Das, meine Damen und Herren, entspricht unseres Erachtens weder den Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch der UN-Kinderrechtskonvention. Warum also verhält sich die deutsche Politik so? Haben nicht Jungen den gleichen Anspruch auf Schutz des Kindeswohls? Sind sie nicht auch, genau wie Mädchen, durch den Kinder- und Jugendschutz zu behüten? In der Frage der Schlechterstellung männlicher unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge - übrigens ein Wortungetüm, das nur deutschen Juristen einfallen kann - und zur Frage der Ungleichbehandlung jugendlicher Flüchtlinge streiten sich nämlich auf der Bundesebene die Experten. Ich bin gespannt, wie Sie mit dieser Mitnahme, Frau Stauche, dann zurande kommen. Der Innenminister meint nämlich, die Asylgesetzgebung gehe vor. Hätte man die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau von der Leyen, gefragt, die hätte wahrscheinlich anders geantwortet. Für Frau von der Leyen wäre wahrscheinlich das Kindeswohl ausschlaggebend und selbstverständlich, würde zumindest ich meinen.
Meine Damen und Herren, auch wenn es sich aktuell um nur fünf männliche unbegleitete Flüchtlinge handelt, ist diese Ungleichbehandlung ein Skandal.
Das Kindeswohl und der Kinder- und Jugendschutz gehen vor, egal welcher Herkunft ein Kind ist. Es ist ein Kind und damit besonders schutzbedürftig. Und
Kostenargumente oder der mögliche Ausgang des Asylverfahrens dürften hier keine Rolle spielen, zumal es sich lediglich, Frau Pelke hat darauf hingewiesen, um fünf Fälle handelt. Unsere Fraktion begrüßt das Angebot eines Vertreters des Innenministeriums vom Januar, bei künftigen Fällen die Jugendlichen wenigstens in Gemeinschaftsunterkünften mit guter Sozialbetreuung unterzubringen. Das kann aber nur eine Zwischenlösung und eigentlich nur eine Notlösung sein, so lange, bis eine richtige, menschenwürdige Lösung gefunden ist. Eine solche menschenwürdige Lösung hat zumindest in ihrem Verantwortungsbereich die Thüringer Landesregierung in der Hand. Bei Kindern und Jugendlichen muss im Sinne des Kindeswohls das Kinder- und Jugendhilferecht den Vorrang vor ausländerrechtlichen Normen haben. Einen Vorrang ausländerrechtlicher Bundesregelungen vor dem Kinder- und Jugendhilfegesetz darf es nicht geben. Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag für einen wirksamen Schutz minderjähriger Flüchtlinge zu unterstützen und die Landesregierung zu beauftragen, zum einen hier in Thüringen den Rechten Minderjähriger zur Geltung zu verhelfen und sich zum anderen im Bundesrat dafür einzusetzen, dass den im Kinder- und Jugendhilfegesetz normierten Schutzregelungen für Minderjährige der Vorrang vor anderen Gesetzen gegeben wird.
