Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

- In der Zeitschrift "Praktische Pädiatrie" vom April 1998 war zu lesen, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sich zum Ziel gestellt hat: Polio-Eradikation bis zum Jahr 2000.

- Bereits 1991 berichtete das Bundesgesundheitsministerium über die Spätfolgen der Polio - das Post-PolioSyndrom (PPS).

- Prof. Ocklitz nahm im Jahr 1992 zu diesem Problem unter dem Titel "Alte Krankheit (Polio) mit neuen Problemen (PPS)" Stellung.

- Erst im Heft 7/2000 erschien im Deutschen Ärzteblatt ein Bericht zum PPS. Seit der konsequenten Immunisierung gegen Polio (1961) gab es in der ehemaligen DDR nur noch vereinzelt Neuerkrankungen, was aber nur bei einer Durchimpfungsrate von mehr als 80 Prozent erreicht wird.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch ist die Durchimpfungsrate gegen Polio im Freistaat Thüringen?

2. Gab es in Thüringen eine Neuerkrankung in den letzten zehn Jahren?

3. Ist eine Impfkomplikation im Freistaat bekannt und wenn ja,

a) nach Gabe des oralen Impfstoffes (Lebendvakzine) oder b) nach Applikation parenteral (inaktivierter Impfstoff)?

4. Ist bekannt, wie viele Menschen im Freistaat mit einem PPS leben?

5. Lässt sich schon jetzt absehen, ob das oben genannte Ziel der WHO im Jahr 2000 erreicht wird?

Herr Minister Dr. Pietzsch, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Kraushaar.

Zu Frage 1: Die Durchimmunisierungsrate gegen Polio beträgt zwischen 91,3 Prozent bei Vorschulkindern und 99,9 Prozent bei Schülern der dritten und vierten Klasse. Das sollte uns aber nicht dazu verleiten zu sagen, es ist ja mit der Durchimmunisierung in allen Bereichen bestens bestellt. Nicht umsonst machen wir gerade eine Impfaktion mit verschiedenen anderen Beteiligten.

Zu Frage 2: Eine Neuerkrankung in den letzten 10 Jahren gab es nicht. Die letzten drei Erkrankungen im Raum Thüringen wurden 1962 erfasst.

Zu Frage 3: Impfkomplikationen - es gab insgesamt fünf Impfkomplikationen nach der oralen Gabe des Impfstoffes. Nach parenteraler Applikation inaktivierten Impfstoffes gab es keine Komplikation. Die Impfschäden sind Folgen von Impfungen, die in den Jahren 1965, 1971, 1972 und einmal 1994 durchgeführt wurden.

Zu Frage 4: Wie viele Menschen in Thüringen mit einem Post-Polio-Syndrom leben, ist nicht bekannt, weil es darüber kein Register gibt, zumal das ja sehr weit zurückgehen müsste.

Zu Frage 5: Das Ziel der WHO wird im Jahre 2000 nicht erreicht werden können. Das hängt mit vielen Problemen in der Welt, insbesondere in der Dritten Welt zusammen. Allerdings können wir weitgehend davon ausgehen, dass Europa als poliofreie Zone anzuerkennen ist. In Europa wurde zuletzt eine Polioerkrankung im November 1998 in der Türkei registriert. Wenn keine weiteren Erkrankungen auftreten, dann könnte man im Jahre 2003 davon reden, dass Europa als poliofreie Region zu zertifizieren ist.

Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Frau Abgeordnete Kraushaar.

Es gibt keine Statistik, aber die Zahlen aus den USA sagen 500.000 bis 800.000 Menschen, in der Bundesrepublik soll es sich um 50.000 bis 80.000 insgesamt handeln mit dem Post-Polio-Syndrom. Meine Frage: Am 11. November ist der 4. Jenaer Impftag - wird die Landesregierung dazu auch einen Beitrag leisten?

