Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Wünschen die Einreicher das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteilte das Wort dem Abgeordneten Panse, CDU-Fraktion.

Der Abgeordnete Panse ist offensichtlich nicht im Raum, dann erteile ich das Wort der Abgeordneten Künast, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich hoffe, der Herr Panse kommt noch.

(Heiterkeit im Hause)

Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an den Herbst 2005 erinnern können, ich kann das noch sehr genau. Damals standen die erblindeten Menschen während mehrerer Plenarsitzungen mahnend vor diesem Landtag, mahnend, weil die Betroffenen wussten, dass die Abschaffung des Blindengelds ein sozialpolitisch nicht zu verantwortender Fehler wäre, und deshalb damals hoffend, dass diese Thüringer Landesregierung nicht mit politischer Blindheit geschlagen ist.

Den Betroffenen und den Oppositionsparteien war klar, dass es trotz aller Anerkennung schwieriger finanzieller Bedingungen im Landeshaushalt keinen Grund gibt und keinen Grund geben durfte, ausgerechnet blinden und sehbehinderten Menschen die gesellschaftliche Integration und die Teilhabe am täglichen Leben zu erschweren.

Weil auch wir davon fest überzeugt waren, haben wir wiederholt beantragt, dieses Blindengeld beizubehalten. Damals, im Herbst des Jahres 2005, waren Mahnungen, Anträge und Appelle ebenso wie Demonstrationen erfolglos. Diese Landesregierung war politisch blind und uneinsichtig. Mit vielen Worten wurde durch sie beschwichtigt und auf die Blindenhilfe hingewiesen, auf die Blindenhilfe, von der so getan wurde, als sei sie eine besondere Leistung des Landes. Nein, sie ist ein Bundesgesetz und sie ist nicht mehr als das unterste soziale Netz für blinde und sehbehinderte Menschen. Dieses unterste soziale Netz wurde geradezu als Wohltat gepriesen und es wurden Haushaltsmittel eingestellt, die von Anfang an in die

Irre leiten sollten.

Heute wissen wir, dass nur etwa ein Drittel der betroffenen Menschen einen Anspruch darauf hat und natürlich erst dann den Anspruch hat, wenn alle persönliche Vorsorge aufgebraucht ist. Ich unterstelle, dass die tatsächlich benötigten Mittel zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung zumindest einigen politischen Verantwortlichen in der Landesregierung bekannt waren. Der Fachverband jedenfalls hat immer wieder darauf hingewiesen. Diese 14,7 Mio. €, die insgesamt für Blindenhilfe und das Restblindengeld für die unter 27-Jährigen noch im Haushalt stehen, sollten den sozialpolitischen Brand nicht auflodern lassen; sie dienten zur Beruhigung und zu sonst nichts. Wenn wir nun Ende 2006 eine Mittelbindung von etwa 5,3 Mio. € erreicht haben, dann sollte jedem klar sein, dass der Haushaltsansatz nichts anderes sein sollte als eine politische Beruhigungspille. Nun hat diese Landesregierung seit dem Herbst 2005 erlebt, dass ihr Sozialabbau nicht so leicht in Vergessenheit gerät, nicht bei den betroffenen Menschen, nicht in den Medien und auch nicht in der politischen Auseinandersetzung in diesem Haus. Es gibt eben kein Recht im Unrecht, meine Damen und Herren von der Landesregierung. Deshalb war die Begründung, dass andere behinderte Menschen bisher auch keinen Nachteilsausgleich erhalten hätten, immer zynisch. Sie war besonders zynisch, weil zum gleichen Zeitpunkt der Abschaffung des Landesblindengeldes ein Behindertengleichstellungsgesetz nach vielen Mühen und auch Druck der Oppositionsfraktionen endlich verabschiedet wurde.

Ernst genommene, gewollte Behindertengleichstellung hätte bedeutet, dass wir uns Stück für Stück mit dem Nachteilsausgleich auch für andere Gruppen behinderter Menschen auseinandergesetzt hätten. Stattdessen wurden die einzigen Mittel gestrichen, die bundesweit als Nachteilsausgleich in Form eines Landesblindengeldes gewährt wurden, bundesweit, bis auf ein einziges Bundesland, nämlich das mit knapper christdemokratischer Mehrheit regierte Thüringen.

