Protokoll der Sitzung vom 13.10.2000

Nach Mitteilung des Landesamts für Statistik vom 8. September 2000 waren am 31. März 2000 insgesamt 1900 Personen in Thüringen inhaftiert. Das stellt gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres eine Steigerung von 10,5 Prozent dar.

Seit Jahren ist die Steigerung der Häftlingszahlen als eindeutige Tendenz zu verzeichnen. Aus diesen Gründen wurden neue Haftanstalten in Gräfentonna und in Altenburg in Angriff genommen.

Der Presse war vor einigen Tagen zu entnehmen, dass im Zusammenhang mit dem Doppelhaushalt die Konzeption für die Justizvollzugsanstalten des Landes völlig überarbeitet werden soll. Justizminister Birkmann gehe davon aus, dass angesichts der Prognose für die Thüringer Bevölkerung bis 2020 die Anzahl der Haftplätze nach unten korrigiert werden müsse. Daraufhin wurden die Bauvorbereitungen in Altenburg gestoppt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch ist derzeit die normale und die maximale Belegungsfähigkeit der Haftanstalten und wie hoch ist aktuell die tatsächliche Auslastung?

2. Geht die Landesregierung davon aus, dass bis zum Jahr 2020 die Häftlingszahlen nochmals steigen, und wie sieht diese Steigerung pro Jahr in etwa aus?

3. Wie viele Bedienstete arbeiten derzeit in den Thüringer Haftanstalten im Vollzugsdienst, in den sozialen Diensten, in der Verwaltung?

Es antwortet Herr Staatssekretär Scherer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Otto Kretschmer beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Vorausschicken möchte ich zunächst, dass im Hinblick auf die sich stets ändernden Verhältnisse und die demografische Entwicklung der Bevölkerung ständig Veranlassung besteht, unter anderem auch die Konzeptionen für den Strafvollzug kritisch zu hinterfragen und den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen. Im Einzelnen beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Durch die Schaffung zusätzlicher Haftplätze in jüngster Zeit konnte die Normalbelegung aller Vollzugseinrichtungen des Freistaats auf 1.936 Haftplätze gesteigert werden. Die Maximalbelegung beträgt 2.068 Haftplätze. Am 30.09.2000 befanden sich insgesamt 1.910 Gefangene in Thüringer Justizvollzugsanstalten.

Zu 2: Die Entwicklung der Gefangenenzahlen ist schwer zu prognostizieren, da sie von verschiedenen, nicht vorhersehbaren Faktoren abhängig ist, z.B. der demografischen Bevölkerungsentwicklung, dem Migrationsverhalten, der Kriminalitätsrate und dem Ahndungsverhalten der Gerichte. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Gefangenenzahlen bis etwa zu den Jahren 2003 bis 2005 leicht ansteigen werden. Aufgrund verlässlicher demografischer Prognosen des statistischen Landesamts kann jedoch angenommen werden, dass ab diesem Zeitpunkt die Gefangenenzahlen stetig abnehmen werden.

Zu 3: Alle Bediensteten im Vollzugsdienst sind nicht nur mit Vollzugsaufgaben, sondern auch mit Verwaltungstätigkeiten befasst, wobei die Vollzugsaufgaben mit unwesentlichen Ausnahmen überwiegen. Es kann daher keine scharfe Trennung zwischen Vollzugs- und Verwaltungsdiensten vorgenommen werden. Ich muss mich zur Beantwortung dieser Frage somit darauf beschränken, im Folgenden die Zahlen für die drei Laufbahnen im Vollzugsdienst zum Stichtag 30.09.2000 anzugeben und das sind im höheren Vollzugsdienst und Verwaltungsdienst 24 Bedienstete, im gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst 60 Bedienstete und im mittleren allgemeinen Vollzugsdienst 803 Bedienstete. Thüringen hat sich für die Einheitslaufbahn im allgemeinen Vollzugsdienst entschieden, so dass es dort keine Laufbahn des mittleren Verwaltungsdienstes gibt. Insgesamt waren also 887 Bedienstete am 30.09.2000 im Vollzugsdienst des Freistaats Thüringen beschäftigt. Davon gehören 45 Bedienstete den Fachdiensten an. Das sind Ärzte, Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeiter.

