Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Danke schön. Als nächste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Tasch, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir jetzt keine Propagandarede aufgeschrieben wie Frau Ehrlich-Strathausen, wo ich eben nicht erkannt habe, wie Sie zu diesem Thema „Existenzgefährdung von Frauenprojekten“ gesprochen haben.

(Unruhe bei der SPD)

Das war eine allgemeine politische Rede von jemandem der ganz neu ist in der Frauenpolitik, wie Sie, die noch ein bisschen reinschnuppern muss, um den Überblick zu bekommen, Frau Strathausen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So viel haben Sie hier auch noch nicht geredet!)

Der Freistaat Thüringen verfügt über ein dichtes Netz an Frauenschutzwohnungen und Frauenzentren, die wir als freiwillige Aufgabe des Landes mit fördern. Allein 26 Frauenschutzwohnungen hält der Freistaat vor und etwa 40 Frauenzentren. Ich denke, über die schwierige Haushaltslage brauchen wir hier nicht zu sprechen, die ist uns allen bekannt und bekannt war sie auch dem Sozialministerium. Ich will auch gar nicht über die Zuordnung der Gleichstellungspolitik sprechen, darüber haben wir unsere Meinung gesagt und die steht. Da ja - das hat Frau Wolf auch gerade gesagt - die meisten Trägervereine sehr klein sind - dies ist uns bekannt, auch dass dort sehr engagierte Frauen mitarbeiten -, wurden im Januar an die Frauenhäuser Abschlagszahlungen ausgereicht, wie gesagt, weil die meisten keinem großen Träger angehören, sondern wirklich auch auf diesen Abschlag angewiesen sind.

Aber wir haben auch Förderrichtlinien und in Punkt 6.2 der Förderrichtlinie heißt es, das habe ich mir schnell noch einmal herausgeschrieben: „Nachweis der Sicherung der Gesamtfinanzierung durch Mitfinanzierungserklärung“, Frau Wolf, da müssen wir doch einmal auf die Kommunen verweisen, die hier eine Mitfinanzierungspflicht haben und die sie erfüllen müssen. Ich hatte dieses Jahr bei allen Schwierigkeiten manchmal den Eindruck, dass einige Kommunen bei dem Stand vom 01.01.1991 sind und noch nie in ihrem Leben hier eine Mitfinanzierungserklärung abgegeben haben und damit sich auch aus der Verantwortung ziehen wollen. Es gibt gute Beispiele. Da, wo ich herkomme, im Landkreis Eichsfeld,

(Unruhe bei der SPD)

sind die Stadt Heiligenstadt, die Stadt Leinefelde und der Landkreis Eichsfeld schon im Januar ihren Verpflichtungen nachgekommen, um somit auch die bestehenden Frauenzentren und Frauenschutzwohnungen nicht zu gefährden. Das ist aber nicht überall der Fall. Es kann nicht sein, seitdem wir dieses Thema im Gleichstellungsausschuss besprechen, dass das Ministerium, die Gleichstellungsbeauftragte und ihr Team Bürgermeister, Gleichstellungsbeauftragte jeden Tag fünfmal anrufen und die das drei-, viermal neu schreiben müssen, bis alles geregelt ist. Dafür habe ich kein Verständnis.

Was die Höhe der Förderung anbetrifft, wir fördern in diesem Jahr bei den Frauenschutzwohnungen im Durchschnitt 80 Prozent der Personalkosten. Sie, Frau Wolf, haben die Verantwortung im Bereich der Frauenschutzwohnungen angesprochen. Da kann sich Thüringen deutschlandweit sehen lassen. Ei

nen Vergleich habe ich mir vorhin auch mal rausgezogen, weil ich es nicht wusste. Mecklenburg-Vorpommern finanziert 60 Prozent bei den Personalkosten mit, Niedersachsen 50 Prozent, SachsenAnhalt 70 Prozent. Wenn wir dieses Jahr 80 Prozent der Personalkosten trotz dieser schwierigen Haushaltssituation fördern, denke ich, hat hier der Freistaat sein hohes Maß an Verantwortung gerade für die Frauen, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind, wahrgenommen. Wenn wir auch bei den Frauenzentren 45 Prozent im Schnitt der Personalkosten fördern, dann ist das auch ein hohes Maß an Verantwortung, welches wir tragen. Sicher, ich weiß es selbst - ich bin seit zehn Jahren Vorsitzende des Vereins „Frauen für Frauen“ Leinefelde, des Trägervereins des dortigen Frauenzentrums -, wie schwierig es ist, weil die Frauenzentren mit wenig Geld auskommen müssen. Ich denke, es ist leistbar und ich sehe keine Existenzgefährdung von Frauenprojekten im Haushaltsjahr 2005.