Weitere Redeanmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung hat das Wort Staatssekretär Hütte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ist im Gleichstellungsausschuss am 15. Januar in der Tat schon ausführlich erörtert worden. Wir haben - auch das ist schon gesagt worden - zu Recht einen gewissen Widerspruch zwischen bundesrechtlichen Vorschriften. Die Bundesregierung hat im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage kürzlich noch mal ausdrücklich ausgeführt, dass die Schutzbestimmungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes gegenüber den Vorschriften des Asylverfahrensrechts keine Ausnahmeregelung darstellen. Das hat auch nicht mit Willkür zu tun und ist auch nicht zwingend ein Verstoß gegen das Kindeswohl, Herr Hahnemann, sondern das sind schlicht auch juristische Auslegungsinstrumentarien, nämlich dass das Asylrecht hier als lex specialis zum Kinderjugendhilfegesetz anzuwenden ist. Im Hinblick auf diese Rechtslage, auf diesen Wertungswiderspruch beschreitet Thüringen im Übri
gen im Interesse der jungen Flüchtlinge seit Jahren einen pragmatischen Weg. Das bedeutet im Einzelnen, dass die unbegleiteten weiblichen Flüchtlinge bis zum 18. Lebensjahr in Einrichtungen der Jugendhilfe bleiben, um sie insbesondere - auch das ist bereits gesagt worden - speziell vor sexuellen Übergriffen innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte zu schützen. Aber auch die über 16-jährigen männlichen Flüchtlinge werden nur dann auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt, wenn die Jugendhilfeeinrichtungen keinen Bedarf für eine weitere Inobhutnahme sehen. Zudem werden diese jungen Flüchtlinge nur in die Kommunen verteilt, die über eine gute Betreuungsinfrastruktur verfügen. Und in der Tat, wir haben nach der Sitzung des Gleichstellungsausschusses, nämlich mit Datum vom 16. Januar, dies auch noch mal ausdrücklich als Vorgabe und als Erlass an das Landesverwaltungsamt so geschrieben.
Die Auffassung, wonach diese Verfahrensweise etwa den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes widerspreche, teile ich nicht. Selbstverständlich lässt auch das Gleichbehandlungsgesetz eine differenzierte Behandlung zu, sofern ein sachlicher Grund dafür vorliegt. Die besondere Gefährdungssituation der weiblichen unbegleiteten Flüchtlinge unter 18 Jahren ist ein solcher Differenzierungsgrund.
Meine Damen und Herren, wir sind uns gleichwohl alle einig, dass alles getan werden muss, um die bei uns lebenden minderjährigen Flüchtlinge wirksam zu schützen und das geschieht auch. Der in Thüringen von mir beschriebene praktizierte Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern wird diesem Anspruch, den der Antrag auch hat, gerecht. Die Landesregierung hält eine Bundesratsinitiative deshalb derzeit nicht für aussichtsreich und auch nicht für so dringlich, dass Thüringen hier einen Alleingang machen sollte, allein schon mit Blick auf den Rest und auf die kurze Zeit der noch verbleibenden Legislaturperiode des Bundestags. Im Übrigen arbeitet bereits eine länderübergreifende Arbeitsgruppe an Vorschlägen, wie man diesen Widerspruch zwischen dem Kinder- und Jugendhilferecht und dem Asylverfahrensrecht harmonisieren kann und ich hoffe, dass da in absehbarer Zeit - das ist unser aller Hoffnung - dieser Widerspruch auch ausgeräumt wird. Ich schlage daher vor, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen. Vielen Dank.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Verständnisfrage zu dem, was Sie eben gesagt haben. Muss ich Ihre Ausführungen so eng interpretieren, dass die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in der Weise vorgenommen wird, dass Mädchen bevorzugt werden, und wenn es das Problem einer Gefahr eventueller sexueller Missbrauche nicht gäbe, auch Mädchen in die Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen würden?
Nein. Ich sehe hier zunächst gar nicht den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes eröffnet. Die generelle Vorgabe ist, das gilt sowohl für Jungen als auch für Mädchen, grundsätzlich das Asylverfahrensrecht. Wir haben hier nur in der praktischen Anwendung dieser besonderen Gefährdungssituation bei Mädchen Rechnung getragen.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kann ich die Aussprache schließen. Ich frage jetzt noch mal nach: Ist Ausschussüberweisung beantragt worden? Das ist nicht der Fall. Damit können wir direkt über den vorliegenden Antrag abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/4909 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltung, dann ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Wiederbelebung der Vermö- gensteuer zur Abfederung der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4925 -
Eine Begründung ist seitens der SPD nicht angemeldet worden. Demzufolge kann ich gleich die Aussprache eröffnen. Als erster Redner hat sich Abgeordneter Huster, Fraktion DIE LINKE, zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts der Zeit will ich das Thema kurz behandeln, auch, weil wir uns ja in der letzten Sit
zung etwas grundsätzlicher mit all diesen Fragen von Einnahmen und Ausgaben in öffentlichen Haushalten beschäftigt haben. Ich finde es wichtig, dass die SPD das Thema Vermögensteuer in den Thüringer Landtag bringt auch vor dem Hintergrund, dass sich die CDU bisher immer gegen solche und ähnliche Versuche der Umverteilung von oben nach unten gewehrt hat und eine politische Auseinandersetzung in dieser Frage aus meiner Sicht auch eine Zukunftsfrage schlechthin ist für Gerechtigkeit und für die öffentlichen Haushalte.
