Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, da haben Sie Recht, Herr Fiedler, zu dem Thema der Aktuellen Stunde ist eben nicht so sehr viel gesagt worden. Das liegt aber auch am gewählten Mittel. Je nachdem nämlich, meine Damen und Herren, welche politischen Ziele Sie mit einer Debatte verfolgen, stellt sich auch Ihre Einschätzung der Lage dar. Während der Ministerpräsident noch in der Regierungserklärung Mitte Oktober ausführte, dass "die gegenwärtige Lage normal ist, und dass es keinerlei Anhaltspunkte für bevorstehende Anschläge gibt", erklärte Justizminister Birkmann in einer Pressemitteilung Anfang November, dass eine "neue Bedrohung die Bundesregierung zum Handeln auffordert."

Die Motive sind klar: Ministerpräsident Vogel wollte mit seiner Darstellung die Menschen glauben machen, dass man der Thüringer Landesregierung keinerlei Unachtsamkeit bei der Bekämpfung von Straftätern nachsagen könne. Minister Birkmann wollte die Grundlage für die von der Landesregierung geforderten Grundrechtseingriffe schaffen, die über die Sicherheitspakete der Bundesregierung hinaus gehen.

Man muss sich aber irgendwie entscheiden, meine Damen und Herren. Wie sagte Minister Dr. Pietzsch vor etwa zwei Stunden? "Ich kann die Wahrheit nicht erkennen, wenn man mal so und mal so redet." Leben Menschen in diesem Land hier nun sicher, dann bedarf es auch keiner neuen Befugnisse für Strafverfolgungsbehörden und Polizei. Existiert eine tatsächliche Gefahrenlage,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das eine schließt das andere nicht aus!)

dann muss man diese auch konkret benennen und darstellen. Das aber unterlassen Sie mit bemerkenswerter Standhaftigkeit.

(Beifall bei der PDS)

Zudem muss man aber auch begründen, wie zielgerichtet die Maßnahmen wirken sollen, statt ein Konglomerat aus Maßnahmen der Bekämpfung von Alltagskriminalität gegen politisch motiviert gewertete Straftaten, gegen organisierte Kriminalität oder Terrorismus vor sich herzuschieben. Man darf nicht nur verbal die Ausgewogenheit zwischen Grundrechten einerseits und Eingriffsbefugnissen andererseits suggerieren, sondern man muss jenseits des Zitiergebots des Grundgesetzes konkret darstellen, wie grundrechtswahrend oder -einschränkend die vorgeschlagenen Maßnahmen sind. Was sollen Äußerungen, wie die von Justizminister Birkmann am 30. November, dass "wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass wahrscheinlich Terrorismus und organisierte Kriminalität nicht den gegenwärtigen Stellenwert einnehmen könnten, wenn wir die gesetzlichen Möglichkeiten ihrer Bekämpfung ausreichend gehabt und eingesetzt hätten." Damit wird doch erst ein Unsicherheitsgefühl bei den hier lebenden Menschen geschaffen. Entgegen der wirklichen Sicherheitslage wird der Boden bestellt, auf dem die Konzepte aus der Mottenkiste konservativer Sicherheitsfanatiker gedeihen sollen, die am Ende den liberalen Rechtsstaat in Frage stellen. Dass man sich dann noch der Konstruktion eines angeblichen Grundrechts auf Sicherheit bedient, zeigt deutlich, dass Ihnen die grundrechtlichen Schranken für staatliche Befugnisse seit jeher ein Dorn im Auge sind.

(Beifall bei der PDS)

Sie wollen über die Grenzen des Gesetzentwurfs von Schily reden? Dieser Gesetzentwurf zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus hat kaum Grenzen. Er ist vielmehr grenzenlos in seiner Zielbestimmung, die aber nur in we

nigen Punkten tatsächlich den verkündeten Zweck erfüllt. Selbst in diesen wenigen Fällen ergeben sich erhebliche rechtsstaatliche Bedenken, sehr geehrter Herr Kollege Pohl.

Es fällt der CDU schon schwer, neben einem Innenminister Schily ein konservatives Sicherheitspaket zu schnüren. Die Maßnahmen, die unter Rotgrün jetzt Wirklichkeit werden, lagen zu Zeiten der CDU/CSU- und FDPBundesregierung bereits auf dem Tisch. Aber bürgerrechtliche und liberale Gegenwehr innerhalb der damaligen Regierungskoalition haben Schlimmeres verhindert.

Sie sagen, das Terrorismusbekämpfungsgesetz der Bundesregierung sei nicht ausreichend und Sie begründen dies mit angeblich fehlenden Maßnahmen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ist unwahr!)

