Protokoll der Sitzung vom 06.09.2001

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Vertreter der Landesregierung, verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserer ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause. Besonders begrüßen möchte ich zwei neue Abgeordnete in unserem Haus, Frau Michaele Sojka und Herrn Dr. Alfred Müller, einmal Nachrücker in der PDS-Fraktion und Nachrücker in der SPD-Fraktion.

(Beifall im Hause)

Damit eröffne ich jetzt die 47. Plenarsitzung am heutigen 6. September. Es haben neben mir Herr Abgeordneter Braasch und Herr Abgeordneter Huster Platz genommen. Herr Abgeordneter Huster wird die Rednerliste führen.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Frau Abgeordnete Dr. Klaus und Herr Abgeordneter Schröter.

Ich darf der Frau Abgeordneten Dr. Fischer zum Geburtstag gratulieren, herzliche Glückwünsche zum Geburtstag, Gesundheit und alles Gute.

(Beifall im Hause)

Dann möchte ich einige allgemeine Hinweise geben: Morgen gegen 13.00 Uhr erfolgt die offizielle Übergabe des Sonderpostwertzeichens "Thüringer Landtag" durch den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Herrn Karl Diller im Foyer des Verwaltungshochhauses. Begleitet wird diese Übergabe durch zwei Philatelie-Ausstellungen.

Weiter findet eine Präsentation des Weißen Rings aus Anlass des 25-jährigen Bestehens dieses gemeinnützigen Vereins im Foyer vor dem Plenarsaal statt. Sie haben es bereits beim Hereinkommen sehen können.

Dann wird der Landesjagdverband gemeinsam mit dem Verband der Fischwaid und zum Schutz der Gewässer und Natur e.V. heute einen parlamentarischen Abend durchführen, der nach Ende der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhr beginnen wird. Auch dazu wird herzlich eingeladen.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass einvernehmlich durch den Ältestenrat beschlossen ist, dass bei Plenarsitzungen grundsätzlich keine Mittagspause mehr durchgeführt wird.

(Unruhe im Hause)

Das ist die Beschlusslage, ich gebe sie hier zur Kenntnis. Das hohe Haus ist auch frei, gegebenenfalls anders abzustimmen. Ich darf um Aufmerksamkeit bitten. Ich sage es nur deshalb, damit wir nicht jedes Mal in Schwierigkeiten mit der Fragestunde kommen wegen eines laufenden Tagesordnungspunkts, dass wir uns bei den Anfangszeiten der Fragestunde etwas flexibel halten und ein Fenster eingebaut haben von 13.30 Uhr bis 14.00 Uhr, da nach unserer Geschäftsordnung spätestens 14.00 Uhr die Fragestunde beginnen soll, aber nichts dagegen spricht, gegebenenfalls auch einige Minuten eher damit zu beginnen.

Jetzt komme ich zu den Hinweisen zur Tagesordnung, und zwar zu TOP 1. Da der Abgeordnete Schröter in meinem Auftrag eine Dienstreise wahrnimmt, und zwar zum Ort des Bundesrates nach Berlin, wird deshalb die Berichterstattung der Abgeordnete Wetzel übernehmen.

Dann zum Punkt 3: Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/1568, Thüringer Gesetz zur Neugliederung der kreisangehörigen Gemeinde Rüdersdorf, wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1784 - verteilt.

Zu TOP 4, Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/1569, Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Datenschutzgesetzes, wurden Änderungsanträge der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1786 und der Fraktion der SPD in Drucksache 3/1789 verteilt.

Zu Punkt 5: Die angekündigte Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Thüringer Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die kommunale Gemeinschaftsarbeit hat die Drucksachennummer 3/1782. Als Berichterstatter wurde Abgeordneter Mohring benannt. Weiterhin wurden zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung Änderungsanträge der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1787 und der Fraktion der SPD in Drucksache 3/1790 verteilt.

Zu TOP 10, Gesetzentwurf der Fraktion der SPD in Drucksache 3/1705, Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes, wurde ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1785 verteilt.

Zu TOP 25, Antrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/1746, Änderung landesrechtlicher Regelungen in Bezug auf die Errichtung von Mobilfunkanlagen, wurde ein Alternativantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 3/1783 verteilt.