Nachfragen sehe ich nicht, dann stelle ich die Beantwortung fest und komme zur nächsten Anfrage, und zwar in Drucksache 3/977, Frau Abgeordnete Heß.

Auswirkungen der Fusion des Blutspendedienstes in Thüringen

Wie in der Presse berichtet wurde, fusionierte der DRKBlutspendedienst Thüringen mit den DRK-Blutspendediensten Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Oldenburg und Bremen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welchem Stellenabbau in Thüringen ist die Fusion der Blutspendedienste verbunden?

2. Bleiben die Depots für Blutkonserven in Erfurt und Gera langfristig erhalten und ist in diesem Zusammenhang auch weiterhin eine Belieferung mit Blutkonserven innerhalb von 30 Minuten gewährleistet?

3. Bleiben die Plasmaphorese und die Thrombozytengewinnung in Thüringen erhalten?

4. Sind vom neuen Betreiber auch Blutspendeabnahmen unter fünfzig Teilnehmern vorgesehen?

Es antwortet für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pietzsch.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantworte die Anfrage folgendermaßen, wobei ich einige Vorbemerkungen machen muss: Ich habe ja über das genannte Thema ausführlich bereits im Ausschuss und Sie sind ja Vorsitzende, Frau Abgeordnete Heß -, berichtet. Bisher war die Eigenversorgung mit Blutprodukten im Freistaat durch das so genannte duale System der Trägerschaft der Institute für Transfusionsmedizin gesichert, und zwar durch den DRK-Blutspendedienst mit seinen Instituten in Gera und Erfurt sowie dem kommunalen Blutspendedienst und der Beteiligung von 10 DRK-Kreisverbänden in Suhl und hinzu kommt noch das Institut für Transfusionsmedizin der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und der krankenhauseigene Blutspendedienst am Südharzkrankenhaus in Nordhausen. Da sich diese Pluralität bisher bewährt hat und ich persönlich 1992/1993 dafür eingetreten bin, und zwar sowohl hinsichtlich der Bereitstellung der jeweiligen Menge an Blutprodukten über das Spenderaufkommen als auch hinsichtlich der Produkte, sah

ich darin durchaus eine Garantie für Qualität und habe mich dafür eingesetzt, dass diese so bleibt. Sowohl beim Gespräch mit dem Präsidenten des DRK, Herrn Dr. Kaspari, habe ich dies ausgeführt als auch bei meinem Unterstützungsangebot der Stadt Gera zum Kauf. Allerdings konnten die Entscheidungen des DRK-Blutspendedienstes nicht rückgängig gemacht und nicht geändert werden.

Zu Frage 1: Der DRK-Blutspendedienst Thüringen wurde am 1. September 2000 vom Blutspendedienst der Landesverbände des DRK Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Oldenburg und Bremen übernommen. Wenn auch eine detaillierte Konzeption über die Weiterführung des Blutspendedienstes in Thüringen durch die neuen Betreiber mir gegenwärtig nicht vorliegt, so wurde mir in einem Gespräch versichert, dass die beiden Institute in Gera und Erfurt in der neuen DRK-Blutspendedienst gGmbH erhalten bleiben. Ob es insofern tatsächlich zu einem Stellenabbau infolge der angekündigten Verschmelzung kommt, kann seitens der Landesregierung nicht abschließend beurteilt werden. Mir ist aber in dem genannten Gespräch mit Herrn Dr. Kaspari erklärt worden, es werde insgesamt zu keinem Stellenabbau kommen.

