Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Denn ich muss Ihnen sagen, bei den verkauften Kälbern - 81 Stück männliche Kälber haben wir verkauft - hat sich der Preis halbiert. Besser ich hätte sie alle, ich weiß gar nicht was ich machen soll, das ist Minus. Die Kühe,

die ich hätte verkaufen können, zum Teil stehen sie in den Ställen und können überhaupt nicht gehandelt werden. Und wir haben ja Reproduktion, das kann man sich nicht vorstellen, jeden Tag werden Kälber geboren. Bei den Chinesen früher haben sie wohl die Mädchen alle gleich umgelegt. Also, ich kann doch die Kälber nicht umlegen.

(Beifall Abg. Gerstenberger, Abg. Kummer, PDS)

Ich muss die doch aufziehen. Ich habe 1.000 Stück Vieh, 1.000 Stück Vieh nehmen im Durchschnitt 500 bis 800 g zu. Wir schieben das vor uns her. Und wenn ich gestern gehört habe vom Herrn Innenminister Köckert, wo er gesagt hat, da haben sie Schulden, in dem Landkreis haben sie Abwasserschulden, Ihr wisst ja noch gar nicht was auf uns zukommt, was das alles kostet. Und da stimme ich dem Herrn Dr. Botz zu, was da dieser Branche angetan worden ist, kann man sich gar nicht vorstellen, das muss ich noch einmal wiederholen, deshalb ist es gut, dass unser Landwirtschaftsministerium wenigstens so reagiert hat, was die Unterstützung der Bauern in Form eines Vorschusses auf die Rinderprämie angeht. Überlegt wird auch, die Schlachtbetriebe zu entlasten, indem das Land die Kosten für die BSE-Tests übernimmt. Aber, ich muss sagen, dass muss auch über die EU und die Bundesregierung mitgemacht werden, weil das so viel Geld ist. Wenn wir jetzt den Haushalt beschließen, können wir alles ganz umwerfen, wenn das das Land tragen soll. Und das Schlimme ist - wie hier schon gesagt worden ist - die sind ja gar nicht sicher, die Tests, denn was nur am toten Tier gemacht wird, ist sowieso schon halbe Vergangenheit. Dann kannst du es nur noch verbrennen, da kannst du gar nichts mehr machen, und das ist eine ganz große Schweinerei. Da muss ich noch einmal sagen - ist hier auch angesprochen -: Dieses Institut, was in Europa sein muss, das gehört vom ersten Tag an dazu, zur Europäischen Union, da ist überhaupt nichts gemacht worden. Und hier, muss ich auch sagen, kommt ein bisschen zum Ausdruck, wenn ich immer gesagt habe, wir brauchen ein bisschen Außenschutz, wo anders wird etwas ganz anderes gemacht. Weil z.B. Finnland und Schweden sagen, wir füttern weiter Tiermehl, wir haben keinen BSE-Fall, ist hier angeführt worden, wir füttern es einfach weiter, die anderen füttern weiter Tiermehl, zumindest bis zum Jahr 2001 - da machen die sich gar nichts draus. Und nun sollen wir Vorreiter machen und auch alles bezahlen und das geht in Wirklichkeit nicht. Wir wissen alle, wie angespannt unser Landeshaushalt schon ist, aber diese Dinge sollten unbedingt so gemacht werden, wie ich das angeführt habe. Eins sollte bei dieser Diskussion wirklich nicht ins Hintertreffen geraten. Die wichtigste Aufgabe ist, alles zu tun, um das Vertrauen unserer Menschen, in dem Fall der Verbraucher, wieder herzustellen. Das, finde ich, ist schwer genug für alle. Deshalb mein Appell an alle, die etwas damit zu tun haben, an jeden Fernsehmann, der sowieso viel mehr verdient als ein Bauer mit 100 ha, dass er überlegt, was er für eine

Frage stellt, dass er sich das jeden Tag überlegt. Zum Schluss zahlt er das mit, und wir zahlen das alle mit. Deshalb ist die Forderung auch der PDS, die ganz oben angesiedelt werden muss, der vorbeugende Gesundheitsschutz muss oberste Priorität bei all den gegenwärtig durchzuführenden Maßnahmen haben.