Die Landesregierung leistet dazu regelmäßig einen Beitrag. Sie sagten ja selbst, es ist der 4. Thüringer Impftag. Bisher ist bei all diesen Impftagen das Thüringer Sozialministerium eingebunden gewesen, und das wird es auch in diesem Jahr sein. Wir werden z.B. an der Pressekonferenz, die vorher gemacht wird, um das zu publizieren, teilnehmen, aber nicht nur in diesem Bereich, sondern es gibt die vor wenigen Wochen gestartete gemeinsame Impfaktion des Sozialministeriums mit Kassenärztlicher Vereinigung, Landesärztekammer, Apothekerkammer und der Krankenversicherung, so dass gerade in diesem Bereich große Initiativen im Augenblick laufen, um den langsam zurückgehenden Immunisierungsgrad, der im Augenblick noch auf einem guten Stand ist, zu erhalten bzw. wieder auszubauen.

Gibt es weitere Nachfragen? Nein, das ist nicht der Fall. Damit ist die Frage beantwortet. Wir kommen zur Frage der Frau Abgeordneten Tasch in Drucksache 3/947. Bitte, Frau Abgeordnete.

Anbindung Nordthüringens an die Landeshauptstadt im Rahmen des Schienenpersonennahverkehrs

Seit Fahrplanwechsel am 28. Mai 2000 fährt die Erfurter Industriebahn (EIB) die Strecke Leinefelde-Erfurt fallweise mit zweimaligem Umsteigen. Anschlusswartezeiten von bis zu 25 Minuten sind von den Fahrgästen in Kauf zu nehmen.

Die Gesamtwegezeit verlängert sich erheblich und ein weiterer Attraktivitätsverlust für das Verkehrsmittel Bahn ist für diese Strecke eingetreten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Gründe gibt es für diese Umsteigemaßnahmen und ist diese Maßnahme zeitlich befristet?

2. Liegen Zahlen über das Fahrgastaufkommen vor und nach dem benannten Fahrplanwechsel vor?

3. Wie gedenkt die Landesregierung als Besteller der Nahverkehrsleistungen dieser Angebotsverschlechterung entgegenzuwirken?

4. Welche Maßnahmen werden wann von der Deutschen Bahn AG ergriffen, um die gravierenden Mängel in der Schieneninfrastruktur auf dieser Strecke zu beseitigen?

Herr Minister Schuster, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen von Frau Tasch wie folgt:

Zu Frage 1: Die Gründe für die notwendig gewordenen Umsteigemaßnahmen auf der Strecke Erfurt-Bad Langensalza-Leinefelde sind klar. Die DB AG, hier die DB Netz-AG, hat entgegen gegebener Zusagen bis zum Fahrplanwechsel im Mai die grundhafte Sanierung dieser Strecken im Abschnitt Kühnhausen, Döllstedt, Bad Langensalza nicht durchgeführt. Im Interesse der Reisenden musste deshalb ein Notfahrplan zur Gewährleistung der wichtigen Anschlussbeziehungen in Gotha eingerichtet werden. Dieser Notfahrplan kann nur kurzfristiger Natur sein. Das Land wird alles daran setzen, sobald wie möglich zum ursprünglich vorgesehenen SPNV-Angebot für diese Strecke zurückzukehren, und zwar sobald die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Zu Frage 2: Das Reisendenaufkommen betrug vor dem Fahrplanwechsel im Jahresdurchschnitt 1999 für den Abschnitt Erfurt-Döllstedt-Bad Langensalza ca. 1.500 Reisende und im Abschnitt Bad Langensalza-Leinefelde ca. 3.800 Reisende pro Tag. Repräsentative Zahlen für diese Abschnitte nach dem Fahrplanwechsel im Mai liegen dem Land noch nicht vor.

Zu Frage 3: Das Land wird natürlich darauf drängen, dass die notwendigen Investitionen alsbald getätigt und der Fahrplan in vollem Umfang realisiert wird.

Zu Frage 4: Nach derzeitigen Aussagen der DB Netz-AG ist die grundhafte Sanierung des Streckenabschnitts Kühnhausen-Döllstedt-Bad Langensalza für 2001 vorgesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen allerdings keine weiteren Langsamfahrstellen mehr eingerichtet werden.