Allerdings ist es so, wie die Kollegen der SPD-Fraktion das Thema anpacken, nicht besonders glaubwürdig. Ich will erinnern: Im Jahr 2005 kurz vor den Bundestagswahlen haben Sie in einer ähnlichen Methodik das Thema „Reichensteuer“ entdeckt. Wenn man sich die Einnahmen heute anschaut, kann man das schon durchaus als einen halbherzigen Versuch bezeichnen, ein Gerechtigkeitsthema zu besetzen. Sie hatten beim Thema „Vermögensteuer“ 1998 mit der gewonnenen Bundestagswahl selbst die Möglichkeit, die Vermögensteuer wieder einzuführen. Sie haben durch Ihre Beteiligung jetzt in der Bundesregierung auch nach wie vor die Möglichkeit, das noch in dieser Legislatur in der Bundesregierung offensiv zu thematisieren. Bitte und Aufforderung von unserer Seite wäre, das dort auch dringend und intensiv anzunehmen.
Des Weiteren, werte Kollegen, die Position der LINKEN ist bekannt. Wir wollen die Vermögensteuer, aber wir wollen sie auf keinen Fall so, wie Sie sie hier skizziert haben. Wir wollen die Umverteilung von oben nach unten, aber auch nicht so, wie Sie es hier skizziert haben in dieser Ausschließlichkeit, sondern, um es kurz zu machen, wir wollen die Vermögensteuer als einen Regelfall zur Umverteilung, zur gerechten Verteilung von oben nach unten, vergleichbar beispielsweise mit einer Börsenumsatzsteuer, die wir auch als Regelfall zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte einsetzen wollen, und um Anreiz zu schaffen, Kapital in reale Investitionen zu lenken und weg von Spekulation. Wir glauben, dass die Krisenbewältigung, die Sie als Begründung für Ihren Antrag anführen, eher eine besondere, sicherlich zeitlich begrenzte Maßnahme erfordert, nämlich eine besondere Millionärsteuer, die ich jetzt nicht im Detail aufgrund der gebotenen Zeit erläutern will, aber die zumindest deutlich macht, dass die Mitverursacher oder ein Teil der Hauptverursacher dieser schweren Wirtschafts- und Finanzkrise sich auch an der Bewältigung der Schäden finanziell mit beteiligen müssen.
wüchse dieser Art, wie wir sie jetzt erleben, überhaupt nicht entstehen zu lassen, sondern generell eine gerechte Verteilung in der Gesellschaft zu organisieren. Aus diesen gesagten Gründen empfehle ich meiner Fraktion die Enthaltung zu Ihrem Antrag. Danke schön.
Frau Präsidentin, werte Kollegen, ich versuche, mich auch kurzzufassen. Herr Huster, wir werden uns nicht enthalten können, wir werden bei dieser Vorlage dagegen stimmen müssen.
Ich darf zunächst vielleicht einmal mit einem Vorurteil aufräumen. Die Vermögensteuer impliziert immer, dass das deutsche Steuerrecht völlig ungerecht wäre. Sie sollten sich einfach immer mal vor Augen führen, dass 10 Prozent der Steuerpflichtigen des oberen Einkommensbereichs über 50 Prozent der Steuern zahlen und dass die unteren 50 Prozent ca. 5 Prozent des Steueraufkommens zahlen.
