Protokoll der Sitzung vom 21.11.2002

4. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zum zulässigen Umfang der Tätigkeit von V-Leuten bzw. des Verfassungsschutzes in beobachteten Strukturen oder Parteien die Gründung und Betätigung des Heron-Verlags?

So, Herr Innenminister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Nein, Antragsteller für das Verbotsverfahren sind neben der Bundesregierung und dem Bundestag der Bundesrat und nicht die einzelnen Länder. Die Teilnahme am Erörterungstermin wurde durch die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller koordiniert.

Zu Frage 2: Die entsprechenden Dienstvorschriften wurden dem Bundesverfassungsgericht mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 30. Oktober 2002 übersandt.

Zu Frage 3: Bei der Werbung und Führung von Vertrauensleuten dürfen weder die Zielsetzung noch die Aktivitäten eines Beobachtungsobjekts entscheidend bestimmt werden. Die Aufträge an einen V-Mann dürfen nicht über die Befugnisse des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz hinausgehen und entsprechende Grundsätze sind in einer internen Richtlinie des Präsidenten vom 4. Dezember 2000 enthalten.

Zu Frage 4: Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang nicht abschließend zum zulässigen Umfang der VMann-Führung geäußert, insofern ist eine Bewertung im

Sinne der Fragestellung nicht möglich. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Gründung und Betätigung einer Tarnfirma im Rahmen des Auftrags des Landesamts für Verfassungsschutz zulässig ist.

Es gibt Nachfragen? Ja, Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann.

Ja. Herr Innenminister, wenn die Richtlinie, dem Bundesverfassungsgericht ganz offensichtlich verspätet vorgelegte Richtlinie, das Datum vom 30. Oktober dieses Jahres hat...

Das habe ich nicht gesagt. Sie ist am 30. Oktober 2002 übersandt worden.

Richtig, und der Termin war der 8. Oktober 2002. Da muss es sich doch ganz offensichtlich um eine Verspätung handeln.

Wenn Sie das so feststellen, ist das korrekt. Der 30. Oktober liegt nach dem 8. Oktober.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Jetzt wol- len wir einmal dem neuen Innenminister applaudieren.)

Warum wurde diese Richtlinie so spät eingereicht?

Herr Hahnemann, ich bin seit heute vereidigter Innenminister. Ich kann Ihnen die Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten.

Wäre es möglich, dass Sie sie später beantworten?

Das parlamentarische Fragerecht von Abgeordneten wird nicht in Frage gestellt.

Das heißt Ja?

Sie können davon ausgehen, wenn sie beantwortbar ist.

Ich wäre nicht einverstanden damit, wenn Sie mir damit signalisieren wollen, ich kann die Frage zu gegebener Zeit vielleicht noch einmal stellen. Deswegen möchte ich schon, dass Sie mir vielleicht klar signalisieren, ob Sie bereit wären, eine Antwort nachzuliefern. Ich hätte diesen Satz gern vermieden, aber es ist ja die Landesregierung gefragt und nicht nur der Innenminister. Insofern hätten Sie sich ja als neu in Ihrem Amt auch erkundigen können.

Die Nachfrage stand noch nicht auf dem Papier.

Herr Hahnemann, es ist wohl, glaube ich, nicht so entscheidend, ob ein Termin 08.10. oder 30.10. eingehalten worden ist, sondern es geht hier um den Inhalt von bestimmten Richtlinien u.ä. und dazu gibt es parlamentarische Gremien. Ich beantworte Ihnen natürlich die Frage, warum es nicht am 08., sondern am 30.10. zugeleitet worden ist. Wenn das Ihrer Erkenntnis viel bringt, werden wir Ihre Frage beantworten.

Es ist, denke ich, eindeutig, was gewünscht wird und wie darauf reagiert wird. Dann habe ich dazu keine weiteren Nachfragen.

Wir kommen zur nächsten Anfrage in Drucksache 3/2862. Herr Abgeordneter Gentzel.

Ein Jahr nach dem Eklat von Arnstadt

Es ist zirka ein Jahr her, als der damalige Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) Herr Dr. Latussek im Zusammenhang mit Auschwitz von Lüge sprach.

Dies war Anlass für die Landesregierung, die Fördermittel des Landes für den BdV einzufrieren.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Landesmittel sind seitdem an den BdV für welchen Zweck geflossen?

2. Hat sich der BdV öffentlich von den Aussagen des damaligen Landesvorsitzenden distanziert?

3. In der "Thüringer Allgemeinen" vom 12. November 2001 wird ein Herr von Blaustark folgendermaßen zitiert: "Wir zweifeln daran, ob diese Zahl von sechs Millionen von den Nationalsozialisten umgebrachten Juden überhaupt stimmt." Hat Herr von Blaustark eine Funktion beim BdV, und wenn ja, welche?

