. Es müssen jetzt sofort bundeseinheitliche Regelungen her, forderte Herr Rüttgers von der CDU. Eine bundeseinheitliche Regelung ist nicht zwingend notwendig, konterte der saarländische Ministerpräsident Müller, ebenfalls CDU. Leichter wäre der Weg, klare Ländergesetze zu machen, meinte etwa die Bundesjustizministerin. Nur, was die Gesetze leisten müssen und sollen, darüber hörte man kaum eine differenzierte Ansicht.

Mitte letzter Woche beschloss das Bundeskabinett über das Bundestierschutzgesetz, Zucht- und Importverbote durchzusetzen. Parallel dazu begann der selbst erklärte politische Wettlauf der Länder um die strengste Landesgesetzgebung. Aus Hamburg etwa erreichte dann die Öffentlichkeit eine Nachricht über das Verbot für drei besonders gefährliche Kampfhunderassen, ihre Haltung sei der Verordnung zufolge untersagt. Die Verordnung gilt von sofort an. Bereits existierende Tiere würden eingeschläfert.

Meine Damen und Herren, diese Nachricht ist inzwischen wieder relativiert worden. Nordrhein-Westfalen aber zog am Ende der Woche nach und kündigte eine erhebliche Verschärfung der Gefahrenhundeverordnung an. Seitdem ist in der Öffentlichkeit hinsichtlich des Haltens von Hunden, gelinde gesagt, der Teufel los. Jenseits eines mancherorts gemeldeten Ausverkaufs an Maulkörben hört und liest man von Morddrohungen und Attacken gegen Tierheime, Tierschützer und Hundebesitzer, von massenhaften hilflosen Anfragen bei ebenso ratlosen Behörden, Verbänden und Vereinen, von Anstürmen auf ohnehin überfüllte

Tierasyle, um Hunde abzugeben, so dass schon Notunterkünfte ins Auge gefasst werden. Das Schlimmste aber ist die steigende Zahl ausgesetzter Hunde, meine Damen und Herren. Und diesmal sind es nicht die niedlichen Kleinen, an denen nach der anfänglichen Begeisterung unter dem Weihnachtsbaum, auf dem Geburtstagstisch oder in Anbetracht des bevorstehenden Urlaubs das Interesse verloren gegangen ist.

In Thüringen ist wohl die Lage nicht so prekär. Viele Städte und Gemeinden versuchen, mit eigenen strengeren Regeln der Situation Herr zu werden, aber die Verunsicherung ist doch groß, nicht nur unter den Hundezüchtern und -haltern, sondern auch bei Behörden, Vereinen und Verbänden. Der Sprecher des Thüringer Innenministeriums sagte noch am Mittwoch, es gäbe keine Veranlassung für eine Änderung der hiesigen Gefahrenhundeverordnung, der Vorteil der Regelung sei, dass sie sich nicht auf bestimmte Rassen beschränke, so in der OVZ nachzulesen.

Minister Köckert aber stellte schon am gleichen Tage mögliche Änderungen in Aussicht, und zwar insofern, als eine entsprechende Überarbeitung und eventuelle Verschärfung der Thüringer Verordnung kein Tabu (TA vom 28.06.) sein wird und bereits am Freitag prüfte Thüringen, ob die bayerische Kampfhundeverordnung übernommen werden kann, so nachzulesen in der TLZ vom 1. Juli. Vor dem Hintergrund dieser zu erwartenden Entwicklung hat die PDS-Fraktion am Dienstag vergangener Woche den vorliegenden Antrag auf Bericht der Landesregierung eingereicht. Der Antrag bietet der Regierung die Möglichkeit, die Abgeordneten und die Öffentlichkeit über ihr Agieren im Bundesrat und den Innenministerkonferenzen zu unterrichten und vor dem Hintergrund der Ergebnisse und Ereignisse ihr weiteres Vorgehen zu erläutern, damit Thüringen vielleicht einiges erspart bleibt, was populistisches und teilweise hilflos unsachgemäßes politisches Handeln derzeit so hervorbringt. Vor diesem Hintergrund kündigen wir jetzt bereits an, dass wir es für notwendig halten, die Diskussion über den Bericht des Innenministers im Ausschuss und in der Öffentlichkeit fortzusetzen und dementsprechend eine Anhörung unter Einbeziehung von Fachleuten im Thüringer Landtag durchzuführen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister Köckert, Sie geben den Sofortbericht.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der grausame Tod des 6-jährigen Jungen in Hamburg hat viele Menschen tief erschüttert und aufgerüttelt. Viele stellen sich jetzt die Frage, ob genug getan worden ist, um solche Unglücke zu verhindern bzw. auch in Zukunft nicht mehr vorkommen zu lassen. Allerdings - Herr Dittes hat es