Wie man mit den Hilfebedürftigen umgeht, daran ist eine Gesellschaft zu messen. Dies ist ein christlicher Grundsatz. Blinde Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zählen doch wohl unumstritten zu jenen Gruppen in jeder Gesellschaft, die auf Solidarität, auf Hilfe der Sehenden und Gesunden angewiesen sind. Und spätestens seit der damaligen Entscheidung wissen wir also, dass das christdemokratisch regierte Thüringen alleiniger Spitzenreiter in der Bundesrepublik ist, wenn es um den Sozialabbau für blinde und sehbehinderte Menschen geht.

Nun erinnere ich mich an das Wort eines der Spitzenmanager der deutschen Wirtschaft, der sinnge

mäß einmal sagte: Man darf Fehler machen, aber nicht zweimal dieselben. Und ich erinnere daran, dass der Thüringer Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vom 9. September 2004 Folgendes erklärte: „Wir werden das Landesblindengeld anpassen“ - also 2004 - „und die Zahlbeträge auf den Durchschnitt der Länder, die ein Landesblindengeld eingeführt haben, ausrichten. Diese Änderung ist vertretbar, da im Einzelfall ein Mehrbedarf durch die Blindenhilfe aus einem anderen Leistungssystem nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen gedeckt wird.“ So versprochen und verkündet.

Danach, sehr geehrter Herr Ministerpräsident - er ist ja nicht da -, hat er einen Fehler gemacht, denn er hat dieses Versprechen gebrochen. Und diese Landesregierung hat den Fehler gemacht anzunehmen, dass andere Länder diesem sozialpolitischen Irrweg folgen würden. Sie hat gehofft, dass irgendwann die noch mehrheitlich christdemokratisch regierten Länder sozusagen die Abschaffung des Blindengeldes zur gesellschaftlichen Normalität erklären würden. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der ursprüngliche Vorreiter Niedersachsen ist mittlerweile ziemlich zurückgekehrt und Thüringen steht allein auf weiter Flur.

Die blinden Menschen aber, die damals vor diesem Landtag standen, die standen und stehen nicht allein. Sie haben in Thüringen die Solidarität der Mehrheit der Bevölkerung und sie haben in Niedersachsen eindrucksvoll bewiesen, wie ein Volksbegehren auch zum politischen Sinneswandel führen kann, sozusagen zur Erinnerung an christliche Grundwerte.

Deshalb, meine Damen und Herren von der Landesregierung und der sie tragenden Regierungspartei in diesem Haus, deshalb, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sollten Sie die Erkenntnis des von mir genannten Wirtschaftsmanagers spätestens heute ernst nehmen: Man darf Fehler machen, aber diese Fehler nicht wiederholen. Dieser Fehler geschah im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung für den Doppelhaushalt 2006 und 2007 im Herbst des Jahres 2005 und die Mahner standen vor und im Landtag.

Nun, meine Damen und Herren, Sie haben heute einen Gesetzentwurf auf dem Tisch liegen, der es Ihnen ermöglicht, jetzt einsichtig zu handeln, einen Gesetzentwurf, der maßgeblich von denen erarbeitet wurde, die Experten sind, Experten in eigener Sache. Ich danke hier dem Blinden- und Sehbehindertenverband ausdrücklich für die Erarbeitung dieser Gesetzesvorlage. Ich weise darauf hin, dass der Gesetzentwurf in seiner Leistung solide und glaubwürdig ist. Die vorgeschlagene Höhe eines einkommensunabhängigen Blindengeldes in Höhe von 320 € monatlich entspricht in der Summe den im Haushalt zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 14,7 Mio. €. Die Oppositionsfraktionen haben also genauso wie

