Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Hier lügen Sie einfach.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Höhn zu?

Am Ende, Herr Abgeordneter, oder jetzt?

Wenn Sie sagen, sie wird jetzt zugelassen, dann erteile ich Herrn Abgeordneten Höhn jetzt das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank. Frau Ministerin, noch einmal zu dem vorhergehenden Komplex der Kosten. Ich habe da vor Kurzem - es ist zwei oder drei Wochen her - in meiner gern gelesenen Zeitung „Freies Wort“ gelesen, Sie haben da eine Formel aufgestellt, was Kosten betrifft. Es ging um die Umstrukturierung der Finanzämter. Ich frage Sie jetzt: Gilt die Formel, die Sie aufgestellt haben, „weniger Einwohner gleich weniger Ämter, weniger Ämter gleich weniger Kosten“ auch für die kommunalen Strukturen in Thüringen?

Das war mir klar, dass Sie diese Frage stellen. Nun hat der Abgeordnete Carius sehr deutlich gesagt, dass die Finanzverwaltung nicht immer identisch ist (in seinem Bericht aus der Enquetekommission), dass wir das nicht in Blaupause über die Gebietsverwaltung überzeichnen können. Hier gelten auch andere Regeln, hoheitliche Aufgaben, ganz andere Aufgaben und Identität in diesem Land.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: So viel zur gespalteten Zunge.)

Nein, das hat nichts mit gespaltener Zunge zu tun. Herr Matschie, lassen Sie mich fortfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbst in Zeiten schlimmster Steuerausfälle, Herr Matschie, hatte Thüringen einen verfassungsmäßigen Haushalt. Das ist nicht nur gespaltene Zunge, was Sie da gesagt haben, das ist Lüge.

(Unruhe bei der SPD)

Der Kollege in Sachsen-Anhalt hat nun dieses ehrgeizige Ziel - 2010 Nettoneuverschuldung null,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Auch Ihr finanzpolitischer Sprecher will das, aber Sie sind faul.)

Herr Matschie, Ihr Kollege in Sachsen-Anhalt. Die Mittelfristige Finanzplanung arbeitet mit einem Element, das Herr Dr. Pidde immer auf das Schärfste in diesem Haus bekämpft hat, nämlich eine Globale Minderausgabe. Da besteht noch Handlungsbedarf, in den letzten zwei Jahren über 1,2 Mrd. Herr Bullerjahn lässt offen, wie er das realisieren will. Globale Minderausgabe ist sicherlich als ein haushaltsrechtliches Mittel zulässig, aber er sagt nicht, wie er das erreichen will. Er gewinnt vielleicht den medialen Wettbewerb, aber er verliert die Gestaltungshoheit über seinen Haushalt, wenn er nicht Ross und Reiter nennt und wann und wo und wie.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Macht er doch.)

Nein, das macht er eben nicht. Lesen Sie seine Mittelfristige Finanzplanung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen in unserem Land interessiert, wie wir mit dem Geld umgehen, aber ich glaube nicht, dass es sie zur allerersten Jahreszahl interessiert. Ich glaube, die Menschen in unserem Land wollen, dass wir Strukturen schaffen, die dauerhaft zukunftsfähig sind, tragfähig sind und dauerhaft Wirtschaftswachstum bringen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Ihre Finanzpolitik gehört da nicht dazu.)

Ach, Herr Matschie. In dem vorliegenden Finanzplan sieht 2012 als Ziel der Nettoneuverschuldung auf der jetzigen Rechtsbasis vor. Ich habe es schon einmal gesagt. Erstens, mein Herzblut hängt nicht an dieser Jahreszahl. Zweitens, es ist mir wichtig, dass die Nettoneuverschuldung mit null kommt. Drittens, es ist wichtig, dass sie nachhaltig und dauerhaft kommt. Viertens, sie muss handwerklich sauber und ohne Tricks erreicht werden. Schließlich, sie sollte unter den vorgenannten Gründen so früh wie möglich kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen fordere ich Sie auf, Herr Matschie, unterstützen Sie uns bei den zukünftigen Haushaltsverhandlungen im Doppelhaushalt. Machen Sie Anträge, die vielleicht unsere Sparbemühungen noch überflügeln, aber machen Sie Anträge, die zur Einsparung dienen, und hören Sie auf, mit Wunsch und Wolke hier zu agieren, aus der Trickkiste mache ich keinen Mittel

fristigen Finanzplan. Vielen herzlichen Dank.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das ist aber ganz neu.)

