Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Meine Damen und Herren, dieses Vergabegesetz, das die SPD-Fraktion eingebracht hat, ist im Prinzip keine Erfindung der SPD, sondern es ist einfach eine sachliche Übernahme aus anderen Bundesländern, wo sehr wohl der Herr Ministerpräsident immer sagt, wir streben in Thüringen bayerische Verhältnisse an. Es ist der SPD gedankt, dass ein CSU-Antrag aus Bayern hierher in unser hohes Haus überwiesen worden ist, um sich damit zu beschäftigen. Für die CSU und für Bayern ist es eine kluge Politik und für diesen Mittelblock ist es eine ungeeignete Politik. Die Möglichkeiten, die uns der Gesetzgeber eingeräumt hat, nämlich zu sagen, lasst uns die Aufträge an kleinere und mittelständische Betriebe nach Vergabekriterien gesetzlich und nicht untergesetzlich regeln, also nach einer Richtlinie einfach vergeben, sondern nach einem Gesetz, das uns die Möglichkeit gibt, die Sache, wenn wir es im ganzen Bundesgebiet so abgedeckt hätten, über den Bundesrat auch eine entsprechende bundesgesetzgeberische Initiative ergreifen können, das lehnen Sie einfach ab, indem Sie sagen, das Gesetz sei zwar für Bayern gut, würde in Bayern die bayerischen Unternehmer vor Thüringer Unternehmen schützen und die Mauer errichten. Aber statt dann gleichzeitig den gleichen Weg zu gehen wie das Saarland oder wie Bayern und wie andere Bundesländer, die von Ihrer Partei mehrheitlich im Regionalparlament geführt werden, statt diesen klugen Weg selber mitzugehen, lehnen Sie ihn einfach ab, sagen, das sei ungeeignet, weil der Wettbewerb damit nicht aufgehalten werden kann. Wir haben es im Baugewerbe mit einem ruinösen Dumpingwettbewerb zu tun, bei dem die Thüringer Menschen, die dort arbeiten, die Opfer sind genauso wie die Unternehmen, die auf diese Art und Weise aus dem Wettbewerb gedrängt werden.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, Sie verweigern sich einer vernünftigen Lösung, indem Sie überhaupt nicht

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU)

bereit sind, die Sachargumente, die vorgetragen worden sind, zur Kenntnis zu nehmen. Auch die von dem Professor angesprochenen Ergänzungen in Bezug auf die Kompliziertheit des Tarifvertrags hatten wir versucht zu lösen, indem wir gesagt haben, die allgemeinverbindlichen Tarifverträge, die ja auf einem ganz hohen gesetzlichen Niveau so geklärt werden, könnten wir in das Gesetzeswerk aufnehmen. Auch das haben Sie sehenden Auges abgelehnt. Der Vernichtung von Thüringer Arbeitsplätzen schauen Sie zu und bringen eine Entschließung ins Parlament ein, bei der ich sage, ja, der Text, Herr Kollege Kretschmer und Herr Kallenbach, entspricht den Notwendigkeiten, die in

der Anhörung auch von vielen der dort Anwesenden klargestellt worden sind, die gesagt haben, ja, die Vergaberichtlinien werden jetzt schon nicht so angewendet, wie es eigentlich gut wäre, nämlich dass nicht der Billigste auch der Beste ist. Regionalpolitisch ist sowieso nicht der Billigste ausgesprochen der Beste, sondern man braucht ein paar weitere Kriterien. Ich sage nur, diese untergesetzliche Regelung löst das Problem nicht, das wir bundesweit lösen müssten. Es wäre gut, wenn wir den Flickenteppich der einzelnen Bundesländer durch eine gesamte flächendeckende Lösung füllen würden, bei der wir im Einklang zu europäischen Regelungen ein Gesetzeswerk schaffen, bei dem auch der Bundesgesetzgeber gezwungen wäre, wieder mit einzusteigen. Deswegen, meine Damen und Herren, ist Ihr Entschließungsantrag ein untauglicher Versuch, das Anliegen der Oppositionsparteien vom Tisch zu wehen, aber auch das Anliegen der Betriebsräte, der in der Bauindustrie beschäftigten Thüringer Arbeitnehmer, der Gewerkschaft BAU, die sich ja eindringlich an uns alle gewandt und gesagt haben, es kann doch nicht sein, dass der Ehrliche der Dumme ist, nämlich der Betrieb, der den Tarifvertrag noch korrekt anwendet, wird in diesem Schweinewettbewerb aus dem Wettbewerb vertrieben. Das ist ein ruinöser Dumpingwettbewerb zu Lasten Thüringer Betriebe. Eine untergesetzliche Regelung, wie in Ihrem Entschließungsantrag vorgeschlagen, halte ich für eine, gelinde gesagt, Mogelpackung. Mogelpackung deswegen, weil Sie möchten, dass wir anstelle des Gesetzentwurfs, den die SPD eingebracht hat, beschließen sollen: Die Landesregierung wird aufgefordert, diese Punkte hier umzusetzen.

