Gehörst du zur CDU? Hätten Sie damals schon auf die blinden Menschen in Thüringen gehört, so wie es die Opposition von Anfang an getan hat, dann hätten Sie nicht das Problem, was Sie heute haben.
Ihr Problem ist nämlich Ihre Glaubwürdigkeit. Wer soll Ihnen denn, meine sehr verehrten Damen und Herren der CDU, in diesem Lande noch etwas glauben? Ich habe von Anfang an nie verstehen können, warum Sie sich, meine lieben Kollegen von der CDU, das überhaupt angetan haben. Bei dieser Geschichte sollten Sie sich auch noch einmal ganz besonders herzlich bei Ihrem Ministerpräsidenten Dieter Althaus und Ihrem Generalsekretär Mike Mohring bedanken, dass Sie jetzt so ein Problem haben und in der Öffentlichkeit nicht gerade sehr gut aussehen. Haben Sie die Größe und geben Sie diesem Gesetzentwurf die Chance der parlamentarischen Beratung, damit wir am Ende dieses langen und schwierigen Weges in Thüringen wieder ein einkommens- und vermögensunabhängiges Landesblindengeld haben.
Eines möchte ich Ihnen aber noch mit auf den Weg geben: Beim Landesblindengeld geht es darum, blinden und schwer sehbehinderten Menschen ihre
behinderungsbedingten Beeinträchtigungen durch einen Nachteilsausgleich auszugleichen. Nachteilsausgleiche sind Bürgerrechte
und diese Bürgerrechte sind in Artikel 2 Abs. 4 der Thüringer Verfassung garantiert. Das möchte ich hier noch einmal ganz besonders betonen. Dies ist ein garantiertes Recht auf konkrete gesellschaftliche Teilhabe und keine formale Gleichberechtigung. Die blinden und sehbehinderten Menschen benötigen die finanziellen Nachteilsausgleiche des Landesblindengeldes, um für sich ein selbstbestimmtes Leben in einem eigenständig organisierten Alltag führen zu können. Damit kommt das Landesblindengeld auch dem Grundsatz des Sozialgesetzbuchs „ambulant vor stationär“ nach. Blinde Menschen können dadurch in ihrem eigenen Umfeld selbstbestimmt leben. Ohne diesen Nachteilsausgleich werden sie Schritt für Schritt gezwungen, in stationären Einrichtungen zu leben. Was davon für die Betroffenen die lebenswertere Alternative ist, ich glaube, darüber müssen wir hier nicht noch diskutieren. Dass die stationäre Unterbringung die teurere Lösung dabei ist, soll wohl auch jedem hier im Hohen Hause klar sein.
Mit der Wiedereinführung des Thüringer Landesblindengeldes wird es eine neue, eine bessere Lebensqualität für die blinden Menschen hier in Thüringen geben. Sie werden nicht mehr gegängelt und kontrolliert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Landesblindengeld ist ein Nachteilsausgleich, also ein Bürgerrecht. Die Blindenhilfe, die wir zurzeit haben, ist eine Sozialleistung und somit ein Almosen. Diese gehören ins vergangene Jahrhundert. Das hat nichts mit emanzipatorischer Behindertenpolitik zu tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit Beginn des Jahres 2006 ist die Änderung des Thüringer Blindengeldgesetzes in Kraft getreten. Es wurde entsprechend des Beschlusses des Thüringer Landtags an die bundesgesetzlichen Regelungen angeglichen. Danach erhalten Blinde - anders als bei der bundes
gesetzlichen Regelung, weil Frau Künast vorhin sagte, es wäre eins zu eins die bundesrechtliche Regelung - bis 27 Jahre nach wie vor ein einkommensunabhängiges Blindengeld von 300 €.
Blinde ab dem 27. Lebensjahr erhalten seither anstelle des einkommensunabhängigen Blindengeldes die Blindenhilfe. Sie ist an eine Prüfung der Einkommens- und Vermögenssituation des Einzelnen gebunden.