Ja, über die Vermögen können wir jetzt gleich noch reden. Da stellt sich die Frage: Was ist Vermögen überhaupt? 1995 hat das Bundesverfassungsgericht vor allen Dingen zwei Punkte kritisiert, zum einen die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil Vermögen an Immobilien beispielsweise, an Feld, Wald, Kunstgegenständen oder auch betriebliches Vermögen bei der Bewertung im Vergleich zu Bargeld, zu Cashpositionen relativ schwierig sind und auch ein weites Feld für Bewertungsabschläge letztendlich zulassen. Als zweites Grundproblem haben sie damals auch festgestellt, dass die Gesamtbelastung eines Steuerpflichtigen 50 Prozent nicht übersteigen sollte bei einem Spitzensteuersatz von 45 Prozent, dazu kommen noch andere Steuern, wie z.B. die Grundsteuer, Gewerbesteuer usw. kann man mit der Vermögensteuer leicht die 50-Prozent-Marke überschreiten und dann haben wir vielleicht irgendwann mal wieder Zustände wie zu DDR-Zeiten, als es im betrieblichen Bereich Steuersätze von bis zu 96 Prozent gab, die eine Wirtschaft völlig zum Erliegen bringen. Die Lehren sollten Sie eigentlich gezogen haben.
Ich sage an dieser Stelle auch, es gibt einige systematische Probleme. Die Vermögensteuer ist eine reine Substanzsteuer. Das heißt, Sie müssen aus diesem Vermögen überhaupt gar keine Gewinne
mehr erzielen. Als Beispiel das Autohaus, das bewertet ist in den Büchern, es sind ja Freibeträge vorgesehen - da gibt es die unterschiedlichsten Papiere seitens der SPD. Eines, das ich gelesen habe, war, dass man ca. eine halbe Million Freibetrag einräumen wollte. Aber dass eine halbe Million, also 500.000 €, gar nicht so viel ist bei einer Personengesellschaft als Unternehmen, das dürfte auch jedem klar sein -, das Autohaus wird also bewertet mit diesem Vermögen Baukörper, Ausrüstung usw., macht aber überhaupt keine Gewinne mehr. Was wäre die Folge der Vermögensteuer? Sie steuern ihm die Substanz auch noch weg. Der zahlt also Steuer, obwohl er gar keine Erträge aus seinem Vermögen momentan erzielt. Das ist ein völlig systematischer Fehler.
Dann gibt es auch das Erhebungsproblem. Es ist immer wieder diskutiert worden, dass die Vermögensteuer vermutlich je nach Modell - es sind da unterschiedliche Freibeträge diskutiert worden, das hatte ich schon gesagt - ca. 11 Mrd. € Einnahmen bringen könnte. Wenn man dann aber davon abzieht, dass man die Einkommen- und die Körperschaftsteuer darauf anrechnen kann, bleiben dem Fiskus Beträge zwischen 4 und - großzügig gerechnet - etwa 8 Mrd. €. In diesem Bereich müssten wir dann die Erhebungskosten noch abziehen, die Finanzverwaltung müsste aufgestockt werden. Vermutlich würde sich auch der Privatmann einen Steuerberater leisten. Steuerberatungskosten wären hier auch wieder absetzbar, so dass die Erträge aus der Vermögensteuer nach den Modellen, die zumindest gegenwärtig diskutiert werden, auch sehr, sehr strittig sind. Es bleibt aus meiner Sicht dabei, die Vermögensteuer wäre vor allen Dingen ein Konjunkturprogramm für Steuerberater. Das ist eigentlich eine Berufsgruppe, die wir als Politik nicht unbedingt unterstützen sollten.