ja in seinen Ausführungen deutlich gemacht - ist das kein Grund, nun in eine Hysterie zu verfallen und all die Dinge, die Sie genannt haben, bis hin dazu, dass ich ja auch eine Menge Briefe bekomme und Szenarienschilderungen, dass normale Hundehalter bedroht werden von ihren Nachbarn und von fremden Leuten. Dazu besteht in der Tat hier in Thüringen kein Grund.

Wir wissen, dass das Geschehen in Hamburg nicht der erste Zwischenfall dieser Art in Deutschland ist. Der Bundesrat hat am 19. Mai eine Entschließung zur Vorlage einer Hundehalterverordnung gefasst, mit der insbesondere die Aggressionszucht von Hunden verboten werden soll. Darüber hinaus soll die Einfuhr derartig gezüchteter Hunde verhindert werden. Die Entschließung wurde einstimmig, also auch mit Zustimmung Thüringens, angenommen. Darüber hinaus wurde von mir sowohl der am 5. Mai 2000 von der Innenministerkonferenz beschlossene Maßnahmenkatalog als auch der IMK-Beschluss der Telefonschaltkonferenz vom 28. Juni diesen Jahres mitgetragen und befürwortet. Damit sind die ersten beiden Fragen des Berichtsersuchens beantwortet.

Um Ihre dritte Frage zu beantworten, Herr Dittes, verweise ich darauf, dass Thüringen zu den Ländern zählt, die bereits vor dem tragischen Geschehen in Hamburg eine eigene Gefahrenhundeverordnung in Kraft gesetzt haben. Der Thüringer Landtag hatte in der 2. Legislatur die Regierung mit der Erstellung einer solchen Verordnung beauftragt. Bei uns gilt seit dem 17. April diesen Jahres die ordnungsbehördliche Verordnung zur Abwehr von Gefahren durch Zucht, Ausbildung, Abrichten und Halten gefährlicher Hunde. Der gemeinsame Grundgedanke der Thüringer Verordnung wie auch der in den anderen Ländern erlassenen Verordnungen ist, dass bei nahezu allen Hunderassen die Gefahr besteht, dass aggressive Zuchtlinien herausgebildet oder einzelne Hunde dieser Rassen zu Kampfmaschinen abgerichtet werden können. Um es klar zu sagen: Hunde werden erst durch das verantwortungslose Verhalten von Menschen zu solchen Bestien gemacht,

(Beifall im Hause)

wie sie uns in Hamburg vor Augen geführt wurden. Nach unserer derzeit geltenden Gefahrenhundeverordnung ist in Thüringen die Zucht von gefährlichen Hunden und das Scharfmachen zu gefährlichen Hunden verboten und das Halten von gefährlichen Hunden bedarf einer behördlichen Erlaubnis. Als gefährlich gelten solche Hunde, die auf Angriffslust oder auf eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Schärfe gezüchtet, ausgebildet oder abgerichtet worden sind. Unter die Definition fallen auch solche Hunde, die sich bereits als bissig erwiesen haben oder die bereits wiederholt in Gefahr drohender Weise Menschen angesprungen haben. Schließlich werden auch die Hunde als gefährlich angesehen, wenn sie wiederholt Vieh, Katzen oder Hunde oder unkontrolliert Wild gehetzt oder gerissen haben. Wer einen gefährlichen Hund hat und diesen behalten will, braucht

