Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

Ich sehe jetzt kein Auseinanderfallen von inhaltlichen und strukturellen Entwicklungen. Ich sehe auch nicht, wie die Diskussionstiefe oder Diskussionsbreite in den Schulausschüssen der Kreise beeinflusst wird durch die Arbeit, die wir momentan tun, indem wir überlegen, wie die inhaltliche Weiterentwicklung der Schulämter sich vollziehen kann.

In den Bildungsausschüssen der Kreise arbeiten ja nicht unbedingt Lehrer bzw. ist das Schulamt in keinster Weise einbezogen, zumindest nicht in den politischen Prozessen in den Kreistagen. Daher die Frage: Wie wird gesichert, dass inhaltliche Diskussionen auch in den Bildungsausschüssen dazu stattfinden dürfen?

Die Bildungsausschüsse der Kreise sind frei in der Wahl ihrer Diskussionsthemen. Die Trennung von Schulaufsicht und Schulverwaltung wird auch durch die jetzt stattfindende Debatte über die Fortentwicklung der Aufgaben der Schulämter nicht berührt.

Danke schön. Damit ist diese Frage beantwortet. Damit ist aber auch die Fragestunde beendet. Wir haben vor einer Stunde genau begonnen.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 5 der heutigen Tagesordnung. Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 5

Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Heilberufegesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/21 ERSTE BERATUNG

Wird Begründung durch den Einreicher gewünscht? Bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ganz offensichtlich das erste Gesetz in der neuen Legislaturperiode, das wir hier im Landtag behandeln. Ich gehe davon aus, dass sich das Streitpotenzial bei diesem Gesetz in Grenzen hält. Es ist ein Gesetz, das durch eine europäische Richtlinie vorgegeben ist. Wenn wir dieses Gesetz nicht verabschieden, wird es ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen

Gerichtshof geben.

Meine Damen und Herren, aber unabhängig von dem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EU-Gerichtshof gibt es auch sonst gute Gründe für dieses Gesetz. Wenn wir Freizügigkeit innerhalb der EU ernst nehmen wollen, dann gilt das nicht nur für die freie Wohnsitzwahl, dann muss das auch für die gegenseitige Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen gelten. Bei dem Thüringer Heilberufegesetz geht es um die Berufsgruppe der Ärzte, genauer gesagt um die der Allgemeinmediziner. In Deutschland gibt es neben der spezifischen Ausbildung in der Allgemeinmedizin auch die fünfjährige Weiterbildung zur "Fachärztin" bzw. zum "Facharzt für Allgemeinmedizin". Angehörige anderer EU-Staaten, die in ihrer Heimat eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin durchlaufen haben, erhalten bisher im Rahmen des Anerkennungsverfahrens in Deutschland nur die Bezeichnung "Praktische Ärztin" bzw. "Praktischer Arzt". Dieser Zustand widerspricht jedoch einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 1993. Die genaue Bezeichnung dieser Richtlinie lautet 93/16/EWG. Diese regelt EU-weit einheitliche Mindeststandards in der allgemeinmedizinischen Ausbildung. Das heute vorgelegte Vierte Änderungsgesetz zum Thüringer Heilberufegesetz soll die Umsetzung genau dieser Richtlinie regeln. Das Gesetz schreibt eine mindestens dreijährige Ausbildung bzw. Weiterbildung für Allgemeinmediziner vor. Damit können die Abschlüsse, die im EU-Ausland in der Regel in drei Jahren bzw. vier Jahren erworben wurden, hier in Deutschland auch 100-prozentig anerkannt werden. Die mindestens dreijährige Ausbildung, die wir vorschreiben, widerspricht nicht der in Deutschland gültigen fünfjährigen Ausbildung. Der Grund für die fünfjährige Weiterbildung in Deutschland liegt darin, dass sich die deutsche Ärzteschaft 1999 für eine Angleichung der Weiterbildungszeiten in der Allgemeinmedizin an die generell fünfjährige Weiterbildung in allen anderen Facharztrichtungen entschieden hat. Diese Festlegung auf fünf Jahre gehört zur Aufgabe der Selbstverwaltung in der Medizin. Damit sollte die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner qualitativ und von der Dauer her der Weiterbildung der anderen Fachärzte gleichgestellt werden. Allgemeinmediziner haben damit ebenso den Status eines Facharztes wie andere Bereiche, z.B. Radiologen, Kardiologen, Chirurgen usw.