Motiv dieser Gesetzesänderung war es auch, angesichts einer Schuldenlast von 16 Mrd. € die Unterstützung auf die wirklich Hilfsbedürftigen zu begrenzen. Menschen mit besonderem Hilfebedarf in Thüringen erhalten danach weiterhin staatliche Hilfe. Der Freistaat wird seiner sozialen Verantwortung nach wie vor gerecht. Das heißt, wir handeln nach den Prinzipien der Subsidiarität. Herr Nothnagel, es ist eben falsch, dass ein allgemeiner Nachteilsausgleich zum Katalog der Bürgerrechte zählt.
Nach dem Prinzip der Subsidiarität, wie mein Kollege Panse es bereits hier ausgeführt hat, gilt, wer sein Leben aus eigener Kraft und Verantwortung gestalten kann, auch wenn er persönlich Nachteile hat, dann müssen wir diese Verantwortung auch abverlangen. Wer dies nicht vermag, der sollte und der muss die Hilfe der Gemeinschaft erhalten. Das bedeutet nicht, dass blinde Menschen a priori nichts mehr erhalten, wie es gelegentlich in der Öffentlichkeit suggeriert wird. Es bedeutet, dass Menschen, die unter Blindheit leiden, bei einem Nettoeinkommen von 990 € - ab 01.01.2007 gilt 990 € - noch einen Anspruch auf den vollen Blindenhilfesatz von 585 € haben. Diese Erhöhung der Einkommensgrenze von 962 €, wie es eben Herr Panse noch dargestellt hat, auf 990 € zugunsten der Hilfeempfänger resultiert aus der Anhebung des Eckregelsatzes der Sozialhilfe von 331 € auf 345 € Anfang dieses Jahres. Dieser Anspruch gilt, wenn das Barvermögen der Betroffenen 2.600 € nicht übersteigt. Dieser Vermögenselbstbehalt ist übrigens, Frau Künast, von der rot-grünen Regierung seinerzeit in Berlin, also unter Federführung der SPD, von 4.000 € auf 2.600 € gesenkt worden. Frau Künast, das heißt doch im Klartext, die SPD hat damals auch mit diesem Antrag und mit der Umsetzung des Antrags dafür gesorgt, dass wir weniger Blindenhilfeempfänger haben als wir seinerzeit gehabt haben.
Ich denke, Frau Künast, wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen. Das gilt auch hier.
Frau Künast, der Vermögenselbstbehalt wurde von der rot-grünen Regierung von 4.000 € auf 2.600 € gesenkt. Das heißt in der Konsequenz, dass weniger Blinde in den Genuss der Blindenhilfe kommen. Weil das damals die SPD so eingeführt hat, meine ich, haben Sie dafür gesorgt,
(Zwischenruf Abg. Nothnagel, Die Links- partei.PDS: Dann vergessen Sie mal nicht die Verwaltungskosten dabei.)
Meine Damen und Herren, die besondere Situation - auch darauf hat Herr Panse bereits hingewiesen - von blinden Menschen wird auch in der bundesgesetzlichen Regelung bedacht. Das heißt nämlich, dass alle anderen Empfänger von Sozialleistungen nach dem SGB XII eine Vermögensgrenze von nur 1.600 € angerechnet bekommen und damit ist der besonderen Situation auch von blinden Menschen Rechnung getragen. Wir haben darüber hinaus in dem Gesetz neben der Blindenhilfe noch die Einrichtung eines Härtefonds gemäß § 11 Thüringer Blindengeldgesetz vorgesehen, damit wir in besonders schwierigen Lebenssituationen eine zusätzliche Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung für die Betroffenen haben. Es gilt so, wie wir es von Anfang an gesagt haben. Es gilt übrigens nicht nur beim Blindengeldgesetz, das gilt bei allen anderen Gesetzen auch, dass man über einen gewissen Zeitraum hinweg prüfen muss, welche Erfahrungen wir mit der Umsetzung von Gesetzen sammeln können. Die geänderten Regelungen sind - ich erwähnte es bereits am Anfang - gerade erst 12 Monate in Kraft getreten. Wir werden das verfügbare Datenmaterial dieser Periode zusammenstellen, analysieren und sehr sorgfältig prüfen. Wir werden zu prüfen haben, ob die Leistungen, die vorgesehen sind für Menschen, die unter Blindheit leiden, auch bei denen ankommen, die der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Sie können sicher sein, dass die CDU immer und zu allen Zeiten, denjenigen, die der Hilfe der Gemeinschaft wirklich bedürfen, diese Hilfe auch nicht verweigern wird. Alles andere ist eine üble Unterstellung. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich überlege jetzt die ganze Zeit bei Ihren Ausführungen, ob politischer Starrsinn, den Sie hier an den Tag legen, nicht auch eine Behinderung ist, nämlich eine Behinderung für politische Gestaltung. Das, was uns unterscheidet, Herr Minister, und was hier auch die Opposition von der CDUFraktion unterscheidet, das ist nämlich, welchen Sinn und welches Ziel hat Sozialpolitik. In dieser Definition, Herr Minister, unterscheiden wir uns grundlegend. Sie definieren Sozialpolitik als Almosenpolitik, als Versorgung von Bedürftigen, als Verwaltung von Armut, indem Sozialpolitik bei Ihnen nur dahin geführt wird. Wir müssen Bedürftigen Hilfe gewähren, damit es ihnen möglich ist, gerade so über die Runden zu kommen. Für uns ist Sozialpolitik, Herr Minister, Gestaltung, aber darauf werde ich noch zurückkommen. Sie und auch Herr Panse gehen davon aus, es gibt Nachteilsausgleiche oder Hilfe und wir entscheiden uns einmal für Hilfe und genau das ist das falsche sozialpolitische Verständnis. Ich möchte Artikel 2 Abs. 4 aus der Thüringer Verfassung zitieren: „Menschen mit Behinderung stehen unter dem besonderen Schutz des Freistaats. Das Land und seine Gebietskörperschaften fördern ihre gleichwertige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.“ Das bedeutet eben nicht Hilfe, das bedeutet, dass die Teilhabe ermöglicht wird, eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen, die ein Handicap haben, und Sie reduzieren das auf Hilfe. Sie, Herr Panse, haben das in Ihren Ausführungen genannt, Hilfe für Blinde. Sie haben das Wort „Auffangnetz“ benutzt oder „Netz“ zumindest, um das Leid dort aufzufangen, und das ist falsch. Sie sprachen auch, sowohl Sie, Herr Minister, als auch Sie, Herr Panse, davon: Wir hatten gesagt, nach einem Jahr wollen wir prüfen, wie kommt das neue Gesetz an. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist Zynismus pur. Hier werden die Belange von Behinderten als ein Testfeld missbraucht: Mal sehen, ob es klappt oder ob Protest kommt.
Das kann doch nicht Maßstab einer Politik sein und vor allem kein Maßstab einer Sozialpolitik, hier ein Testfeld zu produzieren. Sie brauchen ein Jahr, meine Damen und Herren, um zu erkennen, dass es Probleme gibt, und ein Jahr brauchen Sie, um Fragen zu beantworten, warum weniger Menschen diese Blindenhilfe beantragt haben und wollen das jetzt im Ausschuss diskutieren. Wir werden darüber diskutieren. Aber die Antworten, meine Damen und
Herren, haben Sie schon von den beiden Oppositionsparteien vor einem Jahr bekommen, aber Sie können nicht zuhören.
Sie sagten und gaben auch zu, Herr Panse, und wir haben das ja auch in der Begründung genannt: Jawohl, viele betroffene Blinde schämen sich, einen Antrag auf Blindenhilfe zu stellen. Sie stellen die Frage: Wie kann denn das sein? Diese Bedürftigkeitsprüfung, die den Blinden auferlegt wird, hat auch etwas zu tun mit der Würde des Menschen. Blinde haben schon ein körperliches Handicap und dann legen wir ihnen auch noch eine beschämende Bedürftigkeitsprüfung auf. Das ist mit uns nicht zu machen.