Dann gibt es noch ein drittes systematisches Problem aus meiner Sicht, das ist der Standortwettbewerb. Jetzt kann ich Deutschland unabhängig von allen anderen Ländern Europas betrachten, aber wenn gerade in letzter Zeit zumindest Schweden, Finnland es schon abgeschafft haben, Spanien meines Wissens die Vermögensteuer auch abschaffen wollte, sollte uns das doch zu denken geben, denn Vermögen sind nicht ortsgebunden, die können auch leicht verlagert werden. Das Ergebnis eines Steuerwettbewerbs, wenn man das im europäischen Raum nicht einheitlich lösen würde, ist doch auch vollkommen klar. Wer hier als Erster wieder anfängt, diese Steuer einzuführen, der wird eine Steuerflucht erleben. Die Erträge würden dann in keinster Weise mehr in einem deutschen Steuersystem ankommen, wie Sie prophezeien.
Es gibt noch ein viertes systematisches Problem. Zu Recht wurde in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass Einkünfte aus Kapitalerträgen, also Aktienbesitz, wenn sie über die Haltezeit von einem Jahr im Prinzip erfolgten, steuerfrei waren. Das war sicherlich eine gewisse Ungerechtigkeit, die man nur über eine Vermögensteuer hätte abgreifen können, aber auch dieses Problem ist mittlerweile steuerseitig anders gelöst. Durch die Einführung der Abgeltungssteuer macht sich auch hier die Vermögensteuer entbehrlich.
Ich kann hier zusammenfassend - ich habe versprochen, es kurz zu machen - den Antragstellern nur noch einmal empfehlen, die Finger davon zu lassen. Einer Ihrer Vorreiterinnen war die hessische SPD-Politikern Ypsilanti, die sich dafür maßgeblich ins Zeug gelegt hat; sie ist auf anderen Gebieten auch gescheitert, sie wäre vermutlich auch auf dem Gebiet der Vermögensteuer gescheitert. Das Argument, was Herr Huster hier schon gebracht hat, das muss sich der Antragsteller auch immer wieder sagen lassen. Als man Rot-Grün in Bundesverantwortung hatte, wäre Zeit genug gewesen, wenn man eine solche Steuer gewollt hätte, diese auch einzuführen. Die Frage bleibt offen, warum es damals nicht gemacht wurde. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Vermögen in Deutschland sind wesentlich ungleicher verteilt als die Einkommen. Als Grundlage für meine Aussage nehme ich Fakten vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Rund zwei Drittel der Bevölkerung verfügen über kein oder nur über sehr geringes Vermögen. Dagegen verfügen 10 Prozent der Deutschen über rund 70 Prozent des Vermögens. Hinzu kommt noch ein West-Ost-Gefälle; die Westdeutschen besitzen im Durchschnitt mehr als doppelt so viel Vermögen als Ostdeutsche. Vor diesem Hintergrund ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass große Vermögen zur Finanzierung der Aufgaben des Staates herangezogen werden.
Meine Damen und Herren, die Reaktivierung der Vermögensteuer bedarf der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Deshalb haben wir den Antrag an die Landesregierung gestellt mit dem Wunsch, dass sie sich im Bundesrat für eine Initiative einsetzt, für eine verfassungskonforme Novellierung des Vermögensteuergesetzes. Wir meinen das ganz speziell für private Vermögen; so geht das auch aus
unserem Antrag hervor. Der Vergleich mit dem Autohaus vorhin, das wollen wir ganz bewusst ausklammern - die Betriebsvermögen ausklammern bzw. eine möglichst weitgehende Befreiung für Betriebsvermögen vorsehen. Es macht ja keinen Sinn, wenn einerseits Unternehmenssteuern in den zurückliegenden Jahren massiv gesenkt worden sind und wir andererseits die Unternehmen dann wieder mit Vermögenssteuer belasten. Gerade in den neuen Bundesländern würde es die Unternehmen behindern, ihre oft zu geringe Eigenkapitalquote zu erhöhen. Deshalb wollen wir die Konzentration auf private Vermögen.