Meine Damen und Herren, es wäre regierungsamtliches Handeln, wenn Sie täglich das umsetzen würden und gar nicht die Ermunterung aus dem gesamten hohen Hause bräuchten. Was wir bräuchten, wäre eine Gesetzesinitiative und deswegen lehnen wir Ihre Mogelpackung als Ersatz ab. Wir unterstützen das Anliegen der SPD-Fraktion und wir unterstützen das Anliegen der Betriebsräte und der Arbeitnehmer im Baugewerbe. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass dieser ruinöse Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Menschen in diesem Land ausgetragen wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das Wort hat die SPD-Fraktion, der Abgeordnete Lippmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben zu diesem Gesetzentwurf anlässlich der ersten Lesung natürlich schon sehr viel gesagt und es ist noch viel mehr gesagt worden in der öffentlichen Anhörung, von der der Kollege Ramelow gesprochen hat. Ich will mich mit meinen Ausführungen auf einige Dinge beschränken, die sich vor allem aus der Anhörung erge

ben haben. Ob es in Zukunft bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand zu landesgesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Einhaltung tariflicher Regelungen kommen wird oder nicht kommen wird - solange Angebot und Nachfrage in der Bauindustrie so weit auseinander gehen, wie sie das jetzt tun, so lange werden wir mit diesem Problem zu tun haben. Diese Situation schafft - es ist von allen gesagt und auch bestätigt worden - einen ruinösen Wettbewerb, der zu Lasten der Arbeitgeber und auch zu Lasten der Arbeitnehmer geht. Das ist selbstverständlich. Dieser ruinöse Wettbewerb findet heute über den Lohn statt, ausschließlich über den Faktor Lohn statt. Deshalb gibt es seit Jahren im Übrigen schon und seit zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland Versuche, gleiche Wettbewerbsbedingungen über die Nachfrageseite sicherzustellen. Aber dies kann zuverlässig nur bei Aufträgen der öffentlichen Hand und in diesem Fall mit Ausschluss von Tiefbauleistungen geschehen. Das steht im Übrigen nicht im Widerspruch zur europäischen Norm, wie gelegentlich in der Öffentlichkeit, aber auch von anderen immer wieder behauptet wird. Der Europäische Gerichtshof hat nicht nur ausdrücklich das Recht der Mitgliedsstaaten, tarifliche Mindestlohnbedingungen zu erlassen, festgelegt, er hat auch in der EU-Entsenderichtlinie ausdrücklich festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten ihr Arbeitsrecht frei gestalten und sich gegen Sozialdumping durch entsandte Arbeitskräfte schützen können und schützen dürfen.

Es ist unbestritten, dass gerade im Bausektor die Kluft zwischen Vergaberecht und Vergabepraxis besteht. Dass der Zuschlag in sehr vielen Fällen nicht dem wirtschaftlichsten Angebot gegeben wird und stattdessen im Widerspruch zum deutschen Vergaberecht der Bieter mit dem niedrigsten Angebot den Zuschlag erhält, ist in diesem Haus unbestritten. Das tun die Kommunen deshalb - ich bin auch in einem Kommunalparlament tätig, ich weiß, wie das ist -, um aus den ohnehin kargen und immer geringer werdenden Vermögenshaushalten ein Maximum an investiven Effekten herauszuholen. Das ist die eine Seite und die ist aus der Sicht der Kommunen durchaus verständlich. Die andere Seite, das ist weniger bekannt - und die Zahl der Fälle, die das betrifft, ist mittlerweile Legion -, ist, dass viele Bauinvestitionen einen Unterbruch deshalb erfahren, also kleinere Bauinvestitionen, weil die Unternehmen pleite sind. Was viel schlimmer ist, es werden Nacharbeiten en masse nötig, einschließlich gerichtlicher Verhandlungen, die nicht nur Zeit, sondern auch Geld kosten; auch eine Folge dieses ruinösen Wettbewerbs, und das völlig ohne Vergabegesetz, ohne jede gesetzliche Regelung. Ich will damit sagen, das Volumen des Nachfragepotenzials von Land und Kommunen ist über einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise über ein Haushaltsjahr, nahezu konstant und kommt immer an den Mann - ich will sagen, an die Bauunternehmungen mit oder ohne Vergabegesetz. Wir möchten aber, dass es korrekt und zu für die Wettbewerber nicht diskriminierenden Bedingungen und nicht zu Lasten der Löhne der Arbeitnehmer an den Mann kommt. Das tut es jetzt nicht.