der Blinden- und Sehbehindertenverband durchaus auf die finanzielle Situation des Landes Rücksicht genommen. Diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, würde neben allen sozialpolitischen Aspekten auch ein Beitrag sein, um politische Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Politische Glaubwürdigkeit deshalb, weil die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten dieses Landes samt den Wahlversprechungen der CDU anlässlich der letzten Landtagswahl und den im Haushalt eingestellten Mitteln nur dann glaubwürdig ist, wenn in Thüringen endlich wieder ein Landesblindengeld eingestellt wird. Wir werden uns im Falle der Realisierung dieses Gesetzes dennoch unter dem Durchschnitt der anderen Länder befinden. Sie können auch daran erkennen, dass die Initiatoren des Gesetzentwurfs verantwortlich gehandelt haben. Wir sollten uns auch aktuell vor Augen halten, dass angesichts des derzeitigen Wirtschaftswachstums nicht nur eine Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte eingetreten ist, sondern auch eine Entspannung des Arbeitsmarkts, aber eine Entspannung, die allerdings völlig an behinderten Menschen vorbeigeht, denn dort verschärft sich die Arbeitsmarktsituation eher. Das Landesblindengeld als Beitrag zur besseren gesellschaftlichen Teilhabe ist aber auch ein Beitrag, um berufliche Integrationschancen für den Einzelnen zu erhöhen. Bessere gesellschaftliche Teilhabe und bessere berufliche Chancen stehen in einem engen und nicht zu verkennenden Zusammenhang.

Meine Damen und Herren, die Wiedereinführung eines Landesblindengeldes wird nur möglich sein, wenn die CDU-Landtagsfraktion oder zumindest ein Teil der CDU-Landtagsfraktion bereit ist, einmal gemachte Fehler nicht zu wiederholen. Mit dem heutigen Gesetzentwurf liegt ein faires Angebot für Einsicht und Umkehr auf dem Tisch. Was sich niedersächsische Christdemokraten eingestehen könnten, sollte doch für Thüringer Christdemokraten keine unüberwindliche Hürde sein. Demokratie lebt vom Wettbewerb um die richtigen Wege. Da darf man sich auch einmal, ja, einmal irren.

Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Ich hoffe, dass in absehbarer Zeit blinde und sehbehinderte Menschen statt einer Mahnwache vor diesem Landtag die Mitglieder des Landtags beglückwünschen können zu Einsicht und politischem Weitblick. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Panse, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, die Diskussion um das Blindengeld dreht sich im Wesentlichen um die Frage, wie wir das Unterstützungssystem für die 4.910 blinden Mitbürgerinnen und Mitbürger im Freistaat Thüringen gestalten wollen.

Frau Künast, Sie haben es richtig angesprochen, es gibt zwei grundsätzliche Meinungen dazu. Wir haben auf der einen Seite die momentan bestehenden Regelungen, die sich an der sozialen Bedürftigkeit der Betroffenen orientieren und wir hatten bis vor einem Jahr die Regelungen des Blindengeldes, die sich an dem Nachteilsausgleich orientiert haben. Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Positionen, wie wir diese Hilfe gestalten, und es gibt dazu die unterschiedlichen Instrumente - die Blindenhilfe oder das Blindengeld.

Für uns, für die CDU-Fraktion, bleibt es bei dem, was wir vor über einem Jahr, als es um die Änderung zur Blindenhilfe bzw. zum Blindengeld ging, gesagt haben: Für uns steht im Mittelpunkt, dass derjenige, der die Hilfe der Gesellschaft braucht, diese Hilfe der Gesellschaft auch erhält. Das haben wir damals als Gesetzesbegründung gesagt und wir haben unser Sozialstaatsprinzip, dass derjenige, der Sozialhilfe benötigt, die von der Gesellschaft erhalten soll, dass aber derjenige, der sich auch selbst helfen kann oder in der entsprechenden Situation ist, dass er finanziell/fiskalisch bessergestellt ist, sich auch selbst helfen soll. Das haben wir damals betont. Es gab damals gute Gründe dafür und es gibt heute gute Gründe dafür. Ich bitte Sie sehr herzlich, Frau Kollegin Künast, bei aller Diskussion, die wir führen, auch um die Blindenhilfe führen, im Auge zu behalten, dass das ein Instrument ist, das wir hier im Thüringer Landtag nicht diskreditieren können und nicht diskreditieren wollen. Die Blindenhilfe ist ein Bundesgesetz - das ist richtig -, aber wir bezahlen diese Blindenhilfe im Freistaat Thüringen. Wir bezahlen diese Blindenhilfe deswegen, weil wir sie nicht als das unterste soziale Netz ansehen, sondern als ein Netz, was sich speziell an den Bedürfnissen von blinden Mitbürgerinnen und Mitbürgern orientiert. Die Blindenhilfe ist anders gestaffelt - das wissen Sie sehr wohl - als die Sozialhilfe. Sie wissen auch sehr wohl, dass die Blindenhilfe sich unter anderem auch deshalb an einem niedrigen Vermögensniveau orientiert, weil Rot-Grün das vor einigen Jahren im Bund geändert hat. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu, das habe ich Ihnen bei der letzten Debatte hier im Thüringer

Landtag schon einmal gesagt.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Alle Länder bezahlen das zusätzlich.)