Meine Damen und Herren, noch drei Sätze zur Historie. Zunächst gab es ja verschiedene einmalige Vermögensabgaben und dann wurde 1922 die einheitliche Reichsvermögenssteuer eingeführt und mit dem Grundgesetz 1949 wurde daraus geregelt, dass der Bund die Gesetzgebung erhält und die Länder das Aufkommen an der Vermögenssteuer. Mit dem Einigungsvertrag in den neuen Bundesländern wurde festgelegt, dass die Erhebung der Vermögenssteuer ausgesetzt wurde und so wurde sie in den neuen Bundesländern und auch in Thüringen nie erhoben. Herr Wehner hat auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 hingewiesen. Dort wurde entschieden, dass das Vermögenssteuerrecht mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar ist, dass es bis zum 31. Dezember 1996 noch angewendet werden darf und in dem Zeitraum novelliert werden sollte. Gründe waren die unterschiedliche Bewertung von Sach- und Geldvermögen, das ist genannt worden. Die damalige CDU-Bundesregierung unterließ aber eine Novellierung und so ist das Gesetz einfach ausgelaufen. Zum Aufkommen für Thüringen gibt es keine verlässlichen Angaben, die Steuer wurde ja in den neuen Bundesländern nicht erhoben. Ein mögliches Aufkommen wäre abhängig einmal vom gewählten Anrechnungsverfahren und andererseits von den entsprechenden Freibeträgen. Sicher wäre der Steuerertrag für Thüringen relativ gering, aber die Auswirkung im Länderfinanzausgleich doch beträchtlich, weil Thüringen dann mit erheblichen Mehreinnahmen rechnen könnte. Auf eine Kleine Anfrage hat die Finanzministerin kürzlich geantwortet, dass sie die Auswirkungen auf 40 bis 50 Mio. € pro Jahr im Länderfinanzausgleich zugunsten von Thüringen schätzt.
Meine Damen und Herren, wir haben den Antrag nicht gestellt, weil die Wahlen bevorstehen und nicht, weil wir das nicht auch vor einem Vierteljahr oder in einem Vierteljahr oder sonst hätten machen können. Die internationale Krise fordert den deutschen Staat und auch den Freistaat Thüringen bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Wir wissen noch gar nicht, wie weit diese Forderungen noch gehen werden. Vor diesem Hintergrund und im Interesse ei
ner gerechten Lastenverteilung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ist die Wiederbelebung der Vermögenssteuer gerechtfertigt. Die möglichen Einnahmen sollen Steuerausfälle infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise abfedern und damit wichtige Zukunftsinvestitionen der Länder sichern. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bundesrat entsprechend unseres Antrags einzusetzen. Vielen Dank.
Weitere Redeanmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Das Wort hat Finanzministerin Diezel.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rufe nach der Vermögenssteuer sind in der SPD ungefähr so alt wie das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995. Der letzte Versuch stammt vom Jahr 2002, als die damaligen Ministerpräsidenten aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wie Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück, beides damals SPD-Länder, 8 bis 9 Mrd. € erheben wollten. Damals machte sich der SPD-Ministerpräsident Kurt Beck intensiv bekannt als Gegner dieser Vermögenssteuerpläne. Er favorisierte die Abgeltungssteuer. Auch die beiden Urheber, Gabriel und Steinbrück, verzichteten dann zugunsten der Abgeltungssteuer auf die Einführung der Vermögenssteuer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen wundert es mich schon, dass die SPD-Länder zum damaligen Zeitpunkt ihren Antrag im Bundesrat zurückgezogen haben und sie jetzt, nach Einführung der Abgeltungssteuer und nach der Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer und ebenfalls nach der Erhöhung der Grunderwerbssteuer - die damals die Gegenfinanzierung war - von 2 auf 3,5 Prozent, die CDU-regierten Bundesländer auffordern, diese Vermögenssteuer wieder einzuführen. Das verstehe ich nicht ganz von der Chronologie.