Wir gehen so weit und sagen, die wichtigste Frage ist nicht, was wir uns dabei leisten können, sondern die wichtigste Frage ist: Was können wir zum Schutz der Menschen noch tun? Ich denke, in diesem Sinne kann nie zu viel, eher zu wenig gemacht werden. Denn das Vorsorgeprinzip, wo ich schon einmal darauf angesprochen habe, verlangt, dass auch Risiken - Herr Minister Dr. Pietzsch, jetzt frage ich Sie, oder Sie sollten jetzt aufpassen -, die nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, grundsätzlich als real anzusehen und auch nach Möglichkeit zu beseitigen sind.

Angesichts der potenziellen Gesundheitsgefahren bei uns bis heute, wo ein ungesichertes Wissen über die Ursachen und Ausbreitungswege der Krankheit besteht, muss BSE geradezu als klassischer Fall für eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips gesehen werden. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass Forschung gezielt staatlich weiter gefördert werden muss auf diesem Gebiet. Und es bedeutet - und das sage ich ganz bewusst - die Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsanstalten, kurz MLVUA, in Thüringen dürfen nicht weiter als Anhängsel betrachtet werden. Dazu habe ich vor vier Jahren hier vor diesem hohen Hause schon einmal ganz eindeutig gesprochen.

(Beifall bei der PDS)

Ich will nicht in der Vergangenheit herumwühlen, aber ich muss sagen, jetzt wird dort ordentlich aufgerüstet und das finde ich gut so. Denn es geht darum, für ein Seuchengeschehen müssen optimale, effiziente Informationsstrukturen vorhanden sein, um die Bekämpfung umfassend zu gewährleisten. Diese sind auf der Ebene einer Kommune oder eines Kreises nicht schnell und sicher durchzuführen. Das hat uns Barchfeld bewiesen. Bei dieser Wurstgeschichte hat sich gezeigt, wie wichtig ein schnelles Reagieren seitens des zuständigen Fachministeriums ist. Uns ist doch allen klar, dass das Thema BSE schon seit Jahren auf der Tagesordnung steht. Vielleicht dachte der eine oder der andere sogar, es ist immer noch schön weit weg, wie manche Kriege weit weg sind, uns trifft es nicht. Jetzt hat uns eben die Realität mit dem einen oder anderen Fall eingeholt und ich bin mir auch sicher, dass das so ist, wie Herr Minister Dr. Pietzsch gesagt hat, dass bei mehr Untersuchungen mehr Fälle auftreten, zumindest Verdachtsfälle.

Ich bin mir genauso sicher, dass in Schweden und auch in Finnland Fälle auftreten werden, wenn untersucht wird, weil das in der ganzen Welt da ist. Ich bin mir auch sicher, dass das in Argentinien ist. Das kann gar nicht an

ders sein, denn dieser Erreger ist ein verändertes Eiweiß und kommt hauptsächlich - wie hier schon gesagt worden ist - im Rückenmark und im Gehirn vor. Sie kennen ja alle schon immer - ich hoffe, dass ein Teil das kennt, die Fachleute kennen es sowieso - die Listeriose beim Schaf. Die Listeriose beim Schaf ist eine Krankheit, die schon lange, lange besteht und die auch eine Gehirnkrankheit ist, da fängt das Schaf an und dreht sich immer. Ganz traurig, wird sofort gekeult, weil das eben nicht weitergehen darf, und da müsste eigentlich auch hier - in unserem Entschließungsantrag ist das ja drin, ich bitte den dann auch zur Beschlussfassung vorzulegen. Seit heute früh haben wir auch einen, freue ich mich, von der CDU, den wir evtl. auch an die Ausschüsse überweisen können, denke ich. Ich habe ihn heute früh gleich gelesen. Also, das mit den Schafen ist genauso gefährlich.

Wenn ich jetzt etwas sage, müssen Sie das richtig verstehen. Die Untersuchung, ein Test bei einem Schaf, kostet auch 100,- bis 200,- DM. Normal ist aber ein Mutterschaf weniger wert als 100,- DM. Also, es ist überall, wenn wir immer so reden, vom Kosten-Nutzen-Denken auch auszugehen, eine ganz gefährliche Geschichte.

Wenn ich eine kurze Rückblende noch einmal machen darf: Nach einem Bericht in der FAZ vom 30. November 2000 wurden die ersten Erkrankungen bei Rindern in England 1985 bekannt. Es wird sogar schon von einer Epedemie gesprochen. Die chronologische Auflistung sagt etwas aus über die festgestellten Erkrankungsfälle, über Forschungen, deren Ergebnisse teilweise blockiert wurden und gar nicht an die Öffentlichkeit gelangten und auf anderweitige Maßnahmen der politischen Entscheidungsträger. Diese Chronik ist eine lange, lange Aneinanderreihung von Fakten, Verschleierungen, halbherzigen und sogar Fehlentscheidungen. Ich möchte das aber nicht weiter ausführen und kommentieren, denn das ist ja ein Thema für sich ganz allein.