Diese finden sich nun in Ihrem gemeinsam mit dem Freistaat Bayern eingereichten Gesetzesantrag. Eine qualitative Untersetzung der von Ihnen neuerlich behaupteten Bedrohungssituation wird wiederum unterlassen. Ihre Vorschläge zur Änderung des Strafgesetzbuchs, der Strafprozessordnung, des Telekommunikationsgesetzes, des Teledienstedatenschutzgesetzes, stellen erhebliche Eingriffe in Rechtsstaatsprinzipien dar. So wird z.B. durch die Möglichkeit weiter gehender Straftaten durch Polizeibeamte als V-Leute das Legalitätsprinzip nicht mehr nur ausgehöhlt, sondern im Grunde in Frage gestellt, desgleichen das Prinzip der Unschuldsvermutung durch die Änderung des Strafgesetzbuchs hinsichtlich der Gewinnabschöpfung.

Meine Damen und Herren, man kann in einer Aktuellen Stunde nicht auf die aus bürgerrechtlicher Sicht bedenklichen Vorschläge eingehen. Aber es war offensichtlich auch nicht Ihr Ziel, eine parlamentarische Diskussion über die Vorschläge der Landesregierung zur öffentlichen Sicherheit zu führen. Ihr Ziel war es vielmehr, politisch Stimmung zu machen. Anderenfalls hätten Sie ein geeignetes parlamentarisches Instrument für dieses Thema gewählt, das es auch ermöglicht hätte, Lageeinschätzungen, Maßnahmen und Folgen zu diskutieren und nicht nur nachträglich die eingeleiteten Aktivitäten der Landesregierung parlamentarisch zu kommentieren. Da Sie uns aber einen solchen Kommentar abverlangen, will ich Ihnen den der PDS-Fraktion nicht vorenthalten.

Aber in aller Kürze, Herr Hahnemann.

Ja. Die Thüringer Landesregierung und die sie tragende CDU-Fraktion sind eine Gefahr für jede bürgerrechtsorientierte Politik, weil eine solche

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das kann doch nicht wahr sein.)

die Ursachen für Kriminalität in ihr Blickfeld nimmt, Straftaten und Straftäter verfolgt,

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Das muss gerade die PDS sagen!)

ohne dabei Grundrechte aus den Augen zu verlieren. Aber Sie machen Politik, die das Sicherheitsgefühl der Menschen instrumentalisiert, statt darauf zu reagieren. Sie sind eine Gefahr für Politik, die es ablehnt, sich die Legitimation für grenzenloses staatliches Handeln durch eigene effektheischende Phrasen zu verschaffen.

So, jetzt ist auch Schluss, Herr Hahnemann, gut.

(Beifall bei der PDS)

Jetzt haben wir den Kollegen Schemmel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen Sie auf den Text des Antrags "Sicherheit in Thüringen und die Grenzen der so genannten ersten und zweiten Sicherheitspakete", da weiß man schon, was mit dem Antrag bezweckt ist, eine echte Diskussion kann in der kurzen Zeit sowieso nicht passieren. Es wird die Sicherheit in Thüringen gewürdigt und bei dem Sicherheitspaket der Bundesregierung wird erst einmal ein "so genanntes" - das so genannte kennen wir alle - davorgestellt und dann werden erst einmal die Grenzen beleuchtet. Das heißt also, man versucht etwas zu machen, dass man das Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger doch ein bisschen untergräbt, in dem man sagt, schaut mal her, wir in Thüringen, wir machen das ganz toll für euch, aber die im Bund da oben, da scheint das nicht so richtig hinzuhauen. Das ist also das Bestreben dieses Zwei-Jahres-Programms der Thüringer, hoch zu feiern, was wir unterstützen, denn wir sind für Sicherheitsmaßnahmen,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir feiern mit!)

und das ist das Bemühen, die permanenten Anstrengungen der Bundesregierung hier an dieser Stelle in Frage zu stellen. Wir stellen fest, erstens ist Sicherheit nicht unteilbar, zweitens, wer solche Spielchen treibt, weil im nächsten Jahr ein Bundestagswahlkampf ist, der geht unverantwortlich mit dem Sicherheitsempfinden und Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger um und wertet außerdem noch falsch. Denn das, was jetzt im Bundestag auf den

Weg gebracht worden ist, sind natürlich Maßnahmen, die Unterstützung finden können, weil sie zielführend sind und weil sie Sicherheit schaffen, weil sie finanziell untersetzt sind. Es wird z.B. Folgendes getan: Es werden 2.320 zusätzliche Stellen geschaffen in 2002 - im Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz, beim Bundesgrenzschutz, im Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik, 2.320 Stellen neben einer ganzen Menge zusätzlicher Hebungen und Beförderungsmöglichkeiten - wir kennen das Thema aus Thüringen -, um die Motivation der Polizisten, der Sicherheitsbeamten natürlich an dieser Stelle zu erhöhen. Aber es erhält natürlich auch die Bereitschaftspolizei der Länder wieder mehr Mittel - 38 Mio., der Zivilschutz wird mit 25 Mio. ausgerüstet, das Technische Hilfswerk mit 25 Mio.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Alles das, was vorher heruntergefahren wurde.)

