Protokoll der Sitzung vom 08.10.2004

(Unruhe bei der CDU)

Und das ist der Vorwurf, den wir machen. Wir brauchen in Thüringen über die Situation von Sozialhilfeempfängern, wenn Ihr Sozialbericht Wahrheit ist, überhaupt keine Auslotung, wie groß die Not ist, mehr zu machen. Sie hätten schon längst handeln können. Das Zweite, die Dynamisierung der Eckregelsätze, ja und? Wenn es wieder eine Rentenstagnation gibt, wenn es wieder keine Rentenerhöhungen gibt, bleiben wir auf dem Niveau? Sie wissen ganz genau, dass es diese Koppelung gibt. Es ist eben nicht so, dass automatisch Eckregelsätze ständig steigen, sondern Sie müssten wieder vom Spielraum Gebrauch machen. Und das hätten Sie zum 01.07. dieses Jahres gar nicht gekonnt in dem Umfang, wie Sie es zum 01.01.2005 könnten. Und das nenne ich Ignoranz, wenn man das nicht will und nicht tut. Ein Weiteres nenne ich Ignoranz, nämlich die Tatsache, was Sie eben hier gesagt haben, was angeblich das europäische Existenzminimum, das soziokulturelle, sei oder was die Definition von Armut sei.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Das habe ich nicht gesagt.)

Wissen Sie, Sie machen deutlich, dass Sie den Unterschied zwischen einer Armutsdefinition, die eine ganz andere inhaltliche Begrifflichkeit hat, und einer Bestimmung eines soziokulturellen Existenzminimums in der EU gar nicht kennen. Das ist nämlich nicht identisch. Das ist sehr traurig. Sie sollten wirklich diesen Unterschied jetzt lernen, damit Sie auch merken, dass es mehr als das Nicht-zu-Verhungern gibt. Und dieses Nicht-zu-Verhungern hier überhaupt zu benutzen, das ist für mich Ausmaß wieder von Ignoranz von vielen Menschen.

(Beifall bei der PDS)

Deswegen, Herr Panse, möchte ich Sie wirklich einladen, alte Protokolle nachzulesen.

Frau Thierbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Panse?

Am Ende. Und Sie sagten, die Landesregierung braucht jetzt weiteres Datenmaterial. Können Sie sich an die Anträge überhaupt noch erinnern - so ein Neuling im Landtag sind Sie nicht - wie oft die Landesregierung aufgefordert worden ist, bestimmte Datenerhebungen vorzunehmen? Wenn es diese Ignoranz nicht gegeben hätte, hätte sie auch diese Daten. Da möchte ich Sie auch wieder an den Sozialbericht erinnern. Wenn Sie die Vorstellung der PDS zu dem, was tatsächlich soziale Grundsicherung ist, nicht kennen, dann erwarte ich es von Ihnen auch nicht unbedingt. Aber die Anträge, die hier zu diesem Thema diskutiert wurden, erwarte ich, dass auch ein CDU-Abgeordneter, der im Sozialausschuss saß, im Inhalt kennt. Denn wenn ich das von Ihnen nicht erwarten würde, würde ich behaupten, Sie lehnen sie ab, ohne den Inhalt überhaupt gelesen zu haben. Genau dieses Problem haben Sie, Herr Panse, dass Sie sich auch nicht einer Bestimmung, was soziale Grundsicherung tatsächlich ist, überhaupt aufmachen. Leider sind Sie immer noch auf dem Niveau unseres ehemaligen Sozialministers, der behauptet hatte, dass Sozialhilfe bekämpfte Armut ist. Und genau das ist falsch. Sozialhilfe ist Armut und wir müssen Menschen, die sich darin befinden, die Teilhabe am gesamten Leben in dieser Gesellschaft ermöglichen. Dazu müsste das SGB XII, obwohl es eine Reform war, so entwickelt werden, dass das soziokulturelle Existenzminimum, das durch die EU gegenwärtig bestimmt ist mit durchschnittlich 60 Prozent des nationalen Durchschnittseinkommens, das tatsächliche Einkommen aller Einkommensbezieher berücksichtigt. Dann betrüge das heute hier 1.060  Und die Differenz zwischen 331   6 " Herr Panse, die können Sie selber ausrechnen. Wenn wir nach dieser Definition ein existenzsicherndes Einkommen für jeden, da spreche ich nicht mehr nur von Sozialhilfeempfängern, hätten, dann hätten wir keine Armut in Thüringen. Deswegen ist es ignorant, wenn Sie noch nicht mal in einem Ausschuss über diese Inhalte diskutieren wollen. Namentlich meiner Fraktion beantrage ich die Ausschussüberweisung. Sollte die abgelehnt werden, bleibt unser Antrag zur namentlichen Abstimmung über die Punkte 2 und 3.

