Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Der vereinbarte Kompromiss, der dem Landtag nun heute vorliegt, meine Damen und Herren, bleibt hinter dem, was das Bündnis für "Mehr Demokratie in Thüringen" gefordert hat, aber auch hinter unseren Vorstellungen von modernen direkt-demokratischen Regelungen zurück. Aber der Kompromiss stellt doch eine erhebliche Verbesserung gegenüber den bisherigen Regelungen dar. Es ist ein wichtiger Schritt zum Ausbau direkter Demokratie in Thüringen und weist sogar über Thüringen hinaus.

(Beifall bei der PDS)

Denn gerade im Durchführungsgesetz gibt es Regelungen, die nach unserer Auffassung Modellcharakter für andere Bundesländer haben könnten und sollten.

Ich möchte hier nicht auf jedes Detail der umfangreichen Kompromisse eingehen, nur auf einige wichtige Punkte. Schon die jeweils unterschiedliche Höhe des Unterstützungsquorums bei Volksbegehren nach Sammlungsart, nämlich 10 Prozent bei der freien Sammlung, 8 Prozent bei der amtlichen Eintragung, ist etwas Neues. So wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es schwieriger ist, Menschen zur Unterschrift bei einer Behörde zu mobilisieren als an einem Straßenstand. Gerade hier in Ostdeutschland sind die Vorbehalte gegenüber Amtshandlungen noch sehr groß. Bei den Quoren wären noch etwas niedrigere Zahlen wünschenswert gewesen. Das Urteil des Verfassungsgerichts ließ da aber wenig Spielraum. Wie schon gesagt, die Zukunft kann da mit weiteren gesellschaftlich-politischen und daraus folgenden rechtlichen Entwicklungen vielleicht noch andere Möglichkeiten eröffnen. Zukünftig können Initiatoren eines Volksbegehrens zwischen freier und amtlicher Sammlung wählen. So können sie ihre Entscheidung gegebenenfalls zum Beispiel entsprechend ihrer logistischen Möglichkeiten treffen. Es wäre wohl sinnvoller gewesen, die freie Sammlung nicht an bestimmten Orten auszuschließen, nämlich zum Beispiel dort, wo sich Menschen in besonderen Vertrauensverhältnissen bewegen. Diese Neuregelung trägt so leider den Rest eines Generalverdachts gegen mündige Bürger. Gegen die Gefahr des Missbrauchs einer Unterschrift unter ein Volksbegehren oder deren missbräuchliche Erlangung soll es jetzt in der Verfassung das Recht eines Widerrufs der Unterstützungsunterschrift geben, der keinerlei Begründung bedarf. Das, meine Damen und Herren, hätte eigentlich gereicht. Die Viermonatsfrist für eine freie Sammlung ist geblieben. Bei der amtlichen Eintragung ist mit zwei

Monaten eine annehmbare Frist erreicht worden. Auch hier wäre zu Gunsten der Chancen für Initiativen eine längere Sammlungszeit wünschenswert und sinnvoll gewesen, aber es war nicht durchsetzbar. Nun müssen entsprechende Regelungen im Durchführungsgesetz auch dafür sorgen, dass die praktische Ausgestaltung der amtlichen Eintragung jedem Stimmberechtigten in angemessener Weise die Teilnahme am Volksbegehren eröffnet. Von der Bereitschaft und dem Geschick des Innenministeriums wird es abhängen, die konkretisierende Rechtsverordnung entsprechend zu gestalten. Neben ausreichenden Öffnungszeiten bedarf es auch einer angemessenen Anzahl von Eintragungsstellen, vor allem in Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften. Eine weitere wesentliche Neuerung ist das Anwesenheits- und Rederecht der Vertrauensperson des Volksbegehrens in all den Ausschüssen, in denen das Volksbegehren beraten wird. Die Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens wären damit nicht mehr nur Zaungäste der Parlamentsberatungen. Sie könnten nun ihr Volksbegehren selbst vertreten und auf diese Weise die Ideen von Bürgerinnen und Bürgern selbst ins Parlament tragen.

(Beifall bei der PDS)

Das durchbricht die vorherrschende privilegierte Sicht auf die parlamentarische Sphäre. Es ist ein tatsächlicher Schritt hin zu Öffentlichkeit und Transparenz und leistet mehr als gläserne und nur scheinbar transparente Plenarsäle.