Hier ist erwähnenswert, dass es in der DDR bereits eine fünfjährige Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin gab. Das ist auch mal ein Beispiel, wo gute Erfahrungen aus einem Fachbereich der DDR in die bundesdeutsche Realität eingegangen sind. Angehörige eines anderen EU-Mitgliedstaates, die dort in der Regel kürzere, d.h. drei- oder vierjährige spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin nach der EU-Richtlinie absolviert haben, erhalten

dann auf Antrag hin von der Landesärztekammer Thüringen oder einer der anderen Ärztekammern in Deutschland die Erlaubnis zum Führen der Bezeichnung "Fachärztin/ Facharzt für Allgemeinmedizin".

Es könnte eine Benachteiligung unserer eigenen in Deutschland weitergebildeten Allgemeinmediziner bedeuten. Dies kann aber, meine ich, nur von der Bundesärztekammer geändert werden, wenn dieses geändert werden sollte. Vor dem genannten Hintergrund zur Abwendung der Klage zu dem anhängigen Vertragsverletzungsverfahren müssen wir aber hier die EU-Richtlinien umsetzen. Gerade angesichts des drohenden Ärztemangels, insbesondere des Mangels an Allgemeinmedizinern, liegt in der Umsetzung der EU-Richtlinie allerdings auch eine Chance für Thüringen für mehr Allgemeinmediziner, um diese auch anzuwerben.

Das vorgelegte Änderungsgesetz enthält jedoch auch noch weitere Aspekte. So werden die bislang noch durch Satzung der Heilberufekammer festgeschriebenen Regelungen über die Gegenstände der Leistungen der Versorgungswerke in das Thüringer Heilberufegesetz aufgenommen. Dazu gehört z.B. die Altersrente, die Berufsunfähigkeitsrente und die Hinterbliebenenrente. Damit wird dem Gesetzesvorbehalt Rechnung getragen und das Wesentliche zu den Versorgungswerken im Heilberufegesetz selbst geregelt. Zudem wird der Höchstbetrag der von den Mitgliedern zu entrichtenden Pflichtbeiträge festgeschrieben. Schließlich wird die Trennung der Vermögensmassen von Kammer und Versorgungswerk verankert, um die Vermögensansprüche der Mitglieder zu schützen. Die notwendigen Änderungen des Heilberufegesetzes wurden also zum Anlass genommen, um Regelungen zu ändern und anzupassen, die sich nicht mehr auf dem aktuellen Stand befanden. Schließlich sind redaktionelle Korrekturen vorgenommen worden; so werden beispielsweise die Verweisungen auf Bundesrecht in § 19 Abs. 1 den zwischenzeitlich stattgefundenen Rechtsänderungen angepasst oder in § 49 Abs. 3 Satz 4 wird ein dort notwendigerweise einzufügendes Wort ergänzt, also eine sehr einfache Änderung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Landesregierung legt ein Änderungsgesetz vor, das zum einen das Land vor einem EU-Vertragsverletzungsverfahren bewahrt und zum anderen eine Anpassung an die Entwicklungen vollzieht, die sich in den fast drei Jahren seit der letzten Änderung vollzogen haben. Ich bitte Sie gerade angesichts der sonst drohenden Folgen zu den Vertragsverletzungsverfahren mit möglichen finanziellen Konsequenzen für die Bundesrepublik Deutschland und in der Folge für das Land um eine rasche Behandlung in den entsprechenden Gremien und um zügige Beratung hier im hohen Haus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Minister Dr. Zeh für seine Begründung. Ich eröffne die Aussprache. Es liegt eine Wortmeldung vom Abgeordneten Panse vor. Bitte, Herr Panse.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, es ist bezeichnend, dass wir mit der ersten Gesetzesänderung, die wir hier in der neuen Legislaturperiode beraten, uns letztlich an EU-Vorgaben halten, halten müssen auch und dass der Gestaltungsspielraum für die Bundesländer dabei ausgesprochen begrenzt ist. Aber die Gesetzesänderung ist uns vorgegeben und natürlich werden wir sie auch, wie es bei Gesetzesänderungen ist, hier im Haus entsprechend behandeln und bearbeiten und insofern hatte ich mich auch kurz zu Wort gemeldet. Auch wenn die Themen sicherlich nicht strittig sind, bin ich der Auffassung, dass wir bei Gesetzesänderungen, die wir haben, uns wenigstens so viel Zeit nehmen sollten, dass wir auch über den Inhalt ein ganz klein wenig sprechen können.