Es hat bei den 8. Weimarer Wirtschaftsgesprächen einige Bemerkungen von Ministerpräsident Vogel gegeben, was Abwanderung von Fachkräften anbelangt. Er sagte, es seien die flexibelsten und qualifiziertesten Spezialisten, die das Land verließen. Tags darauf titelte eine große Thüringer Zeitung: "Fachkräfte wandern ab - Vogel fordert Westlöhne". Natürlich wandern sie ab, und das nicht nur im Maschinen- und Anlagenbau. Oder glauben Sie, ein qualifizierter und wie gesagt flexibler Baufacharbeiter lässt sich auf die Dauer mit 12,85 DM oder 16,60 DM abspeisen? Auch im Baugewerbe nicht. Im Übrigen wollen wir nicht vergessen, dass unser Bauhauptgewerbe nicht nur über die Lohnnebenkosten Vorteile hat, denken Sie beispielsweise an das hier nicht gezahlte Weihnachtsgeld; denken Sie an die nicht gezahlten vermögenswirksamen Leistungen. Diese Vorteile gelten selbstverständlich bundesweit. Als Billiglohnland aber hat man nur kurzfristig Vorteile, die kurzfristigen Vorteile sind ja wohl unbestritten, aber man hat niemals mittel- und langfristig eine Chance. Selbstverständlich darf und wird sich die Politik nicht in Lohnfindungsprozesse einmischen können. Aber um faire Wettbewerbsbedingungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe sollten wir schon bemüht sein,

(Beifall bei der SPD)

weil die Vergabe von Steuermitteln - und um solche handelt es sich ja bei Aufträgen der öffentlichen Hand - auch einem öffentlichen Interesse unterliegt. Dazu gehört auch öffentliches soziales Interesse.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein solches Gesetz verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit. Ich will Ihnen nicht das juristische Für und Wider hier ausbreiten. Es gibt ja genügend Gutachten - wir haben es bei der Anhörung immer wieder gesehen und auch gehört -, die dafür - wie das immer bei Gutachten ist - und auch dagegen sprechen.

Eins, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist jedoch unbestritten: Kein Unternehmen, das Tariflöhne nicht zahlen will oder nicht zahlen kann, wird durch ein solches Gesetz in einen Tarifverbund gezwungen. Sie sagen, wenn es ein solches Gesetz gäbe, würden die Unternehmen, die keine Tarife zahlen können, diskriminiert. Ja, sie würden diskriminiert, Herr Kretschmer hat es bei der Einbringung auch gesagt. Ich will Ihnen sagen, unter den bisherigen Bedingungen werden die Unternehmen, die Tarife zahlen, diskriminiert. Der Diskriminierungstatbestand kommt allein über die unterschiedlichen Löhne zustande.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das stimmt doch gar nicht.)

Einer wird immer diskriminiert unter den gegenwärtigen Bedingungen - entweder der, der Tarife zahlt, oder der, der sie nicht zahlt. Sie sagen, auch ein Bauunternehmen gerät in betriebswirtschaftlich schweres Wasser, wenn es Tarife zahlen würde. Ich kann Ihnen schon entgegenhalten, dass Unternehmen, die Tarife zahlen, bereits im schweren Wasser sind, wenn sie es tun und wenn sie mitbieten und wenn sie den Auftrag nicht erhalten. Die Zahl der Kündigungen übrigens bei den tariftreuen Unternehmen ist Ihnen bekannt und sie ist nicht unerheblich. Sie ist durchaus hoch, was eigentlich nicht zu vermuten gewesen wäre. Wenn wir hier keine solide Linie einziehen - ich betone ausdrücklich, eine solide diskriminierungsfreie Linie -, dann wird sich die Spirale nach unten weiter fortsetzen und es wird nicht weniger Betriebsaufgaben geben als bisher. Das wird sich so lange fortsetzen, bis sich unser bauwirtschaftliches Gesamtprodukt in etwa dem bundesdeutschen Durchschnitt genähert hat. Darüber kann doch kein Zweifel bestehen. Ferner kann kein Zweifel darüber bestehen, welche fatalen Auswirkungen dies auf den Personalbestand der Unternehmen haben wird. Aber das hatten wir schon und das ist ja auch vom MP in Weimar, aber auch von anderen attestiert worden.