dafür eine ordnungsbehördliche Erlaubnis. Diese Erlaubnis wiederum wird nur erteilt, wenn die antragstellende Person mindestens 18 Jahre alt ist, wenn sie die erforderliche Sachkunde besitzt, wenn an der Zuverlässigkeit der Person kein Zweifel besteht und wenn die Räumlichkeiten und die Freianlagen vorhanden sind, in denen das Halten, die Ausbildung oder das Abrichten verhaltensgerecht und auch ausbruchssicher möglich ist, so dass die körperliche Unversehrtheit von Mensch und Tier nicht gefährdet wird. Die Sachkunde wird nachgewiesen z.B. durch eine Bescheinigung bzw. Prüfung eines Zuchtverbandes oder einer Hundeschule. Die Zuverlässigkeit z.B. besitzt nicht, wer etwa schon mehrfach oder gröblich gegen das Tierschutzgesetz, das Bundesjagdgesetz oder das Waffen- oder Sprengstoffgesetz verstoßen hat. Die Zuverlässigkeit besitzt ebenso nicht, wer schon mehrfach in Trunkenheit Straftaten begangen hat oder wer z.B. wegen vorsätzlicher Körperverletzung und anderer schwerer Straftaten wie Vergewaltigung, Zuhälterei, Land- und Hausfriedensbruch oder Diebstahl verurteilt worden ist. Dass die notwendige Zuverlässigkeit fehlt, wird zudem regelmäßig dann angenommen, wenn der Antragsteller psychisch krank, alkohol- oder drogenabhängig ist. Die zuständige Behörde kann zudem bei Vorliegen entsprechender Hinweise verlangen, dass die antragstellende Person ein amts- oder fachärztliches Zeugnis über ihre geistige und körperliche Eignung vorlegt. Wenn die Erlaubnis schließlich erteilt ist, kann dies zeitlich befristet und auch mit Auflagen erfolgen. Auflagen können auch nach Erteilung der Erlaubnis noch festgelegt werden. Für das Halten der gefährlichen Hunde gilt dann, dass sie innerhalb der eigenen Wohnung oder des Grundstücks so zu halten sind, dass sie Wohnung oder das Grundstück nicht gegen den Willen des Halters verlassen können. Am Zugang zur Wohnung oder dem Grundstück muss ein Hinweisschild angebracht werden; außerhalb des eingezäunten Grundstücks besteht Leinenzwang, bei bissigen Hunden zusätzlich Maulkorbzwang. Wer gegen diese Verordnung verstößt, meine Damen und Herren, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 DM geahndet werden kann; notfalls kann der Hund auch eingezogen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir waren uns von Anfang an darüber im Klaren, dass diese Verordnung nicht einfach umzusetzen ist, denn, wie ich schon ausgeführt habe, das eigentliche Problem sind nicht die Hunde, sondern der verantwortungslose Züchter oder der verantwortungslose Halter. Und letztlich liegt es natürlich beim Halter, dafür Sorge zu tragen, dass von seinem Hund keine Gefahr ausgeht. Die Auswertung des Ereignisses von Hamburg zeigt, dass unsere aktuelle Thüringer Verordnung grundsätzlich ausreicht, um ein solches Geschehen im Vorfeld zu verhindern. Wie eben ausgeführt, kann einem Halter, dessen Zuverlässigkeit nicht gegeben ist, der gefährliche Hund weggenommen werden; dies allerdings unter der Voraussetzung, dass den Behörden die Gefährlichkeit des Hundes bekannt ist. Die bestehende Verordnung mit den darin festgelegten Verboten der Aggressionszucht und des Scharfmachens ermöglicht den zu

ständigen Behörden ein präventives Vorgehen. Sobald bekannt wird, dass irgendwo Aggressionszucht stattfindet oder dass Hunde scharfgemacht werden, kann dies sofort untersagt werden. Das Halten der betroffenen Hunde kann an die behördliche Erlaubnis geknüpft werden und dies gilt, wie ich ausgeführt habe, für alle Hunderassen, nicht nur für die so genannten Kampfhunderassen.

Wir müssen aber feststellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass bestimmte Hunderassen in den letzten Jahren immer mehr zu Modehunden geworden sind. Dies aber nur zum geringsten Teil wegen ihrer natürlichen Anmut oder wegen ihres freundlichen Wesens, im Gegenteil, gerade die so genannten Kampfhunderassen wurden zur Mode speziell wegen ihrer Aggressivität, wegen der Angst, die sie verbreiten, weil man damit protzen kann, weil in Deutschland das Tragen von Waffen verboten ist und solche Hunde offenbar auch als Waffenersatz herhalten müssen. Auch der Personenkreis der Halter dieser Kampfhunde muss sich zum Teil den Vorwurf gefallen lassen, nicht besonders durch Seriosität aufzufallen. Ich sage ausdrücklich, nicht alle Halter dieser Hunde, sondern ein Teil dieser Halter. Aus diesem Grund wird momentan geprüft, ob wir nicht den präventiven Charakter der bestehenden Gefahrenhundeverordnung durch einige Ergänzungen noch weiter verstärken.

