Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Meine Damen und Herren, einige Probleme, die noch zu lösen sind, Sie wissen es, was das Personenstandsrecht angeht, müssen auf Bundesebene gelöst werden. Man ist auf Bundesebene dort in Gesprächen. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass in diesen Fällen eine Stiftung, möglicherweise sogar die Stiftung eines privaten Stifters, die anfallenden Kosten decken wird. Ich denke allerdings auch, dass wir über unsere "Stiftung Nothilfe für Frauen in Not und Nothilfe für Schwangere" diese Kosten übernehmen könnten; wir müssten die Satzung der Stiftung geringfügig ändern, aber das dürfte nicht der Hinderungsgrund sein.

Um das gesamte Angebot noch effektiver zu machen, soll eine bestmögliche Vernetzung angestrebt werden. Mein Haus hat zunächst die Einrichtung einer Projektgruppe zur Umsetzung einer thüringenweiten Konzeption vorbereitet und die zu beteiligenden Organisationen und Verbände angesprochen. Aufgabe der Projektgruppe würde

es dann sein, alle unmittelbar an der Umsetzung der Konzeption zu Beteiligenden zusammenzuführen und ein für Thüringen umsetzbares Konzept abzustimmen. Das heißt allerdings nicht, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung dort alle Maßnahmen übernehmen oder die Handlungsführerschaft übernehmen will. Ich bin - im Gegenteil - sehr dankbar, dass sich freie Träger, vielleicht auch einzelne Krankenhäuser ganz unabhängig von Seiten des Landes daran beteiligen werden. Die konstituierende Sitzung soll im April stattfinden und die Projektgruppe wird ihr Augenmerk verstärkt auf die Möglichkeiten auch der Beratung legen. Die Möglichkeiten, die mit diesen Maßnahmen eröffnet worden sind, bieten meines Erachtens den besten Schutz für die Gesundheit von Mutter und Kind, das heißt die Maßnahmen einer anonymen Geburt. Ich betrachtete dieses neben den vorhandenen Beratungs-, Betreuungs- und Hilfsangeboten sozusagen als bessere Lösung, als vorletzten Ausweg vor dem Babykorb; der Babykorb wäre für mich der letzte Ausweg, da bei einer anonymen Geburt, wie ich schon mehrfach angeführt habe, wenigstens ein befristeter Zeitraum des Zugangs zur Frau und ein befristetes Beratungsangebot zu unterbreiten, gegeben ist. Es hat auch etwas damit zu tun, dass wir Lebensschutz für die Mutter und für das Kind gewährleisten wollen. Wenn die Mutter allein entbindet, ohne ärztliche Hilfe, dann ist natürlich auch insbesondere das Leben der Mutter oder die Gesundheit der Mutter gefährdet.

Ich begrüße ausdrücklich die Initiative des Caritas-Verbandes für das Bistum Erfurt, der in Zusammenarbeit mit dem Klinikum Erfurt, dem Jugendamt, der Telefonseelsorge und den Ordensschwestern vom Guten Hirten ein Gesamtkonzept für die Stadt Erfurt erarbeitet hat.

Meine Damen und Herren, Sie entnehmen dem schon, dass an einem solchen Konzept immer viele Partner beteiligt sein müssen, denn es geht nicht nur um die Abgabe, sondern es geht letzten Endes bis zur Adoption. Ich denke, dass ich hier allen Beteiligten herzlich danken kann. In dem Projekt "Ausweg", welches den Schwerpunkt auf eine umfassende Beratung der Frau unter Wahrung ihrer Anonymität legt, erhalten Frauen in einer extremen Not- und Konfliktsituation bereits im Vorfeld Hilfe, Beratung und Begleitung durch ein Netzwerk von Hilfsangeboten, welches durch die Telefonseelsorge, die Schwestern vom Guten Hirten und Caritas-Beratungsstellen für Schwangere und Familien vermittelt wird. Partner des Projekts, ich hatte sie vorhin schon erwähnt, sind die Erfurter Frauenklinik, das Jugendamt, niedergelassene Hebammen, ganz wichtig die Beratungsstellen und Dienste anderer Träger und natürlich auch die breite Öffentlichkeit.

Meine Damen und Herren, das entstandene Angebot in Erfurt ist ein Beweis dafür, dass sich auch ohne staatliche Reglementierung und Bevormundung Hilfsangebote entwickeln können. Insgesamt kann wohl eingeschätzt werden, dass Projekte wie die "Anonyme Übergabe eines Kindes" bei entsprechendem Vollzug mit den geltenden