Aber, wie gesagt, die Kommunen sind in der Mitverantwortung. Der Freistaat hat hier seinen Anteil geleistet. Ich darf nur noch mal alle Kommunen auffordern, hier ihrer Verantwortung gerecht zu werden und im Vorhinein eine bessere Zuarbeit zu leisten, damit solche Staus, wie sie jetzt passiert sind, auch nicht auflaufen, sondern, dass das auch glatt durchgeht und nicht mehr telefoniert und hinterhergeschrien werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Das Wort hat Minister Dr. Zeh.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte namens der Landesregierung erst einmal entschieden zurückweisen, wir hätten die Abgeordneten belogen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Wolf, wir haben in jeder unserer Sitzungen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Finanzierung und die Erteilung eines Bewilligungsbescheides nur erfolgen dürfen - das ist geltendes Haushaltsrecht -, wenn die Gesamtfinanzierung besteht. Die Gesamtfinanzierung besteht eben nun mal aus zwei oder drei Teilen, je nachdem, wie es örtlich geregelt ist. Auf jeden Fall bedarf es der kommunalen Zusage über die Mitfinanzierung. Insofern hat meine Frau Kollegin Tasch völlig Recht. Sie hat es hier dar

gestellt. Es ist geltendes Haushaltsrecht. Wir dürfen Bewilligungsbescheide nur dann ausstellen, wenn die vollständige Finanzierung sichergestellt ist. Frau Wolf und Frau Ehrlich-Strathausen, wir könnten einen Deal machen, Sie erlauben mir und sagen, wie viel Recht ich brechen darf als Minister, ohne dass Sie einen Untersuchungsausschuss einberufen und ohne dass Sie den Rechnungshof einschalten. Da könnte ich vielleicht auf die Mitfinanzierung verzichten.

(Unruhe bei der PDS)

Frau Wolf, da aber auf die Frage, wie viel Recht ein Minister brechen darf, regelmäßig die Antwort kommt, gar kein Recht, kann ich auch auf die Mitfinanzierungsfrage nicht verzichten. Das wissen Sie genauso gut wie ich.

(Zwischenruf Abg. Wolf, PDS: Darum geht es doch gar nicht.)

Deshalb haben wir in den letzten 14 Tagen/drei Wochen persönliche Telefonate mit jeweils den Kommunen geführt, dass die Mitfinanzierungsbestätigung erfolgen muss. Im Übrigen, Frau Wolf und Frau EhrlichStrathausen, wir sind nun 15 Jahre in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Es ist nun so, dass Haushalte bei den Kommunen, aber auch beim Land nicht das erste Mal in der Mitte des Haushaltsjahres verabschiedet wurden. Es gilt für diese Bereiche die vorläufige Haushaltsführung.

Der Innenminister hat in einem Rundschreiben den Kommunen klar gesagt, wie zu verfahren ist und wie § 61 der Thüringer Kommunalordnung auszulegen ist, nämlich, dass die Kommunen verbindlich die Mitfinanzierung erklären können, damit wichtige Projekte nicht gefährdet werden. Überall dort, und Frau Tasch hat darauf hingewiesen, wo diese Mitfinanzierung verbindlich erklärt worden ist, sind natürlich auch die Zuwendungsbescheide bei den Zuwendungsempfängern angekommen. Bei denen, wo die Zuwendungen noch nicht sind, ist in der Regel der Mitfinanzierungsanteil noch nicht geklärt. Wir sind aber dabei, uns persönlich mit den entsprechenden Kommunen zu unterhalten, damit das kommt.