Ich sehe keine Nachfragen. Danke schön, Herr Minister Schuster. Wir kommen damit zur Frage in Drucksache 3/948. Herr Abgeordneter Dr. Botz, bitte.

Aufgabe des Standorts der Bereitschaftspolizei in Rudolstadt/Cumbach?

Dem Bürgermeister der Stadt Rudolstadt und der Landrätin des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt wurde Ende August in Gesprächen im Innen- und Finanzministerium in Erfurt mitgeteilt, dass es Überlegungen der Landesregierung bezüglich des Abzugs der Bereitschaftspolizei aus Rudolstadt gibt.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welcher Höhe hat der Freistaat in den letzten zehn Jahren finanzielle Mittel für die Sanierung und den Ausbau des Standortes Rudolstadt/Cumbach aufgewandt?

2. Welcher Umfang an Investitionen ist in den kommenden vier Jahren erforderlich, um die polizeiliche Ausbildung am Standort Meiningen zu konzentrieren?

3. Warum will die Landesregierung mit einem solchen Schritt bewusst die in der letzten Legislaturperiode getroffene Entscheidung für eine dezentral, außerhalb Erfurts lokalisierte Einsatzbereitschaft aufgeben?

4. Hatte der Innenminister innerhalb seiner zehnmonatigen Amtsperiode schon Gelegenheit, den Standort Rudolstadt/Cumbach vor derart weit reichenden Entscheidungen zu besichtigen?

Herr Minister Köckert bitte.

Frau Präsidentin, Herr Abgeordneter Botz, für die Landesregierung beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Seit 1991 wurden in der Liegenschaft Instandsetzungsmaßnahmen von einem finanziellen Volumen von ca. 6 Mio. DM durchgeführt. Im Rahmen von Bauunterhaltungsmaßnahmen wurden im gleichen Zeitraum ca. 2,3 Mio. DM verausgabt.

Zu Frage 2: Eine Voruntersuchung zur Unterbringung des Raumbedarfs für die Zusammenführung der Aus- und Fortbildungseinrichtungen der Thüringer Polizei in Meiningen hat ergeben, dass die Realisierung größtenteils in vorhandenen sanierungswürdigen Gebäuden wirtschaftlich machbar ist. Eine erste grobe Kostenschätzung geht von einem notwendigen Investitionsbedarf in Höhe von ca. 64 Mio. DM aus.

Zu Frage 3: Die Entscheidung über den Standort der zweiten Einsatzhundertschaft ist nur im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Konzentration der Ausbildung der Polizeivollzugsbeamten am Standort Meiningen zu treffen. Wird, wie vorgesehen, die Ausbildung vom Standort Rudolstadt nach Meiningen verlegt, ist der erforderliche logistische Aufwand und der Kostenaufwand zur materiellen Sicherstellung für eine verbleibende Einsatzhundertschaft auf seine Vertretbarkeit hin zu prüfen. Das war als Konzept bereits in der letzten Legislaturperiode sehr weit gediehen, aber nicht zu Ende gedacht worden. Die 1993 und nicht in der letzten Legislaturperiode, sondern in der 1. Legislatur getroffene Entscheidung, eine Einsatzhundertschaft am Standort Rudolstadt zur Bereitschaftspolizei dezentral unterzubringen, basierte auf der besonderen

polizeilichen Einsatzlage im Raum Saalfeld/Rudolstadt im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Aktivitäten und war damals richtig und erforderlich. Zwischenzeitlich hat sich das Lagebild in dieser Region nun grundlegend geändert, so dass von einem besonderen Einsatzschwerpunkt nicht gesprochen werden kann und sich die Frage einer zentralen Stationierung in Erfurt wieder stellt.

Zu Frage 4: Natürlich werde ich keine Besichtigung am Standort durchführen, denn das ist ja kein Museum, aber ich werde einen Besuch garantiert noch zur rechten Zeit dort abstatten, und zwar dann, wenn das notwendige Zahlenmaterial aufbereitet ist und mir vorliegt und die Entscheidung ansteht. Dann werde ich diesen Standort auch aufsuchen.