Konkret ist Folgendes vorgesehen: Nach wie vor werden alle Hunderassen als potenziell gefährlich angesehen. Es wird jetzt jedoch eine Liste mit etwa 13 Hunderassen in die Verordnung aufgenommen, bei denen die Gefährlichkeit regelmäßig vermutet werden kann. Zu diesen Rassen gehören der Pitbull, der American Staffordshir Terrier oder der Bullterrier. Für die Hunde dieser Rassen gilt dann nicht nur das Verbot der Aggressionszucht, sondern ein generelles Zuchtverbot. Hunde dieser 13 Rassen dürfen in Thüringen nur noch dann gehalten werden, wenn neben den übrigen Voraussetzungen zusätzlich ein Wesenstest bestanden wird, ein Wesenstest, der von Tierärzten durchgeführt werden soll. Selbst wenn der Wesenstest bestanden worden ist, dürfen diese Hunde in der Öffentlichkeit nur noch an der Leine und mit Maulkorb geführt werden. Wenn ein Hund diese Prüfung nicht besteht, wird er eingezogen und - ich setze jetzt zwar in Klammern - wird wohl in der Regel getötet werden müssen. Mit diesen Änderungen, die sozusagen die Beweislast umkehren, erhalten die zuständigen Behörden in den Gemeinden und Städten eine optimale Grundlage für ein präventives Vorgehen zum Schutz der Bevölkerung. Durch das Zuchtverbot und durch die Auflagen für die Haltung wird sich die Zahl der Kampfhunde in Thüringen wahrscheinlich allmählich von selbst reduzieren. Durch den Leinen- und Maulkorbzwang können Behörden und Polizei in jedem Fall sofort einschreiten, wenn sie einen in der Verordnung aufgeführten Hund ohne Maulkorb und Leine in der Öffentlichkeit sehen. Mit der geänderten Verordnung entsprechen wir weitgehend auch den Forderungen des Thüringer Landestierschutzverbandes, indem kein eine bestimmte Rasse betreffendes generelles Hundehaltungsverbot ausgesprochen wird. Bestimmte

Hunde müssen also nicht sofort abgegeben und eingeschläfert werden. Gewiss, auf die Halter von gefährlichen Hunden kommen damit einige Unannehmlichkeiten zu. Aber, ich denke, was ist das schon im Vergleich zu den Qualen des 6-jährigen Jungen in Hamburg oder im Vergleich zu dem Trauerschmerz seiner Eltern. Jeder Halter eines gefährlichen Hundes hat jetzt die Pflicht, für sich die Sachkunde und die eigene Zuverlässigkeit sowie die bestandene Wesensprüfung für seinen Hund nachzuweisen. Solange alle diese Voraussetzungen vorliegen, darf er seinen Hund behalten und ihn in der Öffentlichkeit mit Maulkorb und Leine führen. Wir gehen damit, meine Damen und Herren, über die Vorschriften anderer Länder hinaus, denn der bestandene Wesenstest stellte in Thüringen keinen Freibrief dar, den gefährlichen Hund wieder wie einen Schoßhund zu behandeln.

Meine Damen und Herren, Herr Dittes hat ja angesprochen, dass sich nicht nur der Bundesinnenminister, sondern auch der Bundeskanzler selbst in die Debatte eingeschaltet hat, in der Tat mit einem flotten Spruch. Die Bundesregierung muss natürlich auch und dringend ihren Teil dazu beitragen, das Problem der gefährlichen Hunde in den Griff zu bekommen. Vieles wurde da auf dieser Ebene schon angekündigt; konkret geschehen ist leider noch nichts. Es fehlt nach wie vor das Importverbot und das Zuchtverbot. Es fehlen vor allem die strafrechtlichen Sanktionen gegen kriminelle Züchter und gegen kriminelle Halter. Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal an die Kommunen im Freistaat appellieren, die Gefahrenhundeverordnung konsequent durchzusetzen. Ich denke, dass die Kommunen auch gerade angesichts des Geschehens in Hamburg zukünftig von ihrem Handlungsspielraum Gebrauch machen. Wir geben ihnen ja nun, wenn wir diese Liste entsprechend mit anhängen, deutlichere Handlungsmöglichkeiten und Einteilungsmöglichkeiten an die Hand. Das betrifft den Handlungsspielraum auszunutzen, den Leinen- und Maulkorbzwang für andere Hunderassen ebenso wie die Gestaltung der Hundesteuer.