Die Fragen 2, 3 und 4 muss ich zusammenhängend behandeln. Hinsichtlich fachlicher Programme und Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung entscheiden die Träger von Blutspendediensten selbständig in eigener Zuständigkeit. Zu den hier gestellten Fragen liegen dem Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit derzeit keine Informationen vor. Ich hatte Ihnen schon gesagt, dass ich das Gespräch mit dem Präsidenten des DRK, Herrn Dr. Kaspari, geführt habe. Ich habe in diesem Gespräch meine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass es eine Erklärung des DRK geben wird, insbesondere des neuen Trägers, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben, dass die Qualität der Blutprodukte unverändert gewahrt ist, dass die Zurverfügungstellung in keiner Weise beeinträchtigt wird und dass die Blutabnahmen und die Institute in Thüringen erhalten bleiben. Diese Erklärung ist bisher nicht abgegeben worden. Es wurde darum gebeten, dass es vor dieser Erklärung noch einmal ein Gespräch mit mir und dem neuen Träger geben soll. Dieses Gespräch wird in allernächster Zukunft durchgeführt werden und ich hoffe, dass danach die von mir geforderte Erklärung von dem neuen Träger abgegeben werden kann.

Es gibt eine Nachfrage von Frau Abgeordneter Heß.

Im Erbbaurechtsvertrag von 17.10.1994 wurde eine Zweckbindung oder eine Spekulationsfrist festgeschrieben bis 2008 und dann sind 1999 die Grundstücke von der LEG übertragen worden. Ist Ihnen bekannt, auf wessen Veranlassung diese Zweckbindung aus dem Vertrag herausgenommen wurde, oder ist es schlichtweg versäumt wor

den, diese Zweckbindung dort festzuschreiben?

Diese Liegenschaften sind der LEG übergeben worden und danach sind diese Liegenschaften an das DRK sozusagen veräußert worden. Ich habe im Sommer die Äußerung getan, dass ich versuchen werde, dort noch einzugreifen; die haben sich da auf genau diese Zweckbindung bezogen, und zwar auf die Zweckbindung in Verbindung damit, dass noch nicht die letzte Rate des Kaufpreises an die LEG gezahlt wird. Nur so lange hätte diese Zweckbindung noch Wirkung gehabt. Allerdings, Sie haben es etwas unvollständig zitiert und ich habe es bis zum Sommer auch unvollständig gewusst, muss ich Ihnen sagen: Die Zweckbindung beinhaltet, dass es nicht auf einen anderen Träger oder an eine andere Gesellschaft übergehen darf, es sei denn - und jetzt kommt das Entscheidende - dieser neue Gesellschafter sei sozusagen ein Unternehmen des DRK. Diese Einschränkung hat es gegeben und damit ist eine Möglichkeit der Einflussnahme auch in der Situation, dass die letzte Rate noch nicht bezahlt war, nicht mehr gegeben gewesen.

Gibt es weitere Nachfragen? Das sehe ich nicht. Dann stelle ich die Beantwortung fest. Wir kommen zur nächsten Anfrage - Drucksache 3/978 -. Herr Abgeordneter Schemmel.

Verwirrung durch Schreiben des Landesverwaltungsamts zur "Stasiüberprüfung" von kommunalen Mandatsträgern?

Anfang September 2000 erhielten alle Landratsämter ein Schreiben des Landesverwaltungsamts zur "Verwendung der Unterlagen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und Zuständigkeit für die Überprüfung". Darin wurde die von der bisherigen Rechtsaufsicht abweichende Position vertreten, dass lediglich die Rechtsaufsichtsbehörden, nicht aber die Gemeinde- und Stadträte bzw. die Kreistage selbst eine Überprüfung der Mitglieder der Gemeinde- und Stadträte bzw. Kreistage zu beantragen bzw. durchzuführen haben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass seit der 1. Wahlperiode der Gemeinde- und Stadträte bzw. Kreistage in allen östlichen Bundesländern eine von der neuen Rechtsauffassung abweichende Praxis - ohne Beanstandung - vollzogen wurde?

2. Spricht die Arbeitsweise der "Gauck-Behörde", die nach Bundesrecht (StUG) seit 1990 den Gemeinde- und Stadträten bzw. Kreistagen regelmäßig Auskunft erteilt, nicht

gegen die neue Rechtsauffassung?

