Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Herr Abgeordneter Dittes, gestatten Sie eine Frage?

Herr Wetzel, bitte.

Ich bedanke mich für die großzügige Fragemöglichkeit. Was sind für Sie eigentlich Große Anfragen im parlamentarischen Ablauf, sind das parlamentarische oder nicht parlamentarische Arbeiten?

Herr Wetzel, ich gebe zu, ich hatte vorhin bei meinem Einstieg tatsächlich eine kleine Geschäftsordnungsschwäche, aber Sie dürfen wissen,

(Unruhe bei der PDS)

da Sie ja auch so lange dem Thüringer Landtag angehören wie ich, dass ich zu denjenigen Abgeordneten gehöre, die das Fragerecht, das den Parlamentariern zusteht, sehr wohl als parlamentarische Arbeit betrachten

(Beifall bei der PDS)

und das sehr ausgiebig auch nutzen. Aber genau die Antwort der Landesregierung gehört auch zur Verpflichtung dieser in ihrer Arbeit und dies lässt halt auch zu wünschen übrig.

(Beifall bei der PDS)

Und wir halten es in diesem konkreten Fall auch für besser, Grundsätze und Handlungsstrategien, die Ausgangspunkt sind für eine Länderkooperation, zu formulieren und unsere Beteiligung als Parlament einzufordern in dem Prozess und nicht darauf zu beschränken nachzufragen, was Ministerpräsidenten bereits für sich verabredet haben.

Herr Abgeordneter Dittes, gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Schwäblein?

Vielen Dank. Ich frage Sie das, was ich auch Ihre Vorrednerin schon fragen wollte.

Aber ich kann nicht für Frau Doht antworten.

Aber Sie dürfen es gern für sich versuchen. Halten Sie diesen Tagesordnungspunkt und dieses Thema wie ich für den endgültigen Auftakt des Landtagswahlkampfes 2004?

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ach, Herr Schwäblein!)

Herr Schwäblein, wir können jetzt gern über die Genese der "Initiative Mitteldeutschland" reden, die ja erst möglich wurde, als in Sachsen-Anhalt der entsprechende dritte passfähige - weil CDU-Mitglied - Ministerpräsident gewählt worden ist und diese "Initiative Mitteldeutschland" in einer Zeit von Ihren Ministerpräsidenten ins Leben gerufen worden ist, wo es eigentlich darum ging, konkrete Probleme, die im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz bestanden haben, in diesen Ländern zu lösen. Aber diese "Initiative Mitteldeutschland" ist ein Papiertiger; hier wird "heiße Luft" tatsächlich in die Öffentlichkeit geblasen, um etwas vorzugaukeln, was tatsächlich nicht stattfindet. Uns geht es darum, über diese Legislaturperiode hinaus, über die Wahl hinaus tatsächlich diese Länderkooperation wirklich fundiert anzugehen und dafür auch Prämissen festzulegen. Darauf will ich im Folgenden auch eingehen, Herr Schwäblein, denn unser Antrag bezieht sich nicht allein darauf, nur nachzufragen, wie es denn nun aussieht mit den Landesämtern für Statistik, sondern nachzufragen: Was sind denn eigentlich die Ausgangspunkte aus Sicht der PDS-Fraktion und, ich hoffe, auch aus Sicht des Landtags für eine solche Länderkooperation zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen?

(Beifall bei der PDS)

Ausgangspunkt ist, und das sollte man durchaus auch noch mal feststellen in dieser Debatte bei allen Überlegungen, dass diese drei Bundesländer weit mehr verbindet als nur die ähnlichen strukturellen Probleme, die vielleicht eine ähnliche Interessenlage jetzt begründen könnten in der Gegenwart. Ohne Kooperationen in grenzüberschreitenden Regionen mit anderen Bundesländern qualitativ entwerten zu wollen oder abwerten zu müssen, glauben wir, dass es aus der Geschichte dieser drei Bundesländer heraus eine besondere Berechtigung gibt, im Rahmen der Diskussion zur Neugestaltung der bundesstaatlichen Ordnung, aber auch zur Diskussion um die Neugestaltung des Föderalismus innerhalb der Europäischen Union die Zukunft dieser drei Länder gemeinsam im Ganzen zu diskutieren und zu gestalten. Grundsatz dabei ist für uns, Artikel 72 des Grundgesetzes zu beachten, nämlich der dort verankerte Auftrag, die Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet als Ziel zu beachten und dafür Sorge zu tragen. Dieser Grundsatz, meine Damen und Herren, ist für uns auch Handlungsmaßstab und auch Prüfmaßstab für alle Maßnahmen der Länderkooperation zwischen den drei genannten Ländern.

