Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

Sehr geehrter Herr Minister, aufgrund Ihrer Ausführungen zu Beginn möchte ich noch mal darauf verweisen, dass die Landesregierung Mündliche Anfragen der Abgeordneten nicht zu bewerten, sondern zu beantworten hat.

(Beifall bei der PDS)

Gibt es weitere Nachfragen? Das scheint nicht der Fall zu sein. Danke schön. Wir kämen dann zur nächsten Anfrage in Drucksache 4/25. Abgeordnete Berninger, PDS-Fraktion.

Einrichtung eines Ausreisezentrums in Thüringen

In § 61 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes wird die Errichtung von Ausreisezentren durch die Länder ermöglicht. In einigen Bundesländern sind solche Zentren schon eingerichtet und erprobt worden. In diesen Ausreisezentren soll die Bereitschaft des Flüchtlings zur freiwilligen Ausreise gefördert werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist in Thüringen die Einrichtung eines Ausreisezentrums geplant? Wenn ja, wann, wo und mit welcher Kapazität?

2. Inwieweit gibt es Planungen, die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg später zu einem Ausreisezentrum zu erweitern?

Es antwortet Minister Gasser.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, für die Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Seitens der Landesregierung existieren bislang keine Planungen hinsichtlich der Einrichtung eines Ausreisezentrums nach § 61 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes.

Zu Frage 2: Planungen, die Landesaufnahmestelle in Eisenberg später zu einem Ausreisezentrum zu erweitern, gibt es derzeit nicht.

Danke. Es gibt Nachfragen.

Plant die Landesregierung in Kooperation mit anderen Bundesländern gemeinsame Ausreisezentren?

Frau Abgeordnete, zurzeit nein. Das ist eine Kostenfrage, wenn man z.B. vergleicht die Aufnahmequote von Bayern, die liegt bei 14 Prozent, und von Thüringen mit 3,3 Prozent. Die Errichtung und Betreibung einer solchen Ausreiseeinrichtung sollte daher zurückgestellt werden, weil sie einfach derzeit zu kostenintensiv ist.

Danke, Herr Minister. Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir kämen dann zur nächsten Anfrage in Drucksache 4/26 der Abgeordneten Pelke. Die Anfrage wird vorgetragen durch den Abgeordneten Pilger, SPD-Fraktion.

Berufsausbildung für allein erziehende Sozialhilfeempfänger/-innen

Aussagen des 3. Thüringer Sozialberichts und der Beantwortung der Kleinen Anfrage 1137 in Drucksache 3/4042 ist zu entnehmen, dass bei der beruflichen Eingliederung, insbesondere der Berufsausbildung, von allein erziehenden Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfänger(inne)n akuter Handlungsbedarf gegeben ist. Die berufliche Eingliederung und Qualifizierung der genannten Zielgruppe entspricht weiterhin der Intention von Hartz IV.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch ist der Anteil der zuvor genannten und in der Antwort zur Kleinen Anfrage 1137 definierten Zielgruppe, der beim Vorhandensein entsprechender Beratung sowie bedarfsgerechter Rahmenbedingungen zur Verbindung von Kinderbetreuung und Berufsausbildung nach den vorliegenden Erfah

rungen eine Ausbildung anstrebt bzw. anstreben würde?

2. In welchem Umfang stehen Mittel des Europäischen Sozialfonds und entsprechende komplementäre Landesmittel zur Finanzierung derartiger Maßnahmen ohne Haushaltssperren zur Verfügung?

3. Sind die laufenden Projekte bis zum Ende der üblichen Ausbildungszeit bewilligt oder existieren für Projektträger und die Auszubildenden Probleme im Bewilligungsverfahren bzw. sind die Projekte von Haushaltssperren betroffen?

4. In welchem Umfang, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Konzept ist eine bedarfsgerechte Ausweitung der Projekte unter Nutzung der bisherigen Erfahrungen und in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit vorgesehen?

Danke. Es antwortet Minister Dr. Zeh.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung beantworte ich diese Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Nach einer Befragung jugendlicher Sozialhilfeempfänger in Thüringen durch den Verein Jugendberufshilfe Thüringen im Jahr 1999 streben 94 Prozent der Befragten einen Berufsabschluss an, wobei 21,1 Prozent der Befragten allein Erziehende mit Kind sind. Aktuellere Zahlen sind uns leider nicht bekannt.

Zu Frage 2: Für Projekte der beruflichen Eingliederung von allein erziehenden Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfängern stehen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds im Rahmen des Operationellen Programms der 3. Förderperiode sowie entsprechend komplementäre Landesmittel zur Verfügung. Vorrangig ist der Förderschwerpunkt "Gesellschaft ohne Ausgrenzung", das ist der Titel, mit 207,2 Mio.  ESF- und 29,8 Mio. 6  *!  4  für den Zeitraum 2000 bis 2006 zu nennen. Für den Schwerpunkt "Chancengleichheit von Frauen und Männern" sind für den gleichen Zeitraum 60,2 Mio.  ESF- und 8,7 Mio. 6  *!  4  vorgesehen. Für den Schwerpunkt 4.6 "Lokales Kapital für soziale Zwecke", bei dem eine hundertprozentige ESF-Förderung möglich ist, sind es 8,3 Mio. 

Zu Frage 3: Die laufenden Projekte sind entsprechend bewilligt. Probleme im Bewilligungsverfahren sind mir nicht bekannt. Diese Projekte sind von der

Haushaltssperre nicht betroffen.