Nur eines möchte ich noch anfügen: Gedauert hat es dann bis 1996, dass die EU-Kommission wenigstens ein weltweites Exportverbot für britische Rinder, Rinderprodukte und Tiermehl verhängte. Die Rolle der Europäischen Kommission hat sich seitdem auf alle Fälle auch gewandelt, dass verantwortungsbewusster mit dem Risiko umgegangen worden ist. Ich denke, dass jetzt in Deutschland der bekannt gewordene Fall nun endlich Anlass sein muss, ein Umdenken insgesamt in der Gesellschaft hervorzubringen. Es ist doch zu kurz gegriffen, die Bewältigung von BSE nur auf veterinärmedizinische, technische und organisatorische Konsequenzen zu beschränken. Was wir brauchen ist eine sachliche Debatte zu notwendigen Veränderungen in der Art und Weise der Agrarproduktion, damit wir zu einer wirklich nachhaltigen Produktions- und Ernährungsweise in Europa kommen. Das wird natürlich teuer für alle, am teuersten für die Verbraucher.

Ich erlaube mir hier einmal ein Zitat aus einer Broschüre zur Agenda 21 zu verlesen, die in diesen Tagen, glaube ich, jedem Abgeordneten zugegangen ist. Ich zitiere, Frau Präsidentin: "Die regionale Vermarktung und ökologisch orientierte Produktionsweisen sind die wichtigsten Merkmale einer nachhaltigen Landwirtschaft." Das steht sinngemäß genauso im Wahlprogramm der PDS zu den Landtagswahlen 1999. Im Sinne des Teilziels wird hier der Schwerpunkt auf die regionale Erzeugung gelegt. Die Notwendigkeit veränderter Produktionsformen, die Verkürzung von Transportwegen und die Wiedergewinnung des Vertrauens der Konsumenten sprechen für einen hohen Anteil regionaler Produkte. Die konventionelle, am internationalen Markt orientierte Landwirtschaft tendiert zu einer Spezialisierung mit großflächigem Anbau und dem Einsatz von großen Maschinen. Der regionale Absatzmarkt ist hingegen auf möglichst breite Angebotspaletten angewiesen und begünstigt damit auch den ökologischen Anbau, den wir hier zur Anhörung vor kurzem im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft in dem Raum hatten, der uns auch ganz schön etwas aufzeigte, was gemacht werden kann. Ich muss aber immer wieder betonen, heute 2 Prozent - und wenn wir 10 Prozent in 10 oder 15 Jahren haben, finde ich es doch richtig, jeder, der das macht, und ich reagiere freundlich und möchte ihm immer helfen. Aber das sind dann eben erst 10 Prozent. Und die anderen? Das ist wohl wahr, so geht das nicht weiter.

Ich muss aber noch einmal sagen, ein weiterer Aspekt ist bei der konventionellen Landwirtschaft und der verarbeitenden Region eine wichtige Geschichte. Heute haben wir oftmals noch einen nicht richtigen Umgang mit den Tieren, vor allem bei europaweiten Schlachtviehtransporten. Das muss man immer sehen. Das wird auch immer nur dann im Fernsehen gezeigt, alles andere, wie sie vernünftig gehalten werden, auf Tiefstroh usw., wird überhaupt nicht gezeigt. So weit aus dieser Broschüre, deren Impressum zu entnehmen ist, dass das Thüringer Landwirtschaftsministerium Mitherausgeber ist oder ist es nur unser Wahlprogramm. Ich denke, mit diesem Ziel wird auch deutlich, wir haben es bei BSE nicht nur mit einem Problem der Landwirtschaft, sondern mit einem zutiefst gesellschaftlichen Problem zu tun. Deshalb geht es uns auch um ein Umdenken auf europäischer Ebene. Ich nenne nur zwei Beispiele: Es ist unbedingt notwendig - das ist ja auch schon erwähnt worden, ich konnte seinen Bericht vorher nicht lesen, sonst hätte ich mir noch etwas anderes ausgedacht - auf eine europäische Harmonisierung des Schutzniveaus hinzuarbeiten. Wenn wir ein EU-Land sind und ein Europäer, dann brauchen wir ein europäisches Schutzniveau, da gehört das eigentlich hin, denn Länder wie Finnland und Schweden, wie ich schon einmal sagte, sehen da keine Veranlassung, hier ein bisschen mit Druck zu machen. Deshalb wird auch das deutsche Tiermehlverbot sein Ziel nicht voll erreichen und ist zu kurz gegriffen bis zum Juni im Jahr 2001. Das sind alles Faxen. Wenn ich das als Erstes sehe, sind wir da schon wieder nicht auf der richtigen