Die SPD-Fraktion hat keine Begründung angemeldet zu ihrem Entschließungsantrag. Ist das korrekt? Damit kämen wir jetzt zur Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Dr. Pidde, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, diese Mittelfristige Finanzplanung müsste den Mitgliedern der Regierung und der CDU-Fraktion die Schamröte ins Gesicht treiben.

(Beifall bei der SPD)

Sie ist ein Blick in den Spiegel, in dem Sie die Ergebnisse Ihrer Arbeit sehen, z.B. 740 Mio. € Zinsausgaben im Jahr 2007, bisher jedes Jahr steigend, Tendenz auch in Zukunft weiterhin steigend, und das bei dem günstigen Zinsniveau, das wir im Moment haben, 740 Mio. € für Zinsen! Nur mal zum Vergleich: Der Einzelplan 03 des Innenministers umfasst gerade einmal 450 Mio. € im Jahr. Polizei, Verfassungsschutz, Landesamt für Statistik, Landesverwaltungsamt, Katastrophenschutz, Feuerwehr, Schule und Ministerium 450 Mio. €, Justizhaushalt 280 Mio. €, aber wir geben 740 Mio. € nur für Zinsen aus. In keinem anderen neuen Bundesland wurden in den letzten Jahren mehr neue Landesschulden gemacht als in Thüringen.

(Unruhe bei der CDU)

Thüringen ist auch in den kommenden Jahren das neue Bundesland, das die meisten Schulden anhäuft, und Thüringen wird nach den Regierungsplänen am längsten benötigen, um keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Alle anderen Bundesländer haben in den letzten Jahren einen konsequenteren Sparkurs eingeschlagen als Thüringen. Die meisten sind den richtigen Weg gegangen, haben ihre Konsolidierungsbeschlüsse schon durch. Wir wollen mal gar nicht über Sachsen reden, was ja der Primus ist, die in 2006, in einem Jahr, wo wirklich bei allen gute Steuereinnahmen ankamen, sogar Schuldentilgung vorgenommen und 314 Mio. € in den Pensionslastenfonds eingezahlt haben. MecklenburgVorpommern - das Land, wo Sie uns immer vorgerechnet haben, dass es eines der schlechtesten ist - kam ohne Nettoneuverschuldung im Jahr 2006 aus.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Wenn sich Sachsen-Anhalt das ehrgeizige Ziel steckt, bis 2010 ohne neue Schulden auszukommen, dann sollten Sie das nicht schlechtreden. Immerhin hinkt Thüringen den anderen neuen Bundesländern deutlich hinterher.

Schauen wir uns die Personalausgaben an: 1.025 € pro Einwohner steht in der Mittelfristigen Finanzplanung - ein einsamer Spitzenplatz unter den neuen Bundesländern.

(Beifall bei der SPD)

Investitionsausgaben 2007 nur noch 1,6 Mrd. €, Tendenz laut Mittelfristiger Finanzplanung weiterhin sinkend. Der Grund ist klar: Thüringen setzt die zur Verfügung gestellten Bundesmittel zu einem erheblichen Teil nicht zum Abbau teilungsbedingter Sonderlasten intensiv ein, sondern verwendet viele dieser Mittel zweckwidrig für konsumtive Zwecke. So ist es kein Wunder, dass wir zu den Schlusslichtern bei der Investitionsquote gehören. Ganz nebenbei sei gesagt, dass wir auch auf Millionen und Abermillionen von Bundesfördermitteln verzichteten.