Sie sprachen auch davon, dass jetzt die Blindenhilfe höher ist, als das vor einem Jahr war. Also dann müssen wir auch, Herr Panse, bei der Wahrheit bleiben. Vor einem Jahr, als es noch Blindengeld gab, haben alle Blinden und Sehbehinderten Blindengeld bekommen und wenn es notwendig war, wurde die Blindenhilfe aufgesattelt. Deshalb war sie auch entsprechend niedriger, weil jeder Blinde und Sehbehinderte das Blindengeld hatte. Das ist Zynismus. Der Ansatz - ich hatte es gesagt - ist hier falsches Herangehen an die Sozialpolitik. Sinn von Sozialpolitik ist die Schaffung von Chancengleichheit zur Teilhabe am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben. Dazu gehört die Teilhabe an Arbeit, dazu gehört die Teilhabe an Bildung, dazu gehört die Teilhabe an Gesundheitsvorsorge und Kultur; weitere Felder wären noch zu nennen. Aber, wie gesagt, Sie verstehen es als Almosenpolitik und Verwaltung von Armut. Die Gewährung von Chancengleichheit ist ein Menschenrecht. Sie ist sowohl in unserem Grundgesetz der Bundesrepublik verankert als auch - ich habe es zitiert - in der Verfassung des Freistaats Thüringen. Sozialpolitik ist auch Investitionspolitik, nämlich die Gelder, die für Sozialpolitik ausgegeben werden, sorgen auch dafür, dass gestaltet werden kann und vor allem dass Folgekosten verhindert werden können. Beispiel: Behinderte in Arbeit zu bringen, erspart Ausgaben bei der Arbeitslosenunterstützung; Ausgaben wie Blindengeld zur Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens sparen Kosten in bestimmten Fällen für die stationäre Unterbringung. Also ist auch das Verständnis zu erwecken, Sozialpolitik ist Gestaltung. Aber ich glaube, meine Damen und Herren von der CDU, dazu bedarf es bei Ihnen noch eines größeren Erkenntnisprozesses. Ich habe es mit Genugtuung vernommen, dass Sie der Überweisung an den Ausschuss zustimmen, aber ich verbinde das auch mit der Hoffnung, dass hier eine konstruktive Diskussion geführt wird und dass Ihre Motivation nicht darin besteht, nach dem Motto zu handeln, wir verweisen das an den Ausschuss, wir werden das dort aussitzen und die Luft wird aus der Protestbewegung in dieser Zeit schon
herausgehen. Ich kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren von der CDU, und auch Ihnen, Herr Minister, die Luft wird nicht bei den Betroffenen ausgehen und die Betroffenen werden mit wachsamem Auge verfolgen, was in dem Ausschuss beraten, diskutiert und eventuell entwickelt wird. Der Protest - und da fordere ich auch die Betroffenen auf - soll diesen Ausschuss weiter begleiten. Danke.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Es ist zunächst Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und begleitend an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten beantragt worden.
Ich lasse zunächst über die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Bei 1 Gegenstimme so beschlossen.
Dann lasse ich über die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Keine. Damit ebenfalls bei 1 Gegenstimme so beschlossen.
Wir müssen jetzt über die Federführung abstimmen. Es wurde vorgeschlagen, die Federführung dem Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu übertragen. Ist das so? Dann lasse ich jetzt über die Federführung abstimmen, die dem Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit übertragen werden soll. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? Keine. Damit ist das ebenfalls so beschlossen.
Thüringer Straßenausbau- beitragsbefristungsgesetz Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drucksache 4/2620 - ERSTE BERATUNG
Das Wort zur Begründung wurde gewünscht. Ich erteile Abgeordneten Kuschel, Linkspartei.PDS-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung und die CDU verharren ja offensichtlich weiter in ihrem künstlichen Koma,
deshalb werden Probleme in diesem Lande nicht in dem erforderlichen Umfang wie notwendig wahrgenommen. Deshalb muss die Linkspartei.PDS hier einen Gesetzentwurf vorlegen, der eigentlich durch die Landesregierung und die CDU hätte erarbeitet werden müssen.