Unbestritten ist - und das hatte der Minister in seiner Darstellung schon gesagt -, dass in einem zusammenwachsenden Europa entsprechende Freizügigkeitsregelungen zu Wohnort und zur Arbeitsplatzwahl für alle Bürger der Mitgliedsländer gelten müssen und dass dazu auch einheitliche Anerkennungen erlangter Bildungs-, Ausbildungs- und Studienabschlüsse gelten müssen. Dem folgend gibt es zahlreiche EURichtlinien, die hierzu Vorgaben machen, und bei der jetzt vorgelegten Gesetzesänderung handelt es sich um eine ähnliche EU-Richtlinie, auf der dies basiert. Im Jahr 2001 ist diese Richtlinie entstanden und nach einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission vom Juni 2002 sind Deutschland und insbesondere die Länder natürlich verpflichtet, die Heilberufegesetze dementsprechend zu ändern. Zahlreiche Bundesländer haben dies bereits getan und sind da auch schnell zum Abschluss gekommen, BadenWürttemberg beispielsweise oder auch SchleswigHolstein. Mecklenburg-Vorpommern hat dies jüngst getan, auch mit großer Einmütigkeit. In Sachsen wird es gerade vorbereitet. Ich denke, nur einige wenige Sätze noch zur Erläuterung zu dem, was der Minister auch schon umfangreich vorgetragen hat.

Die bisher in Deutschland geltende Regelung zur fünfjährigen Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin soll nach Auffassung der Ärztekammern die entsprechende Qualität in der Ausbildung sichern. Das ist auch richtig und gut so, aber wir erleben

eben, dass in anderen europäischen Ländern diese Weiterbildung und Ausbildung nur drei Jahre dauert. Mit der jetzt vorliegenden Änderung des Thüringer Heilberufegesetzes soll das auch diesen Ärzten dann ermöglicht werden, mit der entsprechenden, aber verkürzten Ausbildung auf Antrag an die Landesärztekammer den Titel "Fachärztin/Facharzt für Allgemeinmedizin" zu führen und nicht - wie es bis jetzt nur war - den Titel als praktischer Arzt.

