Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Bei wei- chen Drogen müsst ihr was machen.)

Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag zu weitergehenden Maßnahmen auf. Um uns selbst ernst zu nehmen, müssen Maßnahmen geprüft werden, die das Aufstellen und Betreiben von Zigarettenautomaten sowie die Tabakwerbung verbieten. Schule hat neben dem Bildungs- auch einen Erziehungsauftrag zu erfüllen.

Abgeordnete Skibbe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heym?

Bitte schön.

Bitte, Abgeordneter Heym.

Frau Kollegin Skibbe, wir haben ja nun in den vergangenen Jahren mehrfach erlebt, dass Sie sich für die Freigabe weicher Drogen ausgesprochen haben. Wenn ich jetzt Ihre Rede hier so verfolge, ergibt sich für mich ein Widerspruch. Heißt das: Sie würden das Kiffen befürworten, aber um die Hausecke der Schule drumherum? Oder wie erklären Sie den Widerspruch, auf der einen Seite sich hierher zu stellen als die Gutmenschen-Fraktion, zu sagen, das Rauchen ist schädlich für die Jugendlichen, und auf der anderen Seite aber immer wieder zu sagen - und man hat

es gerade wieder verfolgen können -, dass es in Ordnung ist, weiche Drogen zu legitimieren. Können Sie mir diesen Widerspruch erklären?

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Das ist eine sehr gute Frage.)

(Beifall bei der CDU)

Das ist für mich kein Widerspruch und kein Unterschied.

(Unruhe bei der CDU)

Für mich ist es sehr bedenklich zum einen, dass das Einstiegsalter für Kinder immer weiter herabgesetzt wird. Sie können das im Stadtbild sehen. Zum anderen wird bei uns sicherlich über die Freigabe von Drogen diskutiert. Da habe ich noch keine abschließende Meinung. Das möchte ich jetzt hier so stehen lassen.

(Unruhe bei der CDU)

(Glocke der Präsidentin)

Schule hat neben dem Bildungs- auch einen Erziehungsauftrag zu erfüllen. Eine konsequente Gesundheitserziehung in der Schule bedeutet nicht nur das Herunterrasseln theoretischer Begriffe und Sachverhalte. Die Lehrpläne enthalten sicher in vielen Fächern, wie Ethik, Biologie oder Sozialkunde, verschiedene Aspekte der Gesundheitserziehung, aber dies in ein Gesamtkonzept zu gießen, das ist eine Forderung der Linkspartei.PDS. Neben der Wissensvermittlung und der Aufklärung vor Gefahren und Konsequenzen bei gesundheitsschädlichem Verhalten müssen die Schüler die Möglichkeit haben, dieses Wissen auch in der Schule umzusetzen. In diesem Gesamtkonzept ist die konsequente Umsetzung des Ziels einer rauchfreien Schule durch ein entsprechendes Rauchverbot nur eine Säule von vielen.

Weitere Säulen für eine gesundheitsbewusste Erziehung müssten sein: Erstens die Vermittlung von Freude an Sport und Bewegung, z.B. durch attraktive, anregende Sportangebote innerhalb und außerhalb des Unterrichts. Dazu gehört vielleicht auch die Abschaffung der Noten im Sportunterricht. Die Bedeutung von gesunder Ernährung darf in der Schule nicht nur vermittelt werden, sondern muss auch in der Schule umgesetzt werden. Das bedeutet auch: keine Getränkeautomaten mit extrem zuckerhaltigen Getränken wie Cola oder Fanta, kein Fastfood an Schulen und vor allem eine gesunde Schulspeisung zu bezahlbaren Preisen. Gesunde Ernährung muss als Unterrichtsinhalt über alle Jahrgangsstufen hin