Zu Frage 4: Da in der Gruppe der allein Erziehenden der Anteil derjenigen ohne Berufsausbildung weiterhin relativ hoch ist, sind solche Projekte wünschenswert. Daher wurde z.B. für das vom Verein Jugendberufshilfe Thüringen e.V. initiierte Projekt "Rhythmus" versucht, weitere Agenturen für Arbeit für die Entwicklung von Ausbildungsmodellen für allein erziehende junge Mütter zu gewinnen. Ein Antrag des Vereins Jugendberufshilfe Thüringen e.V. auf Verlängerung des Projekts "Rhythmus" wird derzeit von der GfAW geprüft. Den Tarifpartnern, den Schulen, den Eltern und den Betroffenen ist sehr bewusst, dass sie auch hier ein hohes Maß an Eigenverantwortung tragen.

Danke. Es gibt eine Nachfrage.

Herr Minister, auf die Frage 1 antworteten Sie, dass Ihnen keine anderen Daten als die aus 1999 bekannt sind. Welches Interesse hat die Landesregierung, aktuelle Zahlen zu dem Problemfeld zu erhalten, und ist die Landesregierung bereit, die Jugendberufshilfe zu unterstützen, um neue Daten für diese notwendigen Aufgaben zu erheben?

Frau Abgeordnete Thierbach, das ist eine sehr, sehr individuelle Entscheidung der Einzelnen. Hier werden in der Regel keine Anfragen und auch keine Erhebungen gemacht. Man müsste eine solche Erhebung bei den Trägern, die das auch bisher in der Hand haben, abfragen. Diese Abfrage konnten wir in dem Zeitraum, der vorgelegt worden ist, nicht in der Kürze erbringen. Mein Interesse an solchen Datenerhebungen ist natürlich hoch. Aber ich muss noch einmal, Frau Thierbach, sagen, das ist eine sehr, sehr individuelle Entscheidung der Betroffenen, die auch sehr sensibel sind. Solche Anfragen sind in der Regel nicht sehr einfach zu erheben.

Danke. Weitere Anfragen liegen mir nicht vor. Dann kämen wir jetzt zur Anfrage in Drucksache 4/30 der Abgeordneten Thierbach, PDS-Fraktion.

Reform der Pflegeversicherung

Laut dpa vom 6. August 2004 sieht Sozialminister Zeh die Notwendigkeit einer schnellen und umfassenden Strukturreform, um das wachsende Defizit in der Pflegeversicherung beheben zu können.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie soll nach Minister Zeh eine solide finanzielle Ausstattung der Pflegekassen erreicht werden?

2. Wie und durch welche konkreten Maßnahmen soll der Grundsatz "ambulant vor stationär" seitens der Landesregierung gestärkt werden?

3. Durch welche Maßnahmen will die Landesregierung eine Verbesserung der Qualität der pflegerischen Leistungen erreichen?

Danke. Es antwortet wiederum Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Aufgrund der angespannten kontinuierlichen, defizitären Lage der Pflegekassen ist es dringend notwendig, die Pflegeversicherung wieder auf eine solide finanzielle Basis zu stellen. Dies ist in erster Linie Angelegenheit und Zuständigkeit des Bundes. Er muss einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, der Leistungen und Finanzierung regelt. Zur Vorlage eines Gesetzentwurfs war die Bundesregierung aber bisher nicht bereit. Aus Sicht der Landesregierung muss dieser insbesondere Regelungen enthalten, die in ausgewogener Form sowohl die Interessen der Pflegebedürftigen als auch die der Beitragszahler berücksichtigen.

Zu Frage 2: Aufgrund der Bestimmungen des Pflegeversicherungsgesetzes haben die Pflegekassen im Rahmen ihrer Leistungsgewährung zu beachten, dass der Pflege im häuslichen Bereich gegenüber der stationären Pflege der Vorrang einzuräumen ist. Dieser gesetzliche Auftrag wird in Thüringen durch die Mitfinanzierung des Landes von niedrigschwelligen Angeboten zur Entlastung von Angehörigen demenzkranker Menschen unterstützt. Dem Grundsatz "ambulant vor stationär" dient auch die verantwortungsbewusste Förderpolitik des Landes im stationären Bereich.

Zu Frage 3: Für die Qualität der pflegerischen Leistungen sind in erster Linie die ambulanten Pflegedienste und die Träger der Heime verantwortlich. Das Land unterstützt die Einrichtungen in ihrem Bestreben, die Qualität der Leistungen zu verbessern, indem die Heimaufsichtsbehörden im Rahmen des Heimgesetzes beratend und notfalls auch sanktionierend tätig sind. Ich möchte hier auch auf den Pflegegipfel zu Beginn des Jahres hinweisen. Einige der angesprochenen Maßnahmen, zum Beispiel ein einheitliches Qualitäts- und Prüfsiegel, konnten bereits umgesetzt werden. Die Landesregierung wird sich auch weiterhin im Rahmen ihrer Zuständigkeit für eine bedarfsgerechte Pflege der Thüringer Bürgerinnen und Bürger einsetzen.

Danke. Es gibt eine Nachfrage. Frau Thierbach.

Herr Minister, auch wieder die Antwort auf die Frage Nummer 1, die war nichts, weil Sie gesagt haben, die Verantwortung liegt beim Bund. In Ihrer Pressemitteilung sprechen Sie aber davon: "Wir haben keine Zeit zu verlieren." Sie sagen dort, dass Sie eine grundlegende Reform für unumgänglich halten. Wenn dies unumgänglich ist, dann müssen Sie auch sagen können, was Sie aus Berlin als Veränderung erwarten, gerade in Bezug auf die Frage 1. Sie können sich nicht davor drücken zu sagen, das ist eine Bundesaufgabe. Wir haben keinen Handlungsbedarf, wenn Sie dann das durch den Bundestag entwickelte Reformgesetz möglicherweise im Bundesrat bestätigen müssen.

Frau Abgeordnete, die Frage bitte.

Welche Alternativen sehen Sie?

Herr Minister.