Darüber hinaus benennen wir im ersten Teil des Antrags Handlungsgrundsätze und Zielvorstellungen für die Länderkooperation, auf die ich nicht alle eingehen möchte, aber ich möchte zumindest drei kurz benennen: Es versteht sich doch von selbst, meine Damen und Herren, wenn man die Länder tatsächlich zu einer Wirtschaftsregion, zu einem Wirtschafts- und Lebensraum entwickeln will - wie Sie schreiben "zu einer wettbewerbsstarken, sozial und öko

logisch fortschrittlichen Region" in der Mitte Europas -, dass gerade die raumordnerischen und die raumstrukturellen Grundlagen nach den gleichen Grundsätzen geschaffen und auch gestaltet werden. Im kommenden Jahr sollen in Sachsen, aber auch in Thüringen die Landesentwicklungspläne beschlossen werden und Rechtskraft erlangen. Mit diesen Plänen werden doch gerade die Voraussetzungen für die raumordnerische Entwicklung der nächsten 10 bis 15 Jahre in den Ländern gelegt werden. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen die Vorhaben der Entwicklung der Achsenstrukturen, die Entwicklung der Räume mit besonderen Entwicklungsaufgaben, aber auch die Maßnahmen zur Entwicklung der Stadt- und Umland-Räume einerseits und andererseits die des ländlichen Raums aufeinander abgestimmt werden. Das heißt auch, dass Siedlungsentwicklung, Entwicklung des großflächigen Einzelhandels und die Wirtschafts- und Flächenvorsorge insbesondere sich einander ergänzen und aufeinander aufgebaut sein müssen. Das erfordert auch eine konkrete Beschreibung der Maßnahmen in der grenzüberschreitenden Kooperation in den jeweiligen Landesentwicklungsplänen. Und weil dies notwendig ist, Herr Gentzel, können wir uns nicht darauf beschränken, eine Anfrage zu stellen, sondern diese gleichrangige Entwicklung und aufeinander abgestimmte Entwicklung muss auch eingeleitet und durchgesetzt werden.

Gleichfalls steht in allen drei Bundesländern eine Diskussion an, das ist die Diskussion zur Verwaltungsreform. Harmonisierung der Verwaltungsstrukturen kann doch nicht nur heißen zu überlegen, welche landesweit tätigen Verwaltungsstrukturen ich in etwa zusammenlege, um Effizienzsteigerungen zu erreichen. Verwaltungsreform heißt doch auch darüber nachzudenken, auf welcher Ebene ich in den drei Bundesländern Aufgaben zukünftig wahrnehme und diese Aufgaben mit welchen Strukturen tatsächlich auch bewältigen möchte. Wenn ich grenzüberschreitend Lebens- und Wirtschaftsräume entwickeln möchte, kann dies doch nicht durch unterschiedliche Verwaltungsstrukturen erschwert werden, dann nutzen wir also die zu führenden Diskussionen um eine Verwaltungs- und eine Funktionalreform in den drei Ländern. Und ich sage es ausdrücklich, das muss auch für die Diskussion um künftige Gemeindegebietsreformen gelten. Da Verwaltungsreform auch immer etwas mit Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu tun hat, sage ich es ausdrücklich: Das Ganze in der Drei-Länder-Kooperation funktioniert natürlich nur mit weitestgehender Mitbestimmung, Mitwirkung der Beschäftigten und Angestellten im öffentlichen Dienst. Das heißt, wenn weitestgehende Mitbestimmung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gewährleistet werden muss, dann muss die Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes in Thüringen, die die CDU-Mehrheit durchgesetzt hat, zurückgenommen werden,

(Beifall bei der PDS)

weil diese Änderung diese weitestgehende Mitbestimmung ausgeschlossen hat. Ich kann Ihnen versichern, Sie haben

doch die Erfahrungen auch im Katasterwesen gemacht, dort, wo es zu Beginn gerade an Mitbestimmung mangelte, wo die Information im öffentlichen Dienst nicht gegeben war bei den Beschäftigten, dort hakt doch auch die Reform der Verwaltungsstrukturen, dort fehlt es ihr an Akzeptanz und das macht sich schließlich auch fest an der Qualität der Arbeit. Ich denke, diesen Schritt sollten wir hier mit als Erstes gehen, weil damit natürlich auch gewährleistet werden kann, dass von vornherein die Beschäftigten auch in einer solchen Länderkooperation gemeinsam an einem Strang ziehen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, zur Beteiligung der Landtage und der damit verbundenen Wirkung, der Beteiligung auch der Öffentlichkeit und damit verbunden auch der Möglichkeit der Mitentscheidung durch Bürgerinnen und Bürger habe ich, glaube ich, schon ausführlich gesprochen. Ich möchte aber zumindest noch einen Gedanken dazu in den Raum stellen und, Herr Schwäblein, vielleicht beantwortet er auch ein Stück weit Ihre Frage nach der Langzeitwirkung von Anträgen hier im Thüringer Landtag. Es wäre aus unserer Sicht wünschenswert und zu begrüßen, dass aller unterschiedlichen Regelungen der Geschäftsordnung in den drei Landtagen zum Trotz eine parlamentarische Arbeitsgruppe von Vertretern aller Landtage und aller Fraktionen im kommenden Jahr nach der Neubildung der Landtage in Thüringen und Sachsen gebildet wird, die dann versucht, die Grundsätze der Länderkooperation in konkretere Reformvorhaben umzusetzen, diese Diskussion um die konkrete Umsetzung gemeinsam führt, denn dann könnte, meine Damen und Herren, und damit will ich abschließen, der von der CDU gefüllte Heißluftballon endlich eine Fahrtrichtung bekommen und eine Gondel, die das notwendige Gewicht für eine derartige Länderkooperation beinhaltet. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Dittes, einen Moment bitte. Nein, Sie möchten reden, Herr Wetzel? Gut, Abgeordneter Wetzel hat das Wort. Dann hat sich Minister Trautvetter im Übrigen auch noch gemeldet.