Nebenher gibt es noch einen Umstand, meine sehr verehrten Damen und Herren, der mit einem Vergabegesetz nur mittelbar zu tun hat. Ich will ein Beispiel nennen: Bauarbeiter tariftreuer Unternehmen, die entlassen worden sind, sehen plötzlich ihren Platz von ausländischen Billiglöhnern besetzt. Ich muss Ihnen nicht erläutern, was das für Folgen hat für deren Einstellung gegenüber ihren ausländischen Mitkollegen. Sie sagen, Sie hätten alles im Griff. Wir hätten hier eine Thüringer Mindestlohnverordnung. Freilich haben wir die mit zwei nicht unwesentlichen Einschränkungen. Erste Einschränkung: sie gilt nur für öffentliche Auftragsvergabe des Landes selbst oder dann für Unternehmen, die gefördert werden. Sie wissen ja selbst, dass die Thüringer Kommunen etwa 70 Prozent des öffentlichen Investitionsvolumens bei uns übernehmen. Die zweite Einschränkung: sie wird nicht flächendeckend eingehalten. Mindestens 7 Prozent der Beschäftigten am Bau werden noch unter dem Mindestlohn - und das sind jetzt 16,50 DM - bezahlt. Die Dunkelziffer ist hoch, der Missbrauch ist hoch und die Kontrolle ist schwierig.

Der Verband baugewerblicher Unternehmen Thüringens hat sich in der Anhörung zur Mindestrichtlinie geäußert und hat erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit geschildert und die fehlende Kontrolle beklagt. Er sprach wörtlich von - ich zitiere das jetzt - "Wildwestmanieren in Thüringen". Also das ist es nicht. Es ist nur eine Richtlinie, an die ich mich halten kann, aber an die ich mich nicht halten muss.

Erlauben Sie mir noch einige Sätze zu dem, was zur Anhörung zur möglichen Rechtsförmlichkeit und Rechtmäßigkeit gesagt wird.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur)

Sie waren doch mit dabei, Herr Schuster, Sie haben es doch gehört, es sind doch nicht meine Worte. Das ist doch das Ergebnis der Anhörung gewesen und es ist unterschwellig bei all denen zum Ausdruck gekommen, die sich dazu geäußert haben. Ich hatte den Eindruck, was die Rechtsförmlichkeit anbelangt, zumindest stellenweise, dass die Bedenken zur Rechtssicherheit - ohne sie eben mindestens präzise zu begründen - wie ein Schutzschild von einigen vor sich hergetragen worden sind. Berlin, Bayern und das Saarland hatten die Bedenken nicht; jedenfalls waren sie nicht einleuchtend genug, um auf ein Vergabegesetz zu verzichten. Im Übrigen haben die Bundesländer sich im Bundesrat ausdrücklich darauf verständigt, eigene gesetzliche Regelungen zu praktizieren, solange es keine bundesgesetzliche Regelung gibt. Also das ist es auch nicht. Wir - nicht nur in Thüringen, sondern in allen neuen Ländern - müssen mit einer vertrackten Situation fertig werden. In der Bauindustrie findet eine lang andauernde Marktbereinigung statt, in deren Verlauf sich Angebot und Nachfrage angleichen werden. Das wird unsere Bauindustrie weiter ausdünnen und das ist unbestritten. 400 Insolvenzen im letzten Jahr sprechen da eine beredte Sprache. Wir möchten selbstverständlich, dass diesen Prozess so viele Thüringer Unternehmen wie möglich durchhalten. Dieser Wettbewerb muss unter fairen Bedingungen auf der Basis qualitativ hochwertiger Leistung stattfinden und mit hoch qualifiziertem Personal. Das aber halten wir nur, wenn wir es anständig bezahlen. Darum auch ein Vergabegesetz, das zumindest für den Bereich, für den wir Verantwortung tragen, nämlich für den Bereich der öffentlichen Mittelvergabe, also Steuermittel schlechthin, Funktionsdefizite der Tarifautonomie beseitigt. Eine gänzliche wirtschaftspolitische Abstinenz des Staates im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht uns zum Nachtwächterstaat. Die öffentliche Hand hat aber u.a. die Aufgabe, für einen funktionierenden, fairen Wettbewerb und für die Einhaltung sämtlicher im Bereich illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit geltenden Gesetze zu sorgen.