Eine Nachfrage von Herrn Panse an Frau Thierbach. Bitte.

Wissen Sie, Frau Thierbach, da Sie ja die Frage vorhin nicht beantworten wollten, sage ich Ihnen das auch gern hier. Das ist genau der Punkt, weswegen es uns zeitweise so schwer fällt, mit Ihnen zu diskutieren. Sie hören nicht richtig hin. Sie verdrehen bewusst Sätze, die jemand sagt, und in dem, was Sie eben hier gerade an Unfug verkündet haben, was Sie mir unterstellt haben, was ich gesagt habe, haben Sie eben genau nicht hingehört. Ich habe an keiner Stelle meiner Rede davon gesprochen, dass für mich das Existenzminimum ist, dass Menschen nicht verhungern. Das haben Sie eben gerade interpretiert und haben mir unterstellt und das finde ich insofern eine Unverschämtheit, weil Sie das gestern schon mal getan haben. Ich kann Sie nur eindringlich bitten, wenn wir sachlich diskutieren wollen, sei es hier im Parlament oder sei es im Ausschuss, hören Sie richtig hin, diskutieren Sie sachlich und lassen Sie uns Gedanken in vernünftiger Form austauschen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Es ging um das Überleben.)

Ich habe gesagt, das Existenzminimum ist für mich, dass Menschen Essen, Trinken, Kleidung und Wohnung haben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist mehr als nur Verhungern. Ich bitte Sie eindringlich, Frau Thierbach, wenn Sie hier vorn am Pult stehen, entweder reden Sie sachlich, hören richtig hin oder verzichten zumindest darauf, hier Unfug zu verkünden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Damit stelle ich als Erstes fest, dass dem Punkt 1, dem Berichtsersuchen der Landesregierung, stattgegeben worden ist und dass dieses Berichtsersuchen erfüllt ist. Widerspricht dem jemand? Also stellen wir fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist gemäß § 106 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Nummern 2 und 3 des Antrags in Drucksache 4/139. Es ist von der PDS Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich stelle also zur Abstimmung: Wer ist für die Überweisung der Punkte - Moment, Sie hatten gesagt, Ausschussüberweisung, das ist also der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, an den es überwiesen werden soll. Ich stelle zur Abstim

mung: Wer ist für die Überweisung der Punkte 2 und 3 des Antrags der PDS an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit? Wer enthält sich der Stimme? Wer ist gegen die Überweisung? Ich stelle fest, dass die übergroße Mehrheit gegen die Überweisung ist und damit der Antrag abgelehnt ist. Die Mehrheitsverhältnisse liegen bei 40:33.

Damit kommen wir zur Gesamtabstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/139, die Nummern 2 und 3. Namens der PDS ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich bitte hier zur namentlichen Abstimmung überzugehen. Die Abstimmung ist eröffnet.

Haben alle Abgeordneten ihren Stimmzettel abgegeben? Das ist offensichtlich der Fall, dann beende ich den Wahlgang und bitte um Auszählung.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, es wurden 80 Stimmen abgegeben, davon sind 24 Jastimmen, 56 Neinstimmen (namentliche Abstimmung siehe Anlage). Damit sind die Punkte 2 und 3 der Drucksache 4/139 des Antrags der PDS abgelehnt.