Deswegen bitte ich Sie sehr herzlich, wenn wir dieses Thema ehrlich und offen diskutieren, dann die Blindenhilfe nicht als ein Instrument zu diskreditieren. Ich habe es gesagt, wir haben vor einem Jahr unsere Gründe angeführt, warum wir damals das Blindengeld abgeschafft haben. Es waren damals greifbare Gründe, wir haben aber gesagt, wir werden nach einem Jahr die Auswirkungen sehr genau im Auge behalten und werden darauf achten, dass diejenigen, die Hilfe der Gesellschaft brauchen, die Hilfe auch erhalten. Dabei bleibt es. Wir haben seit einem Jahr die Situation, dass nur noch die unter 27-Jährigen, also 216 der insgesamt 4.900 Blinden in Thüringen, noch ein einkommens- und vermögensunabhängiges Blindengeld bekommen, sie bekommen monatlich die 300 €, wie wir es damals gesetzlich auch beschlossen haben. Das bedeutet in der Konsequenz, dass 4,4 Prozent der Blinden respektive eine Gesamtsumme von rund einer Dreiviertelmillion € an Hilfe als Blindengeld noch erhalten. Darüber hinaus erhalten derzeit rund 1.200 Betroffene die Blindenhilfe, im Höchstfall die 585 € im Monat. Das ist gestaffelt, ich weiß das, aber es bedeutet eben, dass derzeit 25 Prozent der 4.900 Blinden im Freistaat Thüringen Blindenhilfe bekommen. Wir müssen uns diese Zahlen genau anschauen, denn ich weiß sehr wohl, als wir vor über einem Jahr darüber diskutiert haben, waren sowohl die Prognosen des Blindenverbandes als auch Schätzungen der Landesregierung als auch die Diskussionen, die wir hier im Landtag geführt haben, damals bei einem geschätzten Niveau von etwa 70 Prozent der Betroffenen, die Anspruch auf Blindenhilfe haben könnten oder haben werden. Wir müssen uns also sehr genau die Frage stellen: Warum haben offensichtlich derzeit nur rund die Hälfte der blinden Mitbürgerinnen und Mitbürger im Freistaat Thüringen einen Antrag auf Blindenhilfe gestellt, denn rund so viele waren es. Wir hatten über 2.000 Anträge im Laufe des letzten Jahres, von denen etwa 600 abgelehnt wurden, von denen die skizzierte Summe, die ich Ihnen vorhin genannt habe, 216 Betroffene, die unter 27-Jährigen, noch das Blindengeld bekommen und 1.200 die Blindenhilfe. Wir müssen fragen, warum sind Fälle in einem hohen Maße auch abgelehnt worden, rund 30 Prozent der Anträge, und warum haben rund 50 Prozent keinen Antrag auf Blindenhilfe gestellt? Sie benennen bei Ihrem Gesetzentwurf zur Antragsbegründung drei mögliche Ursachen. Sie benennen zum einen die Vermögensgrenze, ich hatte etwas dazu gesagt, die Vermögensgrenze, die sich bei alleinstehenden Blinden derzeit auf 2.600 € beläuft, bei verheirateten auf 4.134 €. Es kann eine Möglichkeit sein, ja, das ist richtig, und wir werden genau schauen an dieser

Stelle, was zu dieser Vermögensgrenze zählt, was da alles hereingerechnet wird. Diese Diskussion um verwertbare Lebensversicherungen haben wir bereits vor über einem Jahr geführt. Wir werden das auch intensiv im Ausschuss weiterdiskutieren.