Zur Fragestunde, Tagesordnungspunkt 29, kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: die Drucksachen 3/1777 und 3/1778. Weiterhin hat der Abgeordnete Höhn gebeten, seine Mündliche Anfrage in Drucksache 3/1751 als die zuerst eingereichte Mündliche Anfrage im Sinne von

§ 91 Abs. 2 Satz 2 GO zu betrachten. Die gleichzeitig eingereichte Mündliche Anfrage in Drucksache 3/1750 soll demzufolge entsprechend dem § 91 Abs. 2 Satz 3 GO zu entnehmenden Verfahren behandelt werden.

Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 17 a, 19 und 27 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Dann habe ich Ihnen weiter zur Aufnahme in die Tagesordnung die Drucksache 3/1775 anzukündigen. In dieser Drucksache wurde ein Antrag der Abgeordneten Buse, Dittes, Dr. Fischer, Gerstenberger, Dr. Hahnemann, Huster, Dr. Kaschuba, Dr. Klaubert, Dr. Koch, Dr. Stangner, Sojka, Nitzpon, Nothnagel, Ramelow, Scheringer, Sedlacik, Thierbach, Dr. Wildauer, Katja Wolf und Zimmer zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verteilt. Gemäß § 83 Abs. 3 GO sind Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Landtags zu setzen - das heißt also, heute -, wenn sie mindestens eine Woche vor der Sitzung schriftlich eingereicht wurden. Das ist hier der Fall. Zwischenzeitlich wurde eine Neufassung des Antrags sowie ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 3/1788 verteilt. Wir müssen über die Platzierung abstimmen, auf jeden Fall heute. Gibt es dazu Vorschläge? Frau Nitzpon.

Die PDS-Fraktion beantragt, diesen Antrag nach den Gesetzen als neuen Punkt 14 einzuordnen.

Also heute nach den Gesetzen. Herr Abgeordneter Stauch.

Wir können dem vom Grunde her zustimmen, bitten aber darum, dass er in jedem Fall noch heute zum Aufruf kommt.

Dazu ist dieses Haus verpflichtet, also auf jeden Fall heute als letzter Punkt, wenn uns nicht die Gesetze schon eher in die Lage versetzen, ihn aufrufen zu können. Einverständnis?

(Zuruf Abg. Nitzpon, PDS: Ja.)

Gibt es Widerspruch zu dem, was ich bisher gesagt habe, bzw. Ergänzungen? Herr Abgeordneter Dr. Pidde.

Frau Präsidentin, im Namen der SPD-Fraktion beantrage ich, die Tagesordnungspunkte 17 a und b und 28 wegen des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam mit dem Tagesordnungspunkt 7 zu behandeln.

Herr Stauch, Sie hatten auch noch eine Meldung, ja?

Ja. Wir beantragen die Aufnahme der Drucksache 3/1772, ein Antrag der CDU-Fraktion, "Zukünftige Städtebau- und Wohnungsbaupolitik in Thüringen" in die Tagesordnung aufzunehmen und beantragen gleichzeitig die gemeinsame Beratung mit dem bisherigen Tagesordnungspunkt 24 der vorläufigen Tagesordnung. Des Weiteren beantragen wir, die Tagesordnungspunkte 17 und 20 in jedem Fall, spätestens am morgigen Tag, aufzurufen.

Gut. Herr Gentzel, ist das eine Meldung?

(Zuruf Abg. Gentzel, SPD: Ich halte nur mei- nen Stift hoch.)