Für die CDU-Fraktion kann ich sagen, wir begrüßen die Vereinheitlichung dieser Standards und ich teile auch nicht die Befürchtung, dass es nun zu einer qualitativen Verschlechterung der Weiterbildung in Deutschland kommen wird. Gleichwohl wird sich die Frage zu stellen sein, ob die Dauer der Weiterbildung in Thüringen bzw. insgesamt in Deutschland weiterhin fünf Jahre betragen wird oder ob sie eventuell auf drei Jahre verkürzt werden kann. Aber dies müssen die Fachleute entscheiden und da sind insbesondere die Ärztekammern gefragt. Wir können und werden uns da sicherlich nicht einmischen. Nach meiner Meinung allerdings sollte man dabei aber auch berücksichtigen, dass wir bei Allgemeinmedizinern durchaus einen deutlich größeren Bedarf haben und dass eine Verkürzung der Ausbildungszeiten diese fachliche Weiterbildung attraktiver machen könnte. Die weiteren im Gesetzentwurf vorgenommenen Änderungen - und darauf ist zum Teil ja der Minister schon eingegangen - sollten wir sicherlich im Ausschuss miteinander beraten können. Für die CDUFraktion beantrage ich deshalb die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und rege auch an, dass wir entsprechend die Stellungnahmen dazugehöriger Gremien, von Ärztekammer über Marburger Bund, einholen und uns dann entsprechend fachlich damit auseinander setzen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Panse. Gibt es weitere Aussprachewünsche? Das ist offensichtlich nicht der Fall, dann beende ich die Aussprache. Es ist gewünscht die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit; der Antrag wurde gestellt von der Fraktion der CDU. Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit? Das ist die überwiegende Mehrheit, damit wird der Gesetzentwurf überwiesen.

Wir kommen damit zum nächsten Tagesordnungspunkt, zu Tagesordnungspunkt 6

Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über den befriedeten Raum des Thüringer Landtags Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/28 ERSTE BERATUNG

Wird Begründung durch den Einreicher gewünscht? Das ist offensichtlich nicht der Fall, dann gehen wir zur Aussprache über. Zur Aussprache zu Punkt 6 hat sich gemeldet der Abgeordnete Fiedler. Ich erteile dem Abgeordneten Fiedler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute zum wiederholten Male das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über den befriedeten Raum des Thüringer Landtags hier zur Debatte. Ich erinnere die Kolleginnen und Kollegen, die dem hohen Hause seit 1990 oder danach angehören, dass diese Debatte des Öfteren hier geführt wurde. Erst vor nicht allzu langer Zeit ist von der PDSFraktion auch das in ähnlicher Form eingebracht worden. Wir haben es ausgiebig hier in diesem Hause diskutiert. Zum damaligen Zeitpunkt war die SPD noch der Meinung, dass wir gemeinsam, wie wir das seit 1990 getragen haben, das Gesetz über den befriedeten Raum in Thüringen, um den Thüringer Landtag, dass wir das gemeinsam weiterführen. Ich will gar nicht erst die ganzen Protokolle noch mal benennen. Was der Herr Kollege Pohl gesagt hat, kann man nachlesen in dem Plenarprotokoll vom 18. Mai 1995, was die Frau Kollegin Jähnke, alles SPD

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Da ist aber ein bisschen Zeit ins Land gegan- gen.)

ja, Kollege Matschie, Sie sind jetzt eingerückt und neuer Wind -, dass also auch die Kollegin Jähnke die durchgehende Linie hier angesagt hat, ich will das gar nicht vertiefen, auch der Herr Kollege Pidde, der die durchgehende Linie der SPD hier benannt hat. Ich denke, meine Damen und Herren, ich will es deutlich machen, wir haben weder Angst vor Demonstranten, ich habe es schon mehrfach wiederholt. Bisher, seit 1990 war es möglich, ist es möglich, dass alle Menschen, die auch Sorgen hatten, Nöte hatten, hier im Landtag oder am Landtag demonstrieren. Sie hatten genügend Gelegenheiten, mit ihren Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Wir hatten genügend Gelegenheiten, mit ihnen vor Ort zu sprechen oder im Hause zu sprechen. Wir wollen uns nicht im Geringsten in irgendeiner Form abschotten. Dann gab es die Debatte des neuen Landtags. Der neue