Aber ich richte auch von dieser Stelle einen Appell an die Hundehalter, die gleichzeitig Eltern sind. Es gibt immer wieder Fälle, und erst kürzlich konnten wir davon in Thüringen hören, in denen die eigenen Kinder Opfer des eigenen Hundes werden. Besonders in Bezug auf kleine Kinder gilt es nicht nur bei Kampfhunden, sondern bei allen Hunden wachsam zu sein. Hier haben es die Eltern selbst in der Hand, nicht die Ordnungsbehörden, die wissen oft gar nicht, was sich in den Wohnungen abspielt. Selbst in der Hand haben es aber jetzt insgesamt alle Hundehalter: Sie sind für das Verhalten ihres Hundes verantwortlich. Im Interesse der großen Zahl der seriösen und zuverlässigen Halter, im Interesse von deren friedlichen Hunden und natürlich auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit werden wir darauf drängen, dass die Thüringer Gefahrenhundeverordnung von den Behörden, und sei es auch mit Hilfe der Polizei, konsequent umgesetzt wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister Köckert. Da mir schon von allen Fraktionen Wortmeldungen vorliegen, gehe ich davon aus, dass Aussprache zum Bericht gewünscht wird. Ich bitte zum Rednerpult Abgeordnete Frau Dr. Klaus.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den Bericht des Innenministers gehört zu diesem Thema. Ich glaube, es ist eines der Themen, die in den letzten Wochen in breiten Kreisen der Bevölkerung diskutiert wurden. Der Vorfall, der Anlass für die Diskussion war, hat uns alle sehr betroffen gestimmt. Die Eltern des Jungen werden sich sicherlich fragen, ob es nicht möglich gewesen wäre, diesen Vorfall, und ich sage bewusst nicht Unglücksfall, zu vermeiden. Das ist das Tragische, dass es vielleicht sogar möglich gewesen wäre, wenn man sich die Geschichte des Halters und des Tieres ansieht. Wenn wir in Thüringen unsere Gefahrenhundeverordnung tatsächlich so umsetzen, wie sie jetzt ist, dann würde so ein Vorfall in Thüringen nicht passieren. Das eigentliche Thema, über das geredet werden muss, ist der Missbrauch von Hunden als Statussymbol und als Waffe gegen andere in einem bestimmten Milieu. Das hat dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit, da bestimmte Rassen hier bevorzugt eingesetzt werden, diese Rassen einer Akzeptanz nahe null in der Bevölkerung begegnen. Das muss man konstatieren. Da dem so ist, ist zu erwägen, und da eben der Anteil der Kriminellen in diesem Milieu besonders groß ist, was getan werden kann, um objektiv die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen. Davon trennen muss man den Frust vieler in der Bevölkerung über Hundehalter, die die allgemeinen Spielregeln im Umgang miteinander täglich verletzen, was ich immer wieder mit Betroffenheit feststelle.

Nun aber zu der ersten Gruppe von Hundehaltern, ich sage mal vereinfacht - der kriminellen Gruppe. Ich habe mit zahlreichen Mitarbeitern in Ordnungsämtern in der letzten Zeit gesprochen und die haben mir alle mehr oder weniger durch die Blume, vielleicht auch dem Innenminister, deutlich gemacht, dass es für sie nahezu unmöglich ist, sich in diesem Milieu erfolgreich zu bewegen. Es gibt Ordnungsämter, die sagen, ihnen wird problemlos von der Polizei Unterstützung gewährt. Denn stellen Sie sich bitte vor, ein Ordnungsamtsmitarbeiter ist, selbst wenn er etwas Erfahrung hat mit Hunden, ohne Bewaffnung und soll in einem Milieu auftreten, wo, glaube ich, keiner von uns besonders gern hingeht. Ich glaube, es kann sich jeder vorstellen, wie hoch die Erfolgsrate derartiger Bemühungen ist. Deswegen ist es aus meiner Sicht dringend nötig, hier die Polizei und damit das Land verstärkt in die Verantwortung zu nehmen, und ich glaube, dass es deshalb auch erforderlich ist,

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: In die Hilfestellung, nicht in die Verantwortung.)