Zu Ihrem Entschließungsantrag, meine sehr verehrten Damen und Herren: Er zeigt mir zwei Dinge. Das Erste ist, Sie haben ein schlechtes Gewissen und möchten schon etwas tun.

(Beifall bei der SPD)

Und Sie sehen wohl auch, und das ist der zweite Punkt, dass es jetzt Defizite gibt, dass wir mit den Defiziten noch immer leben und nichts dagegen tun. Aber es ist eine untergesetzliche Regelung. Damit hatten wir ja nun schließlich gerechnet, dass Sie sagen, nun Gott, dann gilt die Mindestlohnverordnung nicht nur für die Aufträge des Landes, sondern auch für die Kommunen und für die Gebietskörperschaften. Diese untergesetzliche Regelung wird die Situation nicht ändern, sie wird sie möglicherweise nur

verfestigen. Deshalb werden wir Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen, weil er die Probleme nicht beseitigen hilft. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kretschmer, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin ein wenig traurig, sage ich einmal, weil das Problem Lohndumping und ruinöser Wettbewerb von allen Fraktionen - zumindest im Wirtschaftsausschuss - erkannt und von allen auch artikuliert wurde, dass man versucht, Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Ich habe in der Plenarsitzung, als das Gesetz eingebracht worden ist, am 7. Juni 2000 schon dargestellt, welche gravierenden rechtlichen Bedenken wir zu diesem Gesetz haben, aber dass meine Fraktion gesagt hat, dass dieses Thema ruinöser Wettbewerb und Lohndumping und überhaupt Vergabepraxis so wichtig ist, dass sich damit im Wirtschaftsausschuss beschäftigt werden muss und im Wirtschaftsausschuss auch eine, ich denke, sehr repräsentative Anhörung durchgeführt wurde. Herr Kollege Lippmann, es hat wahrscheinlich keinen Zweck, jetzt aus der Anhörung heraus bruchstückhaft so wie im Steinbruch jedes Versatzstück für sich zu nehmen, um darzustellen, die eigene Position ist richtig oder falsch, sondern man muss es in den gesamten Kontext stellen. Was ich nur nicht verstehe bei der Einigkeit im Anliegen, ist die Schärfe der Auseinandersetzung, die hier vorgetragen wurde von Herrn Ramelow, in einer Polemik, die mich erschreckt hat und bei Ihnen Mitleid heischend, die am Ende sogar noch sagt, wir lehnen den Antrag ab, den Entschließungsantrag. Vielleicht haben wir mit dem Entschließungsantrag genau das I-Pünktchen getroffen, dass sich die PDS-Fraktion getroffen fühlt und sagt, das hätten wir auch machen müssen, und Sie fühlen sich in Ihrem Stolz gekränkt, weil Sie nun das Gesetz nicht durchbekommen haben.

(Beifall bei der CDU)

Aber das kann doch nicht Handlungsebene sein. Wir haben zu Recht gesagt, wir haben eine Strukturanpassung im Baugewerbe. Und solange diese Strukturanpassung stattfindet, wird es auch immer wieder Auswüchse geben, die wir nicht mittragen wollen. Wissen Sie, wenn Sie eine Ausschreibung stattfinden lassen und es bewerben sich fünf, sechs, sieben, acht Leute, dann hat der erste, der den Zuschlag bekommt, nichts Eiligeres zu tun, als seine Arbeit zu machen, und wird sich öffentlich nicht artikulieren. Und alle anderen artikulieren sich meistens in der Art und Weise, dass sie sich diskriminiert fühlen oder hinten angestellt fühlen. Nur, meine Damen und Herren, das ist möglicherweise die öffentliche Äußerung. Wenn Sie

aber mal zum Landesverwaltungsamt gehen, zur Vergabestelle, das hält sich in Grenzen, was geklagt wird gegen die Vergabepraxis, meine Damen und Herren. Man muss da mal ein bisschen separieren zwischen Äußerlichkeiten in der Wortwahl und zwischen der tatsächlichen Praxis.