Nein, Sie halten Ihren Stift leicht in die Höhe, gut. Dann sehe ich keine weiteren Wortmeldungen, wir stimmen über die gewünschten Zusammenhänge ab, und zwar beantragt die SPD-Fraktion, die Punkte 17 a und b sowie 28 gemeinsam mit Punkt 7 zu behandeln. Wer folgt diesem Antrag? Danke. Wer ist dagegen? Dann ist das mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag des Abgeordneten Stauch für die CDU-Fraktion, die Aufnahme der Drucksache 3/1772 "Zukünftige Städte- und Wohnungsbaupolitik in Thüringen". Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Das ist auf jeden Fall die Mehrheit. Dann war gewünscht, dass dieser Punkt gemeinsam mit Punkt 24 beraten wird. Wer stimmt dem zu? Danke. Gegenprobe. Enthaltungen? Eine Reihe von Enthaltungen, aber mit Mehrheit so beschlossen, dass dieser Punkt gemeinsam mit Punkt 24 aufgerufen wird. Dann müssten wir noch darüber abstimmen, ob wir auf jeden Fall morgen gegebenenfalls als letzte Punkte den Punkt 17 und 20 beraten. Wer stimmt dem zu? Danke. Das ist auf jeden Fall auch eine breite Mehrheit, dann so beschlossen. Ich darf noch sagen, dass die Landesregierung angekündigt hat, bei Aufnahme der Drucksache 3/1772, über die wir eben abgestimmt haben, von der Möglichkeit eines Sofortberichts Gebrauch zu machen, also werden wir das dann auch entsprechend vorsehen. Damit ist die Tagesordnung festgestellt.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1

Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Stärkung der Rechte der Bürger) Gesetzentwurf nach Artikel 82 der Verfassung des Freistaats Thüringen Volksbegehren "Mehr Demokratie in Thüringen" - Drucksache 3/1449 dazu: Beschlussempfehlung des Justizausschusses - Drucksache 3/1756 ZWEITE BERATUNG

Ich darf den Abgeordneten Wetzel um die Berichterstattung aus dem Ausschuss bitten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, werte Gäste, der Beschluss des Landtags vom 6. April dieses Jahres ist der Gesetzentwurf in Drucksache 3/1449 zu dem Gesetz nach Artikel 82 der Verfassung des Freistaats Thüringen Volksbegehren "Mehr Demokratie in Thüringen", ein Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen "Gesetz zur Stärkung der Rechte der Bürger". Am 6. April ist dieser Gesetzentwurf an den Justizausschuss überwiesen worden. Wie Frau Präsidentin schon richtig sagte, vertrete ich heute den Berichterstatter Herrn Abgeordneten Schröter. Der Justizausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 20. Sitzung am 3. Mai dieses Jahres, in seiner 21. Sitzung am 9. Mai, in seiner 22. Sitzung am 7. Juni, in seiner 25. Sitzung am 16. August dieses Jahres und in seiner 26. Sitzung am 23. August beraten. In seiner 22. Sitzung am 7. Juni 2001 hat der Ausschuss eine Anhörung in öffentlicher Sitzung mit Aussprache durchgeführt. Der Ausschuss hat sich auf 17 Anzuhörende verständigt. 15 Anzuhörende kamen hier im hohen Haus unserer Einladung nach.

In seiner 26. Sitzung am 23. August hat der Ausschuss die Drucksache 3/1756, uns vorliegend, als Beschlussempfehlung an das hohe Haus gegeben. In Achtung vor dem Landesverfassungsgericht empfiehlt der Justizausschuss dem Landtag, vor dem Urteilsspruch im anhängigen Verfahren zum Gesetzentwurf nach Artikel 82 der Verfassung des Freistaats Thüringen, vorgelegt in der Drucksache 3/1449, nicht abschließend zu beraten.

Der Justizausschuss empfiehlt, die Terminplanung so zu gestalten, dass eine abschließende Prüfung in der gesetzlichen Frist möglich ist. Gegebenenfalls sollte der Justizausschuss nochmals beraten. Danke.

Das war die Berichterstattung aus dem Ausschuss. Wir kommen jetzt zur Aussprache, und zwar hat als erster