Ein zweiter Vorwurf, der Wechsel ins Sozialministerium hätte zu einem Einschnitt geführt: Ich darf an dieser Stelle sagen, der Ansatz der Zuwendungen für die Frauenzentren, Frauenhäuser ist, anders als in allen anderen Titeln, gleich geblieben dem im vergangenen Jahr 2004. Der Haushaltsansatz lag bei 2,36 Mio. €, so wie auch im Haushalt 2004 der Ansatz bestand. Dass er dennoch im Haushaltsjahr durch eine Sperre reduziert werden muss, das ist unerfreulich, das kann ich Ihnen bestätigen, aber wenn es zu einer Finanzsituation kommt, die eine solche Maßnahme erfordert, dann kann kein Res

sort daran vorbei. Ich habe in eigener Zuständigkeit ermöglicht, dass die Reserve, die 20 Prozent bei den Haushaltstiteln, in alle infrage kommenden Titeln veranschlagt werden musste, in eigener Zuständigkeit auf nur 12,8 Prozent in diesen Titeln, was natürlich bedeutet, in anderen Titeln mehr Sperre verkraften zu müssen, in diesen Bereichen nur 12,8 Prozent an Minderungen verkraften zu müssen. Das ist nun nicht gerade das, was Sie als Konkurrenz bezeichnen zu anderen Titeln, Frau Ehrlich-Strathausen. Wenn ich bei anderen Stellen 20 Prozent oder 30 Prozent Sperre verhängen muss und ich gerade bei den Frauenhäusern nur 12,8 Prozent ansetze, denke ich, habe ich Ihrem Anliegen, nämlich diesen Bereich nicht so hoch zu reduzieren, mehr als nur entsprochen. Insofern weise ich noch einmal entschieden zurück, dass der Wechsel ins Sozialministerium für Einschnitte gesorgt hätte und für Konkurrenzsituationen zu anderen Bereichen - das Umgekehrte ist gerade der Fall. Aber es erfordert die Hausaufgaben der Kommunen. Ich sage noch einmal ausdrücklich: Die Abgeordneten, die vor Ort den Kommunen hier auch ein Stück weit auf die Pelle rücken können, tun Sie es, gehen Sie zu Ihren Kommunen und sagen, dass dieses politische Anliegen ein wichtiges Anliegen ist. Wir können nur finanzieren, wenn die Gesamtfinanzierung steht. Tun Sie Ihren Teil, wir werden den unsrigen tun. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke. Es gibt eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeordnete Leukefeld, PDS-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Und wo ist die Frauenbeauftragte?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, Frau Tasch, ich komme mir vor, als spielen wir hier das Spiel „Schraps hat den Hut verloren“ und keiner war es.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, das, was sich in den letzten Wochen und Monaten gerade zu dieser Problematik „Frauenhäuser/Frauenzentren“ abgespielt hat - und da hat es sehr viel Engagement von Kolleginnen hier aus dem Haus gegeben, da waren die Frauen selber aktiv und sind vor ihr Sozialministerium gezogen -, das ist einfach nicht in Ordnung und Sie müssen uns schon gestatten, dass wir das hier auch entsprechend kritisieren.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Sie müssen... die Ursachen nennen, Frau Leuke- feld.)

Es geht - das sage ich Ihnen gleich - um Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von Politik.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Minister, das ist eben keine formale Angelegenheit und auch nicht nur eine juristische und hier werden Sie natürlich auch nicht zum Rechtsbruch aufgefordert, aber Sie haben uns im Ausschuss gesagt: Umgehend gehen die Bescheide heraus. Es hat hier zweimal Anfragen gegeben, da ist gesagt worden, auch mir z.B. auf meine Anfrage: Sofort, umgehend gehen die Bescheide heraus. Jetzt hören wir, dass von 17 Frauenzentren immer noch vier erst den Bescheid haben. Da ist es mir völlig unklar, wie man es nicht klären kann, und wenn da zehnmal telefoniert werden muss, dass man also diese Situation nicht gemeinsam von Land und in Verantwortung der Kommunen klärt. Ich finde es auch unerhört, dass jetzt der schwarze Peter den Kommunen zugeschoben wird.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Sie wissen ganz genau, dass die Situation der Kommunen ursächlich auch in diesem Haus und mit den Entscheidungen, die hier getroffen wurden, mitbestimmt ist. Da können wir jetzt nicht einfach sagen, die sind schuld und das Land redet sich raus. Ich glaube, diesen Verschiebebahnhof zwischen Land und Kommunen, den kann man nicht mitmachen.