Meine Damen und Herren, wir hatten gesagt, die Anhörung sollte insbesondere auch klären, wie die rechtliche Position ist. Und, Herr Ramelow und Herr Lippmann, ich habe es im Ausschuss gesagt und ich sage es hier noch mal, die Position, die von Herrn Professor Huber von der Uni in Jena vorgetragen wurde, war so schockierend und so gravierend, dass man im Grunde genommen jede weitere Debatte hätte beenden können. Das will ich mal so deutlich sagen, denn die rechtlichen Bedenken sowohl von der Verfassung her als auch vom Grundgesetz, aber auch von der Europäischen Gemeinschaft, die nicht sagt, fairer Wettbewerb, sondern unverfälschter Wettbewerb, und die dann sagt, Diskriminierungsverbot - das sind die beiden Eckpunkte, die er genannt hat. Er hat auf Ihre Nachfrage, Herr Kollege Ramelow, artikuliert, dass man möglicherweise in einem sehr engen Rahmen - ich sage mal hier auch symbolhaft - ein Vergabegesetz konstruieren könnte, das eine politische Absicht artikuliert, das aber ich will es mal so sagen - weiße Salbe wäre. Wenn Sie schon aus den Anhörungen zitieren, Herr Kollege Lippmann, dann zitieren Sie bitte oder bemerken Sie auch, was Herr Fröhlich gesagt hat vom Bauindustrieverband zur bayerischen Lösung. Im Übrigen hatte ich das mit der Abschottung Saarland und Bayern schon in der ersten Lesung hier gesagt. Er hat sich bei seinen Kollegen in Bayern erkundigt und die Bestrebung der bayerischen Staatsregierung dahin gehend geschildert - "Bayerisches Echo": Herr Stoiber ist ein ehrgeiziger Mann, der möchte eben auch so ein Bündnis für Arbeit haben, wie es Herr Schröder auf der Ebene des Bundes geschafft hat, aber im Grunde genommen hat sich überhaupt nichts geändert in Bayern; die Preise sind gleich geblieben und die Wettbewerbssituation ist auch gleich geblieben. Also, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wenn es Ihnen so ganz wichtig ist, weiße Salbe auszuteilen, dann ziehen Sie weiter in diesen Kampf, weiße Salbe auszuteilen, und sagen Sie, das, was als Entschließung der CDU auf dem Tisch liegt, was also auch eine Antwort auf die entsprechenden Probleme ist, lehnen wir ab.

Ich habe zu dem Verfahren, das Sie an den Tag legen oder mit dem Gesetz beabsichtigen, nach einem Vergleich gesucht und da ist mir eine Weisheit von Laotse untergekommen, die heißt dort, und das ist meine Position auch in diesem Fall: Nichts tun ist besser, als mit viel Mühe nichts zu schaffen, meine Damen und Herren. Meine Fraktion hat in der Beratung zur Vergabepraxis neben der Anhörung zwei weitere, ich will mal sagen, kleinere Anhörungen durchgeführt. Die erste war eine Anhörung der Vertreter des Landesrechnungshofs, des Landesverwaltungsamts und einer Behörde, die viele öffentliche Aufträge vergibt, und zwar des Landesamts für Straßenbau. In dieser Be

sprechung sind a) gerade die Erfahrungen mit der Vergabepraxis deutlich geworden, also Klagen gegen Vergaben sind relativ selten, und b), dass wir den Vergabestellen sehr deutlich die geltende Praxis in Erinnerung rufen müssen und ihnen auch Sicherheit geben müssen, meine Damen und Herren. Es ist ein landläufiges Vorurteil, möglicherweise auch eine Beobachtung, dass immer nur der Billigste bedient wird. Das gibt die Vergabeordnung nicht her. Sie ist dreistufig aufgebaut und in diesem Verfahren ist die Frage des Preises die letzte Stufe. Die erste Stufe, meine Damen und Herren, ist, dass man in den Angeboten nach einem geeigneten Bieter suchen muss, nach der Frage Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Und, meine Damen und Herren, ich bin der festen Meinung, dass Sie in diesen drei Kriterien insbesondere auch die Tariftreue würdigen können. Denn eine gute Bezahlung hat sicher auch etwas mit Qualitätsarbeit zu tun, hat was mit Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit zu tun. Das heißt, wenn ich die Vergabepraxis ordentlich exekutiere, dann habe ich auch insbesondere die Frage der Tariftreue zu berücksichtigen. Und dieser Eindruck, dass der Ehrliche der Dumme ist, kann nicht auftreten, er darf dann auch nicht auftreten. Die zweite Stufe ist die technische Prüfung und erst die dritte Stufe ist der Preis und dort heißt es auch, das wirtschaftlichste Angebot. Das bedeutet, wenn man mit dieser Vergabepraxis ordnungsgemäß umgeht, das macht Mühe, das weiß ich, dann kann man im Grunde genommen trotz Wettbewerbssituation auch sehr stark gerade tariftreue Betriebe präferieren und mit Aufträgen versorgen. Das Problem ist nur - und deshalb unser Entschließungsantrag in den Punkten 2 und 3 -, es ist der einfache und bequeme Weg, bei der Vergabe einfach nur auf den Preis zu achten, weil alle anderen Dinge begründet werden müssen. Deshalb unsere Bitte: Diese Dinge auch deutlicher zu artikulieren durch ein Merkblatt, durch eine Broschüre, auch durch Informationen im Internet beispielsweise, aber auch durch die Schulung und die Einbeziehung der Ingenieurkammer und der Architektenkammer. Denn einer Stadtverwaltung oder einer Kreisverwaltung steht bei Auftragsvergabe oftmals auch ein Ingenieur als Fachkundiger bereit und wenn er andere Prämissen setzt als die, die wir hier festlegen, dann wissen Sie, wie die Auftragsvergabe laufen wird.