Höhe, wenn es wie bisher darauf beschränkt bleibt, danach besteht das Risiko, dass billiges Rindfleisch aus Belgien, Niederlanden und Dänemark wieder auf die Ladentische nach Deutschland kommt. Ich hoffe, dass das auch so gemacht wird, hier muss man sagen, Thüringen hat immer dagegengehalten - da stimme ich unserem Landwirtschaftsminister zu - aber man muss auch noch mehr Härte zeigen. Hier rede ich noch einmal dafür, es muss, solange das in der EU nicht ordentlich klappt und jedes Mal, wenn ein anderer Ratspräsident... - und die Schweden übernehmen jetzt in Kürze den Rat -, was denkt Ihr, was da wieder los ist? Da kannste mit denen nicht so diskutieren, wie wir hier diskutieren. Gestern sagen wir, wir machen einen Entschließungsantrag, heute haben wir zwei, übermorgen drei. Da kommt ja gar keiner mehr nach. Der einfache Mensch ist dann eben verunsichert. Da, meine ich, gehören bestimmte Sachen des Außenschutzes dazu, wo ich immer schon dafür geredet habe, aber da hat ja immer mein Minister gesagt: Schlachte doch die 90 oder wenigen englischen Tiere. Das habe ich dem vor ein paar Jahren auch einmal im Ausschuss empfohlen. Wisst Ihr, was er gesagt hat, mein Minister aber das war aus der Unkenntnis der heutigen Sache: Wir sind nicht in der DDR, wir können nicht so kurz eine Weisung erteilen, da brauchen wir erst ein Gesetz und eine Verordnung usw. Wenn wir darauf immer warten wollten, wir haben ja jetzt gesehen, wie schnell die das Gesetz zum Verbot gemacht haben, da haben sie einmal reagiert, weil sie das richtig erkannt haben.

Ich könnte noch eine ganze Reihe Vorschläge anbringen, dies würde aber unseren Rahmen hier sprengen, deshalb hat die PDS eben ihre Vorstellungen in einen Entschließungsantrag gefasst. Ich bitte, den hier zu beschließen, und ich bitte auch im Sinne von uns allen, den Antrag von unseren Freunden der CDU, der heute früh...

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Meine Freunde suche ich mir aus.)

Ich habe hier gesagt, mit BSE tickt eine Zeitbombe. Da gilt das nicht, BSE fragt nicht, ist das ein Roter oder ein Schwarzer, darum sage ich das und appelliere so an Sie, Ihren Antrag an den Ausschuss zu überweisen, da können wir ruhig noch einmal diskutieren. Manche sagen, das ist schon genug. Es ist nie genug, habe ich gesagt, wenn wir Seuchen und Krankheiten verhindern können, müssen wir über einen Bock springen, der noch gar nicht so hoch ist, wie es noch gar keiner kann. Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Es hat jetzt Frau Abgeordnete Heß, SPD-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, seit dem 26.11. dieses Jahres ist alles anders. Das viel beschworene "Made in Germany" für deutsches Rindfleisch als besonderes Qualitätskriterium ist nicht mehr. Ein kleiner Bauernhof in Schleswig-Holstein, hinlänglich unverdächtig bezüglich Massentierhaltung und sonstiger Schweinereien, lieferte das erste BSE-positive Tier in Deutschland. Entdeckt wurde es nur, und es ist das Makabere an der Sache, weil bei diesen Schlachttieren in freiwilliger Selbstverpflichtung ein BSE-Test durchgeführt wurde. Entsetzen und große Ratlosigkeit ging durch die Medien, denn einfache Erklärungen für diesen Fall gibt es nicht. Weder stammte das Rind noch seine Vorfahren aus Großbritannien, noch wurde auf dem Hof jemals - zumindest wissentlich - Tiermehl an Wiederkäuer verfüttert. Das Vertrauen der Verbraucher in die Politik und in die Landwirtschaft ist nachhaltig erschüttert. Zahlreiche Landwirte sind in ihrer Existenz bedroht, denn der Rindfleischmarkt ist quasi zusammengebrochen. Vor diesem Hintergrund wird die immer einmal wieder laut werdende Forderung nach einem Importverbot für britisches Rindfleisch zur totalen Farce. Wer soll denn eigentlich hier vor wem geschützt werden? Wir vor den Briten oder nicht lieber die Norweger vor uns? Also weg mit dem ganzen populistischen Unfug. Es ist Schaden entstanden, und diesen Schaden gilt es nun zu begrenzen. Die Ursache für diesen Schaden lässt sich weder an einer Person noch an einer politischen Gruppe festmachen, sondern liegt meiner Ansicht nach tief in unserer Gesellschaft. Auf der einen Seite sind die Deutschen bereit, Millionen und Abermillionen auszugeben, um ihre Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern. Die Umsätze für Vitaminpräparate, Schlanker- oder Kräftigermacher, Mineralstoffmischungen und Lightprodukte steigen ständig. Dem steht gegenüber, dass Grundnahrungsmittel seit Jahren zu Billigstpreisen verschleudert werden, bei gleichzeitig gewachsenen Ansprüchen an die Qualität. Ich zitiere einen mittelständischen Lebensmittelhändler: "Bei Billigstware muss immer irgendjemand betrogen werden." Das ist entweder der Bauer, der für umsonst arbeitet, oder der Händler, der nichts verdient, oder der Kunde, der mangelhafte Ware bekommt". Gaben im Jahr 1960 die Durchschnittsfamlien noch rund 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, so investiert die heutige Durchschnittsfamilie nur noch 10 bis 14 Prozent ihres Einkommens in Lebensmittel. Hier klafft eine Schere auseinander, die mit eine Ursache für die beschriebene Misere ist.