Sie führen als zweiten Grund an, dass Sie vermuten, es könnte ein hoher Prozentsatz sein, der sich schämt, soziale Leistungen zu beantragen. Das ist ein schwieriges Thema. Wir haben, als wir damals hier im Landtag darüber gesprochen haben, schon gesagt, es ist verständlich, dass es für denjenigen, der eine soziale Leistung beantragt, nicht angenehm ist, wenn er seine finanzielle Situation offenbaren muss, dass er darstellen muss, wie seine Situation ist, bevor er Leistungen der Gesellschaft erhält. Aber das ist ein Teil dieses Sozialstaatsprinzips, das wir haben, dass wir gleichzeitig auch schauen müssen, wie sich die Bedürftigkeit darstellt. Das ist ein schwieriges Feld. Das ist aber für jeden, der heute Hartz IV beantragt, für jeden, der früher Sozialhilfe beantragt hat, eine ähnliche Situation gewesen. Auch das bitte ich an dieser Stelle ehrlicherweise zu berücksichtigen. Wer Leistungen der Gesellschaft beansprucht, muss ein Stück weit auch darlegen können, warum er diese Leistungen der Gesellschaft beansprucht.

Sie benennen einen dritten Punkt in Ihrem Gesetzentwurf und auch darauf will ich eingehen: Sie beziehen sich auf eine mögliche Einbeziehung naher Angehöriger. Wir haben damals, als wir hier darüber gesprochen haben, schon festgestellt, das ist bei der Blindenhilfe anders als bei anderen sozialen Leistungen. Es werden nicht allgemein, so wie Sie es formulieren, nahe Angehörige herangezogen, sondern es ist etwas, was sich auf den Ehepartner beschränkt, nicht auf möglicherweise unterhaltsverpflichtete Eltern, was sich nicht auf möglicherweise unterhaltsverpflichtete Kinder bezieht, sondern lediglich in diesem Kreis auf den Ehepartner. Das gehört dazu, dass man das sagt und nicht im Gesetzentwurf schreibt, nahe Angehörige könnten der Grund sein, dass Menschen keinen Antrag auf Blindenhilfe stellen.

Ich möchte einen vierten Punkt anführen, den Sie bei Ihrer Antragsbegründung nicht benannt haben - die Einkommens- und möglichen Pensionsansprüche. Wir haben derzeit die Situation bei der Blindenhilfe, dass bis zu einem Nettoeinkommen von 960 € die ungekürzte Blindenhilfe gewährt wird und dann die Blindenhilfe abgestuft bis zu einer Höhe von 2.400 € zumindest noch in Teilen gewährt wird. Auch da müssen wir fragen, wie viele der betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürger sich vielleicht in einer solchen Situation befinden. Das ist ein vierter Grund, der möglicherweise eine Ursache für eine Nichtbeantragung darstellen kann.

Im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit des Thüringer Landtags werden wir auf Antrag der CDU-Fraktion die uns zugänglichen Zahlen, die durch das Ministerium zusammengestellten Zahlen diskutieren. Die CDU-Fraktion hat das beantragt. Wir haben zur Antragsbegründung auch gesagt, wir werden nicht nur die Zahlen diskutieren, wir werden auch analysieren, was die Ursachen sind und wir werden es auch bewerten. Wir werden auch bewerten beispielsweise, wie sich die Entwicklung des Härtefallfonds im letzten Jahr gestaltet hat. Sie wissen ja, es wurde ein Härtefallfonds eingerichtet. Auch aus diesem Bereich ist zu verzeichnen, dass wir von 98 Anträgen derzeit etwa 52 Bewilligungen haben - ein verhältnismäßig überschaubarer Rahmen. Auch da müssen wir fragen, ob dieser Härtefallfonds in diesem Umfang bekannt war und wie aus diesem Härtefallfonds Leistungen gewährt wurden. Ich möchte Ihnen aber auch sagen, und da widerspreche ich sehr deutlich dem, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf schreiben, ein Gesetz, was wir gestalten, wie Sie es in Ihrer Antragsbegründung schreiben, darf sich nicht daran orientieren, welche Finanzsumme wir im Haushalt zur Verfügung gestellt haben. Sie schreiben in Ihrer Antragsbegründung, Ihr Gesetzentwurf orientiert sich an den 14,7 Mio. €, die im Haushalt stehen. Das ist grundfalsch. Wenn wir ein Gesetz machen, müssen die Haushaltsmittel passend zu diesem Gesetz bereitgestellt werden und nicht geschaut werden, wie viel im Haushalt steht und danach gestalten wir die Bemessensgrundlage, die Höhe auch dessen, was wir an Blindengeld gewähren wollten. Im Übrigen ist Ihre Berechnung an dieser Stelle falsch. Die 320 €, das ist leicht nachzurechnen, auf die 4.900 blinden Mitbürgerinnen und Mitbürger plus diejenigen, die derzeit Blindenhilfe bekommen und vermutlich auch weiter bekommen werden, da kommen Sie beileibe nicht auf diese Summe von 14,7 Mio. €.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Wir ha- ben gerechnet.)