weg verbindlich behandelt werden. Für wichtig erachten wir auch eine permanente und konsequente Aufklärung und Intervention hinsichtlich des Drogen- und Genussmittelgebrauchs. Raucherkarrieren beginnen meist frühzeitig. Wer bis zum 16. Lebensjahr nicht begonnen hat zu rauchen, hat gute Chancen, sein Leben lang Nichtraucher zu bleiben. Mit der bestehenden Regelung, Rauchen darf man ab 16, wird den Schülern ein falsches Modell vermittelt. Es ist hinlänglich bekannt, dass sich Kinder und Jugendliche bei der Herausbildung von Werten und Einstellungen weniger an den Erwachsenen orientieren als an ihren Alterskameraden. Dazu zählen nicht nur die fiktiven Bilder aus den Medien, sondern auch unmittelbare Erlebnisse vor Ort. Der Griff zur Zigarette auf dem Schulhof ist für viele Jugendliche ein symbolischer Schritt in die Erwachsenenwelt. Erwachsensein mit einem Glimmstängel im Mund zu verbinden darf Schule auf gar keinen Fall unterstützen. Für diese Bilder vom Erwachsensein sind sie leider viel zu empfänglich. Bereits laufende Maßnahmen schulischer Prävention innerhalb und außerhalb des Unterrichts sind wenig glaubwürdig, wenn diese nicht auch zu Konsequenzen bezüglich der Rauchfreiheit an Schulen führen. Das heißt, kein Rauchen auf dem Schulgelände und keine Ausnahmeregelung für das Personal an den Schulen, also auch nicht für Lehrer, nicht für Erzieher, nicht für Hausmeister oder das weitere Personal. Wer glaubwürdig Prävention anstrebt, kommt um eine Vorbildwirkung nicht herum. Das Rauchverbot an Schulen ist längst überfällig angesichts nationaler und internationaler Tendenzen und Regelungen. Es ist inkonsequent und fast schon absurd, wenn man im öffentlichen Raum das Rauchen aus berechtigten Gründen immer mehr zurückdrängt - ich denke an die ernsthaften Diskussionen, das Rauchverbot auch in Stadien durchzusetzen -, aber diese Konsequenzen hier an den Erziehungs- und Bildungseinrichtungen in Thüringen nicht in gleichem Maße aufbringt. Doch, man höre und staune, wenigstens untersagt das neue Thüringer Kindertagesstättengesetz das Rauchen in den Kindereinrichtungen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Skandal!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren -

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das ist den Kindern ihre eigene Entscheidung. Herr Goebel, greifen Sie ein!)

danke, Herr Gentzel -, zum Schluss möchte ich den Standpunkt unserer Fraktion und unsere Forderungen noch einmal zusammenfassen. Die Fraktion der Linkspartei.PDS unterstützt die Gesetzesänderung der SPD-Fraktion zum generellen Rauchverbot an Schulen. Im Zusammenhang mit den Bemühungen

des Landes um Aufklärung und Intervention bezüglich Drogenmissbrauch und Tabakkonsum ist die Umsetzung eines generellen Rauchverbots an den Schulen ein konsequenter Schritt und notwendig für die Glaubwürdigkeit der Aufklärungsarbeit an den Schulen. Ein wirksames Zurückdrängen des Tabakkonsums bereits im frühen Schulalter bedarf sowohl einer verstärkten Aufklärung und Information als auch der Verbannung des Rauchens aus den Schulen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dem Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen muss zudem in der Öffentlichkeit konsequenter Vorrang eingeräumt werden. Das schließt keinen öffentlichen Zugang zu den Tabakwaren und ein Verbot jeglicher Tabakwerbung mit ein. Wir fordern aber vor allem die Entwicklung eines umfassenden Konzepts zur Gesundheitserziehung und zum Gesundheitsverhalten an den Schulen und über die Schulen hinaus. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Döring, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „so geht es mit Tabak und Rum, erst bist du froh, dann fällst du um.“ So reimte schon Wilhelm Busch.

(Zwischenruf Abg. Dr. Fuchs, Die Links- partei.PDS: Da gibt es noch ein anderes Zitat von ihm: „Drei Tage war der Frosch krank, nun raucht er wieder, Gott sei Dank!“)

Gut, das war auch Wilhelm Busch.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Nur, da müssen Sie auch das Ende beschreiben und dann kommen wir der Wahrheit auch näher, wenn wir Busch schon zitieren.

Meine Damen und Herren, heute wissen wir, Tabakkonsum ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit, trotzdem hat auch unter Jugendlichen das Rauchen noch immer nichts von seinem Reiz verloren. Nach den im Jahre 2005 veröffentlichten Ergebnissen einer Studie der Weltgesundheitsorganisation liegen die deutschen Jugendlichen beim Rauchen europaweit an der Spitze. Zudem sinkt das Einstiegsalter in den Tabakkonsum bundesweit seit Jahren immer weiter ab. In Thüringen liegt es

gegenwärtig bei elf bis zwölf Jahren. Und je niedriger das Einstiegsalter beim Rauchen liegt, desto größer sind die gesundheitlichen Schädigungen und - das betone ich - die Bereitschaft, weitere Drogen auszuprobieren.

Meine Damen und Herren, von den Schülern der 9. und 10. Jahrgangsstufe sind im Freistaat 51,2 Prozent Tabakkonsumenten. Bei den Mädchen dieser Jahrgangsstufen liegt der Anteil mit 53,7 Prozent noch höher. Bei Realschülern sind es 58,8 Prozent, bei Gymnasiasten 39,4. Diese Zahlen sind alarmierend und es liegt auf der Hand, dass hier Regelungsbedarf besteht. Die Schule bietet den sozialen Kontext, in dem Kinder und Jugendliche ihre ersten Raucherfahrungen machen. Gerade die älteren Schüler in der Raucherecke sind attraktive Vorbilder für viele junge Neueinsteiger. Wissenschaftliche Studien, aber auch die Schulpraxis zeigen, dass ein nur begrenztes Rauchverbot als Präventionsmaßnahme unwirksam ist. Es ändert nichts daran, dass die älteren Schüler weiter rauchen und die jüngeren durch dieses falsche Vorbild zum Einstieg ins Rauchen verleitet werden.