hier darüber ernsthaft - in die Verantwortung, wie das auch in Sachsen getan wird - zu diskutieren, ob es nicht besser ist, ein Landesgesetz zu machen, in dem die Aufgaben der Polizei und der Ordnungsämter eindeutig geregelt und klassifiziert sind, weil dann nämlich das präventive Vorgehen gegen diese Halter wesentlich erleichtert wird und, wie ich glaube, sehr rasch auch eine Befriedung in Thüringen eintreten wird. Darüber hinaus muss natürlich massiv gegen die so genannten Schwarzzuchten und gegen die Abrichtungen auf Aggressivität vorgegangen werden. Das Milieu ist, wie bekannt, dasselbe, also meiner Meinung nach bei allem Respekt vor den Mitarbeitern der Ordnungsämter, aber ein eindeutiger Fall für die Polizei im Freistaat.

Ich will noch etwas zu dem Thema der sonstigen Hundehalter sagen, die mit der Haltung ihres Tieres überfordert sind. Viele können oder wollen nicht akzeptieren, dass nicht jeder, der ihnen begegnet als Bürger, ein ausgemachter Hundefreund ist, und verkennen, dass es Bürger gibt, die Angst oder Abwehr gegenüber Hunden haben, und nehmen darauf keinerlei Rücksicht. Ich denke, das ist mit ein Grund, warum zahlreiche Leserbriefe die Redaktionen erreichen, warum die Ordnungsämter mit Anrufen überhäuft werden.

Diese permanente Rücksichtslosigkeit hat dazu geführt, dass die Hundehaltung in vielen großen Städten extrem problembehaftet ist. Zu rücksichtslosem Verhalten zähle ich z.B., dass Hunde prinzipiell nicht angeleint werden, wenn Jogger oder Radfahrer kommen, dass Hunde nach wie vor auf Spielplätzen ohne Leine sind oder in belebter Straße ohne Leine geführt werden.

(Beifall bei der SPD)

Das alles gibt Anlass, verschärfte Bestimmungen auszurufen. Nur, ich sage, das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Wenn nicht auch bei den Hundehaltern mehr Verstand und Rücksichtnahme einzieht, dann werden wir irgendwann den Zustand haben, dass in Deutschland Hunde über 20 cm Schulterhöhe unerwünscht sind, und das kann ja schließlich niemand wollen.

Ich möchte noch für eine weitere Frage werben, neben der Frage, ein Gesetz in Thüringen zu machen, was mir sinnvoll erscheint und mir von zahlreichen Mitarbeitern der Ordnungsämter bestätigt wurde. Bei aller Sorgfalt, die ja in der Regel die Hundehalter beim Umgang mit ihren Tieren walten lassen, kann es doch zu Unglücksfällen kommen. Deswegen plädiere ich schon seit langem dafür, eine Haftpflicht für alle Hunde einzuführen. Ich denke, der Aufwand, der dort betrieben werden muss, bewegt sich in einer Größenordnung von etwa 10 DM im Monat, also durchaus zumutbar. Immer wieder hat es Fälle gegeben, in denen Opfer von Beißattacken leer ausgegangen sind, wo ein Gericht entschieden hat - und die Richter sind ja voll

kommen frei, das zu entscheiden -, dass hier lediglich durch Verkettung unglücklicher Umstände eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und die Opfer neben dem Kummer und den Schmerzen, die sie zu ertragen haben, auch noch in finanzielle Not gestürzt wurden. Ich denke, dem kann man begegnen. Hier könnte Thüringen auch wirklich vorbildlich sein. Ich denke z.B. daran, dass man denjenigen, die eine Haftpflicht vorlegen, ermäßigte Hundesteuern geben könnte und anderen deutlich höhere, die diese Haftpflicht nicht vorlegen.