3. Erwartet die Landesregierung Protest der Gemeindeund Stadträte bzw. Kreistage gegen die neu vorgeschlagene Praxis?

4. Was wird die Landesregierung unternehmen, wenn Gemeinde- und Stadträte bzw. Kreistage die neue Rechtsauffassung nicht akzeptieren?

Es antwortet für die Landesregierung Herr Minister Köckert.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

zu Frage 1 antworte ich wie folgt: Die Rechtmäßigkeit der bisherigen Verfahrensweise zur Stasiüberprüfung wurde in Thüringen aufgrund von Anfragen der Kommunen, aber auch vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR durch das Landesverwaltungsamt und in Abstimmung mit dem Thüringer Innenministerium rechtsaufsichtlich überprüft. Das Landesverwaltungsamt hat sich zu diesen Anfragen durch das besagte Rundschreiben vom 02.08.2000 positioniert. Das Thüringer Kommunalwahlgesetz weist den Rechtsaufsichtsbehörden die Kompetenz zu, unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund einer Stasiüberprüfung eine Wahl für ungültig zu erklären bzw. den Verlust eines Mandats festzustellen. Die entsprechenden Verwaltungsverfahren sind daher nach der Gesetzeslage in Thüringen von den Rechtsaufsichtsbehörden durchzuführen. Für eine Selbstüberprüfung der Gemeinderäte und Kreistage gibt es in Thüringen keine gesetzliche Grundlage.

Zu Frage 2: Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR hat das Thüringer Innenministerium um Stellungnahme zu der Frage gebeten, welche Stellen in Thüringen für die Stasiüberprüfung kommunaler Mandatsträger zuständig sind. Hintergrund ist § 19 Abs. 2 Stasiunterlagengesetz. Berechtigt, ein Ersuchen an den Bundesbeauftragten zu stellen, ist danach die zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe zuständige öffentliche Stelle. Welche Stelle für Stasiüberprüfungen der kommunalen Mandatsträger zuständig ist, regelt das Kommunalrecht. Das Thüringer Innenministerium hat den Bundesbeauftragten mit Schreiben vom 12.07.2000 auf die Zuständigkeits- und Verfahrensregelung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes und die fehlende gesetzliche Grundlage für eine Selbstüberprüfung der Gemeinderäte und Kreistage in Thüringen hingewiesen.

Zu Frage 3: Die Hinweise des Landesverwaltungsamts auf die Gesetzeslage in Thüringen sind nicht dahin gehend misszuverstehen, dass keine Stasiüberprüfungen mehr durchgeführt werden sollen. Das Innenministerium beabsichtigt im Gegenteil, die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden anzuweisen, eine allgemeine Überprüfung bei den kommunalen Wahlbeamten durchzuführen. Des Weiteren soll eine allgemeine Überprüfung der Stasierklärungen der Gemeinderatsmitglieder und Kreistagsmitglieder durchgeführt werden, wenn die jeweilige Gemeinde oder der jeweilige Landkreis auf der Grundlage eines Gemeinderats- bzw. Kreistagsbeschlusses den Wunsch dazu äußert. Ein entsprechendes Rundschreiben des Innenministeriums wird zurzeit mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt.

Zu Frage 4: Das Rundschreiben des Landesverwaltungsamts vom 02.08.2000 soll der Rechtssicherheit im Umgang mit Stasiunterlagen dienen. Die Rechtsaufsichtsbehörden werden darauf hinwirken, dass in Zukunft keine Selbstüberprüfungen mehr durchgeführt werden. In der Vergangenheit vollzogene Überprüfungsverfahren durch die Gemeinderäte und Kreistage unterliegen nicht einer rechtsaufsichtlichen Prüfung.

Gibt es Nachfragen? Ja, Herr Schemmel.

Zum heutigen Geburtstag keine Nachfragen, aber die Bitte um Überweisung namens meiner Fraktion an den Innenausschuss.

Man ist schon gestraft, wenn man zu seinem Geburtstag im Landtag ist.

Es fragt sich, was die große Strafe wäre. Dann stimmen wir über den Überweisungsantrag ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Das ist eindeutig ausreichend und damit überwiesen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Die absolute Mehrheit.)