Auf eine Sache möchte ich auch noch mal eingehen: Die Kollegin Ehrlich-Strathausen hat hier gesprochen von der Möglichkeit, dass damit Strukturen auch zerschlagen werden. Sie finden, das ist zu hart formuliert; ich finde das nicht, denn das hat es ja in der Vergangenheit auch schon gegeben. Ich komme aus Südthüringen. In Suhl gibt es kein Frauenzentrum und kein Frauenhaus mehr, seit drei Jahren schon nicht mehr. Das Frauenhaus in Meiningen ist gefährdet. In Bad Salzungen hat das Frauenzentrum einen Trägerwechsel machen müssen, weil es in Insolvenz gegangen ist. Das sind ursächlich auch finanzielle Fragen, die dort eine Rolle spielen. Ich sage Ihnen, die Arbeit, die dort geleistet wird, die ist wichtig und wir können auf der einen Seite nicht nur große Sonntagsreden halten über Gender Mainstreaming und Gleichstellung und Förderung von benachteiligten Frauen und auf der anderen Seite setzen wir das nicht konsequent um in ganz konkreten Handlungen und Taten. Das heißt auch, dass Finanzen fließen müssen. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen und unsere Kritik nicht abzumindern und den

schwarzen Peter den Kommunen zuzuschieben.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen? Herr Minister Dr. Zeh bitte.

Frau Leukefeld, ich muss dieses noch einmal zurückweisen. Es wurde an dieser Stelle von Herrn Staatssekretär Illert auf eine Anfrage von der Abgeordneten Ehrlich-Strathausen gesagt: „Nach Haushaltsrecht können nur Projekte gefördert werden, für die die Gesamtfinanzierung gesichert ist. Eine Anteilsfinanzierung von Vorhaben, deren Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist, ist unzulässig. Ist absehbar, dass eine Gefährdung eintritt, ist dieser Umstand der bewilligenden Behörde mitzuteilen.“ Dieses wurde hier vor aller Öffentlichkeit gesagt und gilt, weil es Haushaltsrecht ist. Deswegen komme ich noch einmal auf die Aussage zurück. Ich kann dieses Haushaltsrecht nicht brechen, Sie würden mich dafür zur Verantwortung ziehen, wenn ich es täte. Weil ich aber angewiesen bin auf die Mitfinanzierung, hat der Innenminister ein Schreiben an die Kommunen gemacht, dass, wenn der politische Wille vor Ort vorhanden ist, dann kann auch im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung eine Kommune die Mitfinanzierung sichern. Dass dies geht, haben ja viele Kommunen gezeigt. Wir haben doch die Mitfinanzierung von den meisten Kommunen. Wenn wir es aber nicht haben, dann dürfen wir diese nicht aussprechen. Das hat nichts mit schwarzem Peter zu tun, sondern das ist Haushaltsrecht, schlichtweg Haushaltsrecht. Wenn Sie hier darauf hinweisen in diesem hohen Haus, dann ist das Ihr Recht und das sollte man auch tun. Dann sollte man aber auch die Ursachen benennen. Es hilft doch gar nichts, wenn man sich den schwarzen Peter zuschiebt.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ursache ist das Land, später der Haushalt.)

Die Ursache in dieser Frage ist: Wir haben die Bewilligungsbescheide vorliegen, sie sind da, wir brauchen aber die Gesamtfinanzierungsbestätigung. Solange diese nicht da ist, darf ich die Bescheide nicht rausschicken. So ist die Rechtslage, Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Herr Minister Zeh, ich denke schon, es ist ein ganzes Stück weit anders, als Sie sagen.

(Beifall bei der PDS)

Der Grund liegt doch darin, dass wir den Haushalt spät verabschiedet haben, dass den Kommunen geschrieben wurde, ihr müsst den Haushalt nicht verabschieden, bis der Landeshaushalt verabschiedet ist. Dadurch ergaben sich natürlich eine ganze Reihe Verzögerungen. Im Rahmen der Haushaltsplanung 2005 wurden unter anderem auch die Frauenhäuser, über die wir jetzt sprechen, schon mit einer Kürzung belegt. Da konnten Sie sich ja möglicherweise mit der Kommune noch zusammenraufen und eine Einigung erzielen. Aber dass danach noch einmal im Rahmen einer Haushaltssperre ganz unangemeldet für alle eine weitere Kürzung kam, das ist doch das Verwerfliche.

(Beifall bei der PDS, SPD)