Das gehört dazu, dass man es, wenn man es als finanzielle Auswirkung in einem Gesetz beschreibt, tatsächlich auch mal durchrechnet, Frau Kollegin Künast.

Ein Letztes, auch das möchte ich hier sagen: Wir dürfen das mal festhalten, vor einem Jahr hatten wir 275 blinde Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Blindenhilfe bekommen haben. Heute erhalten 1.211 blinde Mitbürgerinnen und Mitbürger Blindenhilfe. Diese erhalten zumindest deutlich mehr als sie vor einem Jahr erhalten haben; das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Das sage ich auch im Interesse der Blindenhilfeempfänger, denn die werden natürlich ihren Blindenhilfeanspruch weiter behalten und darauf auch weiter beharren.

Das, was ich Ihnen skizziert habe, ist für die CDUFraktion ein Grund, dass wir diese und andere Fragen im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit diskutieren wollen. Dies ist allerdings - anders als es mancher vielleicht verstanden wissen möchte - kein Sinneswandel, kein Umschwenken, kein Einknicken, kein Entgegenkommen, sondern das ist nach meinem Verständnis guter parlamentarischer Umgang und Brauch, dass wir einen Gesetzentwurf, wenn er hier eingebracht wurde, bewerten, diskutieren, zu Schlüssen kommen und dann auch in den Fachausschüssen und letztendlich auch in der zweiten Lesung hier im Plenum darüber entscheiden, wie wir mit Gesetzentwürfen umgehen.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Das ist mir aber neu.)

Wir werden genau aus diesem Grund, Frau Kollegin Künast, und ich habe das, denke ich, auch deutlich gemacht, den vorliegenden Gesetzentwurf im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit diskutieren. Sie hatten das beantragt, federführend im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, aber begleitend dazu auch im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, denn es handelt sich um einen Gesetzentwurf von Fraktionen des Thüringer Landtags. Ich bitte zu dieser Ausschussüberweisung um Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Nothnagel, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der heutigen Debatte um die Wiedereinführung eines einkommens- und vermögensunabhängigen Blindengeldes in Thüringen werden Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion sowie von der Landesregierung, nicht viel Neues hören können, denn es ist bereits in der Vergangenheit sehr viel und auch ausführlich dazu hier im Hohen Hause sowie im ganzen Lande geredet worden. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, habe ich das Gefühl, dass Sie es entweder nicht gehört haben oder gehört haben wollen oder dass Sie Verarbeitungsprobleme haben. Wie soll ich mir anders Ihr bisheriges Verhalten bei diesem Thema erklären?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bei der Abschaffung des Landesblindengeldes im Dezember 2005 hatten wir auch eine Plenarsitzung

zu diesem Thema, da saßen auch wie heute die Vertreter des Thüringer Blinden- und Sehbehindertenverbandes Thüringen auf der Besuchertribüne, die ich hiermit auch auf das Herzlichste begrüßen möchte.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Damals saßen auch Abgeordnete der CDU-Mehrheit sehr lange auf der Tribüne bei den Blinden und säuselten ihnen die Ohren voll, wie schlimm das alles sei, aber dass sie leider nicht in der Lage sind, die Abschaffung des Landesblindengeldes zu verhindern. Die Mehrheit und die Landesregierung wollen dies so und sie seien nicht in der Lage, dieses zu verhindern, sondern sie müssten sich diesem beugen.

Genau dieselben Abgeordneten sagten nun im Vorfeld dieser heutigen Plenardebatte zu denselben blinden Menschen auf der Besuchertribüne, dass sie, wenn sie das alles so gewusst hätten, wie sie das denn nun heute wüssten, niemals für die Abschaffung des Landesblindengeldes gewesen wären. Ja, meine Damen und Herren, wer war denn das nun von Ihnen?

(Zwischenruf aus dem Hause)