Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Herr Staatssekretär, danke für die Antwort, die nicht überraschend ist. Wie bewerten Sie denn, dass der Oberbürgermeister von Jena durch die zuständige Kommunalaufsicht für identische Handlungsweisen öffentlich abgemahnt wurde und - es war auch den Medien zu entnehmen - sich dort verpflichten musste, künftig beamtenrechtlich neutral zu agieren?

Die zweite Frage schließe ich gleich an:

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Na super!)

Welche Erkenntnisse haben Sie, ob die in der Anfrage formulierten Vorgänge bereits durch die zuständigen Kommunalaufsichten geprüft werden? Danke.

Zu Frage 1: Sie haben in Ihrer Fragestellung auf Presseinformationen abgehoben. Presseinformationen sind in der Regel nicht ausreichend präzise oder zuverlässig, um daraus rechtsaufsichtliche oder kommunalrechtliche Maßnahmen ableiten zu können.

Zweitens: Ob es einen identischen Sachverhalt tatsächlich gibt, wird die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde prüfen.

Drittens: In dem von Ihnen angeführten Fall eines Oberbürgermeisters einer mittelostthüringischen Stadt hat die zuständige Rechtsaufsicht den Fall bewertet und ist auch zu einem Ergebnis ihrer Bewertung gekommen.

Zu Ihrer Frage 2: Die zuständige Rechtsaufsicht befasst sich mit den Vorgängen.

Die nächste Nachfrage Herr Abgeordneter Matschie und dann gegebenenfalls Abgeordnete Kaschuba.

Herr Staatssekretär, ist die Rechtsaufsicht verpflichtet, noch vor der Kommunalwahl dazu ein Votum abzugeben? Und wenn dieses Votum so ausfällt, dass das Verhalten als nicht zulässig erklärt wird, ist dann die Wahl anfechtbar?

Die Frage der Anfechtbarkeit der Wahl richtet sich nicht nach der Einschätzung der Rechtsaufsicht. Zur Einschätzung der Rechtsaufsicht hat jemand, der eine Beschwerde vorbringt, die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen.

Die letztmögliche Nachfrage, Abgeordnete Kaschuba, bitte.

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass der Oberbürgermeister von Jena durch den Stadtrat als Wahlleiter abberufen wurde und ein neuer Wahlleiter 14 Tage vor der stattfindenden Wahl eingesetzt wurde? Wie bewerten Sie denn diesen Vorgang?

Ich habe das in dieser Woche gehört. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit dieser Vorgehensweise, die die Mitglieder des Stadtrats für zweckmäßig und rechtmäßig gehalten haben, ist durch die Landesregierung noch nicht abschließend bewertet.

Weitere Nachfragen hierzu kann es nicht geben. Ich rufe die letzte Mündliche Anfrage auf, eine der Abgeordneten Becker, SPD-Fraktion, in Drucksache 4/1906.

Verwendung des Wappens des Landkreises Nordhausen zu Wahlkampfzwecken

Auf Wahlplakaten zur Landratswahl im Landkreis Nordhausen wird der Kandidat der CDU und amtierende Landrat unter Verwendung des Wappens des Landkreises Nordhausen abgebildet. Hier besteht die Gefahr, dass die Art der Verwendung des Wappens durch den derzeitigen Amtsinhaber im Wahlkampf den Anschein hervorruft, dass das Wappen in amtlicher Funktion verwendet wird und somit durch die Verwendung des Landkreiswappens unzulässigerweise auf die Wahlentscheidung Einfluss genommen werden könnte. § 90 der Thüringer Kommunalordnung regelt die Berechtigung der Landkreise, Wappen und Dienstsiegel zu führen; nach § 90 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung dürfen Dritte das Wappen des Landkreises nur mit dessen Genehmigung verwenden.

(Unruhe bei der CDU)

Entschuldigung bitte, ich darf auch in der Fragestunde um Ruhe und Zuhören bitten, im Moment hat Abgeordnete Becker das Wort. Nachfragen können dann gestellt werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Dürfen Parteien oder Kandidaten im Wahlkampf das Wappen des Landkreises auf Wahlplakaten verwenden und welche Maßstäbe gelten hierfür?

2. Gilt der Amtsinhaber, soweit er das Wappen des Landkreises für Wahlkampfzwecke nutzt, als Dritter im Sinne des § 90 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung und wer hätte dann beim vorliegenden Sachverhalt die Genehmigung nach § 90 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung zu erteilen, falls in der Hauptsatzung oder einer anderen Satzung des Landkreises keine weitergehenden Regelungen getroffen sind?

3. Stellt die Verwendung des Landkreiswappens durch Parteien oder Kandidaten im Wahlkampf nach Auffassung der Landesregierung einen möglichen

Wahlanfechtungsgrund dar?