Wir kommen damit zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20

Fragestunde

Wir haben es noch nicht 14.00 Uhr, wir sind also ganz pünktlich in der Abarbeitung unserer Tagesordnung. Die erste heute zu stellende Mündliche Anfrage kommt von Frau Abgeordnete Dr. Fuchs von der PDS in Drucksache 4/149 "Die Zulassung von Cannabis als therapeutische Methode?" Bitte, Frau Abgeordnete.

Seit Monaten geht durch die Thüringer Medien das Schicksal einer Frau, der zur Bekämpfung ihrer Schmerzen Cannabis als Behandlungsbasis verweigert wird.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie sieht die Landesregierung den medizinisch kontrollierten Einsatz von Cannabis als Behandlungsbasis zur Schmerzbekämpfung?

2. Wie viele durch Cannabis abhängige Menschen in Thüringen werden von psychosozialen Beratungsstellen betreut?

3. Welche Rolle spielt der Missbrauch von Cannabis im Verhältnis zu anderen Sucht- und Betäubungsmitteln an Thüringer Schulen?

4. Sieht die Landesregierung auf Bundesebene Handlungsbedarf, um Cannabis auf Behandlungsbasis zur Schmerzbekämpfung künftig einsetzen zu können?

Für die Landesregierung antwortet Minister Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Nach Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist Cannabis ein nicht verordnungsfähiges Betäubungsmittel. Ein medizinischer Nutzen von Cannabis zur Schmerzbekämpfung ist wissenschaftlich umstritten, daher sind Arzneimittel, die Cannabis enthalten, in Deutschland nicht zugelassen. Ein medizinisch kontrollierter Einsatz von Cannabis als Behandlungsbasis zur Schmerzbekämpfung ist zurzeit rechtlich nur über ein Genehmigungsverfahren im Rahmen einer klinischen Prüfung möglich. Die Thüringer Landesregierung begrüßt die gegenwärtig durchgeführten Untersuchungen, an denen auch Thüringer Ärzte beteiligt sind. Solange wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt ist, ob Cannabis wirklich medizinisch sinnvoll einsetzbar ist, hält die Landesregierung an der geltenden Rechtslage und -praxis fest.

Zu Frage 2: Nach der aktuellen Thüringer Suchthilfestatistik wurden im Jahr 2003 453 cannabisabhängige Menschen - das teilt sich auf, 396 Männer und 57 Frauen - in den psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen für Suchtkranke, Suchtgefährdete und deren Angehörige beraten und betreut.

Zu Frage 3: Über den Konsum von Sucht- und Betäubungsmitteln an Thüringer Schulen bzw. in Schulgebäuden und im Gelände der Schulen liegen der Landesregierung keine speziellen Erkenntnisse vor. Allerdings, es gibt Untersuchungen zum Konsumverhalten junger Menschen im Schulalter, unabhängig also davon, ob sie Suchtmittel in der Schule, auf dem Heimweg, in ihrer Freizeit oder zu Hause konsumieren. Aus einer europäischen Schülerstudie, an der sich auch Thüringen beteiligt hat, geht folgendes Resultat hervor: Von den befragten 15- bis 16-jährigen Thüringer Jugendlichen haben 99 Prozent mindestens einmal im Leben Alkohol getrunken, 81 Prozent mindestens einmal im Leben geraucht und 29 Prozent haben mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. Kleiner ist die Zahl der so genannten

aktuellen Konsumenten, also derer, die in den der Untersuchung vorausgegangenen 30 Tagen Alkohol, Tabak oder Cannabis zu sich genommen haben. Hier ist die Statistik wie folgt: 88 Prozent sind aktuelle Alkoholkonsumenten, 51 Prozent sind aktuelle Raucher und 13 Prozent sind aktuelle Cannabiskonsumenten.