4. Hat sich die neue Landesvorsitzende des BdV, Frau Schulz, öffentlich von den Aussagen ihres Vorgängers distanziert?

Es antwortet für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pietzsch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Abgeordneter Gentzel, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Mit den Vorbemerkungen...)

Sie scheinen sich bestätigen lassen zu wollen, dass der BdV, die Vertriebenen nach wie vor Revanchisten und Rechtsradikale und so etwas Ähnliches sind. Die SPD war schon mal weiter, stelle ich fest. Aber bitte, wenn Sie es denn meinen. Der Bund der Vertriebenen in Thüringen leistet inzwischen eine sehr verantwortliche Verbandsarbeit. Die Erneuerung des BdV wurde in der klaren Distanzierung von den in Rede stehenden Äußerungen deutlich. Sie werden auch durch die Wahl der neuen Vorsitzenden im Frühjahr dieses Jahres deutlich. Ich sage noch mal, ich nehme nicht hin, dass man nun wiederholt versucht, diese Leistung in ein falsches Licht zu rücken.

Zu Frage 1: Nach den auch von mir so artikuliert inakzeptablen Äußerungen des ehemaligen Landesvorsitzenden wurde die noch offen stehende Förderung für den BdV vorläufig ausgesetzt. Die Landesregierung hat sich nach Bekanntwerden klar positioniert und Herrn Dr. Latussek als Gesprächspartner abgelehnt. Die Projektförderung des BdV wurde im Haushaltsjahr 2002 Mitte April erst wieder aufgenommen, nachdem eine neue Vorsitzende und damit eine klare Distanzierung zu den Äußerungen gewählt wurde. Für die Projektförderung zur Arbeit der einzelnen Kreisverbände und Landsmannschaften wurden dem Bund der Vertriebenen, Landesverband Thüringen, seit

April Mittel in Höhe von 129.924   +,)%zelprojekte bewilligt; darüber hinaus erhielt der Verband 81.310     ! '.   Projekte, die bewilligt worden sind, sind "Ostdeutsche Kulturtage", "Tage der Heimat und landsmannschaftliche Kulturarbeit" gewesen.

Zu Frage 2, ob sich der BdV öffentlich von den Aussagen distanziert. Ja, die Bundesvorsitzende, Frau Erika Steinbach, hat sich im Namen des gesamten BdV öffentlich distanziert und die Bundesversammlung des BdV hat am 29.11.2001 Herrn Dr. Latussek vom Amt des Vizepräsidenten enthoben. Im Thüringer Landesvorstand wurde Frau Schulz am 12.03. zur neuen Vorsitzenden gewählt und seither hat sie sich und haben sich viele führende Mitglieder des BdV in Thüringen wiederholt von diesen Aussagen distanziert - nicht alle, das ist wahr.

Zu Frage 3: Herr von Blaustark ist hauptamtlich beim BdV Landesverband Thüringen als Referent für Aussiedlerfragen angestellt. Durch seine Funktion als Landesvorsitzender der Landsmannschaft Pommern/Ostbrandenburg ist er kooptiertes Vorstandsmitglied im BdV; Herr von Blaustark ist außerdem Vorsitzender des BdV-Kreisverbandes Arnstadt. Ich habe mehrere Gespräche mit Herrn von Blaustark, nicht in dieser Angelegenheit, geführt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass er diese Äußerung getan hat. Es würde eigentlich nicht zu ihm passen. Nach derzeitiger Kenntnis meines Ministeriums hat Herr von Blaustark übrigens im Gegensatz zu Herrn Latussek vehement gegen die ihm unterstellten Äußerungen protestiert.

Zu Frage 4: Ja, Frau Schulz hat darüber hinaus konsequent gehandelt. Dies wurde und wird dem interessierten Beobachter deutlich in der Internetpräsentation, in vielen Veranstaltungen in der Verbandspolitik.

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass der BdV auf gutem Weg ist, die Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen. Es ist ein Neuanfang gemacht und, ich denke, auch gelungen. Wir sollten diesen Neuanfang nicht kaputtreden.

Herr Abgeordneter Gentzel hat eine Nachfrage.

Vorab sei auch mir eine Bemerkung gestattet: Niemand hat etwas gegen einen Neuanfang, aber ich frage Sie, Herr Minister, wenn sich herausstellen sollte, dass das von mir benutzte Zitat, welches auch in der TA vom 12. November 2001 eindeutig als Zitat gekennzeichnet ist, wahr ist und Herr von Blaustark immer noch hauptamtlich beim BdV arbeitet, ist das ein Neuanfang?

Herr Gentzel, Sie unterstellen jetzt etwas, was erst einmal geklärt werden muss. Ich habe Ihnen deutlich gesagt, dass ich mir das schwer vorstellen kann.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich gebe Ihnen die Zeitung. So geht das nicht.)

Ich gebe Ihnen andere Zeitungen.