(Beifall bei der PDS)

Ursprüngliche Forderung war, den Vertrauenspersonen auch ein Rederecht im Plenum zu geben. Das ist nach unserer Ansicht und auch nach Meinung des Bündnisses eigentlich die logische Konsequenz aus der Tatsache, dass parlamentarische und Volksgesetzgebung der Verfassung nach gleichrangig sind. Was einer Fraktion, der Landesregierung oder einer Gruppe von Abgeordneten als Einreicher zusteht, sollte eigentlich auch den Vertretern eines erfolgreichen Volksbegehrens eingeräumt werden, nämlich zu Beginn der ersten Beratung ihren Gesetzentwurf im Plenum begründen zu können.

(Beifall bei der PDS)

Zu den Volksentscheiden: Für Volksentscheide wurde zumindest eine Absenkung der Zustimmungsquoren erreicht. Das notwendige Einverständnis von 40 Prozent der Stimmberechtigten für Verfassungsänderungen ist mit das niedrigste in Deutschland. Die notwendigen 25 Prozent für einfache Gesetze wären nicht nötig, um Ernsthaftigkeit plebiszitärer Gesetzgebung zu sichern. Dafür wird im Zusammenhang mit dem Volksentscheid jetzt eine in Deutschland einmalige, aber wichtige Neuerung vorgeschlagen. Im Vorfeld einer Volksabstimmung in Thüringen wird jeder Haushalt mit einer Abstimmungsbroschüre versorgt; sie enthält die zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe und die zugehörigen Begründungen. Diese

Neuerung ist an eine gängige Schweizer Praxis angelehnt. Anders als in der Schweiz war es leider nicht durchsetzbar, dass in dieser Broschüre auch politische Stellungnahmen der Initiatoren der zur Abstimmung stehenden Entwürfe zu diesen Entwürfen abgedruckt werden. Letztlich wird demokratische Meinungsbildung ja aber erst auf der Grundlage umfassender Informationen und kontroverser Diskussionen möglich. Aber vielleicht, meine Damen und Herren, gibt es auch hier zukünftig eine politische und rechtliche Weiterentwicklung.

Wichtig und neu für Thüringen ist auch eine Regelung für Kostenrückerstattungen. Nach den Schlussbestimmungen können die Träger eines erfolgreichen Volksbegehrens für jede zum Erfolg der Unternehmung nötige Unterschrift 15 Cent auf Antrag und Nachweis zurückerhalten. Im Falle eines erfolgreichen Volksentscheids stünden ihnen 7,5 Cent pro nötige Jastimme zu. Beim Volksentscheid stellt sich aber die kritische Frage nach dem Sinn einer Bindung an den Erfolg. Die Wahlkampfkostenerstattung der Parteien ist auch nicht an ein Erfolgskriterium geknüpft. Aber immerhin wichtig ist, direkte Demokratie darf nicht am Geld, das heißt, an einem für engagierte Bürgerinnen und Bürger oder Initiatoren unberechenbaren finanziellen Risiko scheitern. Deshalb ist auch diese Regelung bei allen Beschränkungen ein Schritt nach vorn. Letztlich bleibt noch ein kurzer Hinweis auf die zeitliche Vorverlegung der rechtlichen Überprüfung eines Volksbegehrens beim Verfassungsgericht. Es war für die Initiatoren, Unterstützer und Sympathisanten des Volksbegehrens für Demokratie in Thüringen wahrlich eine bittere Erfahrung, als ihr Engagement und der Zuspruch von mehr als 387.000 Bürgerinnen und Bürgern in Weimar praktisch für null und nichtig erklärt wurde. Dies wird es in Zukunft nicht wieder geben. Ein Volksbegehren muss gegebenenfalls schon nach seiner Zulassung, also nach der Sammlung von 5.000 Unterschriften rechtlich überprüft werden und nicht erst nach dem mehrmonatigen Sammeln von Hunderttausenden von Unterschriften.

Meine Damen und Herren, das Volksbegehren für "Mehr Demokratie in Thüringen" und die anschließenden Verhandlungen haben gezeigt, dass politische Veränderungen durch Bürgerengagement möglich sind, auch wenn sie einen langen Atem brauchen und sich gegen viele Widerstände durchsetzen müssen. Dennoch hat es diese Initiative bewiesen, Veränderung von unten ist möglich. Damit steht dieses Volksbegehren auch in den besten demokratischen Traditionen, auch denen des Herbstes 1989. Das bewundernswerte Engagement des Bündnisses und die mehr als 387.000 Unterschriften haben am Ende die Parlamentsmehrheit gezwungen, sich nach vorn zu bewegen. Das Volksbegehren für mehr Demokratie in Thüringen hat auch gezeigt, was Demokratie im besten Sinne sein kann: nicht lediglich ein Zustand, sondern ein gesellschaftlich politischer Diskussions- und Veränderungsprozess. Für die direkte Demokratie auf Landesebene ist Wichtiges erreicht, wenn auch noch Punkte bleiben, die verbesserungsfähig und verbesserungswürdig sind.