Zu Frage 4: Die Landesregierung sieht bisher keinen Handlungsbedarf, die zuständigen Bundesbehörden sollten jedoch weiterhin Anträge zu klinischen Prüfungen auf der Grundlage des derzeit gültigen Betäubungsmittel- und des Arzeneimittelrechts, wenn möglich, genehmigen. Weiter gehende wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich ist sehr wohl notwendig. Vielen Dank.

Eine Nachfrage der Frau Dr. Fuchs? Nein. Damit kommen wir zur nächsten Anfrage 4/170 durch den Abgeordneten Bausewein "Lässt die Spielbank auf sich warten? - Mietzahlungen".

Lässt die Spielbank auf sich warten? - Mietzahlungen

Der Osterländer Volkszeitung vom 23. September 2004 war zu entnehmen, dass seit Juni 2004 der Freistaat Mietzahlungen für Räumlichkeiten an den Investor des Erfurter Dom-Hotels, Baumhögger, leistet. In dem Fünf-Sterne-Hotel soll die erste Thüringer Spielbank betrieben werden. Der Mietvertrag stammt laut Finanzministerium aus dem Jahr 2002.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wer schloss den oben genannten Mietvertrag und wer ist heute Vertragspartner des Investors Baumhögger hinsichtlich der Räumlichkeiten im Erfurter Dom-Hotel?

2. Wurde versucht den Vertrag zu lösen, als sich abzeichnete, dass der Gesetzgeber umfangreiche Änderungen zum Thüringer Spielbankgesetz, unter anderem den Standort, berät, wenn ja, aus welchen Gründen besteht immer noch ein Vertrag mit der Baumhögger-Gruppe, und wenn nein, warum wurde die Auflösung des Vertrags bisher überhaupt noch nicht verfolgt?

3. Wie lange ist das Land bzw. der Vertragspartner des Investors Baumhögger hinsichtlich der Räume im Erfurter Dom-Hotel an den Vertrag gebunden und welche monatlichen Kosten entstehen derzeit?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Schneider.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Den Mietvertrag schloss die erste Thüringer Spielbank GmbH & Co KG und die Firma Transaktio GmbH & Co KG. Die Firma Transaktio GmbH & Co KG gehört zur Firmengruppe Baumhögger. Die Vertragspartner des Mietvertrags haben sich seither nicht geändert.

Zu Frage 2: Der Mietvertrag wurde im Februar/März 2002 abgeschlossen. Nach dem damals geltenden Spielbankgesetz hatte die Landesregierung über die Standorte für die Errichtung einer Spielbank in Thüringen zu beschließen. Sie hatte sich am 23.10.2001 auf den Standort Erfurt verständigt. Bei In-Kraft-Treten der Novelle des Dritten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Spielbankgesetzes am 10. Februar bestand keine Veranlassung, den Vertrag zu lösen, da im Interesse einer alsbaldigen Spielbankeröffnung die erforderlichen und technisch speziell ausgestatteten Räume gesichert werden mussten. Der Mietvertrag sieht im Übrigen kein Kündigungsrecht für diesen Fall vor und von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage konnte nicht die Rede sein.

Zu Frage 3: Die Laufzeit des Mietvertrags beträgt 10 Jahre. Bis der zukünftige Betreiber der Spielbank im Rahmen des derzeit laufenden Ausschreibungsverfahrens feststeht, entstehen monatliche Kosten in Höhe des vereinbarten Mietzinses von 30.965, 68  Der zukünftige Betreiber steht voraussichtlich Ende dieses Jahres fest.

Danke. Die nächste Anfrage in Drucksache 4/171, eine Frage des Abgeordneten Ramelow: "Entwicklung des Vermögens der Stiftung Thüringer Industriebeteiligungs-Fonds". Herr Buse wird die Frage stellen.

Ich bedanke mich, Frau Präsidentin.