Landtag musste angepasst werden an die baulichen Gegebenheiten, das war ja der Punkt, weil sich eben die Kubatur verändert hatte; das musste also entsprechend angepasst werden. Es gab dazu auch die Diskussion, ob man nun gerade unter dem Aspekt, dass diese Straße, die hier draußen vorbeiführt, die Jürgen-Fuchs-Straße, und da möchte ich auch den verehrten Kollegen Matschie, der neu im Hause ist, daran erinnern, dass die CDU-Fraktion diesen Namen über die Präsidentin mit eingebracht hat, dass dieses Parlament diese Adresse bekommt. Ich glaube, das ist eine sehr gute Adresse, die wir gewählt haben. Dass man jetzt davon ableitet, dass wir damit vielleicht den Namen in irgendeiner Form beschädigen wollen, das liegt uns vollkommen fern. Wir wollen einfach, dass hier eine ungehinderte Arbeit stattfinden kann, dass die Kolleginnen und Kollegen in das Haus kommen, dass die Journalisten ins Haus kommen, dass die Bürgerinnen und Bürger ins Haus kommen und nicht dass wir, wenn es mal zu Demonstrationen größerer Art kommen sollte, vielleicht wieder eine Hintertür suchen müssen.

Also, meine Damen und Herren, ich möchte das nicht alles wiederholen, wir sehen überhaupt keine neuen Aspekte, die hier vorgebracht werden. Es ist eben eine neue Legislatur und diesmal bringt man das eben mal von der anderen Seite ein. Ich denke, wir sind damit ganz gut gefahren, wir werden einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, die Argumente sind zigmal ausgetauscht worden. Ich glaube, wir können mit der Bannmeile, im Volksmunde gesprochen, mit dem befriedeten Raum, mit den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin gut kommunizieren und ich sehe keinen Grund, dass wir das aufheben sollten.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS hat sich der Abgeordnete Hahnemann gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, hochverehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, ich kann dem Herrn Fiedler in manchen Teilen seiner Rede zustimmen, was den Gang der Gesetzgebung in Thüringen angeht, so sehr ich das auch bedauere. Wenn man die Politik nicht kennen würde und wenn man Parlamente nicht kennen würde und wenn man die Fragwürdigkeiten von Parteipolitik nicht kennen würde, Ihr Gesetzentwurf könnte einem die Worte tatsächlich verschlagen. Wir haben uns nach meinem Erinnerungsvermögen in der letzten Sitzungsperiode der vergangenen Legislatur zweimal mit der Frage der Bannmeile befasst und in ei

ner anderen Erinnerung, die ich über die Gesetzgebung hier in Thüringen habe, komme ich zu dem Ergebnis: Man kann inzwischen nur feststellen, dass Sie zu der Position zurückgefunden haben, die der Kollege Günter Pohl 1991 für Ihre damalige Fraktion vertreten hat. Er hat nämlich damals, Herr Fiedler, ich glaube, da müssen Sie Ihre Erinnerung revidieren, eine klare Position vertreten und die hieß: keine Bannmeile. Zwischendurch haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, den politischen Eiertanz der typisch sozialdemokratischen Art vollzogen; der reichte von: Bannmeile ja, aber möglichst klein, über Bannmeile ja, aber Umbenennung in "befriedeter Raum" bis hin zu Bannmeile ja, ggf. unmittelbar an der Hauswand entlang. Nun haben Sie es endlich begriffen, den Wählern sei Dank oder wem auch immer. Nur bezweifle ich, dass die CDU-Fraktion bereit ist, es zu begreifen.

Bannmeilen, meine Damen und Herren, charakterisieren die Parlamente. Vor einiger Zeit hat ein CDUAbgeordneter - ich hoffe, er kann sich noch daran erinnern, er ist leider gerade in ein Gespräch vertieft - über "das Volk da draußen" gesprochen. Diese Äußerungen belegen eine bedauerliche Geringschätzung der Bürgerinnen und Bürger, der Wählerinnen und Wähler. Doch diese Haltung ist in der Fraktion der CDU, in der CDU überhaupt, ganz offensichtlich kein Einzelfall.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Woher nehmen Sie eine solche Einschätzung?)