Meine Damen und Herren, die Mittelfristige Finanzplanung zeigt den finanzpolitischen Handlungsbedarf und sie lässt dort auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie nennt auch die Folgen des demographischen Wandels. Vor diesem Hintergrund der real dargestellten Fakten spiegelt sich aber auch die Unverantwortlichkeit des Handelns der Landesregierung wider. Warum wurden, wenn Sie diese Fakten kennen, in den Jahren Ihrer Regierungszeit alle Probleme im Land mit Geld übertüncht? In einer solchen Situation im Wahlkampf auch noch 1 Mrd. € für die Abschaffung der Wasserbeiträge zu versprechen, zeigt die Skrupellosigkeit, mit der sich die Thüringer CDU mittels des Landeshaushalts Vorteile beim Wähler beschaffte.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der mit Abstand höchste Berg in Thüringen ist der Schuldenberg. Fast 16 Mrd. € sind inzwischen aufgelaufen

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: 15,2.)

und dabei sind nicht enthalten die ganzen Schattenhaushalte, alles was wir über alternative Finanzierung noch extra geregelt haben. Das, was den schönen Namen „Sondervermögen“ trägt, ist alles dabei noch gar nicht enthalten. Es ist das Wichtigste, dass wir davon runterkommen.

Frau Ministerin, Sie haben heute gesagt, 2012 das ist die Zahl, die sich laut Mittelfristiger Finanzplanung ergibt. Wir haben schon mal 2006 als das Jahr an

gekündigt bekommen, in dem die Regierung ohne neue Schulden auskommen will.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das ist keine Trickkiste?)

Das ist zwar schon eine Weile her, jetzt sagen Sie 2012, wollen keine Jahreszahl nennen, vielleicht wird es auch 2011. Ich kann nur Ihrem Generalsekretär zustimmen, wir sollten alles tun, so schnell wie möglich runterzukommen.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Unse- rem Generalsekretär kann man nur voll- ständig zustimmen oder gar nicht!)

Wenn er sagt, Thüringen kann Anfang 2010 ohne neue Schuldenaufkommen sein, dann ärgert mich, dass er damit bei unserer Landesregierung nicht gerade viel Gehör findet. Wir müssen so schnell wie möglich von diesem Schuldenberg runter. Deshalb haben wir auch den Entschließungsantrag heute eingereicht. Die Einsparungen bedeuten in den nächsten Jahren eine bittere Pille, aber sie wird eine heilsame Wirkung in Thüringen erzeugen. Deshalb bitte ich um Zustimmung.

Nur ganz nebenbei möchte ich in einem Satz meine Verwunderung über die Linkspartei.PDS zum Ausdruck bringen, die vor Kurzem noch, auch in Kenntnis der Sachlage, 190 Mio. € zusätzliche Ausgaben gefordert hat. Entweder ist Ihnen der Ernst der Lage nicht bekannt oder Sie sind von allen guten Geistern verlassen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Finanzministerin zitiert in letzter Zeit auffallend häufig die Seitz-Studie. Frau Ministerin, Sie hätten sie komplett lesen sollen.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Bei- des!)

Denn genau das Fehlen von Konzepten, wie Thüringen seine Finanznot in den Griff bekommen will, bemängelt Seitz. Thüringen hat sich auf die finanzpolitischen Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts bisher nur unzureichend vorbereitet. Die Behördenstrukturreform, die Sie eingeleitet haben, mag 300 Mio. € pro Jahr bringen, wenn sie abgeschlossen ist. Das wollen wir überhaupt nicht bestreiten, aber viele Dinge sind noch unausgegoren und wir wollen erst einmal sehen, was wirklich rauskommt. Dann muss man sehen, dass dieser Weg ausgereizt ist. Mehr ist dort nicht zu holen. In Thüringen wurden aber wichtige Weichenstellungen nicht auf