(Beifall Abg. Sonntag, CDU)

Im Übrigen würden sich zahlreiche Probleme, die es jetzt gibt, von selbst klären, weil, wenn Bello zweimal zugeschnappt hat und die Versicherung einen hohen Betrag entrichten muss, wird es sich der Halter überlegen, wenn nämlich die Prämie dann deutlich steigt, ob er sich entweder jetzt an die Spielregeln hält oder diesen Hund abschafft. Es würde der Politik auch einige Arbeit, denke ich, abnehmen. Darüber hinaus, ich möchte noch einmal sagen, warum ich dafür bin, auch für kleine Hunde diese Haftpflicht einzuführen, weil ja mancher denkt, der Kleine ist nicht so schlimm. Es geht ja nicht nur um die Beißunfälle. Sicherlich, wenn der Dackel zwickt, ist das nicht so gefährlich, wie bei einer Dogge oder Bullterrier. Das Problem sind - ich will das ganz offen ansprechen - die Unfälle, die Motorradfahrern oder Radfahrern passieren können und die zum Teil zu schwersten Schäden an Leben und Gesundheit führen können und keine Absicht war dabei. Das Argument gegen die Haftpflicht, dass ja dann die Hundehalter sorglos würden unter dem Motto: "Mein Hund ist ja versichert, was wollen sie denn? Wenn er sie beißt, bekommen sie es ersetzt.", ist ein vollkommen sinnloses Argument, weil die Autofahrer schon seit Jahren eine Pflichthaftpflicht haben. Es wird ja wohl keiner ernsthaft behaupten, dass sich die Leute absichtlich über den Haufen fahren, um ihre Versicherung zu amortisieren. Das ist etwa in diese Kategorie einzuordnen.

Ich denke, es wäre richtig und vernünftig, die Weiterberatung dieses Berichts im Innenausschuss federführend durchzuführen, aber auch den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und den Justizausschuss mit einzubeziehen. Den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit wegen der dort vorhandenen Fachkompetenz und den Justizausschuss deshalb, weil ich denke, nichts ist schlimmer, als wenn wir hier etwas beschließen und das erste Gericht stürzt diese Entscheidung und es passiert am Ende wieder nichts. Bei der öffentlichen Diskussion können wir uns das nicht leisten.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern, dem Abgeordneten Krauße immer.

Danke schön. Frau Dr. Klaus, Sie sprachen von einer Haftpflichtversicherung, von eventuell höheren Hundesteuern und auch eventuell zu zahlenden Strafen. Was meinen Sie, wer diese Strafen bezahlt z.B. bei dem Klientel, das Sie angesprochen haben? Viele von denen beziehen Sozialhilfe, bekommen noch täglich Futtergeld, wohl 6 DM. Was glauben Sie, wer das dann bezahlt?

Es ist ja nicht die Regel, dass der Hundehalter in Thüringen von Sozialhilfe lebt, das will ich einmal ausdrücklich sagen. Es gibt natürlich erst einmal die hohe Dunkelziffer der nicht angemeldeten Hunde, daran arbeiten ja einige Städte und haben da schon große Erfolge und zusätzliche Einnahmen für ihr Stadtsäckel erreicht. Darüber hinaus ist die Frage zu stellen, ob es wirklich angemessen ist, in einem bestimmten sozialen Milieu einen Hund zu halten, der aufgrund seiner Größe und Körperkraft schon allein deshalb in der Lage ist, Schaden anzurichten, da ja bekannt ist, dass auch in diesem Klientel häufig die Trunkenheit eine Rolle spielt, und einer, der durchaus tagsüber seinen Hund ordnungsgemäß führt, in den Abendstunden möglicherweise dazu nicht in der Lage ist. Es ist ein ganz schwieriges Thema. Auch das wäre im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu besprechen, weil bekannt ist, dass für viele gerade Obdachlose ein Hund eine wichtige Bezugs- und Kontaktperson ist. Darüber müsste dann noch einmal im zuständigen Ausschuss geredet werden. Ich denke aber, generell sollte man sich wirklich positiv zu dieser Haftpflicht verhalten, um wirklich Opfern einen optimalen Schutz bieten zu können, wenn tatsächlich so ein Unfall passiert ist. Ich wünsche mir aber, dass die Haftpflicht, und die Prämien sind ja nach wie vor sehr, sehr niedrig, möglichst wenig in Anspruch genommen wird. Dieses bloß zur Sicherheit. Mein Petitum noch einmal, diesen Bericht an die Ausschüsse zu überweisen und dort weiterzuberaten. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Danke schön, Frau Abgeordnete Dr. Klaus. Als Nächster hat sich Abgeordneter Fiedler zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ein Kollege rief mir gerade zu: "Du hast doch gar keinen Hund." Doch, wir haben zu Hause einen Hund, einen Rauhaardackel. Der hat die Postfrau auch schon dreimal gebissen. Man muss selbst auf die Kleinen aufpassen, das will ich nur einmal dazu sagen.