(Beifall bei der PDS)

Der jetzt auf der Landesebene begonnene Prozess des Umdenkens sollte auch für die kommunale Ebene beginnen. Das neueste Ranking des "Mehr Demokratie e.V." ergibt, dass Thüringen mit den jetzt eben beschriebenen Regelungen für die Landesebene im Bundesvergleich vom Schlusslicht in das gute Mittelfeld vorrückt. Aber bei den Möglichkeiten zu kommunaler Bürgermitbestimmung ist Thüringen weiterhin Schlusslicht. Die in Aussicht stehenden Änderungen für die Landesebene sind also ein wichtiges und durchaus erfreuliches Zwischenergebnis, aber vielleicht noch nicht der Endpunkt des Prozesses zur Verwirklichung und Stärkung direkter Demokratie. Es sollte auf kommunaler Ebene weitergehen. Die Diskussionen und Entscheidungen waren eine notwendige und gute Übung, um den nächsten ebenso notwendigen Schritt mit hoffentlich ebenso erfreulichen oder noch erfreulicheren Ergebnissen in Angriff zu nehmen.

(Beifall bei der PDS)

Das Bündnis für "Mehr Demokratie in Thüringen" will sich nach meiner Kenntnis dieser Aufgabe zuwenden. Dafür wünschen wir ihm viele gute Ideen, die notwendige Unterstützung und einen entsprechenden Erfolg. Für das bisher Geleistete gehört allen Beteiligten unsere aufrichtige Hochachtung und unser herzlicher Dank den vielen Aktiven und nicht zuletzt den mehr als 387.000 Unterstützern, die das heutige Ergebnis letztlich erst möglich gemacht haben.

(Beifall bei der PDS)

Die Abgeordneten, meine Damen und Herren, haben nur das Ihre getan, nämlich den von der Bürgerschaft belebten Verfassungsgrundsatz in das hohe Haus gelassen, der das Zentrum unserer Anschauung von Demokatie bildet: "Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Es verwirklicht seinen Willen durch Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheid." Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schemmel, SPD-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder im Saal weiß, dass ich kein Freund allzu salbungsvoller Worte bin, eher das Gegenteil. Deswegen sage ich heute nicht, das ist ein historischer Tag, aber ich definiere zumindest, es ist ein sehr bedeutsamer Tag für Thüringen, für die Bürgerinnen und Bürger Thüringens, für die Verfassung Thüringens und nicht zuletzt für das Thüringer Parlament, denn wir ändern heute die Thü

ringer Verfassung und ein entsprechendes Ausführungsgesetz nur mit einem Ziel, die Elemente der direkten Demokratie in Thüringen zu stärken. Man sieht also, dass auch mit der CDU vernünftige Kompromisse möglich sind.

(Beifall bei der SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Natürlich nur, wenn die erforderliche Mehrheit allein nicht gegeben ist und wenn die offensichtliche Uneinigkeit mit den Bürgerinnen und Bürgern Thüringens das Thema für einen Wahlkampf im nächsten Jahr kontraproduktiv erscheinen lässt.

(Beifall bei der SPD)

Und diesen Kompromiss betrachtend, der gut ist, sollten die Bürgerinnen und Bürger Thüringens im nächsten Jahr der CDU meiner Meinung nach keine alleinige Gesetzgebungskompetenz über absolute Mehrheit in diesem Haus beschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Dann können wir uns auch im nächsten Jahr über weitere sinnvolle und gute Kompromisse freuen.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Fiedler, es ist dann vielleicht auch mit Ihnen ein Kompromiss möglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war ein langer Weg. Vier Jahre waren es seit der ersten Unterschriftsleistung zur Unterstützung des Volksbegehrens des Bündnisses "Mehr Demokratie in Thüringen e.V.", zweieinhalb Jahre ist es schon her seit der ersten Lesung des Entwurfs der Initiative hier in diesem Haus. Wir haben dann nach dem Spruch des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 19. September 2001 im Landtag den Willen der Bürgerinnen und Bürger, den Willen des Bündnisses weiter befördert. Dies war für uns von der SPD kein kurzer Entschluss, kein Aufspringen auf eine Bewegung, keine Referenz an einen Zeitgeist, sondern nachhaltiges Handeln.