Seit Jahren leidet die Landwirtschaft darunter, dass die großen Handelsketten mit enormem Preisdumping gerade den Fleischmarkt immer wieder nach unten gedrückt haben. Spitzenqualität zum Billigpreis - das ist ein Anspruch, der völlig unrealistisch ist.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das hat doch nichts mit Spitzenqualität zu tun.)

Doch was tun, um den Schaden zu begrenzen, um Vertrauen bei den Verbrauchern zurückzugewinnen und auch den Landwirten eine gesicherte Perspektive aufzeigen zu können? Ein erster Schritt ist mit dem generellen Verfütterungsverbot für Tiermehl getan worden. Erfreulicherweise hat das Gesetz, quasi einstimmig, den Bundestag passiert. Die finanziellen Konsequenzen daraus sind erheblich und können keinesfalls vom Landwirt allein getragen werden. Hier sind alle gefordert: von der EU, über Bund und Land, bis hin zum Verbraucher. Diese Maßnahme des vorbeugenden Gesundheitsschutzes ist umso wichtiger, da wir nach wie vor nur sehr wenig über die geheimnisvolle Krankheit BSE wissen. Ob alle so genannten Kenntnisse der vergangenen Woche einer tatsächlichen Prüfung standhalten, sei einmal dahingestellt. Da ist von Inkubationszeiten von fünf bis vierzig Jahren die Rede, davon, dass kleine Dosen aufgenommen schon ausreichen, um eine Infektion auszulösen, bis hin zur Behauptung, dass nur einige wenige spontan erkranken, weil auch andere Faktoren mit bei dieser Krankheit beteiligt sind. Das bisher betriebene Prinzip von "Glauben und Hoffen" hat sich bezüglich BSE als vollkommen untauglich erwiesen. Es muss schleunigst durch Wissen, und zwar durch gesichertes Wissen, ersetzt werden. Ein erster wichtiger Schritt dazu ist, alle über 30 Monate alten Rinder, die zur Schlachtung kommen, in Thüringen flächendeckend zu testen. Das schafft zwar im speziellen Einzelfall keine Sicherheit für den Verbraucher, ist aber von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Infektionsgeschehens in Thüringen und deutschlandweit. Ein Tiermehlverbot zu beschließen und dann auch umzusetzen, das können durchaus zweierlei Dinge sein. Hier sind deshalb unverzüglich umfassende staatliche Kontrollen erforderlich. Wir brauchen eine lückenlose Kennzeichnung bei Rindern von der Geburt bis zur Verarbeitung. Hier muss die Bundesregierung bei der EU darauf drängen, dass die in dieser Richtung gefassten Beschlüsse endlich in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Wir brauchen mehr Wissen über BSE. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung die Erforschung dieser Krankheit weiter vorantreiben wird. Die Länder, demzufolge auch Thüringen, müssen hier ihren Beitrag leisten, indem sie möglichst lückenlose epidemiologische Untersuchungen mit Hilfe der Schnelltests durchführen. In dieser dramatischen Umbruchsituation braucht die Landwirtschaft unsere Unterstützung. Es ist vordringliche Aufgabe, die Liquidität der Betriebe zu sichern und Unterstützung bei erforderlichen Produktionsumstellungen zu geben. Völlig unverständlich sind vor dem derzeitigen Hintergrund die starken finanziellen Einschnitte bei den Verbraucherzentralen Thüringens, die im Doppelhaushalt 2001/2002 vorgesehen sind. Verbraucherberatung ist wichtiger denn je,