gesetzlichen, rechtlichen Vorschriften vereinbar sind. Hinsichtlich der Schaffung der Voraussetzungen für eine anonyme Geburt sind, wie ich vorhin schon andeutete, kleinere Vorschriften im Personenstandsgesetz zu ändern. Dazu gibt es einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Ich bin zuversichtlich, dass diese Gesetzesänderung im Bundestag durchgebracht werden kann. Dieser Gesetzentwurf wird beraten werden. Ich hoffe, dass er möglichst bald beraten werden kann. Im Vorgriff auf eine notwendige bundesgesetzliche Regelung hat übrigens das Thüringer Innenministerium eine entsprechende Weisung an die Standesämter zur Verfahrensweise in Thüringen veranlasst. Danach kann für Kinder, die in dem so genannten "Babykorb" aufgefunden werden, eine Beurkundung auf der Grundlage von § 26 des Personenstandsgesetzes vorgenommen werden. Das zuständige Jugendamt kann die Beurkundung anordnen und die Anzeige der Geburt entfällt damit. Die Fälle einer anonymen Geburt unterliegen der Anzeige von Geburten. Das heißt, die Klinik, in der die Entbindung durchgeführt wurde, hat die Anzeige auf der Grundlage von § 16 Personenstandsgesetz beim zuständigen Standesamt zu veranlassen.

Meine Damen und Herren, nach Umsetzung der von mir skizzierten vorgenannten Maßnahmen sehe ich ein wirklich gutes Netz von Hilfsangeboten für Schwangere oder Mütter in Konfliktsituationen. Im Rahmen der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz und wahrscheinlich auch der Jugendministerkonferenz wird Thüringen einen Antrag Niedersachsens unterstützen, in welchem die Bundesregierung aufgefordert wird, die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung anonymer Geburten zu schaffen, das heißt, diese im Gesetzentwurf zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich bin natürlich den Frauen fraktionsübergreifend in unserem Landtag dankbar, die sich erstens in die Anträge eingebracht haben, zweitens in die Erarbeitung des Projekts in Erfurt mit eingebracht haben und drittens dieses Thema mit großer Einstimmigkeit zu einem Thema in der Enquetekommission machen werden. Bei der nächsten Beratung der Enquetekommission steht dieses Thema auf der Tagesordnung. Es geht darum, Schutz für Frauen in besonders schwierigen Situationen und Lebensschutz für neugeborene Kinder zu gewährleisten und da ist es gut, wenn man dieses fraktionsübergreifend berät und fraktionsübergreifend nach Lösungen sucht. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, PDS)

Mir ist signalisiert worden von den Fraktionen, dass keine Aussprache im Plenum beantragt worden ist, weil es dieses Angebot gibt, das Thema in der Enquetekommission fortzusetzen. Dann schließe ich den Tagesordnungspunkt 8.

Wir treten in die Mittagspause ein. Ich möchte an die Ausstellung erinnern, die heute Morgen angekündigt worden ist.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Ist das Berichtsersuchen erfüllt?)

Ich habe das letzte Mal auch schon angefragt, ob bei einem solchen Bericht, über den der Landtag entscheidet, dass er zu einem späteren Zeitpunkt gegeben wird, die Erfüllung des Berichtsersuchens noch einmal festgestellt werden muss. Da ist mir mitgeteilt worden, dass das nicht mitgeteilt werden muss, wenn der Bericht mündlich gegeben wird. Aber wenn es Sie entlasten würde, würde ich sagen, der Bericht ist damit gegeben und das Berichtsersuchen erfüllt.

Wir treten in die Mittagspause ein. Ich habe auf die Ausstellung schon hingewiesen.

Wir möchten unsere Tagesordnung fortsetzen. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17

Fragestunde

Frau Abgeordnete Tasch, bitte stellen Sie die Frage in Drucksache 3/1403.

Naturparkentwicklung in Thüringen

Thüringen als "Grünes Herz Deutschlands" ist ein Bundesland mit einer reichen Naturausstattung. Auf einem Viertel der Landesfläche befinden sich allein vier Naturparke. Diese Regionen sind jedoch hinsichtlich ihrer ökonomischen Entwicklungspotenziale benachteiligt. Deshalb steht die Aufgabe der Förderpolitik des Landes, diese Strukturdefizite auszugleichen und das Natur- und Kulturerbe in diesen Regionen zu bewahren.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um durch gezielte Förderung die Naturparke zu Modellregionen zu entwickeln?

2. Wie unterstützt die Landesregierung die Landwirtschaft innerhalb der Naturparkregionen hinsichtlich Erschließung von Einkommensalternativen, wie z.B. Direktvermarktung, Tourismus und Landschaftspflege?

3. Welche Rolle kommt nach Ansicht der Landesregierung derzeit und zukünftig den Naturparkverwaltungen bzw. Trägern bezüglich regionaler Strukturentwicklung zu?

4. Welche Potenziale sieht die Landesregierung in einer Bündelung und Intensivierung des Vermarktungs- und Fördermanagements in den einzelnen Naturparken?

Herr Minister Sklenar, bitte schön.

Herzlichen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Tasch beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In den Naturparkregionen in Thüringen werden die bestehenden Fördermöglichkeiten intensiv genutzt. Das anspruchsvolle Ziel, eine nachhaltige Entwicklung der Naturparke als Erholungs-, Natur- und Wirtschaftsraum zu initiieren, wird unter Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Fördermöglichkeiten der Europäischen Union, des Bundes und des Freistaats Thüringen verfolgt.