(Beifall bei der SPD)

Schon vor über 100 Jahren haben Sozialdemokraten im "Erfurter Programm" Elemente direkter Demokratie eingeklagt. Plebiszitäre Elemente erstmalig in einer deutschen Verfassung zu verankern, dies geschah dann, als Sozialdemokraten die Verantwortung in diesem Staat hatten.

(Beifall bei der SPD)

Beim Eingang von Elementen direkter Demokratie in die Thüringer Verfassung waren es die Sozialdemokraten, ich rufe als Zeitzeugen Frieder Lippmann auf, die damals

schon um niedrigere Hürden für plebiszitäre Elemente rangen. Unser Engagement in der Initiative und unsere parlamentarische Hilfe für diese Initiative war also letztlich gelebte Kontinuität. Wir haben einen Kompromiss erreicht, den der Mitbegründer des Bündnisses Ralf-Uwe Beck als einfach, fair und modern bezeichnet. Dies war nun - Sie hörten es schon hier im Landtag - eine gemeinsame Anstrengung mit der PDS. Dies nicht, um Gemeinsamkeit zu demonstrieren, Koalition zu schmieden oder vorzubereiten, sondern aus der Tatsache heraus, dass nur zwei von den 22 Gliedern der Initiative, also der 22 Vereine, Verbände, Parteien, die Möglichkeit des parlamentarischen Handelns besaßen. So haben wir unsere unterschiedlichen Positionen zur PDS im Interesse des Bündnisses zurückgestellt. Der erreichte Kompromiss ist somit ursächlich weder ein Erfolg der SPD und PDS, auch wenn wir eine ganze Menge Anteil Arbeit dabei hineingesteckt haben, geschweige denn ein Erfolg der CDU, sondern einzig und allein ein Erfolg des Bündnisses und dessen 387.469 Unterstützern.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke allen, die am Bündnis mitgearbeitet haben und allen, die ihre Unterschrift für diese Sache geleistet haben, allen, die Engagement und Sachverstand in diese unsere gemeinsame Sache investierten. Ich darf aber auch den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung danken, die die Arbeit des Ausschusses unterstützten, und letztlich auch den Mitarbeitern des Justizministeriums, die uns bei einigen schwierigen Formulierungen im Gesetz mit Rat zur Seite standen. Die letztere Bemerkung trifft allerdings insbesondere nur auf die Zeit zu, seit Dr. Gasser dieses Ministerium leitet.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, betrachten wir noch einmal die Ausgangssituation der parlamentarischen Beratungen und Verhandlungen: Die vorliegenden Gesetze der SPD und PDS einerseits und andererseits der CDU-Landesregierung vom Oktober 2001 bzw. Februar 2002 unterschieden sich wie Feuer und Wasser. War unser Entwurf auf eine deutliche Stärkung der Elemente direkter Demokratie, natürlich unter Beachtung des Spruchs des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, gerichtet, so stellte der Regierungsentwurf eindeutig noch eine Verschlechterung des Status quo dar. Ich erinnere nur an die von der CDU in das Gesetz geschriebenen Sammlungsmodalitäten; ausschließlich Amtsstubensammlung bei einer Sammlungsfrist von zwei Wochen. Die bestehende Verfassungs- und Gesetzeslage damals war aber freie Sammlung bei Sammlungsfrist von vier Monaten. Jedem leuchtet ein, dass die von der CDU ins Auge gefassten Modalitäten direkte Demokratie in Thüringen praktisch unmöglich gemacht hätten. Diese unterschiedliche Ausgangslage in ein Kompromisspaket zu schnüren war eine langwierige und Kräfte zehrende Aufgabe. Unzählige Stunden haben wir, zum Teil auch unter Einbeziehung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie

des Justizausschusses und eines speziell gebildeten Unterausschusses, um den Kompromiss gerungen. Kein Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode hat derartige Anstrengungen der Parlamentarier erforderlich gemacht. Ich glaube auch, dieses Gesetzgebungsverfahren hat einen Teil dieser Legislaturperiode, die im nächsten Jahr zu Ende geht, wesentlich geprägt. Im Endergebnis liegt uns nun ein verbessertes und gestrafftes Verfahren mit abgesenkten Hürden für direkte Demokratie vor. Kollege Hahnemann hat ausführlich die Einzelheiten erläutert, so dass ich diese hier nicht noch mal darstellen will oder möchte. Für mich ist besonders wichtig und besonders erfreulich an diesem Kompromiss - einen Punkt möchte ich herausheben - die Wahlmöglichkeit der Initiative, in freier oder Amtsstubensammlung die erforderliche Unterstützung einzuholen, denn ich weiß, dass diese freie Sammlung natürlich die Initiative und ich präferiert haben, aber ich war auch immer einer derjenigen, der hingewiesen hat, dass in bestimmten Fällen auch ein flächendeckendes Netz einer Amtsstubensammlung, einer Initiative, die nicht diese Stärke, die nicht diese Komplexheit hat, eine Grundlage bieten kann, um ein Volksbegehren in diesem Freistaat durchzusetzen. Doch auch mit dem erreichten Kompromiss, meine Damen und Herren, wird in Thüringen in Zukunft eine Volksgesetzgebung nur mit erheblichen Mühen möglich sein. Ich verweise auf die gegebenen Schranken Grundgesetz und Landesverfassung, und das ist gut so, dass diese Schranken bestehen. Ich verweise auf den Haushaltsvorbehalt und ich verweise auf die auch von Kollegen Hahnemann dargestellten noch verbliebenen Hürden. Es wird also weiterhin sehr schwierig sein. Andererseits zeigt aber dieser Kompromiss gerade auch dem Bündnis, dass aus dem Volk heraus, wenn auch mit erheblichen Mühen und in einem langwierigen Prozess das Bündnis hat dieses gerade erlebt -, immerhin im Freistaat Thüringen noch etwas bewegt werden kann.

Meine Damen und Herren, wir wissen immer, wie schwer es heutzutage ist, auf den verschiedenen Ebenen etwas zu bewegen, wie schwer Reformen sind und deswegen ist es sehr gut, dass das Bündnis ja auch das Gefühl erhalten hat, ich kann doch aus dem Volk heraus in dieser reformunfreudigen Zeit noch etwas bewegen. Diese Erkenntnis wird das Bündnis stärken und zu neuen Initiativen anregen. Wir werden, wenn sich die Interessen treffen, sehr gern wieder mit dem Bündnis zusammenarbeiten. Aber auch andere Gruppierungen sollten durch diesen Erfolg Mut fassen, sich in das politische Leben in Thüringen durch Bürgerantrag oder Volksbegehren auf Landesebene oder Bürgerantrag und Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene mit einzumischen. Der Vorrang der parlamentarischen Demokratie, meine Damen und Herren, wird durch solche Initiativen nicht in Frage gestellt, aber direkte Demokratie kann, will und wird unsere Demokratie in Zukunft stärken. Danke schön.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es hat jetzt das Wort der Fraktionsvorsitzende der CDUFraktion, Herr Dr. Pietzsch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Abgeordneter Schemmel hat damit seine Rede begonnen, dass er nicht zu salbungsvollen Worten neigt, das wissen wir, aber er hat gesagt, das ist ein historischer Tag. Meine Damen und Herren, ein historischer Tag ist es in der Tat, denn es ist das erste Plenum im neuen Plenarsaal dieses Landtags.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, knapp dreieinhalb Jahre nach dem Antrag des Vereins "Mehr Demokratie" auf Zulassung eines Volksbegehrens und knapp ein Jahr nach schwierigen, aber konstruktiven Verhandlungen werden wir also heute das "Zweite Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen" und das "Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid" in diesem Haus abstimmen.

Meine Damen und Herren, Herr Ramelow, ich habe heute Morgen in den Nachrichten gehört, Sie haben dieses als eine Sternstunde bezeichnet. Ich würde auch nicht so weit gehen, ähnlich wie Herr Abgeordneter Schemmel, aber es ist schon eine besondere Situation, dass wir einen Kompromiss auf dem Tisch haben, der offensichtlich von allen drei Fraktionen getragen wird. Wir haben schon einige Anträge hier im Parlament gehabt, die einmütig von allen drei Fraktionen abgestimmt und befürwortet worden sind. Es waren Anträge in schweren Stunden. Ich denke beispielsweise an unsere Stellungnahme zum Brandanschlag auf die Synagoge in Erfurt, oder ich denke an das Massaker am Gutenberg-Gymnasium. Wir sind heute von solchen schweren Stunden Gott sei Dank weit entfernt und dennoch haben wir hier Anträge auf dem Tisch, die wir gemeinsam im Konsens verabschieden werden.