Es antwortet Staatssekretär Baldus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Becker beantworte ich zusammenfassend für die Landesregierung wie folgt:

Es gibt keine kommunalwahlrechtliche Regelung, die Parteien oder Einzelbewerbern die Verwendung von kommunalen Wappen im Wahlkampf ausdrücklich verbietet. Die Thüringer Kommunalordnung regelt in den insoweit einschlägigen Bestimmungen der §§ 7 Abs. 2 und 90 Abs. 2 lediglich, dass Wappen der Gemeinde bzw. des Landkreises nur mit deren Genehmigung verwendet werden dürfen. Die Gemeinden und Landkreise entscheiden hierüber somit nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Neutralitätsgrundsatzes. Von einer Bewertung des konkreten Einzelfalls muss die Landesregierung Abstand nehmen, da auch rechtliche Ausführungen sich vor Ort als Einflussnahme auf den jeweiligen kommunalen Wahlkampf darstellen könnten. Die Landesregierung wird daher alles unterlassen, was den Eindruck einer Wählerbeeinflussung erwecken könnte. Zudem kann die Landesregierung auch nicht der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde vorgreifen.

Ob und unter welchen Umständen die Verwendung des Landkreiswappens ein Wahlanfechtungsgrund sein kann, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Über Wahlanfechtungen entscheidet die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde und nicht das Innenministerium. Gegen die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.

Gibt es Nachfragen? Abgeordnete Becker.

Aber Ihnen ist doch bekannt, dass es zu dem vorliegenden Fall schon Vorgänge und Eingaben gibt, die an das Landesverwaltungsamt weitergegeben wurden. Das ist Ihnen doch bekannt? Da könnte man doch erwarten, dass das Landesverwaltungsamt auch irgendwann tätig werden muss. Ist denn noch vor der Wahl oder erst nach der Wahl damit zu rechnen?

Ich gehe davon aus, dass das Landesverwaltungsamt seine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen treffen wird. Dazu gehört auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe einer möglichen Entscheidung des Landesverwaltungsamts.

Es gibt jetzt weitere Nachfragen. Zunächst hatte sich Abgeordneter Mohring gemeldet.

Ich frage das Innenministerium: Dürfen Landtagsfraktionen im Wahlkampf und insbesondere in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes, mit dem Fraktionslogo auf Plakaten und Flyern werben und verstößt die Verwendung des Fraktionslogos bzw. die Verwendung von Fraktionsmitteln gegen das Parteienfinanzierungsgesetz bzw. gegen andere gesetzliche Grundlagen?

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Landesregierung beabsichtigt nicht, sich in Rechtsverhältnisse oder Rechtsstreitigkeiten der Fraktionen des Landtags wertend einzubringen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die nächste Nachfrage hat Abgeordneter Primas. Bitte.

Zu Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär, zur Mündlichen Anfrage der Frau Becker im ersten Teil, zur Benutzung des Wappens: Trifft das denn auch zu, wenn die Wappen in abgewandelter Form benutzt werden? Wenn das insgesamt geprüft wird, gehe ich natürlich davon aus - als ergänzende Frage -, dass das bei allen Wahlkreisen und bei Landratswahlen geprüft wird, denn eine Einzelprüfung gibt es da nicht, weil sich nämlich derselbe Sachverhalt im Landkreis Mühlhausen wiederfindet. Dort wirbt der Landrat auch mit dem Wappen des Landkreises.

Zum einen bin ich persönlich auch nach Kenntnisnahme von Veröffentlichungen in diesem Kontext nicht sicher, ob in dem einen Fall das dargestellte

Wappen in der Tat identisch oder verwechselbar mit dem Landkreiswappen ist. Zum Zweiten ist natürlich die rechtliche Prüfung der Zulässigkeit der Verwendung eines kommunalen Wappens im Kommunalwahlkampf unabhängig von der Partei oder der Person zu sehen, die dieses Wappen im Wahlkampf einsetzt.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ganz unabhängig; so, wie ganz unabhängig geprüft wird!)

Weitere Nachfragen liegen nicht vor. Damit sind alle Mündlichen Anfragen abgearbeitet. Ich schließe die Fragestunde und rufe auf den ersten Teil des Tagesordnungspunkts 16

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Politische Schlussfolgerungen aus dem Tätigkeitsbericht 2005 der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes der ehemaligen DDR“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/1865 -

Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat das Wort Abgeordneter Matschie, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zu den Konsequenzen aus dem Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen etwas sage, lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen, und zwar eine Vorbemerkung angesichts vieler Versuche und auch Versuchungen, die DDR nostalgisch zu verklären. Dabei meine ich nicht die vielen persönlichen Lebenserinnerungen, die mit dieser Zeit verbunden sind und die durchaus auch schöne Lebenserinnerungen sein können, sondern ich meine die Verklärung des Unterdrückungsstaates DDR. Ich sage das deshalb, weil ich überzeugt bin, nur, wer die Vergangenheit wirklich kennt, kann für eine gute Zukunft sorgen. Deshalb muss man gelegentlich daran erinnern: Die DDR war keine fröhliche Nostalgieshow, sondern die DDR war eine Diktatur.

(Beifall bei der CDU)

Sie hat ihre Bürger hinter Mauern eingesperrt,

(Beifall bei der SPD)

sie hat Menschen erschossen allein aus dem Grund, weil sie ihr Land verlassen wollten.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Jawohl!)