Zu Frage 2: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Landwirtschaft nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum ist, sondern auch einen wichtigen Faktor für die Erhaltung und Entwicklung der Natur und der Landschaft darstellt. Aufgrund der natürlichen Bedingungen sowie aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege kommt in diesen Regionen der Beibehaltung bzw. Wiedereinführung von naturnahen extensiven Landbewirtschaftungsformen eine besondere Bedeutung zu. Die vier künftigen Naturparke stellen daher seitens des Naturschutzes Schwerpunkträume für den Einsatz der landesweit für die Landschaftspflege zur Verfügung stehenden Fördermittel, insbesondere erinnere ich hier an das Programm KULAP und das Förderprogramm "Naturschutz- und Landschaftspflege", dar.

Die Direktvermarktung ist ein unterstützenswürdiger Vermarktungsweg und wird insbesondere in den Naturparks durch die Stärkung der regionalen Identität stärkere Bedeutung erlangen. In den Naturparks befinden sich 96 Prozent der Thüringer Bauern- und Ferienhöfe. Die Förderrichtlinie "Agrartourismus" zur Entwicklung von Einkommensalternativen für landwirtschaftliche Betriebe greift somit weit überwiegend in den Naturparken.

Zu Frage 3: Die Naturparkverwaltungen bzw. der Träger des Naturparks Thüringer Wald sind als Initiatoren und Moderatoren ein wesentlicher Faktor der regionalen Strukturentwicklung.

Zu Frage 4: Die Fördermittel werden in den Naturparks koordiniert eingesetzt. Die Rechtsverordnungen zur Ausweisung der Naturparke werden die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen festlegen, um die Bündelung und Koordinierung des Fördermanagements zu optimie

ren. Das Vermarktungsmanagement ist eine Aufgabe für Vermarkter.

Gibt es Nachfragen? Bitte, Frau Abgeordnete Tasch.

Namens der CDU-Fraktion beantrage ich die Überweisung an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt.

Es war also keine Nachfrage, sondern ein Antrag. Aber es gibt eine Nachfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Dittes.

Keine Nachfrage, Frau Ellenberger. Im Namen der PDSFraktion zweifle ich die Beschlussfähigkeit des Landtags an.

Vielen Dank, Herr Minister, erstmal. Gut, dann werden wir mal zählen. Ich bitte die Schriftführer zu zählen. Es ist nicht die nötige Mehrheit an Abgeordneten hier im Raum anwesend. Ich werde die Sitzung für eine Viertelstunde unterbrechen; wir treffen uns wieder um 14.23 Uhr.

Meine Damen und Herren, die Beschlussfähigkeit des Parlaments ist zumindest zurzeit wiederhergestellt. Ich gehe davon aus, dass Sie nichts dagegen haben, wenn wir schon etwas vor 14.23 Uhr fortfahren.

(Beifall im Hause)

Ich frage jetzt noch einmal in die Runde: Gibt es zur Frage der Abgeordneten Tasch in Drucksache 3/1403 noch Zusatzfragen? Das ist nicht der Fall, dann werden wir Ihren Antrag, Frau Abgeordnete Tasch, abstimmen, nämlich die Überweisung der Frage an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt. Wer für die Überweisung votieren will, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist ein sehr großes Quorum, was erreicht wurde. Die Frage ist damit überwiesen.

Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/1409. Bitte, Frau Abgeordnete Pelke.

Sozialpauschale für Thüringen

Laut Pressemitteilung vom 19. Februar 2001 in der Thüringischen Landeszeitung will sich der Thüringer Sozialminister Dr. Pietzsch für die Einführung einer "Sozialpauschale" in Thüringen einsetzen. Für die Realisierung

einer Sozialpauschale müssten der bestehende und zukünftige Bedarf an Einrichtungen und Personal in der Sozialarbeit mittels einer Sozialplanung in Thüringen ermittelt werden. Dieser Antrag der SPD in Drucksache 3/539, der u.a. die Durchführung einer Sozialplanung als Grundlage für die Einführung einer Sozialpauschale zum Inhalt hatte - wurde vom Vertreter der CDU-Landesregierung und von der CDU-Landtagsfraktion in der 14. Plenarsitzung am 13. April 2000 abgelehnt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche neuen Analysen und planerischen Grundlagen sind durch die Landesregierung erarbeitet worden, so dass der Sozialminister sich jetzt für eine Sozialpauschale ausspricht?

2. Wie viele Stellen in welchen sozialen Bereichen bzw. Einrichtungen sollen durch die Sozialpauschale gefördert werden (Kriterienkatalog)?

3. Mit welchen finanziellen Mitteln (Landesmittel und Kofinanzierung) soll die Sozialpauschale ausgestattet werden?

4. Wie soll die Umsetzung der Sozialpauschale auf kommunaler Ebene erfolgen?