Das werde ich Ihnen gleich sagen. Es geht im Thüringer Landtag so weit, dass selbst die Spitze der Landesregierung im Zusammenhang mit der Charakterisierung von alternativen Vorschlägen zu sozialer, gerechterer Politik von "Rattenfängern" spricht. Wer aber die Metapher der Rattenfänger benutzt, nimmt ganz bewusst und willentlich in Kauf, dass diejenigen, die mit denen, die alternative Vorschläge machen, sympathisieren, als Ratten bezeichnet und betrachtet werden. Darüber, meine Damen und Herren, müssen Sie sich im Klaren sein.

(Beifall bei der PDS)

Bannmeilen, meine Damen und Herren, sind und bleiben eine Misstrauenserklärung der politischen Klasse gegenüber den Wählerinnen und Wählern, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Sie sind Ausdruck der Geringschätzung und der Verachtung des Souveräns. Das haben wir immer vertreten, das vertreten wir auch weiterhin und deswegen hat der Gesetzentwurf unsere Unterstützung. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Gentzel vor.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute früh hat sich der Thüringer Landtag in dieser Legislaturperiode Arbeitsstrukturen gegeben und im anschließenden Tagesordnungspunkt haben wir uns für diese Legislaturperiode das erste Mal mit inhaltlichen Dingen beschäftigt. Die SPD-Landtagsfraktion war der Meinung, dass das der richtige Zeitpunkt ist, auch über die Rahmenbedingungen zu reden, in denen wir hier im Thüringer Landtag arbeiten. Daher unser Gesetzesantrag, der schlicht und einfach darin zusammenzufassen ist, dass wir wollen, dass die Bannmeile hier rund um den Thüringer Landtag verschwindet.

Ich will mit zwei, drei Sätzen auf meine Vorredner eingehen. Ich weiß gar nicht, Herr Fiedler, ob Sie nicht langsam merken, wie arm Ihre Argumentation ist, die seit Monaten, egal zu welchem Thema,

(Beifall bei der SPD)

nur noch darauf reduziert wird, was irgendein Politiker aus irgendeinem Bundesland irgendwann einmal gesagt hat. Zur aktuellen Einschätzung der Dinge hört man von Ihnen seit Monaten nichts mehr. Herr Hahnemann, Sie haben, das will ich Ihnen ausdrücklich sagen, Recht in der Art und Weise, wie Sie das Abstimmungsverhalten der SPD dargestellt haben. Ich will Ihnen aber dazu sagen, Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir in der großen Koalition die Bannmeile abschaffen wollten, uns nicht durchsetzen konnten und dann eben die große Koalition an diesem Punkt nicht haben platzen lassen. Ich lasse mir sagen im Augenblick, Sie lassen ja sogar wegen Hartz IV keine Koalitionen platzen. Also sollten Sie an dieser Stelle Selbstverständlichkeiten, die einfach passieren im politischen Miteinander, nicht immer wieder vorhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bannmeile rings um den Thüringer Landtag gibt es genau seit dem 30. Oktober 1990. Es gibt seitdem in der Geschichte dieser Bannmeile drei wesentliche Veränderungen. Erstens - das ist angesprochen worden - sie ist in der 2. Legislaturperiode verkleinert worden. Zweitens, es ist auch schon angesprochen worden, leider deckt sich die Bannmeile räumlich seit der 3. Legislaturperiode mit der Jürgen-Fuchs-Straße. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben das in der letzten Debatte schon zum Ausdruck gebracht, das tut uns weh und es tut uns immer noch weh. Deshalb dieser Antrag. Wir sind davon über

zeugt, wenn der Bürgerrechtler Jürgen Fuchs noch leben würde, er würde mit seinen Freunden kommen und dieses Straßenschild hier abmontieren. Es ist eine Schande, dass die Jürgen-Fuchs-Straße Bannmeile geworden ist.

(Beifall bei der SPD)