Herr Fiedler, Sie sind doch angeblich heiser, dann reden Sie nicht immer dazwischen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU:..., dass ich noch heiserer werde, indem ich noch lauter reden muss. Erzählen Sie nicht so einen Stuss! Sie wissen ganz genau...)

(Beifall Abg. Heß, SPD)

Frau Präsidentin, gibt es hier Lutschtabletten im Haus?

Ich bitte, dass Sie weiter fortfahren, ja.

(Beifall bei der SPD)

Aber auch andererseits wird natürlich der Bundeszentrale für politische Bildung, eben auch um dieses politische Umfeld zu bewerten, mehr Geld zur Verfügung gestellt und es werden 1,5 Mio. zur Verfügung gestellt werden für die geistig-politische Auseinandersetzung mit islamistischem Terror. Also auch dieses Feld wird beackert; die Maßnahmen sind nicht nur sinnvoll, sondern auch finanziell abgesichert und inhaltlich - man kann sie in der Kürze der fünf Minuten natürlich nicht darstellen - zielführend. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Drucksache 14/7065, tut sich natürlich schwer, sinnvolle Ergänzungen darzustellen - das kann man verschieden bewerten, aber es ist halt so -, genauso schwer, wie es Ihnen fallen wird, im Rahmen dieser Aktuellen Stunde mit diesem Ansatz, das eine hochzujubeln, das andere in Frage zu stellen, unsere Einstellung zum Sicherheitsbedürfnis und zu den Sicherheitsbestrebungen für die Bürgerinnen und Bürger zu beeinflussen. Es geht um die Sicherheit in Deutschland und in Thüringen und niemand wird für sich feststellen wollen, ob eine Maßnahme gerade von einer Bun

desbehörde oder von einer Landesbehörde eingeleitet worden ist, wenn sie dann der eigenen persönlichen Sicherheit dient. Unterlassen Sie es doch bitte dann, mit diesem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger parteipolitische Spielchen zu machen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

So, das Wort hat - nein, es ist keine Meldung. Die Landesregierung möchte auch nicht, oder? Doch sie möchte, gut, Herr Minister Köckert.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, so einfach ist es natürlich nicht, wie Sie sich das machen, Herr Schemmel. Natürlich sagen wir, die Thüringer Landesregierung hat rasch und konsequent mit ihrem Programm für mehr Sicherheit im Freistaat Thüringen die richtige Antwort auf den Terrorismus gegeben.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ehrt Sie doch!)

Wir müssen natürlich auch Herrn Hahnemann von dieser Stelle widersprechen, der nämlich meint, jetzt die Problematik Sicherheit in der Bundesrepublik, in Thüringen und in Europa gegeneinander ausspielen zu können. Denn es geht ja gar nicht darum, dass wir sagen, wir leben hier sicherer als in anderen Ländern des Bundes oder in anderen Ländern Europas, da gibt es gute Gründe dafür, das zu sagen, sondern wir brauchen ein gleiches Level der Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung

(Zwischenruf Abg. Kölbel, CDU: Wie die anderen!)

in jedem Land der Bundesrepublik, wie auch in den Ländern der Europäischen Union.

(Beifall bei der CDU)

Darum geht es, dass wir hier in einem gleichen Maße vorgehen und nicht Schläfer bestimmte Bundesländer bevorzugen, weil sie wissen, dort werden sie weniger behelligt. Was geschieht nun auf der Bundesebene? Der Bundesrat hat dem so genannten Sicherheitspaket 1 zugestimmt und ihm folgte ein zweites Gesetzespaket zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Dieses Sicherheitspaket 2 ist notwendig und richtig, nur sagen wir, es ist nicht ausreichend. Die eigentliche Pointe, Herr Schemmel, ist doch gar nicht, dass wir mit dem Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger spielen, sondern wir haben einen Bundesinnenminister, der mit markanten Ankündigungen im September/Oktober durch das Land gefahren ist und scharfe Worte zur Bekämpfung des Terrorismus und der Verbrechen gefunden hat. Er hat mit seinen Worten die Bürgerin

nen und Bürger dieses Landes in Sicherheit gewiegt,

(Beifall bei der CDU)

weil sie nämlich annehmen konnten, die Bundesregierung handelt nun auch so wie der Bundesinnenminister es vorgibt, dass er handeln will. Man muss nun erkennen, dass er nicht dieses Sicherheitsgefühl der Bürger auch mit Taten untersetzt