Ein generelles gesetzliches Rauchverbot an Schulen hat hier eine nicht zu unterschätzende positive Signalwirkung. Es ist eine klare Wertentscheidung, die hier zugunsten der Gesundheit und zugunsten der Suchtprävention getroffen wird. Schule wird hier deutlich in ihrer Erziehungsverantwortung gestärkt. Das sieht man auch in Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Hier ist ein Rauchverbot an Schulen schon gesetzlich geregelt; zum 1. August kommt Bremen dazu und auch Bayern wird die rauchfreie Schule gesetzlich einführen. Ich bin überzeugt, Herr Minister Goebel, auch Thüringen wird sich dem nicht entziehen können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Hier zu der Aussage zu kommen, wir sind auf der Höhe der Zeit, also das, glaube ich, können Sie selbst nicht ernst nehmen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Die können es ja nicht begründen.)

Meine Damen und Herren, dass das Rauchverbot an Schulen wirkt, wenn es konsequent durchgesetzt und von Präventionsmaßnahmen begleitet wird, belegt erstmals eine repräsentative Untersuchung in Hamburg. Der Anteil der Raucher unter den 14- bis 15-Jährigen hat sich nach Einführung des Rauchverbots von 35,5 Prozent auf 18,4 Prozent nahezu halbiert. Das sind die Fakten und die können Sie nicht einfach so wegwischen, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, unser Ziel ist klar die rauchfreie Schule. Auch wenn dieses Ziel einen gesetzlichen Rahmen erhält, führt der Weg dahin natürlich über einen Prozess mit vielen Einzelmaßnahmen, die an die jeweilige Schulsituation angepasst sind. Die Einführung des Rauchverbots an Schulen ist daher nur in permanenter pädagogischer Auseinandersetzung mit dem Rauchen erfolgversprechend. Drei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Wie kann die Schule den Einstieg in das Rauchen verhindern oder aufschieben? Wie soll sie mit Rauchenden umgehen? Was kann sie zum Ausstieg beitragen? Die Beantwortung dieser Fragen muss im Leitbild, im Schulkonzept und im Schulcurriculum seinen Niederschlag finden und im Unterricht, bei Projekttagen, Elternabenden, Konferenzen und schulinternen Weiterbildungen thematisiert werden. Bei der Entwicklung und Umsetzung eines solchen schulischen Programms muss ein Konsens zwischen allen am Schulleben beteiligten Gruppen gefunden werden. Das heißt auch, dass gemeinsam erarbeitete Vereinbarungen formuliert und durch Sanktionen gesichert werden. Die Formen der Kontrolle und Sanktionierung sollen die Betroffenen dabei selbst mit aushandeln.

Meine Damen und Herren, da längeres Rauchen körperlich und psychisch von Nikotin abhängig machen kann, gelingt eine rauchfreie Schule nur, wenn auch Ausstiegshilfen in Anspruch genommen werden können. Die Schulen werden herausfinden müssen, wer vor Ort welche Nichtraucherprogramme anbieten kann. Dabei sowie generell bei der Entwicklung, Unstützung und Umsetzung wirksamer Präventionskonzepte sollen in den Schulen die Schulämter unterstützend zur Seite stehen. Wir wollen - ich betone das hier ausdrücklich - die Schulen nicht mit der Raucherproblematik allein lassen.

Meine Damen und Herren, die niederschmetternden Fakten über die gesundheitsschädigende Wirkung des Rauchens sowie des Passivrauchens und die steigenden Opferzahlen des Tabakmissbrauchs sind hinlänglich bekannt. Schulen haben hier im Rahmen der Fürsorge- und Aufsichtspflicht eine hohe Verantwortung, zur Förderung einer gesunden Lebensweise für alle Schülerinnen und Schüler beizutragen. Nur in der Kombination, Herr Minister, von Verbot und Präventionsprogrammen können wir das Ziel einer rauchfreien Schule in Thüringen erreichen

(Beifall bei der SPD)

sowie Kinder und Jugendliche verstärkt vom Rauchen abhalten. Diesem Ziel dient unser Gesetzentwurf, denn ohne Rauch geht es auch.

Ich bitte um Überweisung an den Bildungsausschuss federführend, an den Ausschuss für Soziales, Fa

milie und Gesundheit und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten begleitend und ich hoffe auf zügige und ordentliche Beratung.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Emde, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Abgeordneten, ich will gleich vorweg sagen, dass ich persönlich gegen das totale Rauchverbot an Thüringer Schulen bin

(Beifall bei der CDU)