Herr Kollege Dittes, ich hoffe, dass der Heißluftballon kein Heißluftballon ist. Nach Ihrer Darstellung soll es einer sein, aber wenn er schon einer wäre, dann hoffentlich nicht mit Ihrer Windrichtung. Denn das, was Sie uns jetzt vorgetragen haben, ist wirklich blinder DDR-Aktionismus.

(Unruhe bei der PDS)

Hier fahren in Thüringen mittlerweile so 300 Gewerkschaftler jeden Tag quer durch das Land und treffen sich.

Sie wollen, dass dann künftig 900 sich treffen, aber nicht mehr in Erfurt, sondern irgendwo: in Dresden, in Magdeburg, in Erfurt, in Leipzig, das ist schon mal eine gewisse Steigerung von Effizienz von Treffen und von Ausgaben im öffentlichen Dienst. Die sind schon mal Spitze, wenn Sie das meinen. So läuft es mit uns nicht und so wird es auch nicht sein. Herr Dittes, diese Frage mit Landesentwicklung zu verknüpfen à la LEP - es ist anscheinend auch bei Ihnen der Wahlkampf ausgebrochen. Ich habe vorhin gesagt, es geht mit uns nicht mit blindem Aktionismus, sondern wir werden ganz klar und konstruktiv an diese Dinge herangehen und werden uns ganz klar entscheiden, Kosten sparend - nicht mehr Kosten machen bestimmte Dinge in diesen drei Ländern zusammenzuführen. Dabei wird es bleiben und hoffentlich kriegen Sie dazu nie die Möglichkeit, es vorantreiben zu müssen oder zu dürfen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt weitere Wortmeldungen. Der Abgeordnete Schemmel hat sich gemeldet, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gelte bestimmt nicht als wüster DDR-Aktionist, möchte aber das, was der Kollege Dittes gesagt hat, an dieser Stelle weitestgehend unterstreichen;

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Na aber!)

nicht in allen Belangen, sondern es war im Gegensatz zu dem, was aus dieser Ecke kam, ein relativ vernünftiger Vorschlag zu diesen ganzen Fragen. Natürlich ist es auch absolut richtig, Landesentwicklung, was gerade noch einmal bestritten wurde, zu verknüpfen mit einer Länderkooperation. Das kann doch gar nicht anders gehen.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich muss man bei einer Länderkooperation auch über gemeinsame Verwaltungsfragen nachdenken und selbstverständlich muss man, wenn man über Verwaltungsreformen nachdenkt, auch über Kreisgebietsreformen, Gemeindegebietsreformen nachdenken, denn zum Beispiel der Wunsch nach einer zweistufigen Verwaltung kann natürlich nicht mit den jetzigen Kreisen und Gemeindegliedern erfüllt werden in dieser Größenordnung. Natürlich, ich bin Herrn Dittes dankbar, dass er das alles erwähnt hat.

Ich denke, der Beitrag, der von der CDU gekommen ist, hat eigentlich nur bewiesen, dass das mit dem Heißluftballon ein ganzes Stück Realität ist.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Minister, Sie gedulden sich,

(Zuruf Trautvetter, Innenminister: Ja, ich ge- dulde mich.)

Sie können ja jederzeit - wenn so spontane Abgeordnetenmeldungen sind -, Herr Abgeordneter Braasch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Diskussion am heutigen Tag hat mich zur Wortmeldung bewegt. Zu DDR-Zeiten lebten drei meiner Brüder in der Bundesrepublik Deutschland und drei lebten in der DDR. Ich weiß, dass die Westler damals gesagt haben: Meine Familie stammt aus Mitteldeutschland. Ich selbst habe in Sachsen-Anhalt eine Zeit gelebt, habe eine Zeit lang im heutigen Sachsen gearbeitet und lebe nun Gott sein Dank in Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Lebensläufe.)

Die Geduld müssen Sie schon haben, lieber Herr Kollege Pohl, dass ich davon auch einmal etwas berichte. Ich kann also dem Gedanken mitteldeutscher Kooperation sehr viel Sympathie entgegenbringen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Wir auch.)

Sehr schön. Nun aber frage ich Sie: Wenn das heute alles ein Heißluftballon ist und wenn das Papiertiger sind usw., warum hebt man das auf diese parlamentarische Ebene, eine Große Anfrage zu stellen?