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: So ein Quatsch, Verbraucherberatung.)

das haben die letzten Wochen ganz besonders gezeigt. Ich hoffe, dass angesichts der heutigen Situation ein Antrag

meiner Fraktion zur Aufstockung der finanziellen Mittel für die Verbraucherzentralen und insbesondere auch für die ernährungsbedingte Verbraucherberatung bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts in der kommenden Woche eine breite Zustimmung erfahren wird.

(Beifall bei der SPD)

Eine Ablehnung wäre gerade in der heutigen Situation unverantwortlich.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das ist doch auch Quatsch.)

Hoffentlich haben nun auch die unsäglichen Debatten um eine Privatisierung des Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamts ein Ende. Staatliche Kontrollen sind ein wichtiger Bestandteil des Verbraucherschutzes und können nicht im beliebigen Umfang reduziert werden. Die Bürger erwarten zu Recht, dass aus ihren Steuergeldern ein effektives System des vorbeugenden Gesundheitsschutzes aufgebaut wird. Die Arbeitsbedingungen des hierfür zuständigen MLVUA sind seit Jahren, Dank der Blockadehandlung des Finanzministers, miserabel und müssen schnellstens verbessert werden.

(Beifall Abg. Dr. Pidde, SPD)

Auch die Kommunalisierung der Amtstierärzte und Lebensmittelkontrolleure ist unter fachlichen Gesichtspunkten unsinnig und sollte vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens neu überdacht werden. Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt auch im Lande noch genug zu tun. Lassen Sie uns diese Aufgabe zügig in Angriff nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Arenhövel, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Minister Dr. Pietzsch, im Namen meiner Fraktion möchte ich mich recht herzlich für den von Ihnen gegebenen sehr dezidierten und fachlich aufbereiteten Bericht bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Er hat uns nämlich eines gezeigt, Thüringen hat beim Gesundheits- und Verbraucherschutz die Nase vorn.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben es nicht nötig, uns von irgendjemandem dazu ermahnen zu lassen, sondern es entspricht unserer eigenen Intention. Frau Heß, in diesem Punkt muss ich sagen, halte ich Ihre Rede schon auch ein Stück weit für verfehlt, weil ich denke, wir tun hier einiges und nicht nur das.

Herr Minister, ich weiß, dass in Ihrem Haus unter großem Aufwand und mit Hochdruck daran gearbeitet worden ist, dass die BSE-Schnelltests realisiert werden können, und auch dafür möchte ich Ihrem Haus recht herzlich danken und auch Ihren Mitarbeitern.

Wenn hier davon gesprochen wird, es ist eigentlich niemand so richtig verantwortlich für die Situation usw., da kann ich auch dieses nicht so stehen lassen, denn wir wissen, dass auch die alte Bundesregierung sehr viel getan hat, um hier ein Importverbot z.B. durchzusetzen. Es gibt vom 19.07.1999 ein Schreiben des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, von Herrn Seehofer, in dem er Frau Fischer auf die Gefahren hinweist und in dem er die obligatorische Einführung von BSE-Schnelltests fordert und die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes. Frau Ministerin Fischer hatte allerdings am 21.09.1999 in London zugesagt, das Exportverbot für britisches Rindfleisch zu lockern und hat damit auch mit entscheidend dazu beigetragen, dass die Krise heute so ist, wie wir sie hier auch in Thüringen vorfinden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Glauben Sie das wirklich, was Sie da sagen?)

Ja, natürlich.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Dann tun Sie mir Leid.)

Herr Abgeordneter Botz, bitte mäßigen Sie sich.

Herr Dr. Botz, nun nehmen Sie doch einmal bitte zur Kenntnis, dass am 02.02.2000 die Bundesregierung beschlossen hat, das Exportverbot für britisches Rindfleisch zu lockern.