Wogegen ich mich entschieden wehre, Herr Kollege Lippmann, dass Sie das Instrumentarium des Landes so ein Stück als wirkungslos darstellen. Ich glaube, Herr Minister Schuster, wir sind sehr einer Meinung, dass die Mindestlohnrichtlinie und auch die Richtlinie zur Mittelstandsförderung, die die Allgemeinverbindlichkeit auch insbesondere fordert, ein sehr effektives Instrumentarium auf Landesebene ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie sich nichts vormachen, die Unternehmen müssen dafür unterschreiben und sie werden kontrolliert auf Einhaltung des Mindestlohns. Bis auf die Baustelle gehen die Leute und kontrollieren, das Angebot auch, aber auch, wie gesagt, die Durchführung. Unser Entschließungsantrag sagt in Punkt 1, dass dieses

Verfahren, und das war ja Ihre Kritik, was das Land nimmt, dass wir dieses Verfahren nicht ad hoc den Kommunen, also Landkreisen und den Städten, auch auftragen können, sondern dass wir es empfehlen. Und ich höre aus dem Innenministerium auch die Bereitschaft, eine entsprechende Verordnung bzw. eine Situation zu schaffen, dass auch den Kommunen und den Landkreisen auferlegt wird, nach Mindestlohnrichtlinie des Landes zu vergeben, meine Damen und Herren. Damit sind wir EU-konform. Im Übrigen möchte ich deutlich sagen, wir müssen nicht in der Sorge leben, vor einem Verfassungsgericht zu scheitern, wir müssen nicht in der Sorge leben, vor europäischem Wettbewerbsrecht zu scheitern, sondern wir haben einen sehr entschiedenen Beitrag des Landes geleistet, dann auch der Kommunen und der Landkreise, gegen Lohndumping und gegen ruinösen Wettbewerb. Was jetzt noch wichtig ist, dass es auch in die Köpfe reingeht. Man muss auch so ein bisschen eine Imagekampagne wahrscheinlich für das einheimische Gewerbe, für das einheimische Gewerk schaffen, dass man erstens die Sicherheit hat, man ist auf der rechtlich sicheren Ebene, wenn man entsprechend arbeitet, und zweitens, dass man auch den Blick weitet dafür, wie es in anderen Ländern ja auch ist, dass es nicht von Nachteil ist, wenn man einheimische Betriebe und einheimische Unternehmen mit Aufträgen versieht.

Meine Damen und Herren, ganz deutlich, im Anliegen sind wir uns einig. Der Weg, den die SPD-Fraktion vorgeschlagen hat mit dem Vergabegesetz, ist falsch und nach unserem Erachten auch wirkunglos. Der Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, nimmt beide Problemkreise auf. Er nimmt auf, erstens den Problemkreis Mindestlohnrichtlinie vorzuschreiben auch für die kommunalen Aufträge und gibt auch noch mal Sicherheit in der Vergabepraxis.