Redner Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, wenn wir heute den Gesetzentwurf des Volksbegehrens für "Mehr Demokratie in Thüringen" das zweite Mal beraten, dann findet diese Beratung nach mancher Kuriosität und letztlich in einer im Ganzen auch kuriosen Situation statt. Die Initiative "Mehr Demokratie in Thüringen" hat über ein Volksbegehren nach den derzeit gültigen Regelungen der Landesverfassung einen Gesetzentwurf eingebracht, den das hohe Haus nach dem Verfahrensgesetz zu Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid bis zum 20. September abschließend, das heißt in drei Lesungen, beraten haben muss. Die Kuriosität: Die Landesregierung hat seinerzeit hinsichtlich des Antrags auf Zulassung des Volksbegehrens Bedenken geäußert; die Landtagspräsidentin hat trotz dieser Bedenken den Antrag für zulässig erklärt. Mehr als 380.000 Bürgerinnen und Bürger haben daraufhin den Vorschlag zur Änderung der Verfassung mit ihrer Unterschrift versehen. Sie haben damit eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht, dass sie zukünftig auch bei konkreten Sachfragen mitreden und mitentscheiden wollen und dass diese Teilhabe an den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen erleichtert werden soll.

(Beifall bei der PDS)

Zur parlamentarischen Beratung dieses Gesetzentwurfs ist der Landtag verpflichtet. Demokratie ist mehr als von Rednerpulten des Parlamentarismus hinaufzuwinken zu den Bürgerinnen und Bürgern auf den Zuschauertribünen der Demokratie und trotzdem eigentlich das Seine zu tun. Das entsprechende Gesetz, vom Landtag verabschiedet und so mangelhaft wie es auch immer sein mag, verpflichtet das Haus dazu, den Gesetzentwurf mit der gleichen Gründlichkeit zu beraten wie jeden anderen auch. Eigentlich, meine Damen und Herren, müsste man diesem Gesetzentwurf, der aus der Mitte der Bürgerschaft kommt, so etwas wie "parlamentarische Hochachtung" entgegenbringen.

(Beifall bei der PDS)

Unabhängig davon, ob der Mehrheit des Landtags die politischen Intentionen des Gesetzesvorschlags aus der Mitte des Volkes gefallen oder nicht, haben die gewählten Volksvertreter den Bürgerinnen und Bürgern diese Referenz zu erweisen. Genau hier begannen sich aber sehr zeitig die Probleme zu zeigen. Die erste Beratung hat unmissverständlich deutlich gemacht, welche Fraktionen dem Ansinnen der Bürgerinnen und Bürger aufgeschlossen gegenüberstehen und welche nicht. Am Tage der ersten Beratung des Volksbegehrensgesetzes hat dann auch die von der Ablehnerschaft getragene Landesregierung von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht, gegen

die Zulässigkeit des Vorschlags der Bürgerinnen und Bürger vor dem Verfassungsgerichtshof zu klagen. Seither stehen die Beratungen nicht unbedingt unter einem guten Stern. Zwar gab es keine Not im zuständigen Justizausschuss noch eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf zu beschließen und auch durchzuführen, Herr Wetzel hat es erwähnt, aber seitdem ist der Gesetzesvorschlag mehr oder weniger hilflos als ein Spielball herrschender Interessen im hohen Haus umhergeflattert.

(Beifall bei der PDS)

Hin und wieder hatte man das Gefühl, man müsste aufpassen, dass bei der Planung des weiteren Umgangs mit dem Volksbegehren und bei der Bearbeitung anderer Gesetze dieser Gesetzentwurf z.B. im Justizausschuss nicht in den Dunstkreis des Tagesordnungspunkts "Sonstiges" geriet. Die Auseinandersetzung um diese Initiative aus dem Volk, egal ob die parlamentarischen oder die außerparlamentarischen, standen immer unter dem Vorbehalt der ausstehenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Weimar. Doch die Berufung der Mehrheit auf diese ausstehende Entscheidung hat andere Ursachen. Diese Ursachen sollten benannt sein, damit nicht der Eindruck entsteht, die Landesregierung und ihre Klage seien wie ein Deus ex Machina über uns gekommen. Recht deutlich wurde eigentlich, dass Sie, meine Damen und Herren, dieses Volksbegehren nicht wollen. Anfangs hielten Sie sich an die Hoffnung, die nötigen Unterstützungsunterschriften würden vielleicht nicht zusammenkommen. Am Ende ruht Ihre Hoffnung darauf, dass das Verfassungsgericht in Weimar für Sie die Ablehnung des Bürgerwillens übernimmt. Das hat sich im Verlauf des Volksbegehrens und der Behandlung des Gesetzentwurfs im Landtag deutlich kristallisiert.