Ich darf zum Schluss noch sagen, auch einen zweiten Punkt, Herr Kollege Lippmann, den Sie in der Einbringung mit vorgetragen haben, habe ich in einer kleinen Anhörung mit meinen Kollegen besprochen, und zwar mit den Verkehrsunternehmen, mit dem Verband VDV und mit dem LTO, mit der ÖTV, mit dem Landkreistag und mit dem Gemeinde- und Städtebund. Die Änderung im Blickwinkel Daseinsvorsorge der Europäischen Gemeinschaft, was den öffentlichen Personennahverkehr angeht, zwingt uns schon, auch Vorsorge zu treffen, dass die Aufgaben im öffentlichen Personennahverkehr auch in Zukunft durchgeführt werden. Ich habe von allen Gesprächspartnern gehört, erstens, dass man insbesondere durch die Stärkung der Infrastruktur und der Technik sich wettbewerbsfähig machen kann für die neuen europäischen Bedingungen, und zum Zweiten, und das ist nun eine Sache, die die Tarifpartner leisten müssen, dass sie einen Spartentarifvertrag schaffen müssen, denn wir haben einen eklatanten Unterschied in den Löhnen zwischen den privaten Busunternehmen und den kommunalen Busunternehmen. Ich weiß, dass die Tarifpartner dort auf dem Weg sind, einen Spartentarifvertrag zu machen und der Spartentarifvertrag dann auch Grundlage der Vergabe von Konzessionen und der Vergabe entsprechend des Nahverkehrs

plans ist. Auch an dieser Stelle, die von Ihnen, Herr Lippmann, so drohend dargestellt wurde, sehe ich keinen Handlungsbedarf, sondern es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Die Tarifpartner tun es; es bedarf also keines Gesetzes. Ich bitte Sie noch mal nachdrücklich, Ihre ablehnende Haltung zum Entschließungsantrag zu überdenken. Ich glaube, es tut der Sache nicht gut, wenn Sie sich nur allein aus einem, ich will mal sagen, Gefühl des gekränkten Stolzes dieser Entschließung verweigern. Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Minister Schuster.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist durchgefallen. Daran ändern auch die hier vorgetragenen Reden nichts.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Durch- gefallen, woher wissen Sie denn das?)

Es ist deutlich geworden, dass ihm erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel entgegenstehen. Es ist deutlich geworden, dass er kontraproduktive wirtschaftliche Folgen zeitigen würde. Es ist ziemlich schlüssig dargestellt worden, dass er eine Anhebung der Preise zur Folge hätte von 10 bis 20 Prozent. Damit würden natürlich die Umsätze zurückgehen, unseren Bauunternehmen würde der letzte Wettbewerbsvorteil genommen, nämlich mit relativ günstigen Lohnkosten Preise gestalten und Aufträge erringen zu können. Es überzeugt auch nicht der Hinweis auf Bayern und das Saarland. Es macht halt einen Unterschied, ob man mit der Tariflohnbindung Konkurrenten abwehren will aus den Nachbarländern oder ob man damit praktisch die eigenen Unternehmen benachteiligt. Die bayerische Interessenlage ist ganz eindeutig. Man will mit solchen Regelungen die "lästige Konkurrenz", z.B. aus Thüringen, abwehren. Im Saarland ist es auch klar. Man will Konkurrenz aus Lothringen auf die Weise abschirmen. Anders dagegen ist unsere Interessenlage. Wir brauchen diesen Wettbewerbsvorteil weiterhin, um den Abschwung im Bausektor nicht noch dramatischer ausfallen zu lassen. Und gerade hierin liegt die kontraproduktive Wirkung dieses vorgelegten Gesetzentwurfs. Er geht also völlig an der Marktsituation im Bausektor bei uns vorbei. Alle Vertreter der Bauwirtschaft, die angehört wurden, die sich geäußert haben, haben darauf aufmerksam gemacht.

Es ist ja nicht so, dass wir nicht gleiche Anliegen haben. Wir wollen übereinstimmend verhindern, dass es auf unseren Baustellen zu Sozialdumping kommt. Wir wollen übereinstimmend verhindern, dass ruinöser Wettbewerb stattfindet bei Vergaben. Im Ziel sind wir uns einig, und die

ses Ziel, Herr Lippmann, ist nicht reine Theorie. Wir haben es im Tiefbau bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit geschafft, dieses Ziel zu realisieren. Sowohl bei DEGES-Vergaben als auch bei Vergaben unseres Autobahnamts wird jedes Preisangebot daraufhin geprüft, ob Mindestlöhne eingehalten werden. Es wird sichergestellt, dass es solche Verstöße nicht gibt. Herr Lippman, das sollten Sie zur Kenntnis nehmen und die von Ihnen gemachten Aussagen nicht wiederholen.